Einzelbild herunterladen
 
foB» von seinem Posten abgerufen werden. So unscheinbar diese Mitteilung klingt, so wichtig ist gerade sie im Gegensatz zu den vielen oben verzeichneten Gerüchten: denn wenn die Nachricht sich bewahrheiten sollte, so würde dadurch bewiesen sein, daß Frankreich  nicht so ängstlich auf seinPrestige" bedacht ist wie Deutschland  . und daß es bannt der Erhaltung des Friedens in hervorragender Weise dient. Wem der Hauptinhalt des französischen   Gelbbuches noch er- innerlich ist, der wird wissen, daß einer der wesentlichsten Differenz- punkte auf die Person St. Renö Taillandiers Bezug hatte. Dieser soll sich unbefugterweise auf ein europäisches Mandat berufen haben, und dadurch ganz besonders soll Wilhelms II. also auch LülowS Zorn erregt worden sein. Wenn nun die französische   Regierung diesen Mann seines Postens enthebt, so beweist der sonst und an sich durchaus .mscheinbare Akt im jetzigen Stadium der Verhand- -ungen ganz zweifellos ein Maß von kühler Besonnen- heit und bewundernswerter Selbstverleugnung, wie sie bei starken Staaten selten zu finden sind. Frankreichs   Einlenken wäre um so lobenswerter, als ja Deutschland   in AlgeciraS   fast »soliert ist und alle Mächte, die überhaupt etwas zu bedeuten haben, entweder wie Amerika   ehrlich neutral zu sein scheinen oder aber auf Frankreichs   Seite stehen. So gewinnt denn die an sich nebensächliche und gleichgültige Abberufung Taillandiers eine eminent politische Bedeutung. Man kann und darf nun einmal die Gefühl« und die Gedanken ver edlen Diplomatenzünftler nicht mit dem Maßstabe alltäglichen gesunden Menschenverstandes messen. Und darum ist und bleibt Frankreichs   Entschluß, Taillandier abzuberufen, so überaus bemerkens- wert vorausgesetzt natürlich, daß die Mitteilung nicht etwa aus der Luft gegriffen ist l__ In der Sackgasse! Die Regierung sieht sich durch ihren agrarzöllnerischen Kurs gezwungen, zur Vermeidung eines offenen Zollkrieges sich in steigendem Maße zur Abschließung sogenannter Handelsprovisorien zu bequemen. Schon seit 1898 besteht zwischen Deutschland   und Großbritannien   mit seinen Kolonien kein Handelsvertrag mehr. Der Handelsverkehr zwischen beiden Mächten vollzieht sich auf Grund eines Provisoriums, einer Verlängerung des früheren Meist« begiinstigungsvertrages, deren Frist bisher alljährlich erneuert wurde, kürzlich aber vom Reichstag bis zum 31. Dezbr. 1907 ausgedehnt worden ist. Jetzt gedenkt die Regierung in ihrer Verlegenheit auch mit der nord- amerikanischen Union, die nächst England mit Deutschland   den größten Handelsverkehr unterhält, ein derartiges Provisorium abzuschließen: denn das bisherige von der. deutschen   Regierung gekündigte Ueberein- kommen mit den Vereinigten Staaten   läuft am 1. März dieses Jahres ab und die Erneuerung eines neuen Vertrages bis zu diesem Termin erscheint völlig ausgeschlossen. Das Erlöschen des Abkommens am 1. März aber würde nicht, wie von agrarischer Seite behauptet wird, einfach zur Anwendung des neuen deutschen  GeneraltarifeS auf die Einfuhr amerikanischer Produkte in Deutsch  - land und zum Entzug der Vergünstigungen deS Abschnittes III der Dingley-Bill für die in das Vereinigte Staaten  - Gebiet importierten deutschen   Waren führen, sondern zu einem beider- seitjgen Zollkrieg. Es ist ganz sicher, daß die Aankees mit einer sogenanntenRetaliati on", einer Wiedervergeltung, d. h. mit Zollzuschlägen auf die von Deutschland   in die Union   eingehenden Waren sowie mit der Aushebung aller der deutschen   Schiffahrt zu- gestandenen besonderen Vergünstigungen antworten würden. Bekanntlich arbeiten bereits die hochschntzzöllnerischen Gruppen des amerikanischen  Kongresses daran, die Washingtoner Regierung mit dem erforderlichen Kampfmaterial für einen solchen Zollkrieg auszurüsten. Im Repräsen- tantenhause hat Mc Cleary(Minnesota  ) eine sogenannte Retaliattons- bill eingebracht, die vorschlägt, die Erzeugnisse derjenigen Länder, welche die amerikanische» Waren nach ihren Maximaltarifen verzollen, mit 25 prozentigen Zollzuschlägen zu belegen. Und einen ähnlichen Antrag hat im Senat Vir. Lodge(Massachusetts  ) eingebracht. Daß solche Zollmatznahmen der amerikanischen   Regierung aber geduldig von Deutschland   hingenommen würden, erscheint ausgeschlossen. Die deutsche   Regierung würde sich genöttgt sehen, auf Grund des§ 1l> des neuen Zolltarifgesetzes von amerikanischen   Produkten, die in das deutsche Zollgebiet eingeführt werden, ebenfalls Zollzuschläge zu erheben. Ein heftiger Zollkrieg wäre also die unvermeidliche Folge. Um diesem Zollkrieg vorzubeugen, gedenkt die deutsche Regierung an den Reichstag mit der Forderung heranzutreten, dem Bundesrat Vollmacht zur Vereinbarung eines Provisoriums für den Handelsverkehr mit Amerika   zu erteilen, wie es heißt zunächst auf ein Jahr. Durch dieses Provisorium sollen vorläufig den Ver- einigten Staaten sämtliche den Vertragsstaatcn Rußland, Oesterreich. Italien  , Rumänien  , Belgien  , der Schweiz   usw. eingeräumten Er- Mäßigungen des deutschen   Zolltarifs zugestanden werden ohne eine andere Gegenleistung von amerikanischer Seite als die bisher Deutschland   gewährten Vorteile. Zwar ist noch nicht gewiß, ob Amerika   gewillt ist, einem solchen provisorischen Abkommen zuzustimmen. Wie in Deutschland   die Agrarier im Interesse ihres Profits gar zu gern sähen, daß Deutschland   mit der Union   in einen Zollkrieg geriete, so gibt es auch drüben eine starke Partei, besonders im Senat, die jeder Verständigung beider Mächte entgegenarbeitet. Schließlich dürste aber auch drüben die ruhige Erwägung über die Profitsucht die Oberhaud behalten. Besser als ein Zollkrieg ist ein solches Provisorium immerhin, doch bedeutet es alles eher, denn einen Erfolg der deutschen   RegierungS- diplomatie, selbst dann nicht, wenn tatsächlich die amerikanische   Re- gierung, wie verlautet, eine Abstellung der von den amerikanischen  Zollabfertigungen bei der Verzollung deutscher   Waren beliebten Schikanen verspricht. Denn ein solches Versprechen ist in Anbetracht der amen- kanischen Verzollungsbestiinmungen nahezu wettloS. Tatsächlich gewährt Deutschland   Uncle Sam seinen neuen Vertragstarif ohne von diesem irgend eine neue Zollvergütung zu erhalten. Und dieses beiderseittge Verhältnis wird sich zu einem dauernden gestalten. Mag auch der New Dorker Mitarbeiter derKrcuz-Zeitung" von dem Motiv geleitet werden, im agrarischen Interesse den Zollkrieg zu schüren, so hat er doch vollkommen recht, wenn er in der heutigen Morgennummer meint, daß. falls die deutsche Regierung auf diesen Kompromiß mit der Union   eingeht, sie auch künftig nicht mehr er- laugen wird. Das Provisorium wird voraussichtlich, wie das englische, von recht langer Dauer sein und. wenn es an eine Frist gebunden wird, noch recht oft verlängert werden müssen. Die Regierung ist, wie vorauszusehen war, mit ihrer Handels- Politik gegenüber der Union   in eine Sackgasse gelangt. Wollte sie Zollermäßigungen für die deutsche industrielle Einfuhr in die Union  herausschlagen, dann mußte sie unter Berücksichtigung der Gegensätze zwischen den verschiedenen amerikanischen   Erwerbsgruppen dasJnteresse der einen Gruppe gegen das der anderen ausspielen. Vornehmlich hätte sie versuchen müssen, die landwirtschaftlichen Interessenten der West- und Südstaaten für ihre Forderung einzuspannen, indem sie diesen besondere Zollermäßignngen für ihre Ausfuhrprodukte: für Wei-cn, Mais, frisches und getrocknetes Obst usw. in Aussicht stellte. Haben auch zurzeit die industriellen Hochschutzzölluer drüben die Uebcrmacht so ist doch keineswegs der Einfluß der ackerbautreibenden West- und Südstaaten zu unterschätzen. Daß sie sich aber für die agrarischen Vertragssätze deS neuen deutschen   TarifeS besonders ins Geschirr legen sollen, läßt sich nicht verlangen, denn diese neuen Vertragssätze sind viel höher als jene, zu denen bisher die amerikani- schen Produkte in Deutschland   eingeführt werden konnten. Zudem hätte die deutsche   Regierung versuchen müssen, in die Phalanx der amerikanischen   Hochschutzzöllnerei dadurch einen Keil zu treiben, daß sie einen Teil der großen Trusts für ihre Absichten einfing, indem sie z. B. den Oeltrust dadurch an den Abschluß eines deutsch-amerikanischen Reziprozitätsvertrages interessierte, daß sie sich zur Ermäßigung des Petroleumzolles verstand. Und ebenso hätte sie die Fleischexport-Kompagnie durch das Zugeständnis einer Revision der deutschen   Fleischeiufuhrverbote und-Beschränkungen zu gewinnen suchen müssen. Nach der Handelslage beider Länder vermag Deutschland  nur dadurch Ermäßigungen der amerikanischen   Zollsätze auf Industriewaren deutscher Herkunft zu erreichen, daß es die Einfuhr amerikanischer Lebensmittel in das deutsche Zoll- gebiet erleichtert, das heißt sich zur Herabsetzung der Zölle für diese versteht. Dazu verspürt jedoch die Regierung keine Neigung. Weit höher als das Interesse der deutschen   Arbeiter und Export- industrie steht ihr das Interesse der Agrarier an hohen Preisen für landwirtschaftliche Produkte. Diese Preise dürfen in keinem Falle durch eine Vcrbilligung der aus­ländischen Lebeusmittelzufuhr gedrückt werden, weit eher kann der industrielle deutsche Arbeiter auf aus- reichende Nahrung und auf Beschäftigung ver- zichten. Deutfeheo Reich. Das Ergebnis der Wahl in Chemnitz  läßt sich immer noch erst nach vorläufigen Resultaten fest- stellen, da amtliche Ziffern bisher nicht vorliegen, die anderen Mitteilungen aber untereinander differieren. Die freisinnige Presse sieht in dem Wahlausgang einen Rückgang der So- zialdemokratie, schlußfolgert aber: der Freisinn marschiert. Rein äußerlich möchte das allerdings so scheinen, denn unsere Stimmen sind von 34 266, die auf Schippe! fielen, auf 31 628 zurückgegangen, die der Freisinnigen von 3763 auf 9652 ge- stiegen. Der freisinnige Kandidat hat rechnungsmäßig alle die Stimmen gewonnen, welche Nationalliberale und Sozial- demokraten verloren haben. Was die sogenanntenNational- liberalen" anbelangt, so ist jedoch zu erwägen, daß es sich um eine konservativ-nationalliberale Mischmasch-Kandidatur handelte. Was die besungene Werbekrast des Liberalismus anbelangt, so dürfte diese bei den gewonnenen Stimmen aus nationalliberalem Lager sich vielmehr als Abneigung gegen das reaktionäre Kartell, denn als Ginneigung zu den liberalen Ideen erweisen. Bei dem Abgang der sozialdemokratischen Stimmen spricht etwas Aehnliches mit. Rein vom Standpunkte des Augenblick- Erfolges betrachtet, hat vielleicht die Politik unseres früheren Kandidaten, des Genossen Schippe!, viel für �ch. Er hat zweifellos eine große Zahl von Stimmen aus bürgerlichem Lager erhalten, aus den Reihen der Leute, die nicht dem Sozialdemokraten, sondern dem scharfen Oppositionsnmnne, dem Gegner des gegenwärtig beliebten Regimes ihre Stimme gaben. Diese Gefolgschaft nun ist uns in Chemnitz   verloren gegangen. Wir haben hier durch den Kandidatenwechsel das interessante Experiment machen können, die Mitläufer aus diesen Reihen zu zählen, die Leute, die in Schippe! den Mann ihres Vertrauens wähl- ten, die jedoch den Vertreter der Sozialdemo- kratie in N o s k e s Person nicht wählen mochten. Hier zeigt sich an demselben Beispiel aber auch die Gefahr der Schippelschen Politik. Eine Partei wie die unsere ist darauf angewiesen, ihre Anhänger zu zählen und zwar die ver- läßlichen Anhänger. Die Politik aber, welche nur unzu- verlässige Mitläufer heranzieht, täuscht uns über die eigene Stärke. Und eine Ueberschätzung der eigenen Kraft wäre das schlimmste, was einer angreifenden Partei, wie der Sozial- demokratie, passieren kann. Die Wahl in Chemnitz   Mi uns also eine bemerkenswerte Aufklärung gebracht. Daß wir trotz- dem mit ihr zufrieden sein könnten, vermögen wir bei alledem nicht zu sagen. In der Zeit einer so tiefen politischen Er- regung, wie die gegenwärtige ist, hätten wir p o s i t i v e Er- folge in Kemnitz erwarten dürfen, kein bloßes Festhalten am unentreißbaren Besitzstand.- Die Wahlrechtsfrage. Während die Zelttrumsfraktion jede energische Agitatton für das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht ablehnt, findet nian in dem Teil der Zentrumspresse, der auf seine Abonnenten in der Arbeiterschaft Rücksicht zu nehmen hat. oft ganz richtige Aus- führungen über die Notwendigkeit dieses Wahlrechts. So schreibt z. B. dieKöln  . Volksztg.": Wenn man mitScharfmachern" über solche Dinge spricht, so muß man hören, daß alles von dersozialdemokratischen Verhetzung" komme. Ohne diese, hört man sagen, würden die Arbeiter gar nicht an das preußische Wahlrecht denken, sie würden überhaupt bescheidener sein und sich vielmehr gefallen lassen. Ich muß demgegenüber bemerken, daß nach meinen langjährige» Erfahrungen und Beobachtungen, die ich sowohl in Städten wie auf dem platten Lande gemacht habe, der Haupt- grund ganz anderswo liegt. Er liegt in dem hohen Stande der allgemeinen Volksbildung. Die Leute wollen sich nichts mehr gefallen� lassen, weil sie sich den An- gehörigen dergebildeten Klassen" nicht bloß gleich- berechtigt fühlen, sondern auch einsehen, daß sie"s ihnen unter Umständen an allgemeiner Bildung gleichtun können. Kurz und gut: wenn die Scharsmacher an dem allgemeinen Wahlrecht in Preußen vorbeikommen wollen, so müßten sie eS verstehen, die breiten Volksmassen so umzuformen, daß sie wieder so bescheiden, so einfältig und so furchtsam werden, wie vor 56 Jabren derJnstmann" in Pommern   und Mecklenburg   war. Wenn ihnen das gelänge, dann könnte das Dreiklasscnwahlrecht noch lange vorhalten. Aber der gelehrige, selbstbewußte Arbeiter von heute, der sich zum Entsetzen der Scharfmacher für ebenso klug h..!t, wie z. B. ein Mitglied des hohen Herrenhauses, dem kann niemand eine solche Deklassierung im Wahlrecht noch lange bieten." Lehrkurse für Schwcinrfütterer hat der LandwirtschastSminister v. Podbielski auf seinem Gute Karstädt   errichtet und eröffnet. Die Kurse sollen, wie es heißt, dazu dienen, die Landwirte in der Aufzucht und Fütterung der Schweine zu unterrichten. Der Unter- richt dauert drei Monate. Am Schluß deS Lehrganges wird eine Prüfung abgehalten. Schüler, die den Lehrkursus mit Erfolg besucht haben und darauf zwei Jahre zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebers in einem Betriebe mit Schweinehaltung tätig gewesen sind, können nach nochmaliger kurzer Prüfung in der Veriuchsstation Karstädt  von der brandenburgischen Landwirtschaftskammer� deren Aufsicht die Lehrkurse unterstellt sind, den Titelgeprüfter Schiveinemeister" erhalten..___ Podbielski scheint tatsächlich nw seinem Rucktritt zu rechnen und sich deshalb beizeiten nach einem anderen angemessenen Betättgungsfeld für seine geistigen Gaben umzusehen. ZeltungS-Rmnsch. DieStaatsb.- Ztg." kündigt jetzt selbst an, daß sie'durch notariellen Vertrag vom heutigen Tage in den Besitz der Zeitung Das Reich", Gesellschaft mit beschränkter Haftung übergegangen ist. Diese Aenderung des Verlages", sagt das Blatt,bedeutet für dieStaatsbürger-Zeitung" keinen Wechsel ihrer politischen Haltung und ihrer deutschnationalen Gesinnung auf allen Ge- bieten unseres öffentlichen Lebens. In ihrer alteingebllrgerten Art erscheint dieSraatsbürger-Zcitung" unverändert wie bisher weiter: nach wie vor wird sie bestrebt sein, das alte Programm der Bertiner Bewegung Christentum, Vaterland, Monarchie, zu befolgen: nach wie vor wird sie für die soziale Resormarbeit für alle bedürftigen Stände unseres Volkes eintreten: nach wie vor sollen die Wünsche der wirtschaftlich Schwachen, besonders die des Mittelstandes, in ihr eine kräftige Fürsprecherin finden, die ohne Scheu nach oben und unten ihre Meinung sagen und durch- zusetzen versuchen wird." Wir glauben schon, daß dieStaatsbürger Zeitung" sich im neuen Verlag nicht sonderlich verändern wird schon deshalb nicht, weil sie in ihreralteingebürgerten Art" nicht mehr viel tiefer sinken kann, als bisher._ Spiritus-Zentrale. Die kontradiktorischen Verhandlungen über die SpiriwSzentrale, die in vergangener Woche stattfanden, haben, wie dieFrankfurter Zeitung  " berichtet, zu heftigen Zusammenstößen zwischen den an den Verhandlungen teilnehmenden Interessenten geführt. Die Anhänger der Zentrale haben den Versuch gemacht, durch lange Ausführungen den Gegnern das Wort möglichst zu beschränken. Es wurden in den Verhandlungen sehr scharfe Angriffe auf die Preispolitik der Zentrale ge- richtet. Man warf ihr rücksichtsloses Vorgehen in der Erhöhung wie der Ermäßigung der Preise vor, so daß ihre Abnehmer vollständiger Willkür preisgegeben waren. Diese Klagen wurden nicht nur vom DcstiNateurgeiv'erbe, sondern besonders auch von den Lack- und Parfümcrietabrikanten erhoben. Die Abstoßung von Spiritus zu Schnndpreisen in das Ausland habe dort zur Errichtung von Konkurreuzfabriken geführt und die deutschen   Unternehmungen schwer geschädigt. Die Vertreter der Zentrale sagten unter dem Druck dieser Anklage Abänderung zu, schränkten aber später dieses Ein- geständnis dahin ein, daß eine Abänderung erst 1903 eintreten könnte._ Serenissimus als Erfinder. Aus Kiel   wird gemeldet: Die angestellten Versuche mit dem auf dem neuesten Hochsec- torpedoboot3 131" eingebauten Nikipropeller, der vielbesprochenen Erfindung des Groß Herzogs von Oldenburg, haben einen befriedigenden Verlauf genommen, wenn auch eine Steigerung der Geschwindigkeit noch nicht erzielt wurde. Es scheint also die Sachverständigen zu befriedigen, wenn das Boot mit dem neuen Propeller nicht langsamer läuft, als vorher. Herr Redakteur Kammer von derStaatsbürger-Zeitung" sendet uns eine Zuschrift, in der er bestreitet, am 21. Januar mit sechs seiner Genossen bewaffnet nach denLinden" gezogen zn sein. Er wäre an diesem Tage überhaupt nicht Unter den Linden gewesen. Herr Kammer fügt hinzu: Derartige Mordiustrunlente, wie Sie mir andichten, habe ich seit Monaten überhaupt nicht in der Hand gehabt. Außerdem bin ich an dem betreffenden Tage nur mit einem Herrn und nicht mit sechs zusammengewesen. Dies zur Kennzeichnung der trüben Quelle, aus der Sie Ihre sensationelle" Mitteilung schöpften: ich erwarte von Ihrer Loyalität, daß sie in der nächsten Nummer deSVorwärts" die gegen mich gerichteten Verleumdungen mit dem Ausdruck des Be- dauerns zurücknehmen, auch ohne daß ich mich erst noch auf den 8 11 des Preßgesetzes berufen brauche." Der Stil sieht allerdings stark nach Umgang mit Revolvern ans. Uebrigens war unsere Mitteilung durchaus nichtsensationell": was HerrKammer jetzt ableugnet, halten seine Gesinnungsfreunde doch vor dem 21. Januar angekündigt! Die Hamburger Bürgerschaft in Nöte». In der sich des Lobes aller Reaktionäre irnd Scharfmacher erfreuenden republikanischen Volksvertretung lvurde am Mitt- Wochabend die Spezialdebatte über das Wahlgesetz für die Wahlen zur Bürgerschaft eröffnet. Wie schon telegraphisch berichtet, gedenkt die Wahlrechtsräubcrmehrheitschnelle Ar- beit" zu machen, nachdem dazu durch die bereits vom Senat sanktionierte Verfassungsänderung die Bahn frei gemacht ist. Alle verfassungs- und geschäftsordnungsmäßig zulässigen Widerstände werden als unliebsaine Störung des Volksent- rechtungsversahrens betrachtet. Wie der Verlauf der Debatte beweist, schwebt den parlamentarischen Vertretern der Ham- burger Plutokratie das seinerzeit von der berüchtigten Zoll­mehrheit im Reichstage beliebteabgekürzte" Verfahren vor, um den Raub schnellstens in Sicherheit zu bringen. Die von Dr. W c n tz e l(Rechte) beantragte Zurückstellung der Vor- läge, bis erst weitere Wirkungen des jetzigen Wahlgesetzes vorlägen, wurde mit Dreiviertelmehrheit abgelehnt. Genosse Emil Fischer   wandte sich gegen den§ 1 der Vorlage, weil derselbe eine Erweiterung des Notabelnwahl- körpers enthalte, und beantragte unter großer Unruhe ge- Heime Abstimmung über diesen Paragraphen, die mittels Kugeln vorgenommen werden muß. Das steht in der V e r- f a s s u n g und kann daher nicht auf gesckiäftsordnungs- mäßigem Wege beseitigt werden. Da eine solche Abstimmung eine gute halbe Stunde in Anspruch nimmt, so ergiebt ein leichtes Rechenexempel, wie viele Sitzungen erforderlich sind, um, wenn jedesmal geheime Abstimmung beantragt wird, das aus 42 Paragraphen bestehende Wahlgesetz zu verabi�ncden. Mit 99 weißen gegen 33 schwarze Kugeln wurde s 1 ange- nommen. Zu Z 2, der die Wahlberechtigung festsetzt, beantragte Dr. B r a b a n d(Rechte) hinzuzufügen, daß die in den letzten drei Jahren wegen Steuerhinterziehung Bestraften nicht wahlberechtigt sein dürfen. Er bezeichnet diesen Antrag als eine sittliche Forderung. Steuerhinterziehungen kämen bis in die höchsten Steuerklassen hinein vor.(Unruhe.) Wer nun wegen Steuerhinterziehung-bestraft und in eine höhere Steuer- stufe als 2566 M. auf dem Zwangswege befördert werde, er- halte dann als Belohnung ein höheres Wahlrecht. Die Sozial- demokraten beantragen g e h e ini e Abstimmung. Nach kurzer Debatte beantragte Roh de(Linke), da ein neues Moment in die Debatte gebracht sei, das Ge- setz an den Ausschuß zur nochmaligen Bera­tung zurückzuweisen. Sehr sittlich entrüstet über die geheimen Abstimmungen tut der Häuptling der Grundeigentümer, Dr. E d d e l- b ü t t e l, der den Antrag Rohda unterstützte, uin eine en bloc- Abstimmung zu ermöglichen. Die geheimen Abstim- mungen seien nur beantragt, um die Verhandlungen zu ver- zögern oder lächerlich zu machen. Das sei verwerflich, l Zuruf: Dann war es früher auch verwerflich!) Der Herr faselte dann noch etwas über denTerrorismus der Sozialdemokraten", die sicher zu jedem Paragraphen Abstimmung bean­tragen würden. Nach§ 49 der Geschäftsordnung wünsche er die cn bloc-Annahme der Vorlage. Genosse Stollen hält