foB» von seinem Posten abgerufen werden. So unscheinbar dieseMitteilung klingt, so wichtig ist gerade sie im Gegensatz zu denvielen oben verzeichneten Gerüchten: denn wenn die Nachricht sichbewahrheiten sollte, so würde dadurch bewiesen sein, daß Frankreichnicht so ängstlich auf sein„Prestige" bedacht ist wie Deutschland.und daß es bannt der Erhaltung des Friedens in hervorragenderWeise dient.Wem der Hauptinhalt des französischen Gelbbuches noch er-innerlich ist, der wird wissen, daß einer der wesentlichsten Differenz-punkte auf die Person St. Renö Taillandiers Bezug hatte. Diesersoll sich unbefugterweise auf ein europäisches Mandat berufenhaben, und dadurch ganz besonders soll Wilhelms II.— also auchLülowS— Zorn erregt worden sein.Wenn nun die französische Regierung diesen Mann seinesPostens enthebt, so beweist der sonst und an sich durchaus.mscheinbare Akt im jetzigen Stadium der Verhand--ungen ganz zweifellos ein Maß von kühler Besonnen-heit und bewundernswerter Selbstverleugnung, wie sie beistarken Staaten selten zu finden sind. Frankreichs Einlenkenwäre um so lobenswerter, als ja Deutschland in AlgeciraS fast»soliert ist und alle Mächte, die überhaupt etwas zu bedeuten haben,entweder— wie Amerika— ehrlich neutral zu sein scheinen oderaber auf Frankreichs Seite stehen. So gewinnt denn die ansich nebensächliche und gleichgültige Abberufung Taillandiers eineeminent politische Bedeutung.Man kann und darf nun einmal die Gefühl« und die Gedankenver edlen Diplomatenzünftler nicht mit dem Maßstabe alltäglichengesunden Menschenverstandes messen. Und darum ist und bleibtFrankreichs Entschluß, Taillandier abzuberufen, so überaus bemerkens-wert— vorausgesetzt natürlich, daß die Mitteilung nicht etwa ausder Luft gegriffen ist l—__In der Sackgasse!Die Regierung sieht sich durch ihren agrarzöllnerischen Kursgezwungen, zur Vermeidung eines offenen Zollkrieges sich insteigendem Maße zur Abschließung sogenannter Handelsprovisorienzu bequemen. Schon seit 1898 besteht zwischen Deutschland undGroßbritannien mit seinen Kolonien kein Handelsvertrag mehr. DerHandelsverkehr zwischen beiden Mächten vollzieht sich auf Grundeines Provisoriums, einer Verlängerung des früheren Meist«begiinstigungsvertrages, deren Frist bisher alljährlich erneuert wurde,kürzlich aber vom Reichstag bis zum 31. Dezbr. 1907 ausgedehnt wordenist. Jetzt gedenkt die Regierung in ihrer Verlegenheit auch mit der nord-amerikanischen Union, die nächst England mit Deutschland den größtenHandelsverkehr unterhält, ein derartiges Provisorium abzuschließen:denn das bisherige von der. deutschen Regierung gekündigte Ueberein-kommen mit den Vereinigten Staaten läuft am 1. März diesesJahres ab und die Erneuerung eines neuen Vertrages bis zudiesem Termin erscheint völlig ausgeschlossen. Das Erlöschen desAbkommens am 1. März aber würde nicht, wie von agrarischerSeite behauptet wird, einfach zur Anwendung des neuen deutschenGeneraltarifeS auf die Einfuhr amerikanischer Produkte in Deutsch-land und zum Entzug der Vergünstigungen deS Abschnittes IIIder Dingley-Bill für die in das Vereinigte Staaten- Gebietimportierten deutschen Waren führen, sondern zu einem beider-seitjgen Zollkrieg. Es ist ganz sicher, daß die Aankees miteiner sogenannten„Retaliati on", einer Wiedervergeltung, d. h.mit Zollzuschlägen auf die von Deutschland in die Union eingehendenWaren sowie mit der Aushebung aller der deutschen Schiffahrt zu-gestandenen besonderen Vergünstigungen antworten würden. Bekanntlicharbeiten bereits die hochschntzzöllnerischen Gruppen des amerikanischenKongresses daran, die Washingtoner Regierung mit dem erforderlichenKampfmaterial für einen solchen Zollkrieg auszurüsten. Im Repräsen-tantenhause hat Mc Cleary(Minnesota) eine sogenannte Retaliattons-bill eingebracht, die vorschlägt, die Erzeugnisse derjenigen Länder,welche die amerikanische» Waren nach ihren Maximaltarifen verzollen, mit25 prozentigen Zollzuschlägen zu belegen. Und einen ähnlichenAntrag hat im Senat Vir. Lodge(Massachusetts) eingebracht. Daßsolche Zollmatznahmen der amerikanischen Regierung aber geduldigvon Deutschland hingenommen würden, erscheint ausgeschlossen. Diedeutsche Regierung würde sich genöttgt sehen, auf Grund des§ 1l>des neuen Zolltarifgesetzes von amerikanischen Produkten, die indas deutsche Zollgebiet eingeführt werden, ebenfalls Zollzuschlägezu erheben. Ein heftiger Zollkrieg wäre also die unvermeidlicheFolge.Um diesem Zollkrieg vorzubeugen, gedenkt die deutsche Regierungan den Reichstag mit der Forderung heranzutreten, dem BundesratVollmacht zur Vereinbarung eines Provisoriums für denHandelsverkehr mit Amerika zu erteilen, wie es heißt zunächst aufein Jahr. Durch dieses Provisorium sollen vorläufig den Ver-einigten Staaten sämtliche den Vertragsstaatcn Rußland, Oesterreich.Italien, Rumänien, Belgien, der Schweiz usw. eingeräumten Er-Mäßigungen des deutschen Zolltarifs zugestanden werden ohne eineandere Gegenleistung von amerikanischer Seite als die bisherDeutschland gewährten Vorteile. Zwar ist noch nicht gewiß, obAmerika gewillt ist, einem solchen provisorischen Abkommenzuzustimmen. Wie in Deutschland die Agrarier im Interesseihres Profits gar zu gern sähen, daß Deutschland mit derUnion in einen Zollkrieg geriete, so gibt es auch drübeneine starke Partei, besonders im Senat, die jeder Verständigung beiderMächte entgegenarbeitet. Schließlich dürste aber auch drüben dieruhige Erwägung über die Profitsucht die Oberhaud behalten.Besser als ein Zollkrieg ist ein solches Provisorium immerhin,doch bedeutet es alles eher, denn einen Erfolg der deutschen RegierungS-diplomatie, selbst dann nicht, wenn tatsächlich die amerikanische Re-gierung, wie verlautet, eine Abstellung der von den amerikanischenZollabfertigungen bei der Verzollung deutscher Waren beliebten Schikanenverspricht. Denn ein solches Versprechen ist in Anbetracht der amen-kanischen Verzollungsbestiinmungen nahezu wettloS. Tatsächlichgewährt Deutschland Uncle Sam seinen neuen Vertragstarif— ohnevon diesem irgend eine neue Zollvergütung zu erhalten. Und diesesbeiderseittge Verhältnis wird sich zu einem dauernden gestalten.Mag auch der New Dorker Mitarbeiter der„Krcuz-Zeitung" vondem Motiv geleitet werden, im agrarischen Interesse den Zollkriegzu schüren, so hat er doch vollkommen recht, wenn er in der heutigenMorgennummer meint, daß. falls die deutsche Regierung auf diesenKompromiß mit der Union eingeht, sie auch künftig nicht mehr er-laugen wird. Das Provisorium wird voraussichtlich, wie dasenglische, von recht langer Dauer sein und. wenn es an eine Fristgebunden wird, noch recht oft verlängert werden müssen.Die Regierung ist, wie vorauszusehen war, mit ihrer Handels-Politik gegenüber der Union in eine Sackgasse gelangt. Wollte sieZollermäßigungen für die deutsche industrielle Einfuhr in die Unionherausschlagen, dann mußte sie unter Berücksichtigung der Gegensätzezwischen den verschiedenen amerikanischen Erwerbsgruppen dasJnteresseder einen Gruppe gegen das der anderen ausspielen. Vornehmlichhätte sie versuchen müssen, die landwirtschaftlichen Interessenten derWest- und Südstaaten für ihre Forderung einzuspannen, indem siediesen besondere Zollermäßignngen für ihre Ausfuhrprodukte: fürWei-cn, Mais, frisches und getrocknetes Obst usw. in Aussicht stellte.Haben auch zurzeit die industriellen Hochschutzzölluer drüben dieUebcrmacht so ist doch keineswegs der Einfluß der ackerbautreibendenWest- und Südstaaten zu unterschätzen. Daß sie sich aber für dieagrarischen Vertragssätze deS neuen deutschen TarifeS besonders insGeschirr legen sollen, läßt sich nicht verlangen, denn diese neuenVertragssätze sind viel höher als jene, zu denen bisher die amerikani-schen Produkte in Deutschland eingeführt werden konnten. Zudemhätte die deutsche Regierung versuchen müssen, in die Phalanx deramerikanischen Hochschutzzöllnerei dadurch einen Keil zu treiben, daßsie einen Teil der großen Trusts für ihre Absichten einfing,indem sie z. B. den Oeltrust dadurch an den Abschluß einesdeutsch-amerikanischen Reziprozitätsvertrages interessierte, daßsie sich zur Ermäßigung des Petroleumzolles verstand. Und ebensohätte sie die Fleischexport-Kompagnie durch das Zugeständnis einerRevision der deutschen Fleischeiufuhrverbote und-Beschränkungen zugewinnen suchen müssen.Nach der Handelslage beider Länder vermag Deutschlandnur dadurch Ermäßigungen der amerikanischen Zollsätze aufIndustriewaren deutscher Herkunft zu erreichen, daß esdie Einfuhr amerikanischer Lebensmittel in das deutsche Zoll-gebiet erleichtert, das heißt sich zur Herabsetzung der Zöllefür diese versteht. Dazu verspürt jedoch die Regierung keine Neigung.Weit höher als das Interesse der deutschen Arbeiter und Export-industrie steht ihr das Interesse der Agrarier an hohenPreisen für landwirtschaftliche Produkte. DiesePreise dürfen in keinem Falle durch eine Vcrbilligung der ausländischen Lebeusmittelzufuhr gedrückt werden, weit eher kannder industrielle deutsche Arbeiter auf aus-reichende Nahrung und auf Beschäftigung ver-zichten.—Deutfeheo Reich.Das Ergebnis der Wahl in Chemnitzläßt sich immer noch erst nach vorläufigen Resultaten fest-stellen, da amtliche Ziffern bisher nicht vorliegen, die anderenMitteilungen aber untereinander differieren. Die freisinnigePresse sieht in dem Wahlausgang einen Rückgang der So-zialdemokratie, schlußfolgert aber: der Freisinn marschiert.Rein äußerlich möchte das allerdings so scheinen, denn unsereStimmen sind von 34 266, die auf Schippe! fielen, auf 31 628zurückgegangen, die der Freisinnigen von 3763 auf 9652 ge-stiegen. Der freisinnige Kandidat hat rechnungsmäßig alledie Stimmen gewonnen, welche Nationalliberale und Sozial-demokraten verloren haben. Was die sogenannten„National-liberalen" anbelangt, so ist jedoch zu erwägen, daß es sich umeine konservativ-nationalliberale Mischmasch-Kandidaturhandelte. Was die besungene Werbekrast des Liberalismusanbelangt, so dürfte diese bei den gewonnenen Stimmen ausnationalliberalem Lager sich vielmehr als Abneigung gegendas reaktionäre Kartell, denn als Ginneigung zu den liberalenIdeen erweisen. Bei dem Abgang der sozialdemokratischenStimmen spricht etwas Aehnliches mit. Rein vom Standpunktedes Augenblick- Erfolges betrachtet, hat vielleicht diePolitik unseres früheren Kandidaten, des GenossenSchippe!, viel für �ch. Er hat zweifellos eine große Zahlvon Stimmen aus bürgerlichem Lager erhalten, aus denReihen der Leute, die nicht dem Sozialdemokraten, sonderndem scharfen Oppositionsnmnne, dem Gegner des gegenwärtigbeliebten Regimes ihre Stimme gaben. Diese Gefolgschaftnun ist uns in Chemnitz verloren gegangen. Wir haben hierdurch den Kandidatenwechsel das interessante Experimentmachen können, die Mitläufer aus diesen Reihen zu zählen,die Leute, die in Schippe! den Mann ihres Vertrauens wähl-ten, die jedoch den Vertreter der Sozialdemo-kratie in N o s k e s Person nicht wählen mochten. Hierzeigt sich an demselben Beispiel aber auch die Gefahr derSchippelschen Politik. Eine Partei wie die unsere ist daraufangewiesen, ihre Anhänger zu zählen und zwar die ver-läßlichen Anhänger. Die Politik aber, welche nur unzu-verlässige Mitläufer heranzieht, täuscht uns über die eigeneStärke. Und eine Ueberschätzung der eigenen Kraft wäre dasschlimmste, was einer angreifenden Partei, wie der Sozial-demokratie, passieren kann.— Die Wahl in Chemnitz Mi unsalso eine bemerkenswerte Aufklärung gebracht. Daß wir trotz-dem mit ihr zufrieden sein könnten, vermögen wir bei alledemnicht zu sagen. In der Zeit einer so tiefen politischen Er-regung, wie die gegenwärtige ist, hätten wir p o s i t i v e Er-folge in Kemnitz erwarten dürfen, kein bloßes Festhaltenam unentreißbaren Besitzstand.-Die Wahlrechtsfrage.Während die Zelttrumsfraktion jede energische Agitatton für dasallgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht ablehnt, findetnian in dem Teil der Zentrumspresse, der auf seine Abonnenten inder Arbeiterschaft Rücksicht zu nehmen hat. oft ganz richtige Aus-führungen über die Notwendigkeit dieses Wahlrechts. So schreibtz. B. die„Köln. Volksztg.":„Wenn man mit„Scharfmachern" über solche Dinge spricht,so muß man hören, daß alles von der„sozialdemokratischenVerhetzung" komme. Ohne diese, hört man sagen, würdendie Arbeiter gar nicht an das preußische Wahlrecht denken, siewürden überhaupt bescheidener sein und sich vielmehr gefallenlassen. Ich muß demgegenüber bemerken, daß nach meinenlangjährige» Erfahrungen und Beobachtungen, die ich sowohl inStädten wie auf dem platten Lande gemacht habe, der Haupt-grund ganz anderswo liegt. Er liegt in dem hohenStande der allgemeinen Volksbildung. Die Leutewollen sich nichts mehr gefallen� lassen, weil sie sich den An-gehörigen der„gebildeten Klassen" nicht bloß gleich-berechtigt fühlen, sondern auch einsehen, daßsie"s ihnen unter Umständen an allgemeinerBildung gleichtun können.Kurz und gut: wenn die Scharsmacher an dem allgemeinenWahlrecht in Preußen vorbeikommen wollen, so müßten sie eSverstehen, die breiten Volksmassen so umzuformen, daß sie wiederso bescheiden, so einfältig und so furchtsam werden, wie vor56 Jabren der„Jnstmann" in Pommern und Mecklenburg war.Wenn ihnen das gelänge, dann könnte das Dreiklasscnwahlrechtnoch lange vorhalten. Aber der gelehrige, selbstbewußte Arbeitervon heute, der sich zum Entsetzen der Scharfmacher für ebensoklug h..!t, wie z. B. ein Mitglied des hohen Herrenhauses, demkann niemand eine solche Deklassierung im Wahlrecht noch langebieten."—Lehrkurse für Schwcinrfütterer hat der LandwirtschastSministerv. Podbielski auf seinem Gute Karstädt errichtet und eröffnet.Die Kurse sollen, wie es heißt, dazu dienen, die Landwirte in derAufzucht und Fütterung der Schweine zu unterrichten. Der Unter-richt dauert drei Monate. Am Schluß deS Lehrganges wird einePrüfung abgehalten. Schüler, die den Lehrkursus mit Erfolg besuchthaben und darauf zwei Jahre zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebersin einem Betriebe mit Schweinehaltung tätig gewesen sind, könnennach nochmaliger kurzer Prüfung in der Veriuchsstation Karstädtvon der brandenburgischen Landwirtschaftskammer� deren Aufsichtdie Lehrkurse unterstellt sind, den Titel„geprüfter Schiveinemeister"erhalten..___Podbielski scheint tatsächlich nw seinem Rucktritt zu rechnenund sich deshalb beizeiten nach einem anderen angemessenenBetättgungsfeld für seine geistigen Gaben umzusehen.—ZeltungS-Rmnsch.Die„Staatsb.- Ztg." kündigt jetzt selbst an, daß sie'durchnotariellen Vertrag vom heutigen Tage in den Besitz der Zeitung„Das Reich", Gesellschaft mit beschränkter Haftung übergegangen ist.„Diese Aenderung des Verlages", sagt das Blatt,„bedeutetfür die„Staatsbürger-Zeitung" keinen Wechsel ihrer politischenHaltung und ihrer deutschnationalen Gesinnung auf allen Ge-bieten unseres öffentlichen Lebens. In ihrer alteingebllrgerten Arterscheint die„Sraatsbürger-Zcitung" unverändert wie bisher weiter:nach wie vor wird sie bestrebt sein, das alte Programm derBertiner BewegungChristentum, Vaterland, Monarchie,zu befolgen: nach wie vor wird sie für die soziale Resormarbeitfür alle bedürftigen Stände unseres Volkes eintreten: nach wievor sollen die Wünsche der wirtschaftlich Schwachen, besonders diedes Mittelstandes, in ihr eine kräftige Fürsprecherin finden, dieohne Scheu nach oben und unten ihre Meinung sagen und durch-zusetzen versuchen wird."Wir glauben schon, daß die„Staatsbürger Zeitung" sich imneuen Verlag nicht sonderlich verändern wird— schon deshalb nicht,weil sie in ihrer„alteingebürgerten Art" nicht mehr viel tiefer sinkenkann, als bisher.—_Spiritus-Zentrale.Die kontradiktorischen Verhandlungen über die SpiriwSzentrale,die in vergangener Woche stattfanden, haben, wie die„FrankfurterZeitung" berichtet, zu heftigen Zusammenstößen zwischen den an denVerhandlungen teilnehmenden Interessenten geführt. Die Anhängerder Zentrale haben den Versuch gemacht, durch lange Ausführungenden Gegnern das Wort möglichst zu beschränken. Es wurden in denVerhandlungen sehr scharfe Angriffe auf die Preispolitik der Zentrale ge-richtet. Man warf ihr rücksichtsloses Vorgehen in der Erhöhung wie derErmäßigung der Preise vor, so daß ihre Abnehmer vollständigerWillkür preisgegeben waren. Diese Klagen wurden nicht nur vomDcstiNateurgeiv'erbe, sondern besonders auch von den Lack- undParfümcrietabrikanten erhoben. Die Abstoßung von Spiritus zuSchnndpreisen in das Ausland habe dort zur Errichtung vonKonkurreuzfabriken geführt und die deutschen Unternehmungen schwergeschädigt. Die Vertreter der Zentrale sagten unter dem Druckdieser Anklage Abänderung zu, schränkten aber später dieses Ein-geständnis dahin ein, daß eine Abänderung erst 1903 eintretenkönnte._Serenissimus als Erfinder.Aus Kiel wird gemeldet:Die angestellten Versuche mit dem auf dem neuesten Hochsec-torpedoboot„3 131" eingebauten Nikipropeller, der vielbesprochenenErfindung des Groß Herzogs von Oldenburg, habeneinen befriedigenden Verlauf genommen, wenn auch eineSteigerung der Geschwindigkeit noch nicht erzieltwurde.Es scheint also die Sachverständigen zu befriedigen, wenn dasBoot mit dem neuen Propeller nicht langsamer läuft, als vorher.—Herr Redakteur Kammer von der„Staatsbürger-Zeitung" sendetuns eine Zuschrift, in der er bestreitet, am 21. Januar mit sechs seinerGenossen bewaffnet nach den„Linden" gezogen zn sein. Er wärean diesem Tage überhaupt nicht Unter den Linden gewesen.Herr Kammer fügt hinzu:„Derartige Mordiustrunlente, wie Sie mir andichten, habe ichseit Monaten überhaupt nicht in der Hand gehabt. Außerdembin ich an dem betreffenden Tage nur mit einem Herrn und nichtmit sechs zusammengewesen.Dies zur Kennzeichnung der trüben Quelle, aus der Sie Ihre„sensationelle" Mitteilung schöpften: ich erwarte von IhrerLoyalität, daß sie in der nächsten Nummer deS„Vorwärts" diegegen mich gerichteten Verleumdungen mit dem Ausdruck des Be-dauerns zurücknehmen, auch ohne daß ich mich erst noch auf den8 11 des Preßgesetzes berufen brauche."Der Stil sieht allerdings stark nach Umgang mit Revolvernans.— Uebrigens war unsere Mitteilung durchaus nicht„sensationell":was HerrKammer jetzt ableugnet, halten seine Gesinnungsfreundedoch vor dem 21. Januar angekündigt!—Die Hamburger Bürgerschaft in Nöte».In der sich des Lobes aller Reaktionäre irnd Scharfmachererfreuenden republikanischen Volksvertretung lvurde am Mitt-Wochabend die Spezialdebatte über das Wahlgesetz für dieWahlen zur Bürgerschaft eröffnet. Wie schon telegraphischberichtet, gedenkt die Wahlrechtsräubcrmehrheit„schnelle Ar-beit" zu machen, nachdem dazu durch die bereits vom Senatsanktionierte Verfassungsänderung die Bahn frei gemacht ist.Alle verfassungs- und geschäftsordnungsmäßig zulässigenWiderstände werden als unliebsaine Störung des Volksent-rechtungsversahrens betrachtet. Wie der Verlauf der Debattebeweist, schwebt den parlamentarischen Vertretern der Ham-burger Plutokratie das seinerzeit von der berüchtigten Zollmehrheit im Reichstage beliebte„abgekürzte" Verfahren vor,um den Raub schnellstens in Sicherheit zu bringen.— Die vonDr. W c n tz e l(Rechte) beantragte Zurückstellung der Vor-läge, bis erst weitere Wirkungen des jetzigen Wahlgesetzesvorlägen, wurde mit Dreiviertelmehrheit abgelehnt.Genosse Emil Fischer wandte sich gegen den§ 1 derVorlage, weil derselbe eine Erweiterung des Notabelnwahl-körpers enthalte, und beantragte unter großer Unruhe ge-Heime Abstimmung über diesen Paragraphen, die mittelsKugeln vorgenommen werden muß. Das steht in der V e r-f a s s u n g und kann daher nicht auf gesckiäftsordnungs-mäßigem Wege beseitigt werden. Da eine solche Abstimmungeine gute halbe Stunde in Anspruch nimmt, so ergiebt einleichtes Rechenexempel, wie viele Sitzungen erforderlich sind,um, wenn jedesmal geheime Abstimmung beantragt wird, dasaus 42 Paragraphen bestehende Wahlgesetz zu verabi�ncden.Mit 99 weißen gegen 33 schwarze Kugeln wurde s 1 ange-nommen.Zu Z 2, der die Wahlberechtigung festsetzt, beantragteDr. B r a b a n d(Rechte) hinzuzufügen, daß die in den letztendrei Jahren wegen Steuerhinterziehung Bestraften nichtwahlberechtigt sein dürfen. Er bezeichnet diesen Antrag alseine sittliche Forderung. Steuerhinterziehungen kämen bis indie höchsten Steuerklassen hinein vor.(Unruhe.) Wer nunwegen Steuerhinterziehung-bestraft und in eine höhere Steuer-stufe als 2566 M. auf dem Zwangswege befördert werde, er-halte dann als Belohnung ein höheres Wahlrecht. Die Sozial-demokraten beantragen g e h e ini e Abstimmung. � Nach kurzerDebatte beantragte Roh de(Linke), da ein neuesMoment in die Debatte gebracht sei, das Ge-setz an den Ausschuß zur nochmaligen Beratung zurückzuweisen.Sehr sittlich entrüstet über die geheimen Abstimmungentut der Häuptling der Grundeigentümer, Dr. E d d e l-b ü t t e l, der den Antrag Rohda unterstützte, uin eine en bloc-Abstimmung zu ermöglichen. Die geheimen Abstim-mungen seien nur beantragt, um die Verhandlungen zu ver-zögern oder lächerlich zu machen. Das sei verwerflich, l Zuruf:Dann war es früher auch verwerflich!) Der Herr faselte dannnoch etwas über den„Terrorismus der Sozialdemokraten",die sicher zu jedem Paragraphen Abstimmung beantragen würden. Nach§ 49 der Geschäftsordnung wünsche erdie cn bloc-Annahme der Vorlage. Genosse Stollen hält