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Hl. 43. 23. WM des Jomiick" ßnliittr WsM Mittvoch. 21. Februar 1906. Reichstag  . LS. Sitzung. Dienstag, den20. Februar, 1 Uhr. Am Bundesratstische: Graf Posadowskh. Erster Punkt der Tagesordnung ist die erste und event. zweite Beratung des deutsch  -äthiopischen Freundschafts- und Handelsvertrages. Abg. Patzig(natl.) hofft aus dem Vertrage eine Zunahme des deutschen   Handels in Abessinien. Irgend welche politischen Hinter- gedanken haben wir ja in diesem Teile Afrikas   nicht. Wohl aber sind schon jetzt wirtschaftliche Interessen Deutschlands   im äthiopischen   Reiche vorhanden. Ohne weitere Debatte wird der Vertrag in erster und zweiter Lesung angenommen. Nunmehr wird die Etatsberatung beim Etat des ReichsamtS des Innern, Kapitel: Einmalige Aus- gaben fortgesetzt. Abg. Frhr. v. Hrrtling(Z.) begrüßt die Fertigstellung der Rcichspublikation über die durch die Meisterwerke PeruginoS, Ghirlandajos usw., vor allem aber durch die unsterblichen Decken- gemälde Michelangelos   ausgezeichnete Sixtinische Kapelle   im Vatikan  . (Die Abgeordneten betrachten mit Interesse die großen, auf den Tisch des Hauses niedergelegten Reproduktionen.) �Abg. Eickhoff(frs. Vp.) gedenkt in warmen Worten des Gründers der.Gesellschaft für deutsche Erziehung", Prof. Kehrbach, welcher kürzlich gestorben ist. Abg. Schräder(frs. Vg.) schließt sich diesen Worten an. Staatssekretär Graf Posadowsk» dankt für die Anregungen der beiden Vorredner und verspricht eine Denkschrift über die Tätigkeit der Gesellschaft.(Beifall links.) Zum Titel 21(Beitrag des Reiches zu den Kosten des Ausbaues der Hohkönigsburg. VI. Rate 200 000 M.) erhält das Wort Abg. Ledebour(Soz.): Ich bitte Sie um die Ablehnung der Forderung. Die aus- führlichen Mitteilungen des Herrn Berichterstatters muß ich doch noch in einigen Punkten ergänzen. Er führt« aus. daß in der Kommission seitens des Vertreters der Regierung mitgeteilt sei, daß infolge des Baues der Hohkönigsburg sich der Besuch der Vogesen   von ISOO auf 36 000 Besucher gesteigert habe. So wie ich den Herrn Staatssekretär in der Kommission verstanden habe,' hat er diese Steigerung nicht für den Besuch der Vogesen  , wohl aber für den der Hohkönigsburg festgestellt. Er hat dann aller- dingS die Schlußfolgerung daraus gezogen, daß infolgedessen der Bau der Burg außerordentlich fördernd auf den Besuch der Vogesen  eingewirkt habe. Das ist meiner Ansicht nach ein Trugschluß, Es kommt auf dasselbe hinaus, als wenn man behaupten wollte, die Schlösser auf den Gipfeln der bayerischen Alpen, die zweifellos eine große Anzahl Neugieriger heranziehen, bildeten die L>aupt. anziehungSkraft für den Besuch der bayerischen Alpen überhaupt. Tie bayerischen Alpen wurden besucht, ehe diese merkwürdigen Gebäude oben auf den Gipfeln standen. Ein noch viel größerer Trugschluß ist eS, wenn der Staatssekretär gleichfalls meinte, daß die Errichtung der Hohkönigsburg eine Hebung des deutsch  - nationalen Gefühls für Elsatz-Lothringen und überhaupt eine innigere Verbindung zwischen Elsatz-Lothringen und dem Reiche herbeiführen würde. Um die Elsatz-Lothringer für das Reich zu gewinnen, gibt es nur ein einziges Mittel, daß man sie nämlich in allen Rechten vollkommen gleichstellt mit den übrigen Reichs- angehörigen. Durch überflüssiges äußeres Schaugepränge kann das nicht erreicht werden, wenn dies auch mit der Politik des Zick- Zack-KurseS, der Tangerreise und den sonstigen merkwürdigen Er- scheinungen des gegenwärtigen Regimes durchaus zusammenstimmt. Die wesentlichen Mehrkosten für den Bau der Hohkönigsburg sind dadurch erwachsen, daß als man an den Bau heranging es sich herausstellte, daß es sich nicht bloß handele um den Ausbau der Ruine, sondern daß der ganze Boden, der ganze Fels derartig verwittert ist, daß man geradezu einen neuen Fels aufbauen muß. Es handelt sich also gar nicht um den Ausbau einer alten Burg, sondern um die Herstellung cineS Untergrundes für eine neue, die dann allerdings das Facsimile der alten sein soll. DaS beweist. mit welcher Ungründlichkeit an die ganze Sache herangegangen ist. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Man ist frisch, frank, fröhlich, frei in die Sache hineingesprungen, und die Bevölkerung muß dann die Kosten für diesen Sprung inS Dunkele tragen. Nun hat ja der Reichstag   leider gegen unsere Stimmen seinerzeit die erste Summe bewilligt. Wenn aber jetzt diese neue Forderung an uns herantritt, so liegt die Sache doch nicht so einfach, wie der Serr Berichterstatter sie dargestellt hat. ES liegt ein einschneidender Grund dafür vor. daß der Reichstag   auch nicht einen Pfennig mehr für diesen Bau bewilligt. Nach Mitteilungen in der Kommission, denen nicht widersprochen worden ist, ist dem Elsaß-Lothringischen Landesausschuß seinerzeit erklärt worden, daß weitere Rosten nicht gefordert werden würden. Sollte der Bau mehr Mittel erfordern, so würde sie der Bauherr tragen. Weshalb trägt denn nun der Bauherr die Kosten nicht? In Abänderung eines bekannten Wortes möchte ich sagen: An eines Bauherrn Wort soll man nicht drehen noch deuteln.(Heiterkeit.) Wir haben gar keinen Grund, die Forderung zu bewilligen, nachdem die ausdrückliche Zusicherung des Bauherrn vorliegt, daß er die nicht erwarteten Mehrtosten tragen würde. Heute hat nun der Berichterstatter mit großer Befriedigung mitgeteilt, daß wiederum im Namen des Bauherrn  Graf PosadowZky erklärt habe, es werde keinesfalls mehr gefordert werden, auch wenn diese Gelder nicht ausreichten. Aber wie sollen wir nach den bisherigen Erfahrungen auf diese Versicherung noch irgend welchen Wert legen? Wie sich gezeigt hat, daß der felsige Untergrund so brüchig ist, daß er das Gebäude nicht mehr zu tragen vermochte, so haben sich auch die früheren Zusicherungen als brüchiges Gestein erwiesen, auf das man nicht bauen konnte. Wir zweifeln gar nicht daran, daß der Herr Staatssekretär für seine Person fest davon überzeugt ist, daß weitere Forderungen nicht kommen werden. Wir wollen die persönliche Ehrenhaftigkeit ein- zelncr Minister gar nicht leugnen, aber wir können uns nicht auf sie verlassen, weil wir nicht wissen, ob sie nächstes Jahr noch im Amt find. Wir können nur die Zuverlässigkeit der gesamten Re- gicrung nach unser» bisherigen Erfahrungen beurteilen, und wenn sich die bisherigen Versprechungen als durchaus brüchw erwiesen haben, können wir den neuen keinen Wert beimessen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommt noch ein allgemeiner Grund, der gegen diese Ruinenausbautcn überhaupt spricht. Das ist die Tatsache, daß der Neubau einer Burg an der Stelle einer alten abzubrechenden Ruine im gewissen engen Zusammenhang steht mit der ganzen romantischen Bauepidemie, die im gegenwärtigen Deutschen   Reiche ausgebrochen ist. Ueberall hat diese Epidemie auf die Schönheit der Städte wie auf den Kunstsinn ihrer Bevölkerung verheerend gewirkt. Wenn jemand geneigt ist, diese Richtung der Perfönlich- leiten, die maßgebend sind für die moderne romantische Bauseuche in Deutschland  , genau kennen lernen will, so möchte ich ihn einmal hinschicken nach dem Tiergarten zu der marmornen Halskragen- architektur, die um die Denkmäler herum errichtet worden ist. Der- artige Geschmacklosigkeiten sind kaum noch in einer anderen Stadt der Gegenwart zu finden. Diese neuromantische Bauepidemie ist ein gewisses Gegenstück zu der, die in früheren Zeiten in Berlin  und Umgegend ausgebrochen war. Damals wurden nicht Ruinen ausgebaut, sondern aus romantischen Gelüsten künstliche Ruinen errichtet. Ein Gegenstück zum Ausbau der Hohkönigsburg bilden in diesem Sinne die künstlichen Ruinen auf der Pfaucninscl. Ten Herren, die sie noch nicht kennen, möchte ich einmal empfehlen, sich dieses Beispiel berlinisch-romantischer, modern-hohenzollernscher Kunst anzusehen, diese backsteinerne Abteiruine mit den verputzten Mauern und dergleichen unglaublich kunstwidrigen Geschmack- losigkeiten. Eine Regierung, die derartiges fertig bringt, ist gar nicht würdig, vom deutschen   Reichstag   noch für Kunstzweckc Geld zu erhalten. Wenn der Reichstag   diese Richtung noch weiter fördert, wenn er den Ausbau der Hohkönigsburg bewilligt, so ist das nur ein Anreiz, auch das Heidelberger   Schloß auszubauen. (Zuruf des Abg. v. Kardorff.) Ja, Herr v. Kardorff, in dieser Beziehung haben ja auch Sie der neuen Kunstrichtung schon eine gründliche Absage gegeben. Und daß der Plan in Deutschland  besteht, auch das Heidelberger Schloß   in noch schlimmerer Weise zu verschandeln als die Hohkönigsburg, darüber kann ein Zweifel doch nicht bestehen. Ein solcher Ausbau des Heidelberger   Schlosses aber wäre vom Standpunkt der Kunst aus em Verbrechen, gegen das man jederzeit Verwahrung einlegen muß. Die Ruine des Heidelberger   Schlosses ist infolge der geschichtlichen Erinnerungen im Laufe der Jahrhunderte ein eigenes Kunstwerk geworden, das durch einen Neubau nur zerstört werden kann. Wenn jemand das Bedürfnis hat. ein Schloß zu erbauen, das dem Heidelberger Schloß  gleicht, so mag er sich doch einen anderen Berg aussuchen, und wenn in Baden   kein Platz mehr ist, so sind wir bereit, ihm einen Platz anzuweisen, etwa den höchsten Gipfel der Rehberge.(Heiterkeit.) Aber dagegen, daß die Heidelberger   Schlotzruine ausgebaut wird, mutz jeder Kunstfreund, jeder Vaterlandsfreund, jeder, der Sinn hat für die Schönheit dieses einzigen Kunstwerks, protestieren und mutz auch bei dieser Gelegenheit Sturm laufen gegen einen der- artigen kulturwidrigen BarbarismuS. Also auch auS dem Grunde, weil der Ausbau der Hohkönigsburg zu weiteren Ausbauten an- reizt, weil der Appetit beim Essen kommt und eine Barbarei die andere nach sich zieht, aus allen diesen Gründen lehnen wir unter allen Umständen jede Mehrforderung für den Ausbau der Höh- königsburg ab. Mögen doch die Leute, die ein Interesse an dem Ausbau der Burg haben, ihr Versprechen erfüllen, in die eigenen Taschen greifen und mit eigenem Geldc die Hohkönigsburg auS- bauen!(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär Graf PosadowSky: Wahrscheinlich ist doch, daß nicht die Schönheit der Vogesen  . die seit Erschaffung der Welt dastehen, sondern erst der Ausbau der Hohkönigsburg die mit ihm zusammenfallende Steigerung des Besuches von 1500 auf 36 000 hervorgerufen hat. Bis vor kurzem wurden die Vogesen   ganz überwiegend von Franzosen und Eng.  ländern besucht. Da ist es von der größten nationalen Bedeutung, wenn der Besuch der Vogesen   aus Altdeutschland in so erheblichem Matze steigt und eine Menge Badenser, Württembergcr, Bayern  und Hessen   dahin kommen, um die Hohkönigsburg zu besuchen. Wie hoch die Hohkönigsburg schon früher eingeschätzt wurde, geht daraus hervor, daß schon die französische   Regierung seinerzeit Erhaltungs- und Restaurationsarbeiten gemacht hat. Der Irrtum deS Architekten über den Untergrund ist entschuldbar, da unter der Schuttmasse der Jahrhunderte sich nicht leicht erkennen ließ, daß der Felsgrund an einzelnen Stellen die nötige Tragfähigkeit nicht mehr besaß. Professor Gelger, einer der hervorragendsten Kunstkenner, der den Kunstakademien von Florenz  , Paris   und Rom   angehört hat, fchlicßt einen Artikel mit den Worten, daß er schon jetzt der Ucber- zeugung sei, die Hohkönigsburg werde nicht nur eine der inter  - cssantesten und großartigsten Sehenswürdigkeiten des Elsaß  , sondern Europas   sein. Daß nicht alle Restaurationsarbeitcn schlechthin zu verwerfen sind, zeigt die Wiederherstellung der Marienburg  , die als schönstes weltliches gotisches Bauwerk, das in der Welt wenigstens in Deutschland   existiert, wie aus der Erde hervor- gezaubert wurde. Es ist ein wesentliches nationales Element, wenn das neuerstandene Reich auch in Elsatz-Lothringen  , wo noch viele alte französische   Traditionen herrschen, ein altes Bauwerk wiederherstellt und dadurch zur Erscheinung bringt, daß Deutsch- land«inn hat für die geschichtlichen Erinnerungen des Landes und entschlossen ist, es bis zum letzten Soldaten DentschlanbS zu halten. (Bravo  ! rechts.) Der Abg. Ledebour   hätte künstliche Ruinen, wie wir auf der Pfaueninsel   eine haben, nicht mit dem Ausbau einer historischen Ruine gleichsetzen dürfen. Wenn der Abg. Ledebour   jemals auf der Hohkönigsburg gewesen ist, kann er doch nicht bestreiten, daß noch so viel von dem alten Bau erhalten ist, daß von einer Phantasie- bürg bei dem Neubau gar nicht die Rede sein kann. Die Reichs- tagSabgcordneten hätten sich wirklich den Bau einmal ansehen sollen. dann würden sie die unbedeutende Reufordernng jetzt kaum noch bekämpfen. Man kann doch den Bau unmöglich jetzt«n halbfertigem Zustande zurücklassen. Abg. Dr. MLllrr-Sagan(frs. Vp.): DaS vorige Mal war eS dieletzte" Forderung, diesmal ist es dieallerletzte" Forderung. und das nächste Mal wird dieunwiderruflich letzte" Forderung kommen.(Heiterkeit.) Ich bin Gegner alles Restaurierens. Auf keinen Fall aber dürfen wir RcichSmittel dafür bewilligen, so lange wir ein persönliches Regiment in Deutschland   haben.(Sehr richtig! links.) Abg. Staudt  )(kons.): Ich möchte wünschen, daß Herr Ledebour  derartige Ausführungen, die das Gefühl der Mehrheit verletzen müssen, nicht wieder macht. Daß man einen Bauanschlag überschreiten muß, kommt doch alle Tage vor, aber niemand denkt sonst daran, aus diesem Grunde einen fast vollendeten Bau wieder fallen zu lassen. Abg. v. Kardorff(Rpt.): Herr Ledebour   hat die Befürchtung ausgesprochen, daß nach der Hohkönigsburg die Restaurierung des Heidelberger   Schlosses folgen würde. Ich bin durchaus mit ihm darin einverstanden, daß das eine entsetzliche Barbarei wäre. (Bravo  ! links.) Abg. Ledebour(Soz.): Ich freue mich, daß ich einmal von ganzem Herzen mit Herrn v. Kardorff einverstanden sein kann.(Heiterkeit.) Er kann von Glück sagen, daß er nach Herrn v. Staudy gesprochen hat, sonst würde dieser dieselben wehmütigen Betrachtungen auch über seinen Ton angestellt haben.(Heiterkeit.) Der Herr Staatssekretär hat den Wiederaufbau der Hohkönigsburg in Parallele gestellt mit dem Wiederaufbau der Marienburg  . Mit der Restaurierung dieser Burg sind wir wohl alle einverstanden; denn sie ist ein Bauwerk von großer geschichtlicher Bedeutung und architektonischer Schönheit. dessen Wiederaufbau in sich gerechtfertigt war. Aber die Höh- königsburg hat für die Elsatz-Lothringer keinerlei historische Be- deutung; sie ist ihnen nicht interessanter als eins der vielen anderen Schlösser, die dort oder sonst wo auf den Bergen stehen, die als Ruinen, als Abschluß eines Höhenzuges der Landschaft einen neuen Reiz geben, aber irgend welche Erinnerungen oder Sympathien nicht erwecken. Ein sprechender oder vielmehr schweigender Beweis dafür ist ja die Tatsache, daß von all den anwesenden Elsaß  -Lothrinaern bei dieser das Herz Elsaß  -Lothringens   angeblich aufregenden Debatte kein einziger das Wort ergreift. Dadurch be- weisen sie. daß sie mit den Argumenten des Herrn Staatssekretärs innerlich nicht einverstanden sind. Durch ihr Schweigen stimmen sie uns zu. Mögen sie erklären, daß Elsaß-Lothringcn bereit ist. auS eigener Tasche alle Mehrfordcrungcn für diesen Bau zu be- willigen, dadurch würden sie einen durchschlagenden Beweis dafür liefern, daß ihnen die Burg wirklich ank Herz gewachsen ist. Wenn man sich einbildet, daß man die Elsatz-Lothringer mit solchen Mitteln gewinnen könne, so zeigt das nur deutlich den voll- kommenen RomantiziSmuS, in dem die maßgebenden Persönlich- ketten in Berlin  , in deren Namen der Staatssekretär spricht, be- fangen sind. Bon ihrem eigenen beschränkten banausischen Kunst» ftondpnnkt aus beurteilen sie den Geschmack aller übrigen. Herr v. Staudy fragte, was denn jetzt so Wunderbares geschehen sei, weshalb man die Forderung nicht bewilligen will. DaS wäre eine Bloßstellung des Deutschen Reiches. Nun, etwas Wunderbares ist nicht geschehen, nur etwas ganz Natürliches; daß nämlich ein Ver- sprechen der Regierung nicht emgelöst worden ist, daß der Bauherr aus seiner eigenen Tasche die Mehrkosten zahlen soll, Wir sind eS in Preuße« ja gewöhnt, baß Versprechen der Könige nicht eingelöst werden (Lebh. Oho! rechts; Zustimmung links; Glocke deS Präsidenten.) Präsident Graf Ballestrem: DaS dürfen Sie nicht sagen: daß in Preußen die Versprechen der Könige nicht eingelöst werden; das verstößt gegen die Ordnung des HauseS; ich rufe Sie zur Ordnung.(Bravo  ! rechts.) Abg. Ledebour  (fortfahrend): Historische Erinnerungen sind ja in Preußen lebendig; ich erinnere an das Versprechen Friedrich Wilhelms III., dem Volke eine Verfassung zu geben.... Präsident Graf Ballestrem: Sie dürfen nicht auf das zurück­kommen, was ich gerügt habe. Abg. Ledebour  (fortfahrend): Auf diese Tatsache hat der Staats- sekretär mit keinem Wort reagiert. Und das ist das Entscheidende. Nicht das Deutsche Reich wird bloßgestellt ich will nicht erörtern, wer bloßgestellt wird, aber diesen Ausdruck des Herrn v. Staudy lehne ich unbedingt ab. Mögen die gegebenen Versprechungen erfüllt werden; ich denke, eine solche Forderung verstößt nicht gegen die Ordnung des Hauses. Man soll auf die Erfüllung von Ver- sprcchungen dringen, von wem sie auch kommen mögen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Schlumberger(natl.): Ich erkläre, daß ich als Elsaß  - Lothringer   mich zum Wort gemeldet hatte, bevor Herr Ledebour  seine Vorwürfe gegen uns erhob. Die Landesvertretung in Elsaß- Lothringen   hat seinerzeit sich beinahe einstimmig für die Gewährung dieses Postens ausgesprochen.(Hört? hört! rechts.) Sie ist damals dem Reichstage mit gutem Beispiel vorangegangen, möge diesmal ihr der Reichstag   ein gutes Beispiel geben und die Mittel für die Restaurierung dieser großartigen Burg bewilligen.(Bravo  ! bei den Nationalliberalen.) Der Titel wird hierauf gegen die Stimmen der Sozialdemo- kraten und der Freisinnigen bewilligt. Eine Forderung von 43 850 M. als Beitrag zu den Kosten für eine Drachenstation am Bodcnsec zur Erforschung der oberen Luft- schichten wird vom Vertreter des Wahlkreises, Abg. H u g- Konstanz (Z.) empfohlen und genehmigt. Zum nächsten Titel: 195 000 M. für die Beteiligung des Reiches an der im Jahre 1906 in Mailand  zur Eröffnung des Simplontunnels stattfindenden internationalen Ausstellung liegt eine Resolution K ä m p f Dr. Müller- Sagan Schmidt. Elberfeld  (frs. Vp.) betr die Abhaltung einer internationalen Verkehrsausstellung in Berlin   spätestens im Jahre 1913 vor. Abg. Dr. Müller-Sagan(frs. Vp.) zieht den Antrag, da der Hauptantragsteller, der Abg. Kämpf, als Präsident deS deutschen  Handelstages, heute am Erscheinen verhindert sei, bis zur' dritten Lesung zurück. Der Titel wird bewilligt. Zum letzten Titel des OrdinariumS: 20 009 M. als erste Rate für Forschungen auf dem Gebiete der Reblausbekämpfung gibt Abg. Preiß(Elsässer  ) eine Uebersicht über die Erfolge und Miß- erfolge der verschiedenen Mittel der RcblauSbekämpfung in den deutschen   Bundesstaaten. Staatssekretär Graf PosadowSky: Die Infektion in Elsaß- Lothringen   ist so intensiv wie in keinem deutschen   Bundesstaate. Die Kommission wollte zunächst sogar den ganzen Weinbau in der Umgebung von Metz   vernichten. Aber aus sozialpolitischen Gründen mußte man davon absehen, weil die dortige Bevölkerung Haupt- sächlich vom Weinbau lebt. Deshalb kam man zu dem Auswege der 10 Kilometerzone. Die am Weinbau interessierten Bundesstaaten sind einstimmig dazu gekommen, diese Sicherhcitsmaßregel zu er- greifen. Hiermit schließt die Debatte über die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats. Die Resolution Dr. Jäger(Z.) B aumann(Z.) und Genossen betreffend Einsetzung von hauptamtlichen Kontrollbeamten für die Wcinproduktion wird mit großer Mehrheit angenommen, während die Resolution Dr. Burckhardt(Wirt. Vg.) Dr. Dahlem(Z.) und Genossen betreffend bleihaltige Bierkrugdeckcl abgelehnt wird. ES folgen die außerordentlichen einmaligen Ausgaben. Als Titel 1 werden zur Förderung der Herstellung geeigneter Kleinwohnungen 2 143 000 M. gefordert, um Darlehen an Private und gemeinnützige Genossenschaften zu gewähren. Abg. Günther(natl.) bestreitet, daß die Reichsgelder, die für diese Zweck« ausgesetzt werden, immer in der geeigneten Weise ausgegeben würden. Daher fühlen sich die Hausbesitzer in ihre» Joteressrn geschädigt.(Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.) Regierungskommissar Geheimrat Grimm: Wir bemühen uns, von Fall zu Fall auf Grund möglichst eingehender Erkundigungen über die Gewährung von Darlehen zu entscheiden. Abg. Dr. Jäger(Z.)(Auf der Tribüne unverständlich) ver» breitet sich über das ganze Gebiet der Wohnungsfürsorge. Hiermit schließt die Debatte. Der Titel und damit das Kapitel wird bewilligt. Die Petitionen zum Etat deS ReichSamts de? Innern werden als erledigt erklärt. Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt. Damit ist der Etat des ReichsamtS des Innern in zweiter Lesung erledigt. Der Etat des Rechnungshofes wird ohne Debatte an- genommen. Es folgt der Etat deS Reichsjustizamtes. Beim TitelStaatssekretär" fragt Abg. Basscrmann(natl.), wie weit die Vorarbeiten des Gesetzes zum Schutze der Bauhandwerker gediehen sind, und berichtet über die Reichstagsverhandlungen über diese Frage vom 22. Januar 1596. Die Frage ist jetzt spruchreif. Es ist bekannt, wie oft die Bauhandwerker»hre Ansprüche dadurch verlieren, daß beim Konkurs der gesamte Ertrag durch die vorhandenen Hypotheken absorbiert wird, so daß an Melen modernen Bauten die Tränen geschädigter Handwerker kleben. Weiter ist im Landtag der Ruf nach einer neuen Lex Heinze erhoben worden. Ich möchte dem dringend widerraten. Die Vorgänge bei der alten Lex Heinze verlocken nicht, mit dieser Materie wieder an den Reichstag zu kommen. ES ist nicht zu leugnen, daß Ausschreitungen auf diesem Gebiet vor» kommen. besönderS einzelne Witzblätter täten gut, ihr Geschäfts- gebahren zu revidieren. Ich meine aber, daß die bestehenden Ge. setze ausreichen, und auch der preußische Jusrizministcr Beseler hat sich auf diesen Standpunkt gestellt. Leider sind einige Schwur» gerichte zu Entscheidungen aus diesem Gebiete gekommen, die meiner Ansicht nach nicht geeignet sind, dem objektiven Recht Geltung zu verschaffen. Wie man dazu kommen kann, zur Auslegung des Begriffsunzüchtig" auch noch Sachverständige zu Rate zu ziehen. da steht mir der juristische Verstand still.(Heiterkeit.) DaS muß der Richter selbst entscheiden können. Die Strafprozeßordnung, vor allem aber auch das Zivilprozeß- verfahren sind sehr reformbedürftig. In weiten Kreisen des Volkes herrscht große Unzufriedenheit über die Dauer der Prozesse, über die Umständlichkeit des Verfahrens und die dadurch entstehenden hohen Kosten. Eine großzügige Reform muß einsetzen mit einer Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsgerichte. Ein Mißstand ist eS, wenn Richter mit Zeugenaufnahmen beauftragt werden, die mit dem Gang des Prozesses gar nicht vertraut sind. Auch dieser Mißstand wird beseitigt werden können, wenn wir die Landgerichte von den kleinen Prozessen befreien. Gewerbegerichte und Kauf- mannSgerichte haben sich im ganzen bewährt. Auch Handwerker wollen ein Standesgericht, wie eine hier vorliegende Petition beweift. Ich möchte den Handwerkergerichten nicht das Wort reden, wohl aber der Zuziehung von Handwerkern zu den Handelsgerichten.