Einzelbild herunterladen
 
».«. aww» 2. Irillljt iltt Jotlürtä" fcttot loMlltl»»"».a«»,« Hus Induftric und Handel, i Bessere Trinkgelder. Aus den in den letzte» Jahren stattgesundenen Gründerprozessen sind unS einige charakteristische Episoden erinnerlich. Die blinde Dame der Gerechtigkeit brachte an den Tag, daß es bei manchen Aufsichts- ratssitzungen hoch hergehe. Feiner Zigarren, pikfeiner Weine und sonstiger exquisiter Dinge Güte wurde von den.Räten" fachmännisch untersucht. Zu welche» schweren Aufgaben ihn sein Amt sonst noch verpflichte, darüber lehnte der Herr Aufsichtsratzeuge, aus sehr natürlichen Gründen, die Auskunft ab. Ans gütliches Zureden verriet er jedoch das Geheimnis: wenn er sich nicht irre, seien auch wohl einige Bücher herumgereicht worden I Wohlerzogene Menschen sind aber nicht so indiskret, überall ihre Nase hineinzustecken, der Inhalt der Bücher blieb denRäten" selbstverständlich ein Buch mit sieben Siegeln. Ein anderer Herr Zeuge bemerkte ganz lakonisch, der AufsichtSrat könne die inneren Verhältnisse gar nicht kennen. Bei mancher Gesellschaft werden die Herren vielleicht gerade deshalb sehr gut bezahlt, weil sie verstehen, nichts zu sehen. Manche Aufsichtsräte werden eS auch ernst nehmen mit ihrem Amt, das soll nicht bestritten werden; dass aber eine Person nebenamtlich bei 20 bis 30 Gesellschaften ordnungs­mäßig Aufsicht führen kann, wird man keinem vernünftigen Menschen einreden wollen. Bei solcher Massenbetätigung besteht die Haupt- arbeit zweifelsohne in der Einstreichung, der Anlage und der Ver- waltung der erzielten Tantieniensnmmen. Bei den Banken wachsen die Tantiemen ja ins Riesenhafte, aber auch in der Industrie verschlingen sie enorme Summen, die manchmal die Rentabilität der Unternehme» künstlich verschleiern, die Lohnquote gegenüber den erzielten Ueberschüssen ziemlich hoch erscheinen lassen. Was in einzelnen Fällen die Tantiemen und sonstigen Geschenke wegfressen, dafür ein Beispiel, was nicht mal als besonders krax bezeichnet werden kann. Die Metallwarenfabrik A.-G. Ring, Niirn- berg verteilte für das letzte Geschäftsjahr 136 686 M. Tantieme und 137 1S6 M. Remuneration. Die Gesamtzahl der Arbeiter belief sich auf rund 2700. Jeder Arbeiter mußte mithin rund 101 M. für jene Auswendungen erarbeiten. So fließt zu Gold kristallisierter Arbeiterschweiß rn Gestalt von besseren Trinkgeldern in fremde Taschen. Daß ein paar Aufsichtsratssitzungen vielleicht vier im Jahre so viel Werte schaffen als 2700 Arbeiter in einem ganzen Monat. wer wills behaupten?_ Nnstimmigkeiten. In die Jubelklänge, die das hohe Lied von der günstigen Kon- junktur künden, niischen sich bereits einige Mißtöne. Selbst Leuten, deren Naturell mehr dem Optimismus als dem Pessimismus zu- neigen läßt, können sich gegenüber der aufdringlichen, ceklamehasten Betonung von der außerordentlich rosigen Lage der Industrie eines gewissen Mißtrauens nicht erivehren. Angeblich soll B. das Siegerländer Roheisensyndikat in letzter Zeit wiederholt amerikanischen Anfragen auf Lieferung von Spiegeleisen wegen Ueber- lastung der Werke ablehnend beantwortet haben. Merkwürdig, daß man die Anftage wiederholt, wenn sie bereits wegen Arbeitsüberlndnng abgelehnt warl Verdächtig ist auch folgende Stimmungsreklame: Vor 14 Tagen verlautbarte, eine amerikanische Anfrage auf Lieferung von 30 000 Tonnen Bessemerroheisen sei aus dem angeführten Grunde abgelehnt worden. Jetzt haben angeblich sowohl das Siegerländer wie auch das Düsseldorfer Roh- eisensyndikat wieder mal die amerikanische Anfrage auf 30 000 Tonnen Besse in erroheisen ablehnen müssen. Wir glauben fast, die 00 000 Tonnen Roheisen sind eine Ente. Aber die Anftagen selbst, die gerade darum eingehen können, weil man weiß, daß die deutschen Werke ans etliche Monate beschäftigt find, können durchaus nicht als Zutunslcgaranlien bewertet werden. Wie die Spekulation arbeitet, enthüllt ein Londoner   Korrespondent desB. T." Dieser teilt mit, daß die vorjährige Konjunktur in der englischen Eisenindustrie künstlich gehalten worden ser, von einem schottisch-amerikanischen Cornersyndikat, das seit Juli jede Woche durch- schnittlich 2030 000 Tonnen auf Lager nahm, um die Preise in der gewünschten Höhe zu halten. Die Lagerbestände des Konzern sollen sich auf zirka'/s Million Tonnen st e l l e n. Daß das Syndikat nichts unversucht läßt, die Konjunktur noch weiter im rosigen Licht erMieinen zu lassen, dazu schließlich auch Stimmung macht durch LiejerungSanfragen, der Gedanke liegt nahe. Und das schottisch-amerikanische Syndikat wird leicht glelchgestimmte Seelen finden._ Ein Ereignis in der Wirffchastögeschichte des modernen Rom  stellt die gestern erfolgte Fertigstellung zweier Eisenbahnwaggons in der römischen Fabrik Tabanelli u. Co. dar. Bisher haben die Zentralbehörden alles getan, um die Eutwlckelung Roms zur Industriestadt zu verhüten. Die noch aus päpstlicher Zeit be- stehenden Industrien hat man künstlich umS Leben gebracht, so zum Beispiel die einst so blühende Möbelindustrie, die man durch Be- lastmrg des Rohmaterials mit hohem Oktroi und durch Oktroifreiheit der fertigen Möbel systematisch zugrunde gerichtet hat. Die Furcht vor.dem dröhnenden Schritt der Arbeiterbataillone" gab diese Hirn- verbrannte Politik ein, die die Hauptstadl zu einer Stadt von Beamten, kümmerlich lebenden Handwerkern, Schmarotzer» und Bettlein machen wollte, der als einzige Industrie die aller- unwürdigste: die Fremdeninvustrie blieb. Jetzt fangen aber die sogenannten maßgebenden Kreise an, em- zusehen, daß die wirtschaftliche Berelendung Roms und der Mangel einer disziplinierten Arbeiterschaft am Ende doch bedenklichere Zu- stände zeitiger, als die Jndustriealisierung. Deshalb beginnt man die Gründung von industriellen Betrieben zu begünstigen und was noch nie dagewesen ist der Staat vertraut eine Lieferung von Eilenbahnwagen einer römischen Firma un. Hoffentlich gelingt es auch, den eisernen Widerstand zu durchbrechen, dein die natürliche Tendenz Roms, sich zur Industriestadt zu entwickeln, in der Stadtverwaltung begegnet. Ein seil Jahre» ausgearbeitetes Projekt zur Gewinnung gewaltiger elektrischer Energie aus dem Tiber   hat bis heute an dem hartnäckigen Widerstand des Stadtrats seine Verwirklichung scheitern sehen. Auch der Bodenwucher und die mangelnde EntWickelung der Flußschiffahrt versetzen Rom   künstlich in eine JnfecioritätSsteltung gegenüber den norditalienischen Städten und sogar gegenüber Neapel.   Die Zolleiimahmen der Schweiz   betrugen im verflossenen Jahre 63 545 715 Frank gegen 53 850 624 Frank in 1004, also mir 0 605 000 Frank mehr. Damit ist das bisherige Maximum erreicht. Vorausstchilich wird die diesjährige Zolleinnahme nicht m, erheblich geringer sein. Der Außenhandel der Schweiz   hat im Jahre 1005 eine relativ bedeutende Steigerung erfahren. Die Einfuhr betrug ohne gemünzte Edelmetalle 1350.22, die Ausfuhr 069,31 Millionen Frank gegen 1240.07 und 801.47 Millionen im Jahre 1004. Elftere ist um 110, letztere um 78 Millionen Frank gestiegen. Rette Ordnung in Rußland  . Die Verkehrsstockungen an der russischen Grenze nehmen immer bedenklichere Formen an. Die Eisenbahnstation Wirballen nimmt deutsche Güter nur in be- schränktem Umfang entgegen. Am Sonnabend wurde nur ein einziger Zug übergeführt, dessen Annahme trotz angeordneter Sonntags- arbeit verweigert wurde. Ebenso lehnt das Zollamt Wirballen wegen Uebersüllung die Annahme von Gütern ab, und zwar sowohl von Bahnsendungen als auch von Fuhrwerken. Die Zahl der in Eydtkuhnen   stehenden, nicht weiter zu transportierenden Güter- wage» war am Sonnabend bereits auf 470 gestiegen! Telegraphische dringende Porstelliingen deutscher Interessenten an die russischen Ministerien blieben ohne Ergebnis. Irgendwelche Petersburger Verfügungen zur Besserung der Berlehrsstockung find bisher nicht erfolgt. Die Anregung, daß wenigstens allen den- jenigen Waren, welche nachweisbar bis zum Ende des 28. Februar die russische Landesgrenze passiert hätten, noch die Zollsätze des alten Tarifes gewährt würden, wurde vom russischen Handels- minister telegraphisch dahin beantwortet: das Finanzministerinm sähe keine Möglichkeit, dieses Gesuch zu bewilligen, behalte sich jedoch vor,in außergewöhnlichen Fällen Ausnahmen zuzulassen", Von den Grenzstationen Prostken-Grajewo, PodwoloczhSka- Woloczysk und Thonr-Alexandrowo werden dieselben Verkehrs- stockungen und Zollschwierigkeiten gemeldet. Auch an anderen Zoll- grenzen machen sich ähnliche Verhältnisse geltend. Steigerung des Reingewinns um 52 Proz. Die Nationalbank für Deutichland erzielte im letzten Jahre einen Bruttogewinn von 11677 653.38 M. Nach Abzug der Verwaltungskosten und Steuern 2 164 006,84 M. (1 701 982,30 M.), Restabfindung an die früheren Inhaber der Firma Born u. Busse 025 000 M.. Abschreibung ans Jnventarkonto 48 441,18 M.(26 622,40 M.) und Abschreibung auf Hanskonto Behren- straße 68,'60 1 000 000 M.. verbleibt ein verfügbarer Reingewinn von 7 540 205.36 M.(4 059 330,80 M.). Auf Antrag der Direktion wnrde beschlossen, der auf den 24. März 1006 einzuberufenden Generalversammlung die Verteilung einer Dividende von 7 Proz. vorzuschlagen, dem Beamten-Pensions- und Unterstützungsfonds 73 000 M., dem Reservefonds II 800 000 M. zu- zuweisen und den nach Abzug der statnten- und vertragsmäßigen Tantiemen und Gratifikationen verbleibenden Rest von 345 386,50 M. auf neue Rechnung vorzutragen. Marokko  -Schmerzen. An der Börse herrschte am Dienstag ans Anlaß der Gerüchte über die Friedenskonferenz gedrückte Stimmimg. die, als an der Nachbörse die Nachricht verbreitet wurde. Deutschland  habe die Vorschläge Frankreichs   abgelehnt, Kursrückgänge nicht aufhalten konnte. Auch an der Pariser Börse war die Stimmung gedrückt._ Sozialed. Bon der Wasserkante. DieRomantik" desSeeinannsberufeS treibt immer noch viele junge Landratten an die Wasserkante. Es hält dort für Mittellose äußerst schwer, eine Schiffsheuer zu erhalten. Nur der- jenige, der imstande ist, Schmiergelder in der nötigen Höhe zu verausgaben, hat Aussicht, eine Stelle als Schiffsjunge zu erhalten, der nach allen Regeln der Kunst vom Ausrüstungshändler. Schlaf- und Heuerbaas sowie vom Kapitän ausgebeutet wird. Durch das StellcnvermittelungSgesetz für Seeleute vom 1. April 1903 ist der ärgsten Auswucherung der Seeleute durch die an der WasserkanteLandhaie" genannten Heuerbaase(Stellenvermittler) Einhalt getan. Die großen Reedereien, wie die Amerika-Linie, Südamerika  -Linie usw., haben eigene Heuerbureaus errichtet, so daß das Heuerbaswesen hauptsächlich für die mittleren und kleineren Reedereien sowie für die ausländischen Schiffe in Betracht kommt. Nach dem genannten Gesetz müssen die Stellenvermittler um die Konzession bei der unteren Verwaltungsbehörde(in Hamburg   die Polizeibehörde) nach- suchen. Da nicht jeder, und namentlich nicht der von früher her übel beleumundete Landhai die Konzession bekommt, wenden sich die betreffenden der«indirekten Stellenvermittelung" zu, indem sie ein Ans- rüstuiiasgeschäft für Seeleute errichten und den Seeleuten bei der Beschaffung einer Heuerbehülflich" sind. Ausrüstungshändler, Heuerbaase und vielfach auch Schiffskapitäne arbeiten sich gegen- feitig in die Hände und teilen sich den Rebbach. Im letzten Jahre haben die Polizei und die Hamburger Ge- richte denAuSrüftungshändlern" scharf auf die Finger gesehen. Wiederholt find Geldstrafen in der Maximalhöhe von 300 M. er- lassen worden. Wie es jetzt gemacht wird, davon zeugen mehrere Gerichtsverhandlungen, die gegen Ausrüstungshändler stattgefunden haben. Diese versenden Prospekte nach dem Binnen- lande und erlassen Annoncen, in denen der betreffende auf sein AuSrüstungsgeschäft hinweist und fich auch zur weiteren Fürsorge für die angehenden Seeleute bereit erklärt. Kommt auf diese Anpreisungen ein Junge nach Hamburg  , so muß er. um oer Fürsorge teilhaftig zu werden, von seinem Vater mit einem großen Portemonnaie ausgerüstet sein. Denn eineerstklassige Aus» rüstung nebst Fürsorge" kostet in der Regel 450 M., wovon 100 M der Kapitän, 2040 M. der Heuerbaas erhält, währeno für die verbleibenden 310 330 M. der Ausrüstungshändler die Ausrüstung stellt, die in der Regel keine 100 M. wert ist. Viele Kapitäne haben ein großes Interesse daran, möglichst viele junge Seeleuteauszubilden". Nehmen sie doch oft zwei bis vier unbefahrene Jungen mit, und so wird die schamlose Ausbeutung jede Reise betrieben. Anzuerkennen ist, daß die Gerichte denLandhaien" nach Möglichkeit auf die Hühneraugen treten. Vor einiger Zeit wurde vom Landgericht einer derHändler", der schon wiederholt wegen dergleicheen Sachen vor- bestraft ist, wegen Vergehens gegen das qu. Gesetz»u einer Geld- strafe von 300 M. verurteilt, weil das Gericht annahm, daß er die Stellenvermittelung gewerbsmäßig betreibe, da er an die Kapitälie bedeutende Summen zahle, falls diese seineauf Lager" befindlichen Jungen anmusterten. In der vom Angeklagten beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingelegten Revision wurde die gewerbsmäßige Stellenvermittelung bestritten und darauf hin- gewiesen, daß der tatsächliche Stellenvermittler der Heuerbaas fei, und daß zur Empfehlung und Anpreisung keine polizeiliche Er- laubnis erforderlich sei, weil dies im Widerspruch zur Gewerbe- ordnung stehe. Der Angeklagte fügte noch hinzu. daß ihm die Fürsorge für seine Kunden nicht verboten werden könne. Wenn er dem Heuerbaas einen Schiffsfungen zur An- mustenmg empfehle, könne er fich unmöglich strafbar machen. Da« Oberlandesgcricht verwarf diese Revision sowie die eines anderen Ausrüstungshändlers", weil nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die Angeklagten durch die betrieben« Art der Stellen- oermitteluiig ihr Gewerbe das Ausrüstungsgeschäft gefördert hätten, und eine materielle Verletzung von Rechtsnormen fei nirgends zu erblicken. Wer an die Wasserkante geht, habe trotz der kleinen Besierung des Heuerbasenwesens acht vor Landhaien. Zur traurigen Lage der Siegcrländer Bergleute. Kürzlich meinte der christlich-soziale Abgeordnete Burkhardt im Reichstag, den Sieger- länder Arbeitern könne es wohl nicht so schlecht gehen, wie der Genosse Hue schildert, denn sonst wären ihm und seinem Kollegen Stöcker aus ihrem Wahlkreise doch schon Klagen darüber laut ge- worden. Im Reichstag   ist bereits dargelegt, wie diese Aeußeruug zeigt, wie wenig Kenntnis jene Abgeordneten von der Lage der Arbeiter ihrer Wahlkreise haben, wie fern sie ihnen in der Tat stehen. Vor uns liegt eine Nummer derRhein  - und Wied-Zeitung". In dieser werden die Gedingverhältnisse der auf der an Roheisenstein reichen GrubeLuise" beschäftigten Arbeiter geschildert. Der Durch- schnittslohn in den letzten 20 Jahren nach Abzug der Knapp- schaftSgefälle und Klebemarken beträgt danach 2,50 bis 2,80 M. für die Schicht. Hiervon gehen noch 10 Pf. für tägliche Oelunkosten ab. Der Monutslohn beträgt mithin, da etwa 25 Schichten verfahren werden, 62 bis 70 M. Wer kann bei diesem Lohn sich und seine Familie erhalten? Der Mangel an hinreichendem Lebensunterhalt wirkt neben den schädlichen Einflüffen der gefährlichen Bergmannsarbeit auf eine Minderung der Gesundheit und eine Kürzung des Lebens der Berg- leute hin. So steht man in dem der GrubeLuise" liegenden Kirch­spielen Puderbach  , Horhausen  , Peterslahr   und Oberlahr In» validcn von 30 bis 45 Jahren. Früher wurden in der der GrubeLuise" benachbarten, jetzt still gelegten GrubeHarzburg  " 4 6 M. für die Schicht gezahlt. Von all dem Elend, das im Siegerland   unter den Arbeitern und m den armen Gemeinden herrscht, wissen die Abgeordneten Stöcker und Burkhardt nichts. Freilich noch mehr als eine Aufklärung der christlich-sozialen Abgeordneten über die Lage der Arbeiter in ihren Wahlkreisen wäre eine Aufklärung der dortigen Arbeiter über den Grund ihrer elenden Lage und über die Unwiffenheik der von ihnen gewählten Abgeordneten am Platze. Dirnstbotenbewegung in Nürnberg  . In Dienstbotenkreisen wächst die Erkenntnis, daß die Dienstmädchen sich zusammenschließen müssen, wenn sie ihre oft recht unwürdige Lage verbessern wollen. Auf An- regung aus den Kreisen der Dienstmädchen wurde eine Versainmlung einberufen, die außerordentlich stark besucht war und in der die Genossin Grünberg über die Mißstände im Dienstbokenwesen referierte. Dem Vortrage schloß sich eine sehr rege Diskussion an, in der viele Mädchen Sachen erzählten, die auf oftmals geradezu grauenhafte Zustände schließen ließen. Die Versammlung beschloß einstimmig, einen Berein zu gründen, dessen Hauptaufgaben zunächst sein sollen: die Hebung der sozialen Lage der Dienstmädchen. Beseitigung des ZeugnisweienS und Schaffung eines eigenen Stellennachweises. Dieser ist besonders wichtig, da die Dienstmädchen auch in Nürnberg   von den privaten Verdingerinnen oft in der unerbörtesten Weise ausgebeutet werden. Die Versamm- lung wählte aus ihrer Mitte eine Kömmission, die das Weitere wegen Gründung des Vereins zu veranlassen hat. Etwa 100 Dienstmädchen erklärten sofort ihren Bei- tritt. Der Bewegung schließen sich auch die Zugeherinnen, Wasch- und Putzftauen an._ Gerichts-Zeitung. Ei» Lebensglück durch Urteil vernichtet. Völlige Vcrständnislosigkeit des gelehrten Richtertums von den Folgen einer Strafe offenbarte eine Verhandlung deL Landgerichts Nürnberg  . Ein l-tjähriges Schulmädchen hatte sich wegenschweren Raubes" zu verantworten. Sie hatte auf der Straße einem 6jährigen Knaben ein Zweimarkstück aus der Hand gerissen. Der Lehrer des Mädchens, der als Sachverständiger vernommen wurde, erklärte, sie sei eine sehr gute Schülerin, nur habe ihre Erziehung dadurch gelitten, daß der Vater und die Mutter in die Fabrik gehen und das Mädchen sich selbst überlassen müssen. Der Staatsanwalt hielt eine von sittlicher Entrüstung triefende Rede, in der er nicht etwa die herrliche Gesellschaftsordnung geißelte, die die Mutter zwingt, in der Fabrik zu fronden und ihre Kinder unbeaufsichtigt zu lassen, sondern er deklamierte nur gegen dasschlechte verwahrloste" Mädchen und beantragte sechs Monate Gefängnis. Das Gericht erkannte auf drei Monate. Gegen Kinder ist die Möglichkeit eines Verweises an Stelle einer Strafe gegeben. Das Mädchen ist unerzogen, weil die Gesellschaftsordnung ihre Eltern zur Arbeit zwingt. Sie selbst ist einesehr gute Schülerin". Das unbeaufsichtigte Kind begeht einen bösen Streich, dessen Tragweite sie schwer- lich ermessen konnte. Wer bessern will, hat auf die Ursachen des Vergehens einzugehen, zu suchen, diese zu beseitigen. Und unser gelehrtes Juristentum? Schickt die trotz der Verwahr» losungsehr gute Schülerin" in das Gefängnis. Dadurch zwingt es die arme Kleine fast auf die Bahn des Verbrechens. Hätten die gelehrten Herren am eigenen Leibe zu fühlen ge» habt, was der Mangel elterlicher oder sonstiger Aufsicht be- deutet unmöglich hätten sie dann zu dem Urteil kommen können, das einem hoffnungsvollen Menschenkind einen ehr- lichen Lebensweg fast unmöglich macht. Derartige Urteile zeigen, wie den Verhältnissen des werktätigen Lebens fremde Richter eine Gefahr für den einzelnen und für die Allgemein» heit bedeuten._ Briefliche Androhung eines Antrages auf Ausschluß anS der Gewerkschaft 2 Wochen Gefängnis. JedemBricfboten" eine Woche Gefängnis. Die Anwendung deS 8 153derGewerbeordnung gegen die Arbeiterschaft treibt immer seltsamere Blüten juristischer Feinkunst. Wieder haben wir über einen jetzt in letzter Instanz entschiedenen Rechtsfall zu berichten, der Aufsehen und Kopfschütteln erregen dürfte. Die Steindrucker der Firma Gustav Kühn   in Neuruppin   beschlossen am Abend des 4. August 1005, in den Streik zu treten. Vom selben Tage datiert sind Briete, welche die bei Kühn beschäftigten Oberdrucker Heier und Hoffmann er- hielten und die unterzeichnet waren: Der Vorstand des Zweig- Vereins desSenefelder Bundes(Verband deutscher Steindrucker und Lithographen"), im Austrage: Schüler. In dem Schreiben wurden die beiden Herren auf die Ausschluß- Vorschriften des§9 des Statuts des Bundes(dem sie seit Jahren angehörten) aufmerksam gemacht, und zwar, wie es in den Briefen hieß:In Anbetracht der Sachlage". ES wurde weiter darin gesagt, daßeventuell" ihr Ausschluß aus dem Bunde be- antragt werden müßte. Schüler, der damalige Vorsitzende der Zweigstelle des Bundes, wurde vom Landgericht Neuruppin   wegen der Briefe auf Grund des§ 153 der Gewerbeordnung zu einer Gefängnis st rase von zwei Wochen verurteilt, weil er versucht habe, die beiden Oberdrucker durch Drohungen zur Teilnahme an einerVerabredung behnfS der Er- langung günsttger Lohn- und Arbeitsbedingungen" zu bewegen. Ferner wurden Knüppel und Füllgrebe wegen Bei- hülfe zu je einer Woche Gefängnis verurteilt, weil sie, obwohl sie den Inhalt gekannt hätten. Heier und Hoffmann die Briese überbrachten.(Also für den Botengang, je eine Woche Gc- sädgniS!!) Das Landgericht»ahm an, daß den Oberdruckem, die später auch wirklich wegen Nichtbeteiligung am Streik ausgeschlossen worden seien, durch die Briefe der Ausschluß für den Fall habe angedroht werden sollen, daß sie sich nicht am Streik beteiligen würden, und daß die Absicht dabei gewesen wäre, auf sie einen Druck zu- gunsten einer Beteiligung ihrerseits auszuüben. Es gehe aus den ganzen Umständen hervor. Die Absicht, zu streiken. habe vorgelegen. An der Teilnahme der beiden Werkmeister babc man ein großes Interesse gehabt. Der§ 0 des VerbaildSstavus. auf den die Leute hingewiesen worden seien, schreibe auch u. a. vor. oaß der Ausschluß erfolgen»nüsse, wenn ein Mitglied Handlungen begehe, die den Interessen des Senefelderbundes zuwider liefen. ES sei nicht den Angeklagten zu glauben, daß H. und H. nur durch die Briefe hätten gewarnt werden sollen, nicht gegen den Streik zu agitieren, wen» auch zugegeben werden müßte, daß in der Versammlung am 4. August Klagen erhoben worden seien darüber, daß Hoffmann die Leute schlecht be- handele und der andere die Mädchen gegen die Teilnahme an einem eventuellen Streik zu beeinflussen versuchte.<! I) Eine solche Warnung hätte sich in wenige bestimmte Worte fassen lassen. Die verschwommene allgemeine Fassung:In Anbetracht der Sachlage", sei nur gewählt worden, um damit um den§ 163 der Gelverbeordnung herumzukommen. Diese Absicht wäre indessen nicht gelungen. Das H. und H.angedrohte Uebel" sah das Gericht darin, daß der eine mit dem Verlust der Mitgliedschaft sein Anspruchsrecht aus Jnvalidenunterstützung und der andere die Hoffmmg aus den baldigen Eintritt eines solchen AnspruchsrechteS verlieren mutzte. Die Angeklagten legten Revision beim Kammer- geeicht ein, vor dem Rechtsanwalt Ruhm sie vertrat. Er machte unter anderem geltend, daß hier noch gar nicht festgestellt sei, ob nicht die vom 4. August datierte» Briese vor der Streit- Verabredung, das heißt vor der Beschlußfassung am Abend dess-lb-n Tages geschrieben wären, wo also noch gar leine Beraör' ur der