Kr. 48. 33. Ichrgaug. 1. WM Ks Jotraiitls" fitrlintt NsIlisIilM Dienstag. 27. Februar lM. NlirteizeWjseii und dktiDfßnncti! Alle organisierten Arbeiter, ivelche das lebhafte Interesse hegen, sich soniohl in der politischen als auch in der geiverk- schaftlichen Bewegung zu betätigen, haben es stets als einen argen Mißstand empfunden, daß recht oft von beiden Seiten Versammlungen mit wichtiger Tagesordnung am selben Tage einberufen worden sind, und daß es dadurch einer ganzen An- zahl Genossen unmöglich gemacht war, pflichtgemäß in Partei- und Gewerkschaftsangelegenheiten tätig zu sein. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, haben die Unterzeichneten folgendes Abkommen getroffen: Dienstags und an jedem zweiten Mittwoch im Monat dürfen keine Gewerkschafts-Versammlnngen einberufen werden, da diese Tage für die Partei reserviert sind,— Donnerstags und jeden 1., 3. und 4. Mittwoch im Monat dürfen keine politischen Versammlungen einberufen werden, da diese Tage gänzlich für die Gewerkschaften frei bleiben. Abgewichen von der Vereinbarung darf nur werde» bei plötzlich ausbrechenden Streiks und ähnlichen Differenzen oder wenn Protest- Ber- sammlungen schnell zu veranstalten sind. Wir machen hiermit den Versuch, eine Regelung des gewerkschaftlichen und politischen Lebens herbeizuführen und bitten alle Einberufer von Versammlungen, diese Vereinbarung von heute an streng durchzuführrn. Gleichzeitig bitten»vir die Vororte, sich diesem Abkommen sobald als möglich an- zuschließen. Berlin , den 26. Februar 1$06. Ter Verband der sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins . Der Ausschuß der Berliner Gewerkschaftskommission. Der Ausschuh des Berliner Gewerkschaftskartells. Demonstrationsstreik der Berliner Droschkenkutscher. Mi unerwarteter Einmütigkeit sind die Berliner Droschken - kutscher der Aufforderung ihrer Organisationsleitung, am Montag in einen eintägigen Demonstrationsjtreik einzutreten, nachgekommen. Tatsächlich war gestern fast keine Droschke in Betrieb. Nur ganz vereinzelt war in diesem oder jenem Straßenzuge ein Droschkengcfährt als Ausnahmeerscheinung zu erblicken. Be- sondersfühlbar machtesichdasFehlenderDrosch- ken a» den Bahnhöfen. Tausende von Personen, die locgen der H o f fe st l i ch kc i t e n nach Verlin gekommen tvarcn, sahen sich vergeblich nach einer Droschke um. Wohl oder übel mußten sie auf das Beförderungsmittel verzichten. In der Zeit aber, wo sich so mancher unbefördertc Passagier über das rätselhafte Verschwinden der Droschken den tiopf zerbrechen mochte, waren die Droschkenführer in dem größten Berliner Saal, in der„Neuen Welt", zu einer Riesenversammlung zusammengekommen, um gegen die das Droschkengewerbe ein- engenden polizeilichen Maßnahmen Protest zu erheben. Taufende füllten Kopf an Kopf gedrängt den geräumigen Saal nebst den lÄalcrien, und auch der Vorraum war bis auf den letzten Platz be- setzt. DaS Referat hielt der Organisationsvertreter K n ü t t e r. Er betonte, die unmittelbare Ursache zu dieser Demonstration liege in lvr polizeilichen Sperre des Potsdamer Platzes und der ministeriellen Zurück lo eisung einer B c- sch werde dagegen. Anfangs seien auch die Mitglieder der Lohn- fuhrwerlS-Jnnung gewillt gewesen, im Verein mit den Kutschern und den kleinen Droschkenbesitzcrn den Betrieb zeitweise einzustellen, wenn der Beschwerde keine Folge gegeben werde. Später sei ihnen dann aber das Herz in die Hosen gefallen, indem sie ihren eigenen Beschlüssen untreu wurden. Tarauf ist von den Fachvereinen der Droschkenführer unter Ausschaltung der Innung eine Beschwerde an die Minister von Budde und von Bethmann-Holiwcg gesandt worden. Die Antwort der Minister lautete ablehnend. Redner wandte sich in scharfer Kritik gegen diesen minffteriellen Bescheid. Den großen Straßenbahn- und Omnibusgesellschaften werde eine Konzession nach der anderen erteilt, das Droschkengewerbe aber werde künstlich ruiniert. Infolge der unausgesetzten Drmigsalierungen- der Droschken. führer durch die Polizei sei die Existenz der Kutscher direkt in Frage gestellt. Wenn das so weiter gehe, müßten die Droschkenkutscher naturgemäß der gänzlichen Verarmung verfallen. Deshalb sei auch der Entschluß gefaßt worden, gerade mal an solchem Tage zu streiken, wo die Droschken noch nötiger als sonst gebraucht würden. Dadurch solle der Polizeibehörde eben gezeigt werden, daß die so verächtlich behandelte Droschke als Verkehrsmittel noch keineswegs zum alten Eisen gehört. Die Demonstration, trage, wenn sie auch in die Zeit der Hoffestlichleiten falle, keinerlei politischen Charakter, sondern sei lediglich der Ausdruck der hochgradigen Unzusriedeicheit gegen die unerträglichen Polizeimaßnahincn.(Großer Betfall.) In der Diskussion, an der sich u. a. noch der Organisations- Vertreter Becker und der Schriftführer des Verbandes der Troschkenbesitzer Schnitze beteiligten, wurde i» drastischer Lebendigkeit das Sammelsurium von Polizeiverordnungen mit den vielen Paragraphen und vor allem das rücksichtslos in Anwendung gebrachte Strafshstem kritisiert. Wegen der geringsten Ueber- tretungcn, ja selbst dann, wenn sich der Droschkenführer einer lieber- trctung gar nicht eininal bewußt ist. hagelt es förmlich Strafmandate, die jetzt sogar die Höhe von SO, 60 und 70 Mark erreichen. Alle Redner waren sich darin einig, und die Versammlung.stinunte ihnen mit starkem Beifall darin bei, daß eS mit den polizeilichen Maßnahmen so wie bisher nicht weiter gehen könne. Wenn die Polizeibehörde kein Einsehen habe, so bleibe eben nichts anderes übrig, als auch fernerhin bei alle» festlichen Gelegenheiten, Paraden und dcrgl. einfach auf 2-t oder 48 Stunden den Droschlen- betricb demonstrativ einzustellen, so lange, bis es besser werde. Denn was zu viel ist, ist zu viel. Unter diesem Eindruck und um die Demonstration noch etwas wirkungsvoller zu gestallen, beschloß die Versammlung dann sogleich, den Streik bis zum Mittivoch, den 28. Februar, morgens 8 Uhr, fort- zusetze«. Hierauf gelangte folgende Resolution zur einstimmigen An- ivahme: „Die versammelten Droschkenführer und sonstigen Interessen. ten des TroschkenfuhrgewerbeS finden es bedauerlich, so wenig Entgegenkommen auf die an den Minister des Innern abgesandte Beschwerde gefunden zu haben und können sich mit dieser Antwort nicht einverstanden erklären. Die Versammlung erblickt in. dem nicht zu billigenden Ver. halten der Behörden den Droschkenführern gegenüber eine Herab- setzung und Nichtachtung des ganzen Troschkenfuhcgetverbcs und erklärt die Vestiinmungen und Verordnungen der Polizeibehörde als unhaltbar und unausführbar. Durch das jetzige Verhalten der Polizei ist nicht nur die Existenz des Kroschkenfuhrers gefährdet, sondern es ist auch geeignet, denselben ehrlos zu machen, indem er nach etlichen Bestrafungen degradiert und aus dem Droschken- führerberuf ausgemerzt wird durch Entziehung des Fahrscheines. Die Versammlung protestiert nicht nur gegen die Sperrung des Potsdamer Platzes, sie protestiert gegen jede weitere Be- schränkung unseres Gewerbes. Wir erheben Einspruch gegen die ungemein hohen Bestrafungen der Droschkenführer und erachten eS als einen Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen, wenn derselbe laut§ 24 der neuen Droschlenordnung gezwungen wird, außer sxiucr Dienstzeit bei Abstempelung des Fahrscheins und polizeilichen Vorladungen im Dienstanzuge zu erscheinen. Wir erblicken ferner in der Bestimmung des§ 71 Absatz 0— wonach ein Droschkenführer während des Fütterns am Kopfende des Pferdes sich aufhalten muß, eine beleidigende Herabwürdigung der gesamten Troschkenführer. Wir protestieren endlich auf das allerentschiedenste gegen das Urteil des Kammcrgerichts, welches den Droschkenführer außerhalb seiner Dienstzeit der Stellung des Staatsbürgers und Privatmannes verlustig erklärt, indem es durch rechtskräftiges Urteil bestätigte, daß, wenn ein Droschkenführer eine polizeiliche Vorladung zu einer Vernehmung erhält, er der- selben pünktlich nachkommen müsse, da er nicht als Privat- mann, sondern als Droschkenführer geladen werde. In Anbetracht der Nichtbeachtung der Petitionen und Bitt, gesuche, welche an behördliche Stellen abgesandt, verpflichten sich die Anwesenden, von Zeit zu Zeit das Fuhrwerk aus dem Betrieb zu ziehen, eventuell zu einem Generalstreik zu rüsten, bis uns Gerechtigkeit von feiten der Behörden zuteil wird." nicht fehlen ließen. In einer Schrift verwahrt sich van den Brinck gegen die wider ihn erhobenen Vorivürfe. Er zeigt in dieser auch, wie' ihn der Widerspruch zwischen den nach seiner Ansicht wahren Lehren des Christentums und den heutigen Bekennern desselben zum Sozialismus getrieben ui>d bei ihm die Erkenntnis vom Klassencharakter deS Staates gefördert hat. Diese Dar- legungen hat die Buchhandlung Vorwärts übersetzen und als Broschüre erscheinen lassen. Es ist wohl das erstemal, daß ein römisch-kaiholischer Priester in offener und rückhaltloser Weise für die Sozialdemokratie eintritt. Sind auch vom Standpunkt unserer Partei aus betrachtet nicht alle seine Ausführungen zu unterschreiben, so sind doch seine Worte beherzigenswert. Ein Nachwort wahrt den Stand- Punkt unserer Partei. Die Broschüre kostet 10 Pf. und ist in allen Parteibuchhand» langen, in Berlin auch in allen Parteispeditionen zu haben. Eine Agitationsausgabe, die nur an Vereine, Vertrauensleute usw. ab- gegeben wird, kann vom Verlage bezogen werden. Neun Anklagen und einen Redakteur im Gefängnis verzeichnet das neueste Bulletin der„Erfurter Tribüne" über das Befinden der — deutschen Preßfreiheit. Genosse Michaelis hat die mit Eisen gesicherte Freiheit bezogen. Einen Monat bleibt er drin. So will's die Gerechtigkeit, weil er angeblich das ganze preußische Offizierkorps beleidigt haben soll. TIiis der Partei. Genosse Franz Mehring vollendet heute, am 27. Februar, sein sechzigstes Lebensjahr— ein rüstiger Jubilar, der, wenn auch das Alter an ihm nicht spurlos vorübergegangen ist und sein Haar weiß- gebleicht hat, doch noch heute im politischen Tageskampfe als journalistischer Kämpe seinen Mann steht, wie kaum einer der Jüngeren, denen er auf publizistischem Gebiete ein Lehrmeister war und noch ist. Es kann heute nicht unsere Aufgabe sein, zu schildern, was Mehring als Journalist und Wissenschaftler für unsere Partei und ihre Eniwickelung geleistet hat; wir erinnern nur an seine Tätigkeit als leitender Redakteur der„Berliner Volkszeitnng" in den letzten Jahren des Sozialistengesetzes und später der„Leipziger Volkszeitung ", die unter seiner Leitung allezeit eines der gewandtesten, schneidigsten Kampforgane nicht nur unserer deutschen, sondern der ganzen internationalen Parteiprcsse war. Und doch hat neben seiner aufreibenden journalistischen Tätigkeit Mehring noch Zeit und Kraft zu wissenschaftlichen Arbeiten ge- funden, die ihm eine dauernde angesehene Stellung in der historischen und ökonomischen Wissenschaft sichern, wie z. B. seine„Lessing- Legende", seine„Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" und seine Herausgabe deS literarischen Nachlasses von Marx, Engels und Lassa lle. Wir grüßen den Jubilar und rufen ihm den Wunsch zu, daß er den Gegnern zum Trotz noch manches Jahr in unseren Reihen mit seiner fähigen Feder für die Befreiung der Arbeiterklaffe wirken möge._ Bersammlungsauflösung und Wortentziehung in Leipzig . Am Sonntag fand in Leipzig eine öffentliche Versammlung mit dem Thema„Klassenjustiz und Sozialdemokratie" statt, über das Genosse Stadthagen referieren sollte. Der„Kristall- Palast", der über 3000 Personen faßt, war überfüllt. Ueber 6000 Personen hatten umkehren müssen, weil sie keinen Einlaß finden konnten. Als Stadthagen kaum 8 Minuten rein theoretisch über die Aufgaben einer Justiz als Verwalterin der Gerechtigkeit, der verhältnismäßigen Gleichheit und den Aufgaben einer Klassenjustiz als einem Instrument für die herrschende und gegen die Interessen der arbeitenden Klasse gesprochen hatte, entzog der Polizeiinspektor Fürsten- berg ihm das Wort und löste die Versammlung auf. Die Auflösung erfolgte, als Stadthagen etwa aus- führte:„Die Unabhängigkeit der Richter ist eine der Forderungen zur Erfüllung der Aufgaben einer gerechten Justiz. Diese Unabhängigkeit ist aber tatsächlich ein Märchen, eine Legende." Auch nach dem sächsischen Vcreinsjuwel läßt sich die Wortentziehung und Auflösung nicht rechtfertigen: gegen diese Hand habung der Versammlungspolizei ist Beschwerde eingelegt. Die Wortentziehung ist um so drolliger, als tags zuvor im Reichstag der sächsische BundeSratsbevollmächligte Börner Stadthagen verblümt aufgefordert hatte, das, was er über den sächsischen Staatsanwalt Böhme im Reichstag ausgeführt hatte, außerhalb desselben zu wiederholen. Die Versammelten gingen ruhig auseinander, wiewohl in verschiedenen Galerien deS zirkuSartigen Versammlungsraumes einige den Genossen als der Polizei bekannte Leute sich durch Rufe bemerklich machten und wiewohl eine große Anzahl Schutzleute in Bereitschaft stand._ Deutsche Prcß-„Frciheit". Unser Bremer Parteiorgan veröffeni- lichte in seiner Nummer vom 12. Dezember v. I. eine Notiz, in der behauptet wird,„ein Unteroffizier" habe in einem größeren Ver- gnügungSlokal Gröpelingens dadurch unangenehmes Aufsehen erregt, daß er einen Musketier in erregtem Tone zur Rede stellte, weil dieser ihn angeblich nicht gegrüßt hatte. Nach energischer Auf- forderuug des Buffetiers habe der Unteroffizier eS für geraten gehalten, das Lokal zu verlassen. Vor dem Lokal habe er sich aber mit dem Säbel in der hochcrhobenen Hand auf- gepflanzt und die Anwesenden aufgefordert, herauszukommen. Als dem keine Folge geleistet wurde, habe er sich in Gesellschaft eines Musketiers, den er aufgefordert habe, ihn zu seinem Schutze zu begleiten, auf den Weg zur Stadt gemacht. Die Notiz trug die Stichmarke: Ein großspuriger„Stellvertreter Gottes auf Erden" I Diese Notiz hat das zarte Ehrgefühl des Unteroffiziers Dirks verletzt. Es erfolgte Anklage. Der Beleidigte als Zeuge be- kündete, er sei bedroht worden, und deshalbe habe er zu seiner persönlichen Sicherheit blankgezogen. Buffetier AilerS sagt aus, er habe Dirks, weil er immer lauter wurde und ihm mitgeteilt worden war, jener habe im Saale einem Rekruten Ordnung beibringen wollen, aus dem Lokale gewiesen. Der Staatsanivalt plädierte auf 600 M. Geldstrafe und»ahn, sich heraus zu behaupten,' der Angeklagte habe durch die Notiz seinem persönlichen Haß Aus- druck gegeben. Das Urteil lautete aus 300 M. Geldstrafe. Lieb' Vatelland, magst ruhig sein: Unteroffiziere sind geschützt durch blanke Waffe und Strafgesetzbuch.— Eilige Justiz. Genosse Leinert. Redakteur unseres Parteiorgans in Hannover , hat eine Gefängnisstrafe von drei Wochen abzubüßen. Ein Gesuch um Strafausschub hatte die Staatsanwaltschaft ab- gelehnt; ehe die eingelegte Beschwerde an den Oberstaatsanwalt beantwortet war, wurde Leinert verhaftet. Da die bestimmt erwartete Amnestie wahrscheinlich alle politischen„Verbrecher" um- faßt, die— noch nicht verurteilt find oder ihre Strafe bereits ver- büßt haben, wird unser Genosse die drei Wochen Muße ganz aus- kosten. „Em römisch-katholischer Pfarrer als— Sozialdemokrat." Vor einiger Zeit erregte es allgemeines Aufsehen in weilen Kreisen, namentlich der katholischen Bevölkerung, daß ein römisch-katholischer Priester in Holland , Dr. I. van den Brinck, sich offen für die Sozial- demokratie und ihre Forderungen erklärte. Sein Wirken zog ihm denn auch bald den Haß und die Verfolgung seiner frommen Kollegen und seiner christliche» Vorgesetzten zu, die eS in ihrem christlichen Eifer au Verleumdungen und Verdrehungen aller Art Soziales. Einengung des Begriffs„Facharbeiter" durch ländliche Brrufsgcuoffenschaften und durch das ReichSversicherungsamt. § 1, Absatz 6 des tlnfallversicherungsgesetzes für Land- und Forst- Wirtschaft lautet: „Wer im Sinne dieses Gesetzes als Betriebsbeamter oder als eine solche Person anzusehen ist, welche zum Unterschiede von den gewöhnlichen land- oder forstwirtschaftlichen Arbeitern eine technische Fertigkeiten etfordernde besondere Stellung einnimmt(z. B. Förster. Gärtner, Gärtnereigehülfen; gewerbliche Facharbeiter, wke Brenner, Maschinenfnhrer, Heizer, Müller, Ziegler, Stellmacher, Schmiede u. a.) wird durch statutarische Bestimmimg der Berufsgenoffenschaft(§ 33) für ihren Bezirk festgestellt. Bis zum Erlaß entsprechender statutari- scher Bestimmungen bleiben diese Personen den sonstigen Arbeitern gleichgestellt. In der Nummer vom 22. Oktober vorigen Jahres teilten wir mit, daß eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in ihr Statut u. a. eine Bestimmung aufgenommen habe, nach der dieser im 8 1 Absatz 6 deS UnfallversicherungsgesetzeS für Land- und Forstwirtschaft beschriebene Kreis von Personen, für die bei der Rentenberechnung der Jndividuallohnverdienst zugrunde gelegt werden soll, eingeengt wird. ES handelte sich um die Gärtner und Gärtner- g e h ü l f e n, die in der wiedergegebenen Stelle des Unfallversiche- rungsgesetzes unter den Beispielen besonders aufgeführt, aber von dem Gcnosscnschaftsstatut nicht als Facharbeiter anerkannt sind. Gegen diese Einengung wendeten sich die Gärtner beschwerdeführend an das Reichsversicherungsamt. Sie haben nun folgende, auch alle anderen Facharbeiter berührende Verfügung erhalten: „Das Unfallversicherungsgesetz für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Juni 1900 hat keineswegs selbst bestimmt, welche einzelnen Arten der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigte» Personen als sogenannte Facharbeiter die Unfallentschädigung statt nach Maßgabe des behördlich festgesetzten durchschnittlichen Jahres- arbeitsverdienstes land- und forstwirtschaftlicher Arbeiter, nach Maß- gäbe ihres individuellen JahreöarbeitsverdiensteS(§ 9 a. a. O.) erhalten sollen, sie hat vielmehr im 8 1 Abs. 6 ausdrücklich die Feststellung darüber, wer als Facharbeiter in diesem Sinne anzusehen ist, der statutarischen Bestimmung einer jeden Berufsgenossenschaft vorbehalten. Wenn das Gesetz dabei zur Ber- dcutlichung seiner Forderung, daß diese PersonenH„zum Unterschiede von den gewöhnlichen land- oder forstwirtschaftlichen Arbeitern eine technische Fertigkeiten erfordernde besondere Stellung einnehmen" sollen, in der Klammer unter der Boranstellung der Buchstaben: „z. B." einige Berufsarbeiter aufzählt, so hat es damit nur Beispiele aufgeführt, die Berufsgenossenschaften aber, wie das Reichsversicherungsamt bereits wiederholt hat anerkennen müssen, nicht verpflichtet, jede der von � ihm namhaft gemachten Kategorien und etwa gar diese in ihrem weitesten Wortbegriff für Facharbeiter zu erkläre». Die Berufsgenossenschaften sind vielmehr befugt. bei der statutarischen Regelung auch andere Arbeiter- arten für Facharbeiter zu erklären und einzelne der vom Gesetz als Beispiele angeführten Gruppen fort- zulassen oder sie nur in abweichender, insbesondere einschränkender Begriffsgestaltung aufzunehmen. Aus dieser Rechtslage ergibt sich, daß für die Frage, welche versicherten Personen im Gebiet einer Berufsgenossenschaft als Fach- arbeiter zu behandeln sind, allein der Wortlaut deS be- treffenden Statuts, nicht aber jene Beispiels- aufzählung des Gesetzes entscheidend ist." Soweit die grundsätzlich erläuternde Auslegung des Reichs- versicheningsamtes in der Frage der„Facharbeiter". Den Gärtnern und Gärtnereigehülfen wird dann vom Reichsversicherungsamt eröffnet, daß es den Bcrilfsgcnossenschastcn. wie z. B. bei der Rheinischen und der Hessischen geschehen, unbenommen sei, n u r die .Kunstgärtner" den sogenannten Facharbeitern einzureihen, während alle übrigen Gärtner den gewöhiilichen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern zugeteilt worden sind, so daß diese letzteren Gärtner nur auf de» behördlich festgestellten Jahresdurchschnittsarbeitsverdienst land- und forstwirtschaftlicher Arbeiter bei der Rentenberechnung Anspruch zu erhebe» vermögen. Die Sache ist von prinzipieller Bedeutung. Wäre die Auf- fassung des Reichöversilberungsamtes zutreffend, so würden alle in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Facharbeiter der Ge- fahr ausgesetzt sei», durch Willkür der berufsgeuosfenschaftlichen Statuten erheblich in ihren Rentenansprüchen herabgesetzt zu werden. Die vom ReicdSversickierungsamt bekundete Auffassung steht aber der Absicht des Gesetzgebers und der historischen Eniwickelung der Uiifallversichcrnngsgeseygebuiig entgegen: durch das ReichSgesetz vom 30. Juni 1900 sind eine erhebliche Anzahl von Personen, die vordem der Gewerbeiiiifallversicherung unterstanden, unter die Unfall- Versicherung für Land- und Forstwirtschaft gekommen. Schon dieser Umstand erweist, daß der Gesetzgeber, der ja durch die Uiifallgesetznovellc die Facharbeiter besser als vordem stellen wollte, eine Abweichung von den als Beispiele aufgeführten Kategorien von Facharbeitern nicht zulassen, vielmehr den Berufsgenossenschaften nur gestatten und nahelegen wollte, den Kreis der„Facharbeiter" noch zu erweitern. Der Entscheid des Reichsversicherungsanites würde dazu führen,„Facharbeiter" durch berufsgeuossenschäftlicheS Statut in„Nichtfacharbeiter" zu verwandeln. Ein derattiges Umwandlungsrecht hat der Gesetzgeber weder dem agrarischen Vorstände zutrauen wollen, noch ohne Ber- letzung des gesunden Menschenverstandes zumuten dürfen. Ist das Reichsversicherungsamt anderer Ansicht, so dürfte ein Notgesctz am Platze sein, das die Absicht des Gesetzgebers klarstellt. KindeSmord als Folge der agrarischen Ausnahmegesetze gegen die ländlichen Arbeiter. Der ganze Jammer der modernen Gesinde- stlaverei packt einen an, wenn man folgenden Bericht über eine Verhandlung vor der Hildesheimer Strafkammer gegen den Land- wirr Hoppe, dessen Ehefrau und den Knecht Müller aus G.-Himstedt liest. Das Kleeblatt hatte sich wegen Körperverletzung zu ver- antworten. Juni v. I. trat eine vierzehnjährige Arbeiter- tochter, die von guter Kör perkon st itutiou und noch gesund und munter war, in den D i e n st des Angeklagten. Infolge furchtbarer Arbeits»
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