Nr. 71. 23. Iahrgmig. 1. Sriiligk d« Joniiärtü" Strliim Soltelilstt. SomitW, 25. Mär; 1906. Reid�ötag. 4 7 4. Sitzung b o in Sonnabend, den 24. März, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstischc: Prinz Hohenlohe. Die Beratung des Etats für Südwestafrika wird fortgesetzt. Abg. Starz(D. Vp.); Es ist zu befürchten, daß infolge der neuen Handelsverträge die Auswanderung zunehmen wird. Es wäre nun erfreulich, wenn wir einen möglichst großen Teil dieses erhöhten Auswauderungsstroincs in unsere Kolonien ableiten. Ich denke über die Beficdclungsfähigkeit auch SüdwestafrikaS nicht so pessimistisch, wie es von einigen anderen Rednern dieses HauscS geschieht. In einer geographischen Zeitschrift ist ausgcfübrt worden, daß man mit einer geringen Summe, mit nur 300 000 M., den Kunenefluß, einen mächtigen Strom, der die Grenze unserer Kolonie im Norden bildet, nach Süden, in unsere Kolonie hinein ablenken könnte. Wir behandeln unsere Kolonien als Zollausland. Frankreich , das uns gegenüber zur Meistbegünstigung verpflichtet ist, hat sich dadurch doch nicht abhalten lassen, seine Kolonie zu differenzieren, sie günstiger zu behandeln. In England eine ähnliche Bewegung im Gange. Weil aber s'r Handel mit den französischen und namentlich den englischen Kolonien viel wertvoller ist, als fremde Handel mit unseren Kolonien, so dürfen wir auf u Wege der Zolldifferenzierung den Westmächten nicht folgen. Ausfuhrprämien würden wohl gegen das Prinzip der Meist- nstigung verstoßen, Wohl aber könnte man durch herabgesetzte sfätze auf unseren Eisenbahnen den Handel zwischen Deutsch - d und den deutschen Kolonien fördern. Ich empfehle der Ne- I Jning eine solche Tarifpolitik. Die jungpn Beamten in den Kolonien müssen besser behandelt werden als es geschieht, Sie werden so behandelt wie etwa unsere Soldaten beim Militär. Es muß einmal offen ausgesprochen werden, daß die deutsche Regierung einfach das bestehende Zivil- recht der Eingeborenen in den deutschen Kolonien aufgehoben hat. Dazu hatte sie kein Recht. ES muß das Unzufriedenheit erwecken. Die Rechtslage des Schwarzen ist überaus traurig. DaS Ansehen des deutschen Namens leidet unter dem Zustande der absoluten Willkür. Wir haben die Sympathie der schwarzen Rasse verloren. Es ist die höchste Zeit, daß die deutsche Regierung diesem Zustande endlich ein Ende macht und eine feste Rechtsordnung für die Schutzgebiete aufstellt.(Beifall.) Abg. Erzbergcr(Z.) verbreitet sich über die verschiedenen Arten von Eigentum bei den HcreroS und beruft sich dafür auf die Forderungen des Kammergcrichtsrat Meyer: Eine Erforschung der Eingeborenenzustände auf größtem Maßstabe wäre eine sehr dankbare Aufgabe. Man sollte dem KammergerichtSrat Meyer die Möglichkeit geben, sich ganz dem Studium der vergleichenden Rechtswissenschaft in unseren Kolonien zu widmen. Ich würde ihm gern 20 000 oder 80 000 M. bewilligen. Das Geld wäre besser an- gebracht, als wenn man es für eine Kolonialarmee ausgibt.— Der Abg. Bebel hat unserer Partei vorgeworfen, daß wir uns nicht zu sagen trauten, was wir innerlich denken. Er hat vergessen, diesen sehr schweren Vorwurf irgendwie zu begründen. Ich habe noch stets meine Meinung frei herausgesagt. Wenn aber der Abg. Bebel gesagt hat. die Sozialdemokraten beugten sich vor keinem Parteigötzen, so wird eS ihm selbst nur angenehm sein, wenn ich ihn daran erinnere, was der Abg. v. Vollmar auf dem Dresdener Parteitage ihm vorgeworfen hat: Genosse Bebel sagt immer: Ich werde mcht dulden; Ich habe die Masse hinter mir; Ich werde furchtbar Abrechnung halten; Ich, Ich, Ich... Das ist die Sprache deS Lordprotestors Cromwell. So sprach der Abg. von Vollmar. Also die Sozialdemokratie scheint wohl einen Partei- götzen zu haben. Wie die Meinungsfreiheit in der Partei geächtet ivird, beweist das Verhalten gegenüber Herrn Bernstein(Abg. Bebel: Bis heute ist Bernstein Mitglied der Partei l) nun denn erinnere ich an Herrn Schippel. der fein Mandat schließlich nieder- gelegt hat.— Was unseren Antrag auf Lösung der Licferungs- vertrage betrifft, so bezieht sich dieser auch auf den Vertrag mit der Firma W o e r m a n n, die ein direktes Frachtmonopol hat. Für diese Frachten müssen wir abnorm hohe Sätze bezahlen. Die Monopotfirma Woermann nimmt für die Frachten nach Swakop » mund jährlich 3 Millionen mehr vom Reiche als die Firma Lloyd nach ihren Frachtsätzen verlangen würde.(Hört! hörtl) Ferner möchte ich fragen: wie groß ist die Summe der Liegegelder, die an die Firma Woermann im Laufe des Aufstandes in Südwcstafrika gezahlt worden sind?— Die Firma Tippcls- ki rch hat einen Verteidiger in diesem Hause nicht gefunden. Die Notwendigkeit der Kündigung der mit ihr abgeschlossenen Verträge ist durch die gestrige Debatte nur bestätigt. Sollte der Vertrag bis zur dritten Lesung nicht gelöst sein, so werden wir unsere Konse- quenzen daraus ziehen. Geh. LegationSrat Seitz: Die Schuhe, welche von der gestern erwähnten Firma an die Firma Tippelskirch u. Ko. geliefert wor. den sind, konnten nicht in Gebrauch genommen werden, es waren noch verschiedene Arbeiten daran notwendig, und infolgedessen hat sich der Verdienst der Firma Tippclskirch u. Ko. dock wesentlich per» mindert. Weiter möchte ich bemerken, daß die Aufstellung von IS 000 Mann nicht etwa auf Grund eines festehendcn Mobil» machui'gsplancs geschehen konnte. Die Forderungen treten ruck- weise telegraphisch an unS heran, und zwar immer mit der be. stimmten Bitte, in der und der Zeit die Truppen zu stellen. In- folgedessen waren die Fristen, innerhalb deren die Bekleidung und Ausrüstung geliefert werden muhte, außerordentlich kurz. ES mußte sehr häufig Nachtarbeit hinzugenommen und auch Heimarbeit herangezogen werden. Die Frage, ob wir auf Grund der KZ 13 und IS an eine Auflösung deS Vertrages herantreten könnten, ist eine Rechtsfrage, die man kaum ohne weiteres beantworten kann. Der Vertrag mit der W ö r m a n n- L i n i e wird Ende 1000 ablaufen. Er ist seinerzeit geschlossen worden, um eine regelmäßige onatliche Verbindung zwischen Deutschland und Südwestafrika zu ermöglichen. Vor dem Aufstände war der Verkehr zwischen Deutsch - land und dem Schutzgebiete ein so geringer, daß sich wohl kaum eine Linie dazu verstanden hätte, einen regelmäßigen Verkehr ein» zurichten, wenn ihr nickt der Transport der MegicrungSgüter zu» gesagt worden wäre. Diesen haben wir der Wormann-Linie kon. traktlich zugesagt, wogegen unS diese Linie gewisse Frachtver. günstigungen gewährt hat. Ich möchte.dabei auf einen Punkt aufmerksam machen. Wir waren nur für den Warentransport an die Wörmann-Linie gebunden; für die eiligen Personentransporte nach Ausbruch des Aufstande» haben wir auch die Hamburg- Amerika-Linie und den Norddeutschen Lloyd herangezogen. Aber sie haben höher« TranSportgelder verlangt, und nur deshalb mußten wir auch der Wörmann-Linie höhere Liegegelder bewilligen. Dieses Ergebnis der Konkurvenz ist für den FiSkuS nicht gerade erfreulich. Die Liegegelder haben bis Ende Februar 1557 000 M. betragen, also wesentlich weniger, alS man bisher angenommen hatte. Abg. Kopsch(frs. vp.): Ich stehe noch immer auf dem Stand- punkte des früheren Reichskanzlers: Je weniger Afrika , desto besser für Deutschland . Ich bin mit dem Abg. Bebel über die Wertlosigkeit Südwestafrikas ganz einig. Gerade Eüdwestafrika kommt uns am teuersten zu stehen. Der Oberst Deimling hat in seiner kernigen Weise, fern von aller Renom- misterei, unS ein Bild der Kämpfe entworfen, welches den Stempel der Wahrkeit trägt. Trotzdem ich Gegner der kolonialen, besonders der südwestafrikanischen Politik bin. spreche ich unseren braven Kindern, die in Südwestafrika gekämpft haben und die vom Obersten bis zum letzten Reiter ihre Pflicht getan und den alten deutschen Soldatenmut wieder bewährt haben, unseren wärmsten Dank.au». Ich stelle an die Regierung die Frage, ob cZ wahr ist, daß von dem Liebesgaben-Fonds für zuriickkehrciidc Krieger Gelder an Beamte gezahlt worden sind, die nie in Afrika gewesen sind?(Hört! hört! links.) Auch ich empfehle der Regierung dringend, die Verträge mit der Firma Tippelskirch zu lösen. Doch warne ick, daß sie nicht aus der Scylla Tippclskirch in die CarybdiS der Firma Otto Dahl in Barmen gerät. Dahl agitiert gegen Tippelskirch, hat aber im Jahre 1506 die Militär- Verwaltung selbst durch ähnliche Monopolpreise über das Ohr gehauen. ES hat sich ein förmlicher Ring der Effekten- LleferungZ-Geschäfte gebildet, deren Seele Otto Dahl in Barmen ist.(Hört! hört! links.) Dieser Ring hat die ganze Lieferung für Armee und Marine monopolisiert und möchte jetzt auch die kolonialen Lieferungen bekommen. Unbcgueme 5ton- kurrenzcn werden von diesem Ring einfach durch vorübergehende niedrige Kampfpreise niedergekämpft. Ich warne die Regierung, sich mit diesem Ring weiter einzulassen.(Beifall.) Oberst Ohnesorge: Als Liebesgabenfonds sind UNS bisher 85 000 M. zur Verfügung gestellt worden. Wir haben davon in den ersten beiden Jahren 36 000 M.. im letzten Jahre 5000 M. verausgabt. Es handelt sich dabei um sehr verschiedene Stiftungen. Bei einigen Stiftungen war der Zweck genau bestimmt; andere Stiftungen wurden aber dem Generalkommando zur völlig freien Verfügung gestellt. Von diesen Stiftungen haben allerdings einige Beamte hier in der Heimat Rcnumc- rationen erhalten(Hört! hört! links), Beamte, die infolge des AufstandeS so viel Mehrarbeit hatten, daß sie nicht einmal zum Mittagessen nach Hause gehen konnten. Offiziere in der Heimat haben meines Wissens keine Renumeration erholten. Abg. Kopsch(frs. Vp.): Ich konstatiere auf Grund dieser Mit- tcilungen, daß Beamte, die nie in Südwcstafrika gewesen find. Renumerationen erhalten haben.(Sehr wahr! links.) Nachdem der Herr RcgierungSkommissar erklärt hat. daß Offiziere seines Wissens solche Renumerationen nicht erhalten hätten, gestatte ich mir die Anfrage, ob Hauptmann Oehme nicht einen B c- trag von S 0 0 M. erhalten hat? Ich glaube nicht, daß die Spender, die der Verwaltung Spielraum gelassen haben, derartige Subventionen an Beamte in Deutschland wünschten. Hat bielleicht die Firma Tippelskirch diese Möglichkeit bei ihren Zuwendungen offen gelassen? Haben vielleicht aus diesen Zuwendungen die Beamten etwas erhalten, die bei der Abnahme eine Mehrarbeit hatten? Zwei Herren dieser Kommission sollen nach den mir ge° wordenen Mitteilungen Unterstützungen erhalten haben.(Hört! hört! links.) Oberst Ohnesorge: Meines Wissens hat die Firma Tippelskirch nur einmal 1000 M. zur Verfügung gestellt, ohne zu bestimmen. an wen sie vergeben werden sollten. Abg. Bernstein(Soz.): Der Abg. Erzberger hat. wie mir mit- geteilt ist, gesagt, daß mir in meiner Partei die M e i n u n g s- freiheit beschränkt werde. Ich erlaube mir demgegenüber festzustellen, daß ein solcher Versuch niemals gemacht ist und ich ihn mir auch nicht gefallen lassen würde. In unserer Partei ex, stiert keine Diktatur, weder eine persönliche noch die einer Organisation. Abg. Erzbergcr(Z.>: Dem Abg. Bernstein sind meine AuS- führungen falsch berichtet. Ich habe nur aus einer Rede dcS Abg. v. Vollmar zitiert. Abg. Dr. Müllcr-Sagan(frs. Vp.) bittet, die Anträge deS Abg. Dr. Arendt und Graf Hompesch der Budgetkommission zu über- weisen. Abg. Bebel(Soz.): Ich bin der Ansicht, daß eine Zurück- Verweisung nicht nötig ist. Die Angaben des Abg. Kopfch können im Laufe der Etatsberatung. insbesondere bei der dritten Be- ratung, weiter besprochen werden. Abg. Dr. Miiller-Sagan(frs. Vp.): Ich bin in diesen Fragen önst ganz der Ansicht des Abg. Bebel. ES besteht doch aber nach den Erklärungen des Abg. Kopsch die Gefahr, daß wir in viel chlimmere Beziehungen hineingeraten. Da müssen wir doch ver- uchen, ein möglichst praktisches Ergebnis zustande zu bringen. Der Antrag deS Abg. Dr. Müller-Sagau auf Zurück- Verweisung der Anträge Graf Hompesch und Dr. Arendt, welche den Abschluß der LieferungSverträge betreffen, wird einstimmig angenommen. Beim Kapitel„Militärverwaltung" bemerkt Oberst Deimling: Heber die warme Anerkennung der Tapferkeit unserer südwest- afrikanischen Truppen dürcb den Abg. Kopsch habe ich mich um so mehr gefreut, als gestern in der P r e s se d c S Herrn A b g. L e d e b o u r ein Artikel erschienen ist, in der die E r f o I g e der deutschen Schutztruppen herabgesetzt wurden und d-m deutschen Generalstab der Vorwurf gemacht wurde, die Er folge der Engländer im Burenkriege herabzusetzen. Ich muß diese Behauptung als eine ungerechte Unterstellung bezeichnen. Niemand würdigt die hervorragende Bravour der Engländer, mit der sie gegen das vernichtende Feuer der Buren vorgegangen sind, mehr, als der deutsche Generalstab. Er hat das m allen seinen Ber - öffcntlichungen warm anerkannt, so daß die Engländer ihm dafür gedankt haben. Also diese Verhetzung des Abg. Ledebour besteht nicht zu Recht.... Vizepräsident Graf Stolberg: Herr Oberst. Sie dürfen einem Abgeordneten nicht„Verhetzung" vorwerfen. Wenn ein Mit- glied diese» Hauses einem anderen diesen Vorwurf gemacht hätte, so hätte ich ihm eine Rüge erteilt. Ich bitte Sic also, solche Acußerungen zu unterlassen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Oberst Deimling(fortfahrend): Von wem der Artikel in der Presse geschrieben ist. weiß ich nicht. Mein Ausdruck sollte sich nicht auf eine Person hier im Hause, sondern auf den S ch r e i b e r d c L Artikels beziehen. Wer ihn geschrieben hat, ist mir vollständig unbekannt. Vizepräsident Graf Stolberg : Herr Oberst, wenn Sie nicht ein Mitglied des Hauses gemeint haben, so steht eS Ihnen natürlich frei, den Ausdruck zu gebrauchen.(Stürm. Heiterkeit.) Oberst Deimling(fortfahrend): Da» Studium des BurenkriegeS nach geschichtlichen Quellen ergibt auf der anderen Seite aber.als unbestrittene Tatsache, daß die K r i e g S t ä t i g k e i t der Buren lediglich eine stark defen- s i v e war. Darin ist die eigentliche Ursache zu sehen, daß ihre ersten Siege keine entscheidende Wirkung auf den Ausgang des zanzen Krieges gehabt haben. Das hat de Wet in seiner Schrift elbst zugestanden; er hat diese Kriegsführung der Buren als eine ehlerhafte bezeichnet. Damit soll der Tüchtigkeit der Buren in keiner Weise zu nahe getreten werden. Ich habe selbst die Tüch- tigkeit der Buren in Südwcstafrika kennen gelernt, ich habe in meiner Truppe einige Buren gehabt, die sich im Gefecht aus- gezeichnet haben. Wenn andererseits eS«ine unbestrittene Tatsache ist. daß die Hereros in fast allen ihren Gefechten offen- s i v vergegangen sind, dann ist der G e n e r a l st a b berechtigt, ocn Schluß zu ziehen, den er g e z o g e n hat. ES wird dann serner in dein betreffenden Artikel dem Generalstab Renom- misterei vorgeworfen; eS wird gesagt, die Aeußerung des AdmiralS S e y m o u r:„Germans to the front" sei der reine Schwindel gewesen, 14 000 Deutsche würden nicht mal mit den 500 Hottentotten fertig. Daß ein Deutscher die von der Welt anerkannten Leistungen seiner Brüder in Südwestafrika herabzu- setzen und zu verdunkeln versucht, das ist mir unverständlich und ein betrübendes Bild.(Beifall rechts und in der Mitte.) Zahl- reiche Ihrer(zu den Sozialdemokraten) Parteigenossen kämpfen draußen in Südwestafrika, und wir alle sind stolz auf ihre Leistungen. Den Angehörigen dieser Truppen hat der Schreiber des Artikels mit seinen Aeußerungen keinen Gefallen getan.(Bei- fall rechts und in der Mitte.) Wir überschätzen die Leistungen unserer Truppen nicht, aber wir wollen uns das, was wahr ist, nicht nehmen lassen, und wahr bleibt es, daß unsere Truppen sich dort unter großen Strapazen bewährt haben in einem Kamps gegen einen criistkaft zu nehmenden, tapferen und überlegenen Gegner. Das ist eine Tatsache, die der Geschichte angehört, und an ihr wird auch der Artikel cbensoivenig etwas ändern, wie ein Köter, der wütend den Mond anbellt.(Beifall rechts und in der Mitte.) Abg. Ledebour(Soz.): Der verehrte Herr Vorredner ist offenbar bei seiner enormen Eiltriistung von der Voraussetzung ausgegangci,, daß der Schreiber des Artikels im„Vorwärts" und ich identisch seien. Denn er sprach von der„Verhetzung des Abg. Ledebour" und von der„Presse des Abg. Ledebour". Demgegenüber möchte ich folgende» feststellen: Ich verfüge über keine Presse(Widerspruch rechts), auch nicht über den„Vorwärts", so wenig wie jedes andere ein- zclnc Mitglied der Partei.(Zuruf rechts: Na ja!— Heiterkeit rechts.) Oberst V. Deimling ist nicht berechtigt, von der Presse eines einzelnen Abgeordneten zu sprechen, wenn er die Presse der Partei meint. Mit diesem Artikel speziell hatteichgar nichts zu tun. weiß gar nicht einmal, wer ihn geschrieben hat, und habe ihn nicht eher zu lesen bekommen, als Oberst v. Deimling selbst. Denn ick bin nicht Redakteur deS„Vorwärts", sondern nur einer seiner Mitarbeiter, wie so viele andere uiciuer Partei- genossen auch. Wenn Oberst v. Deimling den Artikel a u f m e r k- sam gelesen hätte, hätte er schon aus seinem sachlichen Inhalt entnehmen können, daß ich ihn nicht geschrieben haben kann, weil verschiedene meiner Bemerkungen nicht so aufgefaßt wurden, wie ich sie hier im Hause gemacht habe. Wenn Oberst v. Deimling sich ferner dessen erinnerte, was ich hier im Hause gesprochen??abe, so hätte er gar nicht in die Lage komiiien können, mir Vorwürfe zu machen, als ob ich irgendwie suchte, die deutschen Soldaten in Afrika herabzusetzen. Das ist mir absolut nicht eingefallen. Ich könnte ihm eventuell nachher noch aus dein Stenogramm die Worte vorlesen, mit denen ich nieinc Bemerkungen gegen den Gcneralstab eingeführt habe. Ich habe da ausdrücklich gesagt, daß eS gerechtfertigt sei, die Tapferkeit unserer Truppen im Ertragen von Strapazen usw. anziierkennen. Ich habe mich also in keiner Weise gegen unsere einzelnen Soldaten gewandt. Waß ich gesagt habe, war, daß die eine Bemerkung in der Arbeit des Gciipralstnbes vollkommen verfehlt sei, in der er einen Vergleich zieht zwischen den HcreroS und den Buren und zwar einen Vergleich zuungunsten der Bure». Darauf kam eS mir an, und darum handelte es sich für mich bei dieser ganzen AuS- einandersetzung ausschließlich. Was der Artikclschrciber trn„Vorwärts" noch aiitzerdem über die KricgSführung in China geschrieben hat....(Zuriif rechts: Abschüttelung!) Das schüttele ich gar nicht ab, davon kann gar keine Rede sein, warten Sie doch erst ab, was ich sagen will.(Sehr gut! bei den Sozial- dcmokraten.) Das zu vertreten überlasse ich dem Artikel schreiber. Aber so weit ich mich erinnere, war der Artikel durchaus nicht so gefaßt, wie ihn Oberst v. Deimling hier wiedergegeben hat. Der Artikel bezeichnete eS nur als ungerechtfertigt, aus dem Worte des AdmiralS Schmour: Germans to the front I herauszulesen, als ob gewissermaßen die Deutschen während dieses FeldzugeS überhaupt die Hauptrolle gespielt hätten. Ich bin weder berufen noch befähigt, über diese Frage zu debattieren, weil der Feldzug in China mir nur ganz oberflächlich bekannt ist. Also Sie(nach rechts) sehen ja, daß eS mir gar nicht einfällt, den Artikelschrciber abzuschütteln, ich nehme ihn sogar gegen die falsche Darstellung des Oberste» v. Deimling in Schutz. Im übrigen kann ich dem Artikelschreiber ruhig überlassen, sich selbst zu verantworten, er scheint mir durch- aus dazu imstande. Nun komme ich zu dem Kernpunkt der Sache. Oberst v. Deimling hat heute noch einmal versucht, die Auslassung des Generalstabes zu verteidigen, und diese Verteidigung ist wiederum. mißglückt. ES läßt sich doch nicht abstreiten, daß der gezogene Vergleich den Gcncralsiab zu dem Urteil veranlaßt hat, daß die HereroS nicht bloß in ihrer Schicßfcrtigkeit den Buren gewachsen. sondern auch dadurch, daß sie offensiven Geist zeigten, ihnen in der KriegSführung überhaupt überlegen seien. Oberst v. Deimling hat nun beute die Behauptung wiederholt, daß die Taktik der Buren lediglich defensiv gewesen sei. Daran ist so viel richtig, daß die Gesamtkriegsfuhrung der Buren im großen und ganzen defensiv war. wie sie gar nicht anders sein konnte, weil sie sehr bald nach Beginn dcS Krieges den Kampf gegen einen numerisch überlegenen Gegner zu führen hatten. ES gibt aber in diesem Lurenkricge ciiizelne Momente, wo die Buren eine taktische Offensive ergriffen haben. Ich selber habe schon in meiner vorigen Rede auf die Attacke auf den Manjubaberg auS dem ersten Burenkriege gegen die Engländer hingewiesen. Der Artikel im „Vorwärts' beruft sich auf den Angriff auf den General Bullcr am SpionSkop, durch den die Engländer trotz ihrer Uebermacht gc- zwungen wurden, über den Tugelafluß wieder zurückzugehen, wo- bei eS beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre. Auch aus dem späteren Verlauf des Krieges könnte ich Ihnen zahlreiche Beispiele für eine taktische Offensive der Buren anführe». Aber eS ist ja selbstverständlich nicht möglich, gegenüber einer auch bloß so hin- geworfenen Bemerkung deS Obersten v. Deimling die csache hier vis zum endgültigen Urteilsspruch durchzuführen. Ich hoffe aber. daß diese Debatte außerhalb deS Hauseö fortgesetzt werden wird, und daß insbesondere die deutschen Offniere, die den Foldzug milgemacht haben, gegen diese Ber- uligllmpfung der Buren auftreten werden. Denn die Bemerkung des GcncralstabeS, die die Buren unter die Hereros stellte, war eine offenbare Verunglimpfling der Buren, die hier in Deutschland einen höchst unanaenehmen Beigeschmack hat. Gerade von Ihrer Seite(nach rechts) sind die Buren gepriesen und gerühmt worden, so lange bis s i e vom Hofe einen Fußtritt bekamen. Dan» ist es ihnen gelzangeii, wie so vielen: sie haben ihnen„faule Aepfel statt der Kränze" zugeworfen.(Heiter- keit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Die Bemerkung des Generalstabes ist solch ein fauler Apfel, mit dem die Bure» nachträglich beworfen wurden, und eZ ist charakteristisch für Sie, daß sie bei dieser Kontroverse systematisch diejenige Seite unter- stützen, die sich diese Verunglimpfung der Buren hat zuschulden kommen lassen.(Widerspruch rechts.) Sie hatten fortwährend höhnische Bemerkungen, während ich sprach, und haben durch Applaus für den Obersten v. Deimling bewiese», daß Sie diese Verunglimpfung in der Tat unterstützen. Das wirft ein helles Licht auf Ihr früheres Verhältnis während des Burenkriege». (Zu- ruf rechts: Schwindel!— Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Wenn Ihnen wirklich die Verherrlichung der Buren, die Feier, noch als De Wet herkam, von Herzen gekommen ist. so hätten Sic wenigstens geschwiegen, als erst durch den Generalstab und dann durch einen Wortführer des GencralsiabeS die tapferen, aber unglücklichen Leute nachträglich verunglimpft wurden.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Oldenbnrg-Januschau(k.): Von einer Verunglimpfung der Buren ist hier nicht die Rede, sondern davon, daß der Oberst Deimling vom Kriege tvas versteht und der Abg. Leocbour nicht. (Stürmischer Beifall und Heiterkeit rechts. Lachen bei den Sozial- demokraten.) Abg. Dr. Arendt(Rp.): Unsere Begeisterung für die Bpren hat durchäuS nicht nachgelassen, als der vom Abg. Ledebour als „gußtritt" bezeichnete Richtempfang des Präsidenten Krüger stattfand. Wir feierten die Buren gerade erst recht, denn unser be- gcisterter Empfang der Burengenerale fand viel später statt.(Sehr wahr! rechts und in der Mitte.) DaS Kapitel„Militärverwaltung' wird bewilligt
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