»itölit. Volksztg/ vertretene» Standpunkte, daß es besser gewesenwäre, wenn siÄ Deutschland um die ganze Marokko-Angclegenheitnicht gekümmert hätte. Aber ein Zynismus ohne»gleichen sei.es, wenn jetzt die alldeutschen Schreier erklärten, manhätte lieber gar nicht erst die Finger in das marokkanische Feuerstecken sollen, wenn man doch keine Kastanien habe heraus-holen können. Seien es doch gerade die Alldeutschen gewesen, diezur Einmischung erst provoziert hätten. Daran, daß ihreIllusionen über den Ausgang der Einmischung sich nichterfüllt hätten, trage doch ihre eigene Naivität schuld. Den F ü r st e nBülow treffe diese Kritik nicht, da er ja nichts anderes als denerreichten mageren Erfolg— nämlich die offene Tür und den inter-nationalen Rechtscharakter der marokkanischen Frage— zu erntenerwartet habe.Man sieht, die Zentrnmskritik springt ungemein glimpf-lich mit dem Verantwortlichen der Marokka-Affäre uml Zwarwäre es beffer gewesen, man hätte die ganze Geschichte über�Haupt nicht angeschnitten, da dabei für Deutschland ja doch nichtsherauszuschlagen war— allein, da Bülow mit diesem negativenResultat ja von vornherein gerechnet hat, kann man ihm keilte Vor-würfe machen IEine sonderbare Logik, eine echte Zentrum slogikl Derverantwortliche Leiter der deutschen Politik darf sich also m diesinnlosesten, gefährlichsten Abenteuer stürzen, er darfmit der Kri e g S g efa hr j o n g lier en— wenn er sich nurdessen bewllßt ist, datz diesfrivole Spiel keinerleiGewinnchance bietet I Wie nun, wenn aus dem Spiel blutigerErnst geworden wäre?Das Verhalten des Zentrum? in der Marokkofrage beweist, daßdiese Partei die Interessen des Volkes auf dem Gebiete der inter-nationalen Politik' ebenso skrupellos preisgibt wie auf dem desWahlrechts und der Steuerpolitik!—Das Opfer der Disziplin. Das furchtbare Urteil des LübeckerKriegsgerichts gegen den Musketier G l o y, der, nachdem ihn einUnteroffizier durch Mißhandlung und Quälerei gereizt hatte, halbbesinnungslos einen Leutnant niederschlug, ist vom Oberkriegsgerichtetwas gemildert worden. Die zweite Instanz hat die Strafe von7 Jahren S Monaten Gefängnis auf 4 Jahre 11 Monate herab-gesetzt. Die Strafe für den Unteroffizier aber, der das ganze Unheildurch den Mißbrauch der Amtsgewalt verschuldet hat. wurde erhöht,nämlich von 38 Tagen Mittelarrest anf 43 Tage Gefängnis.Der exzedierende Vorgesetzte erhält sechs Wochen Gefängnis.Der Gemeine, der infolge des Vergehen« des Vorgesetzten die Selbst-beherrschung verliert und sich infolgedessen an einem Vorgesetzten der-greift, 4 Jahre 11 Monate Gefängnis I So bleibt auch nach demkorrigierenden Spruch des OberkriegSgerichts das krasse Miß-Verhältnis bestehen, das dem Volksempfindcn Hohn spricht unddie schöne Phrase vom Voll in Waffe» Lügen straft.„Meuterei"!Wegen Meuterei ständen mehrere Füsiliere des Füsilier»regiments 37 vor dem Kriegsgericht der 10. Division in Posen.Das Verbrechen der„Meuterei" bestand in einem törichtenStreich, den sie in h o ch g r a d i g a n g e t r u n k e n e m Zustandebegangen hatten. Der Füsilier P et ni tz s ch hatte nachts seinenStubenkollegen R a u p a ch, mit dem zusainmen er vorher gekneipthaste, geweckt und ihm zugeredet, sich, mit der Klopfpeitsche be-waffnet, mit ihm in eine benachbarte Mannschaftsstube zu begeben.um einem dm* schlafenden Unteroffizier einen Schabernack zuspielen. In dem Zimmer angekommen, warf Pernitzsch dem Unter-offizier ein mitgebrachtes Bettlaken über den Kopf und schlug mitder Klopfpeitsche aus ihn loS. Als sie dann wieder eiligst nachihrer Stube flüchteten, verloren sie das Bettlaken und eine Klopf»peitsche, die sie verrieten.Pernitzsch wurde wegen dieser in der Angetrunkenheitbegangenen That-wegen Meuterei zu 5 Jahren 3 Monaten Ge-fängnis verurteilt 1 Raupach, der bestritt, sich der Klopfpeitsche be-dient zu haben, kam mit etnem Jahre Gefängnis davon,da das Gericht annahm, daß er von dem Verbrechen der Meutereinoch vor der Vollendung zurückgetreten sei.Die Strafe gegen Pernitzsch ist geradezu ungeheuerlich hoch!Der Mann war doch angetrunken und sich seiner Handlungsweisegar nicht recht bewußt.. Und andererseits: Wieviel hundert G e-meine müßte!ein Unteroffizier im Dien st e und beivoller Besinnung mst der Klopfpeitsche geschlagen haben, umauch nur den zehnten Teil der Strafe des Pernitzsch zu erhalten!—Die beiden ReichstagSersatzwahle» in Westfalen.Der Zufall hat eS mit sich gebracht, daß eine Reichstagsersatz-wähl zu gleicher Zeit in zwei Wahlkreisen stattfinden muß, die an-einander grenze», in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht ziemlichgleich geartet sind und deren bisherige Vertreter Freisinnsinännerwaren, die beide. zwar nicht in gleichem Sinne, einecharakteristische Vergangenheit haben. Wegen der historischenBedeutung Eugen Richters und der mehr lokalpolitischen Be-deutung Julius LenzmannS spielten bei den bisherigenWahlen diese beiden Männer durch ihre Person in ihrenWahlkreisen eine mehr als gewöhnliche Rolle, so daß es noch zahl-reiche Arbeiter gab, die.ihrem Eugen Richter" und„ihrem Justizrat Lenzmann" in mitunter fast fanatischer Weise anhingen.Der Aufmarsch der Parteien ist»och nicht erfolgt, nur unserePartei hat bereits ihren Feldzugsplan entworfen, die Kandidaten-frage, die in beiden Kreisen neu zu regeln war, gelöst und dieOrganisation ausgebaut. Unsere Kandidaten sind Max König-Dörtmund für Hagen-Schwelm und �KarlHaberland-Barmen für Altena-Jserlohn. Die Kandidaten der Frei-sinnigen find noch nicht bestimmt, die bisher bekannt gewordenenNamen waren nur Vorschläge. Die Nationalliberalen Hagens habenden Professor M o l d e u h a u er- Köln aufgestellt und auch dasZentrum dürfte sich hier Wohl nach einem anderen Kandidaten—bisher kandidierte FuSangel— umsehen. Ob in Altena- Iserlohndie Nationallibcralen ihren bisherigen Kandidaten Landtags-Abgeordneten N ö l l e wieder aufstellen bezw. ob dieser zur Än-nähme der Kandidatur bereit ist, ist noch sehr fraglich. In diesemKreise rechnen die Nationalliberalen nicht ohne Grund damit,die Freisinnigen aus der Stichwahl zu verdrängen und daß dannzwischen diesen Parteien eine Einigung dahin getroffen wird,daß in Hagen die Nationalliberalen offiziell für denFreisinn und in Altena-Jserlohn die Freisinnigen offiziellfür die Nationalliberalen eintreten.— Die Nationalliberalen machtenden Vorschlag., daß dgs Kompromiß sich nicht nur auf dieReichstagswahlen, sondern auch auf die Landtagswahlenerstrecken solle. Von maßgebender freisinniger Seite wurdedarauf erwidert, daß man zu den nächsten allgemeinenWahlen dies em Gedanken zweifellos näher tret enmüsse, und zwarfür den ganzen w e st l ich e n In d u str ie-b e z i r k, um sich gegen den Ansturm der Sozialdemokratie zu schützen.Diesmal jedoch scheint der Freisinn denn doch das ehemalige MandatRichters freiwillig den Ratwnalliberalen ausliefern zu wollen, wieletztere vorgeschlagen hatten.Wie man sieht, lmrä hier im Westen der in letzter Zeit von derFlotten- und Kolonial- Hurrastimmung befallene Freisinnrecht bald auch formell im Nationalliberalismus aufgehen.UnS kann da» ganz recht sein, denn desto schnellerkommen die Arbeiter und Kleineiseninduswiellen. welche hier törichter-weise bisher dem Freisinn nachliefen, zu unS. Die Folgen derneuen Handelsverträge werden gleichfalls das ihrige dazubeitragen.—Der wahre Schuldige von Seelze.Die Eisenbahnkatastrophe auf Station Seelze bei Hannoverist eine weitere Belastung des Schuldkontos der preußischen Eisen-bahnpolitik. Das ist heute schon klar, ganz gleich, welches Ergebnisdie vom Eisenbahnfiskus und der Staatsanwaltschaft eingeleiteteUntersuchung haben wird. Selbst wenn man dem einen oderanderen Beamten ein theoretisches Verschulden nachweisen kann—und das wird wohl sicher gelingen—, die öffentliche Meinung wirdnichtsdestoweniger das ganze System des preußischenEisenbahnfiskalismus zur Verantwortung ziehen. Schonder bloße Umstand, daß nicht weniger als drei Züge aufeinander-fuhren, daß gleich nach dem Zusammenstoß der beiden WunstorferGüterzüge noch der Hannoversche Güterzug auf das Chaosauffahren konnte, ohne daß es bei der schnellen Aufeinanderfolgeder Ereignisse möglich war, diesen Zug aufzuhalten, dieses ganzeBild der Katastrophe klärt die wirkliche Schuldfrage schon zurGenüge auf. Das Unglück wäre nicht möglich gewesen ohne die ganzaußergewöhnliche Uebcrlastung dieser Strecke(Lehrte-Wunstorf),die denn auch nicht von ungefähr eine alte Unglücksstrecke ist. Nochin den letzten Jahren ereigneten sich hier die schweren Unfälle inLehrte und bei Leinhausen, denen sich jetzt das blutigeDrama von Seelze ungezwungen anreiht. Es handelt sich um eineStrecke, die bereits in staatshannoverscher Zeit überlastet war, undzwar durch den in die Linie Lehrte-Wunstors eingeführten Hildes-heimer und Hamburger Verkehr. Der Grund für. diese in früherenZeiten noch verhältnismäßig ungefährliche Vcrpfuschung deshannoverschen Eisenbahnnetzes war dieselbe Sparpolitik, die nach der„Uebernahme" der hannoverschen Bahnen durch Preußen diesenZustand bestehen und sich von Jahr zu Jahr verschlimmern ließ.Das ist um so— preußischer, als die hannoverschen Bahnen beider„Uebernahme" ohne Schulden waren. Anstatt daß derStaat Preußen daraus die Verpflichtung zu besonderen Auf-Wendungen hergeleitet hätte, hat er in Wirklickckeit das allcrnötigsteim hannoverschen Eisenbahnverkehr vernachlässigt, obwohl es niean Düngern und Mahnern gefehlt hat. Schon zur Zeit der Annexionwurde der Bau einer Bahn Hannover-Celle gefordert, die derStrecke Lehrte-Hannover die Hamburger Züge abnehmen sollte.Ebenfalls verlangte man schon damals die Errichtung einer LinieHannover-Neustadt, wodurch die Strecke Hannover-Wunstors vondem Bremer Verkehr entlastet werden sollte. Eine dritte längstgeforderte Neubaustrccke ist die von Hildesheim nach Sarstedt. Dieseim eigensten fiskalischen Interesse mehr als notwendigen Forderungen sind heute noch zu verwirklichen.—Südwest afrikanische Opfer..Berlin, 4. April. Ein Telegramm aus Windhuk meldet: Am26. März beim Ueberfall eines OchsenwagenS nördlichAriamGefallen: Leutnant Kuno Keller, geboren am 6. 5. 7g zuHelmSheim, Brustschuß. Gefreiter Wendelin Riesner, geborenam 29. S. 84 zu Pohldorf, Brustschuß. Gefreiter AloysiusAdvena, geboren am. 11. 10. S2 zu Köln. Gefreiter Sigis«mund Baron, geboren am 13. 8. 82 zu Rndki. GefreiterL i ch t e r f e l d. Reiter Alfred Kimmel, geboren am 12. 11. 83zu Buchwald. Reiter Ernst Heising, geboren am 2. 11. 84 zuSamtens. Reiter Otto H a u ck e, geboren am 6. 11. 83 zu Görlitz.Reiter Paul Gutsche, gebaren am 28. 4. 82 zu Seitendorf.Reiter Julius S i e r s z y n, geboren am 11. 2. 83 zu Jarotschin.Reiter Wilhelm Anders, geboren am 5. 4. 85 zu Görlitz.Schwervcrwundet: Unteroffizier Paul Herzog, geboren am13. 1, 80 zu Saales. Gefreiter Hermann Skulzus, geborenam 24. 12. 81 zu Neppertlanken.Leichtverwundet: Gefreiter Georg Schäfer, geboren 17. 6. 83zu Heisebeck. Gefreiter Otto Kol), geboren 2. 9. 82 zu Zaborze.Am 27. März auf Patrouille bei Ariam leichtverwundet:Reiter Paul S ch u l z e, geboren 25. 12. 82 zu Westerdusen, Fleisch-schuß rechten Oberarm.Ferner an Krankheiten grstorien: Gefreiter StephanPanitz, geboren 26. 12. 81 zu Kadlub-Turawa, am 27. März imFeldlazarett Maltahöhe an Nierenentzündung; Sergeant FriedrichB a n n i e r, geboren 12. 8. 77 zu Daehre, am 29. März ds. Js. imFeldlazarett Kalkfontein an Lungenentzündung; Unteroffizier LudwigD a nn'e in a u n, geboren 8. 10. 79 zu Ostcrburg, am 29. März imFeldlazarett Maltahvhe an Typhus.Bcninglttckt: Reiter A u g u st B eck er, geboren 24. 11. 83 zuLonkortz, am 25. März infolge Herzschwäche im Staubecken zu Da-wignab ertrunken._Berichtigung. Im gestrigen Resümee über einen Teil derAbgeordiietenhaus-Verhandlimgen, betitelt„Landtagsferien", muß eSstatt 30 960 M. heißen: 30 Millionen 950 000 Mark.HuelamLSchweiz.Das neue Anarchistengcset, erlebigt.Bern, 2. April.(Eig. Ber.) Die Bundesversammlung ist amSonnabend nach 14tägiger Session wieder bis zum Sommer in dieFerien gegangen, nachdem sie vorher noch mit affenartiger Ge-schwindigkeit die Lex Sylvcstrelli erledigte. Der Bundesrat stimmteihr mit einer kleinen Abänderung einmütig zu, desgleichen derNationalrat mit allen gegen 4 Stimmen. Wahrscheinlich wirdunsere Partei das Referendum dagegen anrufen.Ebenso schnell erledigte die Bundesversammlung den 14.Mil.lionenkredit für Militärzwecke, auch der neue Handelsvertrag mitOesterreich-Ungarn war im Handumdrehen verabschiedet. EinMusterparlament!—_Dem schweizerischen Fabrikgesetz waren nach dem soeben der-öffentlichten Geschäftsbericht des JndustriedepartementS Ende 19056638 Betriebe mit 277 000(1901 waren es 242 000) Arbeiternunterstellt. Die Fabrikinspcktoren haben 7482 Revisionen aus-geführt, also erheblich mehr, als Betriebe vorhanden sind. Unddabei gibt es trotzdem in zahlreichen Betrieben noch viele Mißstände,unter denen die Arbeiterschaft leiden muß.—Oesterreich.Musikalische Politiker.Laibach, 4. April.(W. T. 58.) Die Slovenisch-Fortschrittlichen,welche in der gestrigen Sitzung des Verfassungsausschusses gegen dieWahlreformvorlage obstruierten, setzten heute mit der Obstruktionauch in der Plenarsitzung ein; sie bedienten sich verschiedenerGlocken, Pfeifen, Trompeten und einer großen Trommel, so daßder Vorsitzende des VerfassungZauLschusses, welcher über die Wahl-rcformvorlage berichten wollte, nicht zum Worte kommen konnte.Die Sitzung wurde schließlich nach vierstündiger Dauer bis nach»mittag 3 Uhr unterbrochen.—Frankreich.„Oberster Rat der nationalen Verteidigung."Paris, 4. April.(W. T. B.) Das Amtsblatt veröffentlichtheute einen Erlaß betreffend die Errichtung eines obersten Ratesder nationalen Verteidigung. In den Motiven dazu berichtet derKricgsminister, daß die Minister des Krieges, der Marine und derKolonien, welche einzeln und getrennt vor der Kammer verant-wortlich seien, zu einer beständigen gemeinschaftlichen Arbeit be-rufen sind. Es sei daher in Kriegszeiten ein beständiges ein»vernehmliches Zusammenwirken unerläßlich, möge sich der Kriegs-schauplatz in. oder außerhalb Europas befinden. Die EntWickelungnationaler Interessen an allen Punkten der Erde habe die un-erlähliche Notwendigkeit erwiesen, eine zusammenfassende Körper-schaft zu schaffen, welche zu den allgemeinen Fragen der nationalenVerteidigung die Einheit der Anschauungen und der Entscheidungzu sichern hätte. Dieser Körperschaft würden die Minister deSAeußeren, der Finanzen, des Krieges, der Marine und der Kolonienangehören. Der Vorsitz würde dem Ministerpräsidenten zukommen,aber der Präsident der Republik könnte den Vorsitz, so oft er esfür nützlich halte, selbst übernehmen. Aicher den Ministern würdenden jedeS Halbs Fahr mindestens einmal stattfindenden Per»sammlungen die Generalstabschefs der Armee und der Marine so»wie der Vorsitzende des Beirats für die koloniale Verteidigung bei-wohnen.—England.Altes Eisen!London, 4. April.(59. H.) Die Marineverivaltung ließgestern 12 alte Panzerschiffe verkaufen. Der höchste erzieltePreis bclief sich auf 6000 Pfund.Amerika.Kommunalisierung.Chicago, 3. April.(W. T. 58.) Die Gemeindewähler faßtenheute mit einer Mehrheit von 3837 Stimmen einen Beschluß zu-gunsten der Uebernahme der Straßenbahnen durch die Stadt. DieiÄusgabe von Zertifikaten in Höhe von 75 Millionen Dollar zumZweck deS Ankaufes der bestehenden Linien wurde ebenfalls gut-geheißen.—_Gcwcrhrcbaftlicbea.Eine Viertel-Million Kämpfer!Der Deutsche Metallarbeiter-Verband(Sitz Stntt»gart) veröffentlicht in der Nummer 14 der Metallarbeiter- Zeitungseine Jahresabrechnung für 1906. Nach den gewaltigenKämpfen, die der Verband im vorigen Jahre zu bestehen hatte, bietetdiese Abrechnung ein ganz besonderes Interesse.Die M i t g l i e d e r z a h l ist im Berichtsjahre von 198 964 auf259 692, also un, 60 728— 30,52 Proz. gestiegen.(Zurzeit be-trägt sie nahezu 300 000). Der Rechnungsabschluß bilanziert mit5 647 418,30 M.(1904: 3 517 367.48 M.). Die R e i n e i n n a h m ewar 5 107 717,41 M.(3 309 887,86 M), im einzelnen: Beitrittsgelder71 995,60 M.(64366,70 M.). Beiträge 4689576,10 M.(3226803,16 M.).sonstige Einnahmen 346145,71 M.(28718,01 M.). Die Reineinnahmeist gegen 1904 um 1 797 629,25 M. gestiegen, davon ergaben dielbeiträge mehr: 1 462 772,95 M. Die Ausgaben für Unter«st ü tz u n g e n an die Mitglieder zeigt diese kleine Tabelle:1905 1904 1903M. M. M.Reisegeld...... 247 373,13 192 098,14 146 773,14Arbeitslosenunterstützung 480 187,58 400 803,75 320 859,59Streikunterstützung.. 2 084 549,02 629 394,39 1 220 551,59Rechtsschutz..... 81361,17 58 205,67 45 374,35Maßregelungen... 103 504,651 128 329,33 84060,19Besondere Notfalle.. i 0 623.20/Umzugsunterstützung.. 51 421.62 19 800,——Zusammen 3119 019,27 1 628 631,28 1 826 618,87Die Summe der vom Verband geleisteten.Streikunterstützung"ist wesentlich höher wie sie diese Tabelle ausweist. Die 2 084 549,02 M.sind nur der Betrag, der auf die H a u p t k a s s e entfällt. Diegesamte 1905 an Mitglieder gezahlte Streikunterstützung zeigtfolgende Tabelle:Art der Bewegungen: Hauptkaffe 9 LokalkassenAbwesirstreiks...... 212 880,— M. 43 922,— M.Angriffsstreiks...... 551 413,—„ 138 779,—.Aussperrungen...... 1298 463,—, 500 242,—,Bewegungen ohne Arbeitseinstellung........ 8 026,—» 778,—»Von anderen Organisationengeführte Streiks, bei denenMitglieder von uns beteiligt 13 767,02._—»2 084 549,02 M. 743 721,— M.2*28270,02 M.An weiteren Ausgaben find noch folgende bedeutende Posten zuerwähnen: Agitation 127 201,17 M.,„Metallarbeiter- Zeitung"177 049,88 M., Streikunterstützung an andere. Organisationen 51 000Mark, Aufrechterhaltung internationaler Beziehungen 4569,85 M.,Beiträge an die Generalkommission 35 297 44 M., Gesamtkosten der7. ordentlichen Generalversammlung 28 413 M., Verwaltungskosten:a) persönliche 35 146 54. b) sächliche 88 337,25 M.. zusammen 123483,79Mark. Der Vermögens st and war am Jahresschluß ohne dieden Lokalkassen gehörigen Bestände: 2 177 198,44 M.(1 543 353,13Mark), mehr gegen das Vorjahr: 636 845,31 M.Dieser riefige Fortschritt unter immerwährender Anfeindungdurch das Unternehmertum sollte den Scharfmachern zeigen, daß essich hier um eine unaufhaltsame EntWickelung handelt, der man nichtentgegentreten kann, sondern mit der man rechnen muß. Selbst,wenn es den Unternehmern mit Hülfe von Polizei und anderen Behörden da und dort einmal gelingen sollte, eine Organisation wiediese nicht im offenen Kampfe aus dem Felde zu schlagen, sondernsie um einen Erfolg zu betrügen, gilt von ihr doch das WortFreiligraths:Bald richf ich mich raffelnd in die Höh',Bald kehre ich reisiger wieder I—Der Metallarbeiterverband hat neben dem Bergarbeiterverbandmit dem kapitalkräftigsten und einflußreichstenUnternehmertum zu kämpfen. Wenn die EntWickelung in der ausobigen Zahlen ersichtlichen Richtung weitergeht, wird sich aber baldzeigen, daß Hammer und Amboß ihre Rolle wechseln IBlvlkii una amgegtnd.Ter Malerstreik beschäftigt« gestern nachmittag sehr cmgelegent.lichst eine mißerordentliche Meisterversammlung. Von,den rund 1800 Rtalermeistern Berlins und der Vorort« waren trotzdringlicher Einladung nur etwa 400 erschienen. Diesem Häufleinsetzte der Obermeister Kruse sehr rührend auseinander, wie not-wendig außer der Innung noch ein selbständiger Arbeitgeber»verband sei. Um die Werbetrommel besser rühren zu können,hatte sich der Herr Obermeister einen Assistenten in der Person desals Patentscharfmacher bekannten' Generalsekretärs Nasse vonder berüchtigten Abteilung II des Kühnemännerverbandes mit-gebracht. Dieser hielt denn auch eine seiner gewohnten Hetzredengegen die Arbeiter, wobei er besonder? betonte, daß es bei demgegenwärtigen Streik gar nicht mehr auf einen oderzwei Pfennige Lohnzulage ankomme. Die HerrenArbeitgeber Hütten den Streik vielmehr als eine pure Machtfragezu betrachten. Sie müßten den Arbeitern zeigen, daß sie Herrenim Hause seien und die Regelung der Lohn- und Arbeits-bedingungen nur ihrem eigenen Ermessen unteriiege, und so fortin der bekannten Litanei. Natürlich stärkte eine derartige Rede dasSelbstgefühl der Anwesenden um so mehr, als Herr Nasse ihnendie moralische Unterstützung der anderen Nrbeitgebervcrbände inAussicht stellte und obendrein noch versprach, den Arbeits nach-weis in der D r e s d e ne r st r a ße III sowohl als Streik-brccheragvntur wie auch als Streikbrechcrherberge in denDienst der Malermeister zu stellen. Auch der Ober-meister Hansen von der H a m du r ge r Malerinnung, der auchzugleich das Haupt des dortigen Arbeitgebcrverbandes ist, war an-wesend und schlug die höchsten Töne scharfmacherischer Siedekunstcm. Zwischen den Hamburger und Berliner Malermeistern bestehtnämlich ein Kartellvertrag dahingehend, daß die Hamburgerihre Gehülfen aussperren sollen, wenn die Berliner Gehülfen malstreiken, und umgekehrt. Nun hat der Vertrag allerdings ein Lochbekommen, weil die Hamburger Meister infolge einer siegreichdurchgeführten Lohnbewegung der dortigen Gehülfen mit dieseneinen Tarifvertrag abschließen mußten. Deshalb waren dieErörterungen über eine eventuelle Generalaussperrungauch etwas unklar und gewunden. Die Herren trösteten sich schließ-