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freilich zum lauten Jubel gibt dies Ergebnis nicht gerade > um so weniger, als die kommende Wahlrechts änderung den Namen einer Reform sehr unnützlich führen dürfte. Die Zugeständnisse, die dem Proletariat gemacht werden sollen, werden zweifellos auf das mindeste Maß be- grenzt Iverden. Man will ihm ein paar Konzessionsschulzen geben, seine Vertretung aber, einerlei wie das kommende Wahlrecht sonst ausschauen wird, ob es direktes Klassen Wahlrecht oder Berusswahlrecht oder Pluralwahlrccht oder aus allen möglichen Systemen zusammengeflickt sein wird, für alle Zeit auf eine kleine Minderheit festlegen. Darüber ist kein Zweifel, darin sind Konservative, Nationalliberale und Regierung einig, und der schwache Freisinn wird dagegen nicht allzu heftig aufbegehren. Aber wie diese Wahlrechts änderung auch beschaffen sein mag, einen kleinen Fortschritt gegen das jetzige System wird sie immerhin bringen müssen, und die� sächsische Arbeiterschaft wird nicht verfehlen, den Reaktionären, wenn die Zeit gekommen ist, wieder tüchtig ein zuHeizen, um sie auf dem Wege der Zugeständnisse vorwärts zu treiben. Und sie wird ebenso wie gegen das Dreiklassen- Wahlrecht den Kampf gegen jedes andere Unrecht ausnehmen, das an seine Stelle treten soll. Sie kann es mit frischem Mute tun. Denn alle Ein- schränkungen abgezogen, es bleibt doch ein positiver Erfolg ihres Wahlrechtsfeldzuges von 1903/06 bestehen: die prole- tarischen Demonstrationen haben den Stein ins Rollen ge- bracht, davon läßt sich nichts abmarkten noch wegdeuteln. Wenn das Maß der Zugeständnisse, die schließlich herausspringen werden, nicht groß ist, so kommt es zunächst darauf weniger an als auf die Tatsache, daß die Herrschenden überhaupt Zugeständnisse machen müssen, daß im berüchtigten Musterländchen der Reaktion die Arbeiterschaft trotz ihrer parlamentarischen Entrechtung die Politik be- cinflussen konnte. Die Erfolge sehen nicht so glänzend aus wie die unserer Brüder in Oesterreich , aber man darf dabei nicht vergessen, daß in Sachsen unter ganz anderen Kon- stellationen gekämpft wird, daß die Kräfteverhältnisse ganz andere sind, daß gerade die Stärke, die unsere Partei in Sachsen erreicht hat, den zähen Widerstand der herrschenden Klasse gebiert, weil sie ihre Herrschaft unmittelbar bedroht sieht. Das preußische Proletariat, das den Kampf gegen ein noch schlimmeres, noch verrotteteres Unrecht zu führen hat, kann aus dem Kampf der sächsischen Brüder manches lernen. Die Bedingungen des Kampfes sind in den beiden Bundes- staaten nicht die gleichen. Schon der Umstand, daß das Drei- klassenwahlrecht in Preußen ein halbes Jahrhundert besteht und daß unsere Partei sich hier erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit an den Landtagswahlen beteiligt, niacht einen großen Unterschied. Aber das zugegeben, ist das sächsische Beispiel für Preußen nicht ohne Beweiskraft. Es zeigt, was eine große Kraftanstrengung, die durch jahrelange, zähe, eifrige Agitatton vorbereitet wurde, zu erzielen vermag. Es zeigt uns, daß. wir es uns nicht verdrießen lassen dürfen, wenn die direkten Erfolge anfänglich hinter den Erwartungen zurückbleiben sollten. Einen Erfolg wird der Kampf, auch das kann uns der Stand der Bewegung in Sachsen und ihre Befruchtung durch den Wahlrechtskampf zeigen, immer haben: Er wird die Kräfte der Partei stählen und ihre Erfahrungen vermehren! Das Beispiel des sächsischen Proletariats soll uns an­spornen, nicht zu erlahmen im Kampfe wider das preußische Wahlunrecht. Der Erfolg unserer sächsischen Genossen muß uns lehren, daß schließlich auch in Preußen von Erfolg be- gleitet sein wird der Kampfruf: Nieder mit dem Dreiklassen- unrecht l_ Die Revolution in Rnstland. Rußlands Verschuldung. Nach den offiziellen Angaben betrug Nußlands Staats- schuld Anfang dieses Jahres 7 681895 948 Rubel. Indessen ist die gesamte Verschuldung Rußlands eine weit größere und bietet in diesem Moment, wo die neue Anleihe so gut wie ab- geschlossen ist, ein besonderes Interesse. Bekanntlich ist die russische Regierung bei dem Berliner Bankhaus Mendelssohn kurzfristige Verpflichtungen in Höhe von 156 Millionen Rubel inoffiziell eingegangen, die nun fortwährend pro- longiert werden. Dazu kommen sogenannte bedingte Schulden, die zum Teil durch Ländereien, zum Teil In dieser Rubrik figurieren die von der russischen Regierung garantierten Obligationsanleihen der Privat- Eisenbahnen, die das hübsche Sümmchen von 1 116 566 666 Rubel aus- machen: ferner gehören dazu die Pfandbriefe der Adels- und Agrar-Saatsbanken in Höhe von 1 165 817 666 Rubel. So- mit beträgt momentan die gesamte Verschuldung Rußlands die Summe von 16648666 666 Rubel, wobei dieaußer- gewöhnlichen" und stets geheim gehaltenen Verpflichtungen der russischen Regierung nicht berücksichtigt sind. Aber schon die Verzinsung der obigen Summe erfordert ein großes Kapital. Denn die Zinsen für die offizielle Staatsschuld betragen 341669 871 Rubel, die der bedingten Staatsschuld inklusive Amortisationszinsen 98 666 666 Rubel, so daß Ruß- land jährlich insgesamt 439 666 666 Rubel Zinsen zu zahlen hat. Dazu kommt jetzt die neue große Anleihe, deren Ver- zinsung infolge der obwaltenden Verhältnisse besonders hoch zu stehen kommen wird, so daß die nunmehrige Verschuldung Rußlands mindestens jährlich 8 Mark Zinsen pro Kopf aus- macht. A«S de« russischen Gefängnisse«. Die russische Hauptgefängnisverwaltung hat soeben interessante Angaben über die Zahl der in S1 der wichtigsten Gefängnisse unter- gebrachten politischen Gefangenen gemacht. Danach wird be­hördlicherseits! als Tatsache festgestellt, daß die Zahl der Inhaftierten in den russischen Gesängnissen momentan durchschnitt- lich öS Proz. größer ist als die höchste zulässige Zahl, für die die betreffenden Gefängnisse eingerichtet sind. Einen Begriff von der Ueberfüllung der einzelnen Gefängnisse erhält man aus folgenden offiziellen Angaben: Im Wilnaer Gefängnis, das für höchstens 326 Personen eingerichtet ist, befinden sich 6ö7 Per- sonen; im Kasaner Gefängnis schn, achten 383 Personen in den für 260 Personen bestimmten Räumen; das Saralower Gefängnis sollte höchstens 461 Gefangene aufnehmen, aber jetzt sind dort 10SS Per­sonen untergebracht; in Charkow hat man«44 Personen in dem Gefängnis intemiert, das nur für 371 Personen berechnet ist. Auch in den Ostseeprovinzen sind die meisten Gefängnisse mehr als überfüllt; so beherbergt das Mitauer Gefängnis 716 Personen, trotzdem eS höchstens 3S1 Personen aufnehmen soll. Im Durchschnitt kommen jetzt zwei Gefangene auf den für nornale Zeiten be- rechneten Platz, daher sieht sich die russische GefäugniSverwaltung veranlaßt, Dienst- und sogar Privaträume dazu zu benutzen, um das Personal beziehungsweise dieleichten" Berbrecher unter« zubringen. Bei dem jetzt in Rußland herrschenden Regime dürfte aber die russische Gefängnisberwaltung Wohl noch zu anderen außer- ordentlichen Maßnahmen greifen müssen. » Die Dnma-Wahlen. Die Russische Korrespondenz erhielt aus Peters- bürg folgendes Telegramm vom 11. April: Bis zu diesem Augen- blick find die Resultate der Wahl auS 27 Gouvernements mit 167 Dumamitgliedern bekannt. Bon diesen sind 110 Kadeten und Pro- gressisten, 9 Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre, 25 Zentrum und Reaktionäre und 33 Parteilose gewählt. Die Hofkrcise in ZarSkoje- Szelo sollen in größter Bestürzung wegen der Kadetensiege sein. Die Umgebung des Kaisers, darunter der Großfürst Konstantin Konstantinowiffch sollen darauf dringen, daß gegen die Kadeten Repressivmaßregeln ergriffen werden. Das Gerücht, daß die Regierung, um eine Anleihe abzuschließen, ausländischen Unternehmern große Borteile in Rußland gewährt hat, ruft hier in industriellen und kaufmännischen Kreisen starke Aufregung hervor. Die Demission Wittes ist bis jetzt nicht an- genommen. Der Führer der Kadeten tritt in der ZeitungRech" mit höchstem Nachdruck gegen den Abschluß der Anleihe auf. Massenverhaftungen in Riga . Riga , 11. April. Unter starkem Militäraufgebot hat die Polizei in der Mitauer und Moskauer Vorstadt, wo Haupt- sächlich Arbeiter wohnen, Haussuchungen vorgenommen. Zahlreiche Waffen wurde beschlagnahmt. Ueber hundert Personen, darunter eine große Anzahl politisch verdächtiger Studenten, wurden in das Gefängnis abgeführt. poUnscke CUberficbt. Berlin , den 11. April. Aus dem Reiche der Zentrumsgrafen. Oberschlesien , das Reich, wo Kapläne und Zentrums- grasen herrschen, hat den Vorzug, edelste Blüten der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu treiben. Wir nennen: aus- gedehnte Frauenarbeit auf Gruben und Hüften bei erbärmlichen Löhnen, überhaupt ein tiefes Lohnniveau, lange Arbeitszeiten, schlechter Gesundheitszustand, hohe Unfallziffern Schnaps- oest und Roheftsdelikte I Wie die frommen Kapitalisten die Ausplünderung verstehen, darüber gibt Aufschluß die Sta- tistik des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins. Nach dieser belief sich der Wert der verkauften Produtte pro. Kopf der beschäfttgten Arbeiter aus Gruben- Koks- u. Eisenge- betrieb Ziuderwerke winnung Bearbeitung M. M. M. M. 1906.... 2182 4666 6684 9038 1904.... 2034 2831 4351 7733 In 1905 mehr 148 1724 1233 1305 Alle Produkte zusammengenommen, stieg die Wertsumme pro Kopf der Beschäftigten von 2988 M. in 1904 auf 3461 M. in 1905. Die Gesamtzahl der beschäftigten Personen erfuhr eine Steigerung von 146 611 im Jahre 1904 ans 147 407 im letzten Jahre. Verhältnismäßig stärker war die Zunahme der weiblichen Arbeitsttäfte, deren Zahl von 11 460 auf 12613 stieg. Es sind demnach in der oberschlesischen Eisen- und Kohlenindustrie über 8 Prozent der Beschäftigten Frauen und Töchter des Proletariats. Die Vorliebe für weibliche Arbeitsttäfte erklärt sich aus den miserablen Löhnen. Während z. B. im Bergbau der Durchschntttslohn für sämtliche Arbeitsttäfte im letzten Jahre 3,08 M. betrug, wurden die Frauen mit 1,13 M. pro Tag abgespeist! So ehren die Frommen die Frauen! Wie es überhaupt mit den oberschlesischen Löhnen bestellt ist, wie sich diese zu den er- zielten Wertsummen verhalten, läßt folgende Zusammenstellung nach amtlichen Angaben erkennen: Es betrugen die Jahresdurchschnittslöhne in der* 1900 1902 1903 1904 M. M. M. M. oberschles. Kohlenindustrie 877 820 832 83S Eisenindustrie 792 804 818 859 Im Bergbau stieg für 1905 der Durchschnittslohn auf 867 M., es ist mithin immer noch nicht der Lohnstand von 1900 wieder erreicht. In der Domäne der Kapläne und ?entruinsgrafen stehen die Jahresdurchschnittslöhne um 366 is 466 M. hinter den entsprechenden Sätzen im Rnhrrcvier zurück. Und im Ruhrrevier schimpft die ulttamontane Presse auf das gottlose liberale Kapital! AlS eines Ausgleichs für die miserablen Löhne erfreuen sich die Schlesier hoher und stetig wachsender Unfallziffern! Nach den Rcchnungsergeb- nissen der Schlesischen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft entfielen auf je 1600 Versicherte 1896 1900 1902 1903 1904 entschädigungspfl. Unfälle 7.60 9,66 10,48 18,80 14,78 16,73 Im Laufe von 10 Jahren ist die Unfallquote um mehr als 166 Proz. gestiegen!« In der Vorliebe für billige weibliche Arbeitsttäfte, in der Tiefe des Lohnniveaus, in der Höhe der Unfallziffern läßt Obcrschlesien sich nicht übertteffen. Die Verhältnisse im deutschen Belgien " erttären auch die sozialpolitische Schaukelpolitik des Zentrums. Um den Zenttums- grasen den Profit nicht zu schmälern, durfte das Zcnttum nicht für einen wirttichen Bergarbeiterschutz eintreten, es kam das Mißgebilde zur Welt, das sich als Arbettertrutz erweist. Steine statt Brot hat das Zentrum den Bergarbeitern gc- reicht! Aus dem angeführten Grunde tritt das Zentrum auch nicht für eine Regelung der skandalösen Arbeitsverhältnisse in den Eisen- und Stahlwerken ein. Den Agrariern gab das Zentrum Wucherzölle, den industtiellen Zenttumsgrafeu be- schneidet es nicht die schrankenlose Ausbeutung der Arbeits- kraft. Dafür nennt das Zentrum sich Volkspartei! Perverse Zuneigung. Wenn die urteutschen Jünglinge m letzter Zeit des öfteren eine deutsch -preußische Hülfsaktwn für die baltischen Adeligen angeregt haben, so darf das nicht wundernehmen. Die Herrschaften wissen, daß sie es selber fertig bekämen, durch ihr Gebaren den Zorn des Volkes einmal derartig zu erregen, daß sie unter Umständen die Gegendienste der von ihnen begönnerten ausländischen Gesinnungö- genoffen recht gut gebrauchen könnten. Also wie gesagt die Balten-Liebe der deutschen Antisemiteriche ist allenfalls noch ver- ständlich. Wenn aber den baltischen Adelssippen, die durch ihre geschichts- notorische Brutalität gegen Bauern und andere Proletarier das jetzt über sie hereingebrochene(zum Teil übertriebene) Unheil selbst verschuldet haben, wenn diesen Herrschaften von jüdisch-dcutsch- liberaler Seite eine Fülle des Mitleids entgegengebracht wird, so ist das weniger verständlich, DasBerliner Tageblatt" begrüßt mik helljubelnder Freude den Plan, jenenabgebrannten" Deutsch- Balten mit einer preußischen Staatshiilfe unter die junkerlichen Arme zu greifen! Erstens sollen dem hoffnungsvollen Nachwuchs der Edelsten deutsch -baltischer Nation an den preußischen Universitäten und technischen Hochschulen alle nur erdenklichen Erleichterungen gewährt. zweitens sollen sie nach Befragung des preußischen Dreiklaffen- Parlaments" mit reichlichen Geldunterstützungen bedacht werden! Man sollte meinen: Masse und Konsorten täten besser, sich um die durch die jüngsten Vorgänge im Zarenreiche viel schwerer ge- troffenen blutarmen russischen Juden zu bekümmern, die zu Tausenden im Auslande umherirren müssen und andere Sorgen haben als die: ob irgend ein verrußter Staat a la Preußen sich ihrer studierenden Söhne auch recht liebevoll annimmt? Es wäre vergebene Mühe, der Mosse -Garde das Klägliche ihrer Balten-Bemutterung beweisen zu wollen. Selbst bei denen muß sie sich mit ihrem Gebaren lächerlich machen, die an sich durchaus mit der preußischen Hülfsaktion einverstanden sind. DasBerliner Tage- blatt" schwingt sich nämlich zu hoch-arischen Gefühlen auf; es phantasiert davon: die Lageunserer Stammcsgenossen in den russischen Ostseeprovinzen" müsse verbessert werden usw. Da haben die Balten-Verehrer antisemitischer Kouleur mal wieder etwas zum Lachen. Sie mögen sich die unerwartete israelitische Bundesgenossenschaft behaglich schmunzelnd gefallen lassen; aber im Innern werden sie das Gefühl der Verachtung für Judas Stamm und Judas Zeitungen um einige Grade erhöhen. DeutlcKes Reich. Die Verhaftung der Genossin Luxemburg hat der deutschen Ordnungspreffe den Anlaß zu wahren Orgien der Gemeinheit gegeben. Und noch immer glaubt fie, in der Offen- barung ihrer Erbärmlichkeit noch nicht genug getan zu haben. Die National-Zeitung" bringt heute eine Notiz unter der schönen Ueber- schriftDemagogen in der Falle", die also begimit: Demagogen, gleichviel welcher Schattierung, pflegen die Eigenschaft gemeinsam zu haben, daß sie furchtbar laut schreien. wenn fie sich einmal bei Verkündung ihrer vollsbeglückenden Weisheit in den Maschen des Gesetzes gefangen haben. So sitzen augenblick- lich zwei Exemplare dieser Spezies auf fremdem Gebiet in der Falle und"rufen laut um Hülfe zu ihren Freunden und dem- selben Staate, den sie sonst mit allen Künsten demagogischer Gewissenlosigkeit planmäßig beschimpfen. Rosa Luxemburg , von Geburt Russin , und nur durch den eigenartigen Geschmack eines deutschen Mannes, der sie zu seiner Gemahlin erkor.Deutsche" geworden, hat sich bekanntlich vor einiger Zeit nach Warschau be- geben, und ist dort wie es scheint, unter dem Verdacht politffcher Umtriebe verhaftet worden. Wie jetzt dieNowoje Wremja" meldet, sind von ihren Freunden beim deutschen General» t o n s u l in Warschau Schritte unternommen worden um ihre Freilassung herbeizuführen, doch soll das deutsche General- konsulat sein Eingreifen in dieser Angelegenheit ver- weigert haben... Die geistreichelnde und menschenfreundliche Einleitung der Notiz hätte sich da« nationaUiberale Blatt sparen können. Die Nowoje Wremja" ist nämlich falsch berichtet. Nicht die Freunde Rosa Luxemburgs, weder ihre deutschen noch ihre russischen, haben sich sür sie beim deutschen Generalkonsul verwendet, sondern ein gleichgültiger bürgerlicher Journalist hat bei dem Herrn angestagt, ob er sich der Affäre annehmen werde. Für die deutsche Sozial- demolratte hat Genofie Bebel im Reichstage deutlich genug erklärt, daß sie nur dann die Intervention der Reichsregierung fordern würde. wenn die russischen Behörden Ungesetzlichkeiten im Verfahren gegen unsere vortreffliche Genossin begehen würden. Auf demselben Standpunkt werden auch die russischen und polnischen Genossen stehen, zumal die tapfere Genossin Luxemburg sich in ihren Briefen energisch ver- beten hat, daß man aus ihrer Verhaftung, die nur eine sei unter vielen, eine besondereAffäre" mache! Wider Willen muß übrigens dieNai-Ztg." zum Schluß den Mut unserer Genossin anerkennen, indem sie schreibt: Im übrigen wird mau eS als eine überaus große Unverpchttg- keit bezeichnen, wenn eine Persönlichkeit wie Rosa Luxemburg , deren politische Vergangenheit und Gegenwart ganz genau be- kannt ist, sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach Ruß- land begibt. Daß sie dort Unannehmlichkeiten mit der russischen Regierung haben würde, hätte sie ohne weiteres voraussehen können...." Früher haben die SchmockS der Ordnungspresse gehöhnt über die Vorsicht der Genossin Luxemburg , die nicht nach Rußland gehe, und noch in diesen Tagen beliebte eS einigen ganz schlauen Organen der öffentlichen Meinung, eS als große Feigheit unserer Genossin hin« zustellen, daß sie fich in Warschau verborgen gehalten hat, anstatt sich dem ersten Polizeibeamten als die bekannte Revolutionärin Luxemburg zur sofortigen Verhaftung vorzustellen. Hier hat fich nun einmal ein noch klügeres Blatt in der Hitze deS Schimpf« gefechtS zu einem Zugeständnis verplappert, das eS bei ruhiger Be- sinmmg wahrscheinlich nicht von sich gegeben hätte. Die Sozialdemolratie brauchte dieses Zeugnis wider Willen natürlich nicht, um zu wissen, was sie von der Tat der Genossin Luxemburg zu halten hat. Wir führen eS nur an, um die Erbarm- lichkeit der Ordnungspresse an ihren eigenen SeWentblößungen zu zeigen. Der zweiteDemagoge in der Falle", den dieNat.-Ztg." meint, ist der seit einiger Zeit verschollene Redakteur Kowalczhk von dem oberschlesischen radikalen PolenblatteGornoslazal", dessen Verhaftung aus Wilna gemeldet wurde. Er ist ebenfalls deutscher Reichsbürger. Ueber ein Bierteljahr ZengniSzwangshaft. Unser Genosse Bruno Schumann ist, wie uns telcgraphisch mitgeteilt wird, endlich gestern abend aus der Zeugnis- zwangshaft in schwer leidendem Z u st a n d e ent­lassen.. Seit dem 4. Januar befand sich Genosse Schumann in Zwangshast, weil er es ablehnte, die Schurkerei zu begehen. das ihm entgegengebrachte Vertrauen als Stadtverordneter zu brechen. Das Amtsgericht lehnte die Einleitung des Zeugniszwangsverfahrens ab,- das Landgericht Bielefeld ordnete die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses für folgenden Tatbestand an: Ein Polizeikommissar Schröder erlitt am 3. März 1901 einen Unfall. Er beschuldigte den Polizeikommissar Lehmann, dem Genossen Schumann mitgeteilt zu haben, bei der frag- lichen Gelegenhett sei er betrunken gewesen und nicht über eine zur Absperrung gezogene, in der Dunkelheit nicht be» merkbare Linie, sondern in Wahrheit die Treppe herunter- gefallen, und habe sich dadurch den Unfall zugezogen. In diesem Verfahren gegen Lehmann sollte der Genosse Bruno Schumann eidlich als Zeuge, und zwar im Vorverfahren, vernommen werden, ob der Lehmann oder wer sonst ihm die Mitteilungen gemacht hatte. Schumann erklärte: seine Kenntnis beruhe auf Mitteilungen, die ihm in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter von Bielefeld gemacht sind, er verweigere das