Einzelbild herunterladen
 

kbieder mit ihrem alten Trick zu versuchen: jener Welt, die sich so gern durch ein paar lügnerische Phrasen betören läßt, etwas von der Judenfreundlichkeit, der Gerechtigkeit der russischen Regierung und des Zaren vorzufaseln. So meldet »die Petersburger Telegraphenagentur: Der Generalgouverneur har eine Bekanntmachung erlassen, in der gesagt wird, daß jeder Versuch, gegen die Juden gerichtete Unruhen hervorzurufen, in schärfster Form unterdrückt werden würde. In der �Bekanntmachung wird weiter ausgeführt, daß alle Klassen der Bevölkerung und alle Nationalitäten dem Kaiser gleich teuer seien, daß alle Kinder desselben großen Baterlandes seien und daß ihre Interessen gegen jeden Angriff geschützt werden würden. Die jüdischen Finanzkönige werden beim Lesen dieser schönen Worte eine Freudenträne im Auge zerdrücken, dem russischen Bankrotteur das Geld leihen und verwundert tun, wenn die Judenmetzeleien in Rußland wieder beginnen, nach- dem der große Pump unter Dach und Fach gebracht ist. Ein Blatt wieNascha Schisn" schreibt über den ge- Planten Riesenschwindel unter anderem folgendes: ... Unsere ausländischen Freunde müssen sich dessen bewußt sein, daß sie gleichfalls zu Feinden des russischen Volkes werden, wenn sie am Vorabend des Zusammentritts der Duma eine end° gültige Vereinbarung treffen und dem russischen Volk eine Schuld- schlinge um den Hals ziehen. Das französisch)« Volk muß wissen, daß, wenn sich auch die Bankiers hierbei einen guten Verdienst sichern können, es am letzten Ende der wirtliche Gläubiger, der ausländische Rentier, der die russischen Fonds ankauft, sein wird, der sehr viel verliert. Für ihn würde die vorherige Genehmigung der Anleihe durch die Duma nicht nur in moralischer, sondern auch in materieller Hinficht bedeutend größeren Vorteil bringen als der zeitweise Gewinn am hohen Prozentsatz und am niedrigen Kurs der Anleihe." Uns scheint, daß sogar die Genehmigung der Anleihe durch d i e Duma, wie sie unter den bestehenden Verhältnissen zu- sammentreten wird, keinen halbwegs besonnenen Kapitals- besitzer verlocken dürfte, sein Geld in den unersättlichen Rachen des russischen Molochs zu schleudern: denn was wird das für eine Duma werden? EineVolksvertretung" nach dem Sinne der russischen Regierung, eineVolksvertretung", an deren oppositionellen Atomen so lange herumgedoktert werden wird, bis sie von einer etwa durch Nikolaus ernannten Körver- schaft kaum mehr zu unterscheiden sein dürfte. Folgende Mit- teilung spricht Bände im Sinne dieser Auffassung: Der russische Minister des Innern Durnowo stellte soeben den Gouverneuren nilhcuu, Personen, die als Reichsdumakandidaten aufgestellt sind, sich aber in Hast befinden, freizulassen oder nicht. In diesem Vorgehen Durnowos sieht vie K.-D.-Partei neue Rcprcssivmaßrcgeln gegen sich, da Durnowo sich hierdurch jeder Verantwortung entzieht und der Willkür der Provinzbeamten Vor- schub leistet. *" Spiridonowa. Die tapfere Märtyrerin Spiridonowa wird sich derGnade", daß die über sie verhängte Todesstrafe in eine Verurteilung zu 20 Jahren Zwangsarbeit umgewandelt worden ist, nach Aussage der Aerzte kaum allzu lange erfreuen dürfen: denn die schurkischen Offiziere, die sie vergelvaltigten und fast zu Tode marterten, haben die Gesundheit des Mädchens unrettbar vernichtet. Aus den Verhandlungen vor dem sie aburteilenden Gerichte find folgende Aeußerungen der Spiridonowa bemerkenswert: .. Die Schrecken der Reaktion finden nicht ihresgleichen in der Geschichte Rußlands : Im Laufe von zwei bis drei Monaten sind 2<X> Menschen hingerichtet worden, die Gefängnisse überfüllt, die bewaffneten Aufstände im Blute ertränkt.... Besonders die Unter- drllckung der Bauenmnruhen gehört zu denglänzendsten Taten" der Bureaukratie und muß mit blutigen Lettern ins Buch der Geschichte eingetragen werden. Ich greife nur einen Kreis eines Tambowschen Gouvernements heraus und nur einen blutbesuldetenRuhestifter" Luschenowsky: Eine ganze Reihe von Dörfern sah nach dem Raub- und Mord- znge Luschenowskys aus wie bulgarische Dörfer nach einem türkischen Ueberfalle. Im Dorfe Pawlograd sind zehn Menschen erschossen und 40 verwundet worden; den Alexander Dubrowin, einen Sozial- demokraten, der hinkam, um die erbitterte, mit elementarer Gewalt zum Durchbruch gekommene Bauernbewegung zu organisieren, die Bauern aufzuklären und vom Niederbrennen der gutsherrlichen Besitz- tlliner abzubringen, haben sie vier Tage laiig gepeinigt. Als es seinen Verlvandten endlich gelungen war, weiiigstens seine Leiche zu sehen, erkannten sie ihn nicht wieder so war er zugerichtet: Statt eines gesunden, blühenden Menschen sahen sie einen Haufen formlosen Fleisches, Knochen und Blutes. Am letzten Tage seines Lebens quälte ihn der Durst man gab ihm kein Wasser; er kroch zur Türe, um frische Lust einzuatmen mit Nageika- hieben und Rufen:Wohin, du Hund?" wurde er von Kosaken wieder zurückgetrieben. Im Dorfe Beresowska sind drei Bauern in den Wahnsinn hineingequält worden. Außer dem Niederschießen und dem zu Tode peitschen wurden Maßregeln derRuhestiftung" angewandt, wie Auspliinderung der Baucrnhütten, Wegnahme des gesamten Getreides, Niederbrennen ganzer Dörfer. Entehrung von Frauen. Oft hieß Luschenowsky alle Bewohner des Dorfes stunden- lang vor seinem Hause in Schmutz und Schnee knieen, so lange als er Mittag, sich an Wodka besoff oder schlief. Zu den Füßen der Bureaukratie legte Luschenowsky seine Trophäen nieder: ermordete Bauern, wirtschaftlich ruinierte Familien- Väter, gepeitschte Kinder und entehrte Frauen... Und im Namen der Gerechtigkeit und der niedergetretenen Menschenwürde fällte das Tambower Komitee der sozialdemokratischen Partei das Todesurteil über Luschenowsky. Mit vollem Bewußtsein der Bedeutung dieser Tat übernahm ich ihre Ausführung, weil das Herz vor Qualen zerriß, weil es so schrecklich und qualvoll war zu leben bei den Nach- richten, die aus den Dörfern kamen und von den Greueltaten Luschenowskys berichteten. Als ich nun vollends mit eigenen Augen die in den Wahnsinn gepeinigten Bauern sah. als ich eine Wahn- sinnige alte Mutter sah, deren jährige Tochter sich nach ihrer Vergewaltigung durch Kosaken ins Wasser gestürzt hatte, da konnte keine irdische Macht, keine Höllenqual mich von der Aus« führung meines Entschlusses abhalten.... Und jetzt, nach den Folterqualen, die mich Awramow und Schdanow haben erleiden lasten, sage ich eS noch einmal: Ich bin glücklich, mein Volk zu verteidigen und für mein Volt zu sterben." politifcbe Ucbcrficbt. Berlin , den 12. April. Agrarische Bescheidenheit. Die Wünsche der Agrarier zu erfüllen, ist selbst der Bülow- Rheinbaben-Podbielskischen Regierung unmöglich. Mit den jetzigen Viehpreisen sind zwar die Herren Agrarier so ziemlich zufrieden, aber die Höhe der Kornpreise genügt ihren bekannten bescheidenen Ansprüchen nicht. Zwar stehen diese Preise höher als um die gleiche Zeit des vorigen Jahres, und die Differenz zwischen den Inlands- und Auslandspreisen beträgt 45 bis 50 Mari, es kommt also schon jetzt die am 1. März dieses Jahres eingetretene Zollerhöhung fast voll in den deutschen Marktpreisen zum Ausdruck, doch das alles reicht nicht, denn die Preise zeigen die Tendenz zu fallen. Deshalb erheben die Herren gegen die Regierung den Vorwurf, diese Tendenz dadurch verschuldet zu haben, daß sie vor dem Inkrafttreten der neuen Handelsverträge zu viel Getreide in das deutsche Zollgebiet hineingelassen hat und zugleich verlangen sie, daß auf das in Ost- elbien geerntete Getreide, das nach dem Auslande gegen Ausfuhr- scheine exportiert wird, nicht nur der bei der Einfuhr bezahlte Zoll von 3,50 M. pro Doppelzentner, sondern der jetzige Zollsatz vergütet wird, d. h. also den Exporteuren eine Exportprämie von 1,50 bezw. 2 M. pro Doppelzentner gezahlt wird. So schreibt z. B. die Deutschs Tageszeitung", das offizielle Organ des Bundes der Landwirte: Wir stehen also seit dem Eintritt der neuen Zölle unter einer starken Preisdepression und daran trägt die Schuld»lediglich die deutsche Regierung. In doppelter Hinsicht. Einmal: weil sie es versäumt hatte, für rechtzeitige Maßregeln gegen den überflüssigen Spekulations- import fremden Getreides vor dem Inkrafttreten der neuen Zölle Sorge zu tragen. Wir haben das erste Mal schon im Februar 1905, gleich nach Annahme der Handelsverträge, auf die Not- wendigkcit aufmerksam gemacht, rechtzeitig Maßregeln gegen den Spekulationsimport zu treffen. Wir haben diese Mahnung dringend wiederholt im April und Mai 1905, sodann wieder bei Beginn des neuen Erntejahres im Juli und August. Die Herren Dezernenten der Regierung haben sich nicht gerührt. Der Import von Weizen, Roggen und Haser betrug im Erntejahr(1. August bis 1. Marz): 1903/04; 18 Millionen Dnvvelzcntner. 1904/05: 18 1905/06; 35 Er hat sich also in diesem Jahre geradezu verdoppelt! Erst als die Frage der Aussuhrscheinvergütung für die Reichs- finanzen brennend geworden war, wurde das die Finanz- . interessen wahrende Gesetz vom 12. Februar 1906 erlassen, wonach der Bundesrat bevollmächtigt ivurde, für die Darier eines Jahres die Ausstlhrvergüwng nicht in der Höhe der neuen Zölle, sondern nur zum Betrage der alten Zollsätze auszufertigen. Das ist nun vom 1. März ab geschehen und darin, daß diese Be- stimmung auch für das Jnlandsgetreide gilt und heute noch aufrecht erhalten wird, liegt die zweite Versäumnis der Regierung, ihre Schuld an der heutigen, täglich zunehmenden Preis- dep re s s i on. Die Handelslager sind mit Jmportgetreide überfüllt, daran läßt sich nun nichts mehr ändern; man kann nicht dem nur zu 3 M. 50 Pf. verzollten Weizen und Roggen nun 5 M. 50 Pf. bezw. 5 M. Ausfuhrvergütung gewähren. Aber man sollte dem Jnlandsgetreide gegen Ursprungsnachweis die früher bestandene Exportmöglichkeit wieder geben, indem man ihm die Exportvergütung in der gesetzlichen Höhe des treuen Zolles einräumt. Unter dem alten Zoll betrug die Differenz zwischen Inlands- und Auslandspreis 35 M., heute beträgt sie. infolge entsprechender Senkung des Auslandspreises, 45 bis 50 M. Es kann also das ostdeutsche Getreide bei nur 35 M. Zollvergütung nicht die früher gewöhnten Exportwege ein- schlagen uird so stauen sich im Jnlande die überflüssigen Importe und die heimische Ernte und bewirken so einen täglich fortschreiten- den Preisdruck lediglich infolge einer im rein fiskalischen Interesse verfügten Verwaltungsmaßrcgel." Weiter können die Junker ihre Bescheidenheit kaum treiben. Interessant aber ist, daß das Blatt selbst eingesteht, die Aus- landspreise ständen schon jetzt um 40 bis 50 M. pro Tonne niedriger als die Inlandspreise. Sonst leugnen bekanntlich die agrarischen Sophisten, daß die inländischen Preise um den Betrag des Zolles verteuert werden; hier, wo es ihnen in ihre Argumentation paßt, gestehen sie diese Wirkung offen.ein. Selbstwiderlegung des Grosten Generalstabes. Das erste Heft des vom Großen Generalstabe herausgegebenen WerkesDie Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika" hatte bekanntlich seinerzeit die abgeschmackte Behauptung enthalten, die H e r e r o s seien nicht nur ein den Buren ebenbürttger, sondern ihnen sogar überlegener Gegner, da sie es den Buren an Schießfertigkett mindestens gleichtäten, sie an Energie der Offensive aber erheblich überträfen. Diese törichte Behauptung, die nicht nur auf eine übertriebene Lobeserhebung der deutschen Leistungen in Süd- westoftika, sondern auch auf eine kindische Herabsetzung der Leistungen der Buren und Engländer im Burenkriege hinauslief, hatte nicht nur auf sozialdemokratischer Seite den verdienten Spott hervorgerufen, sondern auch den Oberst G ä d k e veranlaßt, imBerliner Tagebl." dieser öden Selbstbeweihräucherung entgegenzutreten, an der steilich die Redaktion dieses Blattes selbst teilnahm I Jetzt nun ist Oberst Gädle in der Lage, nachzuweisen, daß sich der Große Generalstab durch das soeben erschienene zweite Heft seines Werkes über Südwestafrika selbst gründlichst desavouiert I Wie es nämlich in' Wirklichkeit um die Schießfertigkeit und die an- gebliche Wucht der Offensive der Hereros aussah, beleuchtet Oberst Gädke durch folgende dem Generalstabswerk entnommenen Tat- fachen: Im Gefecht beiOtjihina-maparero am 25. Februar 1904 haben 170 deutsche Gewehre zehn Stunden lang auf nahe Entfernung gegen 1000 HereroS gekämpft. Verlust der Deutschen an Toten und Verwundeten 9 Mann oder 6 Prozent. Bei Klein-Bar in en(4. März 1904) fochten 200 Deutsche gegen 600 Hereros 6 Stunden lang. Verluste mit Ausnahme von zwei gleich im Beginn aus dem Hinterhalt getöteten Leuten gleich Null. Im Gefecht bei O n g a n j i r a(9. April 1904) wurden 8000 HereroS durch 700 Deutsche nach 6 stündigcm Feuergefecht eworfen, wobei letztere 16 Tote und Verwundete oder ,3 Proz. ährer Gefechtsstärke verloren. In dem besonders blutigen Gefecht bei O k o h o m i j3. April 1904), bei dem die deutsche Nachhut im Busch über- fallen wurde, verlor die zirka 230 Gewehre starke Abteilung Glasenapp gegen 1000 Hereros 49 Mann oder 21 Proz., dagegen in dem ergebnislosen Kampfe bei O v i u m b o, der mit dem Rückzüge der Deutschen endete, von 700 Mann nur 21 oder 8 Proz., wobei noch zu bemerken, daß 8 davon wiederum gleich im Beginn des Gefechts auS dem Hinterhalt niedergeschossen wurden. Die Stärke der HereroS betrug diesmal sogar 5000 Mann. Der Durch« schnittSverlust der Deutschen in den 5 Gefechten, die aus dem Hinterhalt getöteten mit eingerechnet, betrug asio 4,6 Prozent, und zwar ausnahmslos gegenüber einer drei- vis siebenfachen Ueber- legenheit des Gegners m vielstündigem, zum Teil auf nächste Ent- fernung geführtem Feuerkampfe. Das zeugt doch in der Tat nicht für eine Schicßfertigkcit der HereroS. die der der Burrn auch nur aunichernd gleichkäme". Es gehört ja schon seit den Tagen, als Julius Cäsar seinen bsllnm gallicum schrieb, zu den militärschriststellerischen Gepflogen- heilen, zur Herausstreichung der eigenen Leistungen die Furchtbarkeit des besiegten Gegners möglichst zu übertreiben. So lächerlich wie von unseren Militärs im Hererokriege ist freilich selten aufgeschnitten worden I Statt sich mit der von niemand bestrittenen Feststellung zu begnügen, daß die deutschen Truppen die in sie zu setzenden militärischen Erwartungen durchaus befriedigt haben, glaubte man ein übriges tun und den Feind gleich als einen unvergleichlichen Gegner hinstellen zu müssen, gegen den selbst die Buren die reinsten Weisenknaben seien. Hätten in all den von Oberst Gädke aus- gezählten Gefechten unseren Truppen B u r e n in solcher Ueberlegen- heit gegenübergestanden, so wäre von unseren Leuten wahrscheinlich kein Mann der Vernichtung oder Gefangennahme entgangen I Das lehren die dem Oberst Deimling freilich völlig unbekannten wirklichen Tatsachen des Burenkrieges I_ Ein Nachspiel zur Pücklerei. Am Mittwoch spielte sich vor dem Landgericht Görlitz ein Preß- Prozeß ab, der wegen seiner aufsehenerregenden Nebenumstände weit-, gehendes Interesse beansprucht. Der Prozeß ist nämlich die Folge einer Kritik am letzten Pückler-Prozeffe in Glogau . Der Dreschgraf stand am 10. August v. I. wegen Beleidigung und Bedrohung des Wirtschaftsvogtes Pauli in Schönau seines Gutes in der Nähe von Kl.-Tschirne) vor Gericht. Pückler war an der Spitze seines berüchtigten Reiterkorps in das ftemde Gut eingedrungen und hatte auf Vorhaltungen des Vogtes diesen beschimpft und ihn mit Zerschmettern des Schädels bedroht. Der edle Menschenfreund wurde dafür nur zu 350 M. Geldstrafe verurteilt, trotzdem er wegen schwerer Delikte oft und hart vorbestraft war. An demselben Tage wurde von demselben Gericht ein Dienstmädchen, das 35 Pf. gestohlen hatte, zu 2 Jahre» und 1 Monat Zuchthaus verurteilt! In einem Bericht derFrankfurter Zeitung " war anläßlich dieser Verhandlung an dem Verhalten des Glogauer Landgerichts respektive seines Vorfitzenden, des Landgerichtsdireltors Roth, dem Pückler gegenüber Kritik geübt und der Vorwurf erhoben worden, Pückler sei anders behandelt worden als andere Angeklagte. Er habe nicht auf der Anklage- dank zu sitzen brauchen, sei alsHerr Angeklagter" oder Herr Graf" angeredet worden und habe, ungeriigt und ohne in Ordnungsstrafe genommen zu werden, sich dem Gericht gegenüber Aeußerungen erlaubt wie:Das verstehen Sie nicht!"Die Glogauer Gerichte nehmen leider stets gegen dir Gutsverwalter und Rittergutsbesitzer Partei!"Leider befinden sich die Glogauer Be- Hörden stets aus feiten der Feinde des Vaterlandes!" usw. Aus derFrankfurter Zeitung " ging der Bericht mit Quellen- angabe in dieGörlitzer Volkszeitung" und in eine ganze Reihe anderer bürgerlicher und sozialdemokratischer Blätter über. An die Gegenüberstellung der beiden Urteile gegen Graf unv Dienstmädchen war in derGörlitzer Volkszeitung" eine Bemerkung geknüpft. Nun erhielt nicht dieFrankfurter Ztg.". sondem Genosse Riem, der den politischen Teil der in Dresden als Köpfblatt derSächs. Arbeiter-Zeitung " erscheinendenGürl. VolkSzeirung" verantwortlich gezeichnet hatte, eine Anklage wegen Richterbeleidigung: Die nebensächlichen Angaben vom Verweilen außerhalb der Anklage- bank und die Anrede mitHerr" sollen in derFrankfurter Ztg." nicht richtig wiedergegeben und der Schlußsatz des Artikels schwer beleidigend sein l Nicht bestritten wurde dagegen die Richtigkeit der übrigen angeflihrten Tatsachen, die doch eigentlich die Hauptsache der ganzen Geschichte waren. Genosse Riem beantragte die Ladung einer Reihe von Zeugen. vor allem die des Haupt«Helden", des Dreschgrafen, ferner zweier Glogauer Berichterstatter und des Inhabers eines Korrespondenz- bureaus in Charlottenburg . Das Gericht beschloß nun und das Verfahren dürfte den Reiz der Neuheit für sich haben die Ver­nehmung der einzelnen genannten Zeugen in ihren respektiven Wohnortenl Die zwei Glogauer wurden in Glogau , Graf Pückler, der zurzeit seine Festungs- Haft in Weichselmllnde absolvierte, in Danzig und der Charlotten- burger vor dem Amtsgericht dortselbst vernommen. In derBe- gründung" dieses eigenartigen Verfahrens hieß es, daß ein Er- scheinen zur Hauptverhandlung wegen zu weiter Entfernuiigzu beschwerlich" seil!- Das Ergebnis der Vernehmungen war für den Angeklagten ungünstig. Alle auch Pückler behaupteten, der Dreschgraf sei wie jeder andere Verbrecher behandelt worden, er habe auf der Anklage- bank gesessen und sei nicht mitHerr" angeredet worden. Land- gerichtsdireltor Roth, der auf Antrag der Anklagebehörde zu der Angelegenheit ebenfalls in Glogau vernommen wurde, sagte ferner aus: er habe um deswillen den Grafen wegen der ungehörigen Bemerkungen nicht unterbrochen, weil er habe sehen wollen, wie weit der Herr Graf gehe» würde, um danach PücklcrS ZurechnungSfähigkeit zu beurteilen. In der Verhandlung vor dem Görlitzer Landgericht erklärte der Angeklagte, daß der Wahrheitsbeweis in den nebensächlichen Dingen zwar mißglückt sei, daß aber und deshalb sei von seiner Zeitung die Notiz abgedruckt worden die passive Haltung des Vorsitzenden gegenüber den beleidigenden und ungehörigen Bemerkungen deS Grafen Pückler bewiesen sei. Der Staatsanwalt war natürlich der Meinung, daß noch nie ein Beweisvcrsuch so mißlungen sei wie dieser. Sämtliche Be- hauptungen seien frei erfunden usw. Sein Antrag lautete dann schließlich auf: drei Monate Gefängnis. Das Gericht schloß sich in der Hauptsache den vom Verteidiger vorgebrachten Gegen-Argumenten an und verurteilte den Genossen Riem wegen fahrlässiger Beleidigung zu 200 M. Geldstrafe evcnt. 20 Tagen Gefängnis und Publikation des Urteils in einer Reihe schlesischer Blätter. Dieser Prozeß dürfte nicht gerade viel zur Erhöhung des An- sehens der Dame Justitia beigetragen haben. . Dcutrcbcs Reich. Eine Orgie der Gefühlsroheit. Nach den Erklärungen des Reichskanzlers und den Be­teuerungen der Vertreter der herrschenden Parteien im Reichs- tage ist die deutsche Diplomatie mit den Ergebnissen der Marokkokonferenz vollständig zufrieden, da sie mehr durchzusetzen angeblich niemals erwartet, ja nicht einmal gewünscht hat. Diesen Versicherungen gegenüber erscheint es denn doch recht seltsam, wenn dieselben Parteien sich nicht genug darüber entrüsten können, daß Italien Deutschland in Algeciras schnöde verraten und pflichtvergessen mit Frankreich karessiert Habel Jetzt hat sich diese wütende Eifer- sucht aber gar zu Attentatsgelüsten gegen jede gesunde Ver- nunft und jedes internationale Anstandsgefühl gesteigert, die im Auslande ein von Ekel und Mitleid gemischtes Mit- empfinden erwecken müssen. Will sich doch jetzt angeblich das offizielle Deutschland für Italiens marokkanische Eheirrung dadurch rächen, daß es den durch den Vesuv - ausbruch'Betroffenen ostentativ jede Unter- st ützung versagt!! Bringen doch dieVerl . Neue st. Nachr." folgenden, von derGermania " zustimmend abgedruckten Noheitsergutz: Auffälliges Schweigen herrscht im deutschen Blätterwalde anläßlich der furchtbaren Katastrophe am Vesuv ; gewiß, rein referierend wird genug erzählt von den Schrecknissen einer Vesuv -Eruption größten Stils; aber keine Hand regt sich bisher in Deutschland , um durch Spenden milder Gaben aus der Not zu helfen. Wenn man bedenkt, wie groß das werk- tätige Mitleid der Nächstenliebe noch bei der Katastrophe in Ka- labrien sich gezeigt hat, ist die Zurückhaltung allerdings auffällig. Auch hat uns der sonst so geschäftig surrende Draht noch nicht vermeldet, daß unser Kaiser eine seiner ersten Beileidskundgebunqen abgestattet hat. Rur Interesse, aber kein werktätiges Mit- gefühl. Ein Wunder ist das nicht; unser Verbündeter hat sich in AlgeciraS doch schon mehr geleistet als sein ihm gern ge- statteteSExtratänzchen", das wir ihm nach dem Wort des Reichs- kanzlers gernkonzedierten, ohne einen roten Kopf zu bekommen...." Wir haben bei der Katastrophe von CourriereS in, großen Stil werktätige Hülfe geleistet, denn wir haben mit Frankreich keine politische Interessengemeinschaft und Frankreich hat allen Grund, immer Gegner zu sein. Italien ist dem Buchstaben nach