bürste, und o5 es kein Mittel gab, solcher russischen Polizeiwirtschast schon längst ein Ende zu machen? Dafür, datz die vorgesetzten Behörden eine auffällige Langmut gerade gegenüber den skandalösen Zuständen in der hier in Rede stehenden Gemeinden Bgutschütz-Zawodzie bekunden,'gibt auch der Fall Wenzlawiak Zeugnis. Dieser Wenzlawiak ist in genanntem Orte Polizeibeamter und war die rechte Hand deS nun gestürzten Amtsvorstehers Hintzner. Gleich seinem Herrn und Meister hat der Herr W. ein sehr empfind- liches Ehrgefühl und ist schnell mit einer Klage gegen einen der- meintlichen Beleidiger bei der Hand. So mußte sich im Juli vorigen Jahres ein Kesselwärter Gr. vor dem Katto - witzer Schöffengericht verantworten, weil er beleidigende Worte gegen Wenzlawiak gebraucht hatte. Gr. bestritt das gar nicht, führte aber aus. daß der Beamte, der ihm feindlich gesinnt sei, ihn dadurch um seine Stellung im Krankenhause gebracht habe, daß er der Verwaltung ganz unwahrerweise mitteilte, er, Gr., sei schon wegen Diebstahls bestraft. Die Beweisaufnahme ergab die Wahrheit dieser Behauptung des Angeklagten, der darauf zu der niedrigst zulässigen Geldstrafe von drei Mark verurteilt wurde. In der Urteilsbegründung wurde das Verhalten des Beamten, als niedriger Nachsucht entsprungen, scharf gegeißelt und erklärt, daß die Akten der vorgesetzten Behörde vorgelegt werden würden. Was daraufhin geschehen ist, weiß man nicht. Herr Wenzlawiak ist jedenfalls heute noch im Amte. Das muß um so bedenklicher erscheinen, als schon längere Zeit vorher ein von diesem Muster- beamten gegen einen anderen„Beleidiger' angestrengter Prozeß einen blamablen Verlauf für den angeblich Beleidigten nahm. Ein gewisser GanobiS hatte gegen Wenzlawiak die schwere Be- schuldigung erhoben, daß dieser, ein verheirateter Mann, mit einem näher bezeichneten Mädchen, das er amtlich zu vernehmen hatte, lviederholt unzüchtige Handlungen vorgenommm und sie geschlechtlich mißbraucht habe. Die Verhandlung vor dem Kattowitzer Schöffengericht ergab nun die volle Wahr- heit der inkriminierten Behauptungen, so daß GanobiS kostenlos freigesprochen wurde. Herrn Wenzlawiak aber geschah gar nichts, er blieb nach wie vor die rechte Hand des damals mächtigen und gefürchteten AmtSvorsteherS Hintzner und ist auch heute noch in Amt und Würden. Hätte nicht der Staatsanwalt große Veranlassung, eben diesen ober- schlesischen Gesetzeswächter gleich seinem bisherigen Vorgesetzten, den Herrn Amts- und Gemeindevorsteher Hintzner, ganz genau an- zusehen?—_ Sozialistische Kongreste. London , 12. April. Während der Osterfeiertage halten die beiden sozialistischen Organisattonen: die Sozialdemokrattsche Föderation(S. D. F.j und die Unabhängige Arbeiterpartei(Jndependent Labour Party — I. L. P.) ihre Jahrcskongresse ab. Die S. D. F. tagt am 13., 14.. 15. und Ig. in Bradford. Auf der Tagesordnung stehen folgende Referate: Schulpolitik und Sozialdemokratie, von Genossin Frau BridgcS Adams; Armengesetze und Alters- Pensionen, von Genossin Frau JarviS; Sozialismus und Kriegsgefahr, von H. W. Hyndman; st a a t l i ch e Reorganisation der Industrie, von I. Hunter Watts; kapitalistische Konzentration in England von H. W. Lee. Von den eingelaufenen Anträgen sind folgende bemerkenswert: „Wir find der Ansicht, daß die Zeit gekommen ist, sich der neuen Arbeiterpartei anzuschließen". Wie auS früheren Berichten bekannt sein dürfte, war die S. D. F. eine der Gründerinnen der Arbeiter- Partei im Februar 1900. Sie trat aber aus der Partei aus, als es ihr nicht gelang, die Partei auf ein ausgesprochen sozialistisches Programm zu verpflichten. Inzwischen hat aber die Arbeiterpartei erhebliche Fort- schritte gemacht; ihre parlamentarischen Erfolge sowie ihre Selbständig« keit und ihre unermüdliche Verteidigung der Interessen der Arbetter haben fie dem Sozialisnms so genähert, daß ihr tatsächlich nur der Name fehlt. Deshalb find viele Genossen der S. D. F. der Anficht, daß es nicht mehr angeht, sich der Arbeiterpartei fernzuhalten. Außerdem liegen Anträge vor über die sozialistische Einigkeit und den Arbeiterschutz. Die S. D. F. ist der Ansicht, daß die liberale Partei innerlich bei weitem nicht so stark ist, als man dies ihrer Abgeordnetenzahl nach annehmen könnte und daß eö deshalb die Pflicht der Sozialisten ist. fich so zu organisieren, daß der unvermeidliche Niedergang des Liberalismus nicht den Konservattven, sondern den Arbeitern zugute kommt.— Die I. L. P. versammelt fich am 15., 13. und 17. April in Stockton . Dem Kongresse liegen zahlreiche Anträge der Zweig- vereine(Wahlvereine) vor, die von einem recht regen Leben der Partei zeugen. Sie beziehen sich auf die Befestigung der inter - Kontraste. (Nachdruck verboten.) Im Grand Cafö war's. Abgespannt und matt Vom Tagewerk, das mich in harter Fron Bis abends spät ans Schreibpult hielt gefesselt, Saß ich zurückgelehnt im Ecksofa, Erfreute mich der kargen Muße, rauchte, Beäugelte, ein wenig müde schon, Neugierig jeden, der vorbeiflanierte. Und summte ab und zu die Melodie Des Walzers, den die Hauskapelle geigte, Behaglich mit. In winz'ger Schale schwamm Verführerisch der schwarze Mokkatrank Und stach mir, würzig duftend, in die Nase. Ich schlürfte Schluck um Schluck, bedachtsam, träg. Und überlegte grade: gehst du jetzt Zu Bette oder trinkst du noch ein Täßchen? Als mir der Ober, meine Art gewöhnt. Die neu'sten illustrierten Blätter reichte. Ich nickte Dank, und aufs Geratewohl Griff ich das erste beste Heft im Haufen Und schlug es auf.— Du lieber Gott: was alleS Wird heut nicht illustriert! Man steht und lächelt, Und schämt sich fast.— An Herr aus Neutomischel, Der dort begeht sein Silber-Jubiläum Als unbezahlter Stadtrat. —(Furchtbar komisch I) Ein diebischer Japaner, der in Deutschland Redseligen Asindern ihr Rezept stahl Und der's daheim als eignes ausnutzt.—(Frech, Den Schuft uns noch im Bilde vorzuführen!) Ein Wirklicher Geheimer, dem der König Erlaubnis gab, den grünen Sonnenorden Des Perserschahs zu tragen.—(Gratuliere!) Schon wollt' ich ärgerlich nicht weiterblättern. Als plötzlich meine Blicke wie gebannt An einer Unglücksseite haften blieben, nationale» Beziehungen unter den organisierten Arbeitem, auf die russische Revolution, die Genugtuung über das Wachsen der, neuen Arbeiterpartei und ihre politische.Selbständig- keit, den Anttmilitarismus(„Der Kongreß schließt fich dem Prinzip des internattonalen Friedens an und mißbilligt jeden Versuch, die Jugend militärisch zu erziehen und ollgemeine Wehr- Pflicht in irgend welcher Form einzuführen"). Frauenwahlrecht, Mißbilligung der Chineseneinfuhr in Transvaal , Beseittgung aller noch bestehenden Zölle. Einführung eines gesetzlichen Lohmnininmms, Verstaatlichung der Eisenbahnen, Anschluß der Sozialisten an die Genossenschaften, um ihnen einen sozialistischen Charakter zu geben, sozialistische Einigkeit, Amendierung des Arbeitslosengesetzes, Unfall« entschädigung, Schulpolitik(Verweltlichung der Schule, ärztliche Inspektion und staatliche Beköstigung der Kinder), Reform der Grund- und Bodensteuer, schärfere Betonung des sozialistischen ProgranimS in Wahlkämpfen, verschiedene innere Organisationsfragen. Im ganzen zeigt die I. L. P. das Bestreben, ihren sozialistischen Pflichten nach bestem Wissen und Können nachzukommen. Sie hat im Berichtsjahre bedeutende Fortschritte gemacht. » Oeutrchee Reich. Klerikale Seelenrettung. Mehrfach erhielten wir in letzter Zeit aus den schwarzen Gegenden der Rheinlande und Süddeutschlands Aufrufe und Bettel- briefe katholischer Geistlicher zugesandt, in denen um Geld für die Errichtung katholischer Kirchen und Kapellen in Berlin gebeten wird- Allem Anschein nach gehen derartige Aufrufe zu Sammlungen on masss nach den erzkatholischen Gegenden und veranlassen dort manchen Armen im Geiste, da ihm die Berliner Kirchennot in den düstersten Farben geschildert und zugleich allerlei schöne Vergüttingen versprochen werden, seine Sparpfennige zur Rettung der Berliner aus den Banden deS Unglaubens zu opfern. Als Beispiel dafür, wie es gemacht wird, kann folgendes Zirkular dienen, das zugleich mit einem Bildnis des„heil. Joseph" versandt wird: 12000 Seele» und nur eine Notkapelle für 500! Dem Beschützer der Arbeiter, der Armen und Bedrängten, dem hl. Joseph, dem mächttgen Helfer in aller Not, will ich eine einfache geräumige Kirche im Norden Berlins bauen. Im Herbst dieses Jahres muß endlich nach jahrelangem Warten und Betteln der Grundstein gelegt werden. 12000 Arbeiter mit ihren Familien warten sehnlichst darauf. Ich kann Dir nur dieses schlichte Bildchen schicken, verspreche Dir aber, wenn Du mir auch nur eine Mark schick st (oder in Freundeskreisen zusammenbringst), datz 1. täglich im hl. Meßopfer Deiner und Deiner lieben Angehörigen, besonders der Verstorbenen gedacht wird, 2. einmal in der Woche für Dich die hl. Mesie gelesen wird, 3. am St. Josephsfeste für Dich ein feierliches Hochamt ge- halten wird, 4. täglich mit den Schulkindern für Dich gebetet wird. O bitte, schicke mir eine kleine Gabe. Du weißt ja, wie dank- bar der hl. Joseph ist. Auf Wunsch sende ich Dir gern eine hübsche kleine Broschüre mit den Bildern und Beschreibung aller katho- lischen Kirchen Berlins und seiner kath. Wohltätigkeitsanstalten. Den Wunsch bitte ich auf der Postanweisung oder im Brief aus- zusprechen. Selig sind die Barmherzigen l' Herzlich grüßt Dich Dein dankbarer E. C ortain. Pfarrer, Berlin Ii., Feldstraße 4. Billig tut es Herr E. Eortain— für eine Mark erhält man außer verschiedenen Anweisungen auf das Jenseits auch noch eine hübsche kleine Broschüre mit Bildern. Und dieselbe Partei, die einen derartigen widerlichen Handel mit Meßopfern usw. betreibt, entblödet sich nicht, in ihren Flug- blättern die Sozialdemokratie mit den„billigen Jaköbchen" der katholischen Kirmessen zu vergleichen. In einem uns fast gleich- zeitig zugegangenen, von der Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland in München-Gladbach herausgegebenen Flugblatt heißt es z. B.: Die Sozialdemokratie als„billiger Jakob"! Du kennst, lieber Freund, von Jahrmarkt und Kirmes her den „billigen Jakob". Wodurch fällt er allgemein auf?— Er hat den größten Mund und hält in den Händen den größten Schund. Deshalb fallen auch nur die Dummen auf sein Geschrei herein. Sicherlich gehörst Du nicht zu denen, die sich von diesem„billigen Jakob" leimen lassen. Aber bist Du auch ebenso schlau, wenn im öffentlichen Leben ein anderer„billiger Jakob" fich an Dich herandrängt? Bist Die gräßliche Momentaufnahmen bot Der jüngsten, schauerlichen Katastrophe Im Bergwerk von Courriörcs. Ich saß und starrte Und hin mit eins war alle Heiterkeit. Das Glühlicht, das mich blendend rings umflotz In hundert Lampen, dämpfte sich zum Dunst Aus qualmig trüben, düstern Totenfackeln, Ein Gräbernreer riß tausend Rachen auf, Gefräßig das Parkett, die Marmorsäulen, Tisch, Stuhl und alles Lebende verschluckend, Und die Musik, umstöhnt von Sterbeseufzern, Schwoll grausig an zum wilden Traucrmarsch.— Ich saß und starrte. Unter meinem Fuß Zerbarst die Erde, Gase explodierten Mit fürchterlichem 5wall, von gift'gen Dämpfen Stieg Wölk' um Wolke aus dem Abgrund hoch, Kroch mir erstickend an die Kehle, würgte Den Hals mir zu; ein heißer Feuerhauch Blies mir wie Höllenschwefelglut ins Antlitz, Versengte mir das Haar, den Bart, die Brauen, Riß mir verbrannt die Haut von Stirn und Wange, Zerdörrte in den Knochen mir das Mark Und kochte mir den Körper, wie im Keffcl Bei Siedehitze Fleisch kocht, zischend, brodelnd, Und weiße Blasen treibt.— Ich saß und starrte: Und alle Qualen der Verschütteten, Vom scharfen Rauch Bedrängten, von den Flammen Umzüngelten, dann lichterloh Erfaßten, Vervichteten, zu Aschcnstaub Verkohlten, Erlitt ich schaudernd mit.— Ich saß und starrte: Und dumpfe Tritte dröhnten mir ans Ohr, Die Tritte der Verwaisten, die sich zahllos Zur Grube stürzten, schreckensbleich die Züge, Verzerrt, entgeistert; mit verglasten Augen, Die aus der Höhle quollen, Wahnsinnsfunkcn Im stieren Blick; mit Lippen, irre Worte Der Furcht, der Klage, der Verzweiflung stammelnd; Mit Händen, die zur Faust sich krallten, wütend Du ebenso vorsichtig, wenn der„villige Jakob' der Sozialdemokratie in seinen Kalendern, die sich markt« schreiensch„Bolksfreund" nennen und in seinen Flugschriften„Für Wahrheit, Freiheit und Recht"„Kanonen und Steuerzettel"— oder wie fie sonst noch heißen mögen. Dir seine religiöse, poli- fische und soziale Schundware auszuschwätzen sucht? usw. usw. Wie heißt es doch Matthäus Kapitel 23, B. 27—23 , und V. 33?— Verspottung der deutschen Diplomatie. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat schon während der Verhandlungen in Algeciras mehrfach durch ihr Vcr- halten die deutsche Diplomatie verspottet. Zum Schluß leistete sich sogar bekanntlich der amerikanische Delegierte White das Ver- gnügen, im Namen seiner Regierung zu erklären, daß diese zwar die Beschlüsse der Konferenz anerkenne, aber keine Verantwortung für ihre Durchführung übernehme. Jetzt hat auch Herr Roosevelt selbst in höchsteigner Person der deutschen Diplomatie seine spöttische Anerkennung gezollt. Als ihm am Donnerstag der deutsche Bot- schafter eine Abordnung des Zentralverbandes deutscher Krieger- bundsmitglieder von Nordamerika vorstellte, hielt er eine Ansprache. in der er nach dem Bericht des Wolffschen Bureaus zunächst den herzlichsten persönlichen Empfindungen für Kaiser Wilhelm Ausdruck gab und sodann dckn Deutschen Kaiser und das deutsche Volk zu dem in Zllgeciras vollbrachten Werk beglückwünschte. Er glaube, sagte der Präsident, daß da? Ergebnis der Konferenz die Beziehungen zwischen den beiden mächtigen Staaten Frankreich und Deutschland freundlicher ge st alten werde. Es ist meine Hoffnung und mein Wunsch, setzte er hinzu, wie es die Hofs- nung und der Wunsch eines jeden sein muß, der es gut mit der Menschheit meint, daß diese freundlichen Beziehungen nicht allein ungebrochen fortdauern, sondern stets an Stärke zunehmen möchten. Was die Konferenz in Algeciras angehe, so hätten die Amerikaner als Nation daran nur wenig Interesse, außer daß es immer ihre Sorge sei, überall Gerechtigkeit walten zu sehen, und daß sie, soweit sie es angemessenerweise tun können, für die Sache des internationalen Friedens und internationaler Freundschaft wirken zu wollen. Die„Nordd. Allgem. Ztg." bringt das Wolffsche Telegramm an der Spitze ihrer letzten Nummer. Das Verständnis für amerika- nischen Humor und Satire scheint ihr noch nicht aufgegangen zu sein.— Ei» weißer Rabe. Die deutsche Friedensgesellschaft verbreitet einen Borttag über „Der Krieg und die christliche Kirche", den ein Pastor Böhme auS Kunitz bei Jena unlängst gehalten hat. In diesem Vortrage bezeichnet Pastor Böhme die Frage der Stellung der christlichen Kirche zum Kriege als„eine prinzipielle Frage, die von jedem Christenmenschen tiefernste Erwägung erheischt". Leider aber bestehe in christlichen Kreisen eine Scheu, sich mit dieser Frage zu beschästigen, zumal die herrschende Methode deS Geschichtsunterrichts die Jugend daran gewöhne, den Krieg als etwas Unabänderliches zu betrachten. Wenn auch von einem Militäroberpsarrer einmal erklärt worden sei, daß die Bibel doch selbst zeige, daß Gott dem Volke Israel ja selbst befohlen habe, Kriege zu führen, so stehe eS für jeden Unvoreingenommenen doch fest, daß der ganze Geist der Lehre Christi gegen den Krieg gerichtet sei. Mit Herder müsie des- halb gefordert werden, daß Vater und Mutter ihren Kindern Haß gegen das bloße Wort Krieg einflößten. Es könne aber auch der Kirche Christi niemals geziemen,„das Andenken an Schlachttage und Kriegsbegebenheiten als solche in den Gotteshäusern srohsestlich zu begehen". Vielmehr habe die Kirche die Pflicht,.alle ernsthaften FriedenSbestrebungen kräftig zu unterstützen. Man sieht. Pastor Böhme ist ein einsichtiger und human denkender Mann, ein— weißer Rabe. Wiederholt hat der„Vor- wärts" die Geistlichen aufgefordert, ihr Christentum werttätig durch einen Protest gegen Kolonialgreuel und Kriegshetze zu manifestieren; nicht einer ist als GewissenSmahner seiner Amtsgenosien auf- getreten I Ob Pastor Böhme den Mut besitzen wird, seine Forderungen gerade da zu proklamieren, wo sie angebracht sind: in den Kreisen der Geistlichkeit selbst? Und ob es ihm in einem solchen'Falle gelingen wird, auch nur ein kleines Häuflein werttätiger Bekenner der christ- lichen Nächstenliebe als Kämpserschar um sich zu sammeln? Wir zweifeln sehr daran I Ein Muckerblatt ttagte unlängst beweglich darüber, daß die protestanttschen Theologen, statt eine unabhängige Hierarchie zu bilden wie die katholische Kirche , in unwürdigster Abhängigleit von ihren Gemeinden lebten. Als ob die protestantische Hierarchie je etwas anderes gewesen wäre, als der Schleppenträger der weltlichen Gewalten, der theologische Anwalt aller fürstlichen, junkerlichen und bourgeoisen Borrechte und Ausbeutungsinteressen. Und da gleich der Unterdrückung der besitzlosen Klassen des eigenen Landes auch die Unterdrückung fremder Nattonen und Rassen zu dem Jnteressenkreis Gen Himmel reckten, sich die Brust zerfleischten In toller Raserei.— Ich saß und starrte: Und sah der Massengruft elshundert Toter Gerettete entsteigen, grau geworden Und welk im finstern Schlund; sah tapfre Helfer Auf Bahren Leich' um Leiche aufwärts fördern, Verstümmelt zur Unkenntlichkeit; ich hörte Geschrei und Schluchzen, schrille Schmerzenslaute Die Luft durchgellen, hörte Schollen krachen Herab auf manchen Sarg und leise murmelnd Am Riesengrab'der Priester Trostgebet... Ich saß und starrte: und das Zeittmgsblatt Erzitterte tn meiner Hand. Und sieh: Am Rand der Seite, kaum zwei Finger breit, Nahm ich das Bildnis eines Braven wahr, Der, wie die Unterschrift erklärte, siebzehn Gefährten mit Gefahr des eig'nen Lebens In harter Müh' dem sichern Tod abrang. Ein Mann in Bergmannstracht, ganz ohne Pose. Zu plump für den Salon; und doch: ein Held! Das ernste Aug', die schlichte Haltung sagte: „Was tat ich denn? Was macht ihr von mir her?"— Lang' sog ich mich an diesem Braven fest Und kam mir, ach, wie klein vor.— Siebzehn mal, Nur dem Gebot der Menschlichkett gehorchend, Nicht eitlem Selbsterhaltungstrieb, stieg willig, Von wankendem Gebälk umdroht, er nieder Zum eingesunknen Stollen, grub und scharrte, Zerhieb mit spitzer Hacke Stein und Holz, Schlug, bis die Finger bluteten, sich durch Zum Kameraden, der dahingestteckt Ohnmächttg lag wie tot, lud auf die Schultern Die teure Last und klomm zum Licht empor, Ein Engel des Erbarmens, der die Tränen Von siebzehn Müttern trocknete im Nu, Das Angstgewimmer der verlass'nen Kinder In Jubel wandelte....
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