Nr. 46.
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Vorwärts
' 8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Dienstag, den 24. Februar 1891.
Das Neueffe von den bie sozialiſtiſche Kritik unerbittlich nachgegangen war,
Arbeiterkolonien.
Expedition: Beuth- Straße 3.
Nun bemühen sich die Arbeiterkolonien nach ihrem bloßzulegen und die Beseitigung oder zum mindesten die Programm auch um die Arbeitsvermittelung. Wie nun Milderung schwerer Nothstände durch einschneidende Re- in der letzten Zentralvorstands- Sitzung festgestellt wurde, formen anzuempfehlen. Man begnügte sich damit, im sind durchschnittlich 20% 10 pCt. der aus den Kolonien Dieser Tage hat hier im Fraktionssaale des Herren- besten Falle das Elend der Vagabunden zu bejammern Entlassenen in Arbeit gebracht worden. Die anderen, die hauses unter Vorsitz des Grafen von Ziethen- Schwerin und in sentimentaler Pose die Opfer der modernen Pro- erdrückende Mehrheit, 79/10, pCt., haben keine Bedie achte ordentliche Sigung des Zentralvorstandes buktionsweise zur Verantwortung dafür zu ziehen, daß sie schäftigung durch die Vermittelung der Kolonien erhalten. deutscher Arbeiterkolonien stattgefunden. Die durchgängig ohne ihre Schuld wir sprechen von der Was aus ihnen geworden ist, wie ihr Schicksal sich geStellung der Theilnehmer an dieser Versammlung würde sozialen Massenerscheinung der Vagabondage dem staltet, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Heute auch, wenn man sonst nichts über die Tendenz und die wilden Spiel der freien Kräfte, dem Um und Auf der kapi- in Arbeit, morgen wieder auf der Landstraße, dann in Bedeutung der Arbeiterkolonien wüßte, genügende Hand- talistischen Wirthschaft preisgegeben waren. der Kolonie, der ewige Kreislauf für Zehntausende ehr
Ministerium des Innern war Regierungsrath Fricke, vom
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haben zu ihrer richtigen Beurtheilung bieten. Vom Ein jämmerliches Almosen unter entwürdigenden Be- licher Menschen, die machtlos den Brutalitäten des KapiKultusministerium Regierungsaffeffor Schwartzkopff, vom dingungen, eine Bestrafung der Misère, die Errichtung talismus sich fügen müſſen. Und es fragt sich, was für Beschäftigung den KoloEvangelischen Ober- Kirchenrath Ober- Konsistorialrath Fricke, von Work- houses, von Werkhäusern für die aus dem ProDie Herren Pastoren und die
vom Konsistorium Konsistorialrath Schuster, von der Pro- duktionsprozeß herausgeschleuderten Proletarier, die Er- nisten nachgewiesen wird. vinz Westfalen Oberpräsident Studt, vom Provinzial- gänzung der Korrektionsanstalt und des Arbeitshauses Junker, die Schlotbarone und andere Biedermänner sind ausschuß der Mission General von Bülow, vom Zentral- burch strafhäuslich organisirte Anstalten für die Unglück- nicht die Leute, andere Arbeitskräfte, als wohlfeile ausschuß für innere Mission Pastor Oldenberg er- lichen der Landstraße, das waren die Heilmittel der und la mm fromme zu schätzen. Und es ist charakteSchienen. Herren Pastoren und der anderen Heilsboten des armen ristisch für das ganze Institut, wenn es in dem amtlichen
Die erste deutsche Arbeiterkolonie ist bekanntlich von Mannes. Die hervorragende Rolle, welche die Geistlichkeit Bericht des Vorstandes heißt:" Im Allgemeinen bestrebt dem orthodoxen lutherischen Pfarrer von Bodelschwingh bei der ganzen Gründerei spielte und spielt, macht es ein- man sich jetzt nicht so sehr, nur recht viel Kolonisten in am 17. Auguſt 1882 in Wilhelmsdorf für die Provinz leuchtend, daß der arbeiterkoloniale Salat nicht blos mit Arbeit zu bringen, sondern legt das Hauptgewicht auf die Westfalen eröffnet worden. Als Dr. G. Berthold sein in der einem Tropfen, sondern mit einer reichlichen Portion Würdigkeit." Würdigkeit ist etwas Elastisches: bedeutet es nicht eifriges Beten und Gesangbuchlieder- Singen, Schriftensammlung des Vereins für Armenpflege und muckerisch- stöckerischen Deles angemacht wurde. Katzbuckeln und Unterwürfigkeit? Und die Misère, die Wohlthätigkeit erschienenes Buch über die Entwickelung Die berüchtigten lokalen Naturalverpflegungs- Stationen Nothwendigkeit, die Vagabunden vor dem Untergange zu der deutschen Arbeiterkolonien veröffentlichte, das über den sind gedacht als die Grundlagen der Arbeiterkolonien. In bewahren! Stand der Dinge am 1. April 1886 berichtete, diesen Stationen, welche der klassenbewußte Arbeiter Man mag statt 22 zehn oder hundertmal so viel wurden fünfzehn solcher Institute aufgezählt. Heute, meidet, so lange er vermag, weil sie den Bissen Brot und Kolonien errichten, die Quelle der Vagabondage wird nach fast einem Jahrfünft, waren in der 8. ordent- den Löffel Suppe, den sie darreichen, durch den ent- damit nicht verstopft. Jede Krisis, jeder technische Fortlichen Sitzung 22 Kolonien, aus allen Theilen des würdigenden Zwang zu schwerer Arbeit verekeln, soll der schritt, jede Schwankung des industriellen Zyklus schafft Reichs", wie rühmend der offizielle Waschzettel hervorhebt, heruntergekommene, geschwächte, frierende Proletarier Holz Tausende von Rekruten der industriellen Reserve- Armee, hacken, Erde karren u. dgl., um zu den Wohlthaten" eines jeder Sommer senkt bei mittlerem Geschäftsgang die
vertreten.
Weshalb sind diese Kolonien gegründet worden, weshalb Nachtquartiers und einer färglichen Mahlzeit zugelassen zu Vagabundenziffer, jeder Winter steigert die Zahl der wird überall für dieselben Stimmung gemacht, beim werden. Weil er in Noth ist, wird er auch noch ver- wandernden Brotlosen. Staat und bei Privaten der Klingelbeutel umgereicht? höhnt; die Bourgeoisie, die ihn außer Brot wirft, verhängt Und hilflos stehen die Kolonien dieser innerhalb des Weil die krassen Uebelstände unseres Wirthschaftslebens, über ihn eine Strafarbeit.
Kapitalismus nothwendigen Erscheinung gegenüber. Ist
wie sie in der Bewegung der industriellen Reserve- Armee Was die Stationen einen Tag heischen, das verlangen es nicht ein starkes Stück, daß für solche Dinge Hundertzu Tage treten, zu einem Zugeständniß, zu einer Art die Kolonien Monate lang. Der arme Teufel, der nicht tausende verwendet werden, daß Staat und Gemeinden Beichte trieb, die nach guter bürgerlicher Art die Aeuße aus noch ein weiß und sich der Zuchthausordnung einer jährlich 100 000 M. und mehr dafür ausgeben, daß über rung werkthätigen Christenthums" zur Folge hatte. Kolonie unterwirft, hat Steine zu klopfen, landwirthschaft eine Million bereits verbraucht ist?
Das heißt, man gab die steigende Vermehrung der Ziffer liche Arbeiten zu verrichten, wird geschuhriegelt und Mit welchem Erfolge? Die Thatsachen erweisen ein der wandernden Arbeitslosen endlich mit Hängen und behandelt wie ein Strafgefangener und erhält eine Arbeits- glänzendes Fiasko. Zu welchem Zwecke? Ja, zur BeWürgen zu und suchte das Unheil durch allerlei Lat- vergütung von 25 Pf.; wohlverstanden erst, wenn er seine schwichtigung gläubiger Seelen und um doch die werkmergen zu kuriren, die noch nicht einmal schwächliche Kleidung, die ihm geliefert, verdient hat, bekommt er ein thätige Liebe zu zeigen. Wie sagt doch der Berliner zur Balliativmittel waren. Es war, um in dem höheren Fünftel davon, also 5 Pf., vorher blos ein Zehntel, den Kennzeichnung solchen Verfahrens: Nur immer man Juristendeutsch unseres obersten Gerichtshofes zu reden, Rest" nach der Entlassung. Doch es ist nicht nöthig, so thun! ein erfolgloser Versuch mit unbrauchbaren Mitteln. Die paradiesischen Freuden der Kolonie näher zu schildern, Man hütete sich, die Ursachen der Arbeitslosigkeit, denen sie sind bekannt genug.
Feuilleton.
Nachdrud verboten.]
Bei Mama.
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Er
dauerte. Sie wollte so unendlich genügsam sein, wenn Kindheit so viel Schlimmes von Mama, daß ich auch Gott nur so gut war und es blos eine Weile dauern sie nicht gerade als Ich dachte weder von Dir licß noch von ihr damals sehr hoch! Und dann war ich so Sie fühlte Lust, gemüthlich und umgänglich zu sein; im verzweifelt um Thorsengs willen... ich war ihm zu dankGrunde waren die Menschen ja interessant. Sie lernte Lea, bar, daß er solch ein Bettelding genommen; ich wurde ihre Schwester, kennen; wer hätte geahnt, daß so viel Gutes darob fast ein schlechtes Geschöpf, wie mir scheint!" Fanny Roman von Arne Garborg. in derselben steckte? Berzagt und verpfuscht war sie wohl, merkte, daß Lea für vergangene Tage Abbitte that; sie füßte die Arme; aber dafür hatte sie auch eine Kindheit sie und sprach:„ Ein Glück, daß Du solch einen Mann bekamst." Nun wurde ein Lehrer nach dem anderen vor- gehabt! Es war betrübend, sie von ihrem Leben bei den geladen, um Zeugniß abzulegen für sein Verhältniß zu zwei Jungfern erzählen zu hören! Hui, all das Häßliche Durch Lea erfuhr Fanny ziemlich viel über Papa; Lea Pontoppidan, und die siebzehn Pastoren schnüffelten in und Böse, das sie vernommen und gesehen! Vieles ließ sich glaubte, daß Mama an seinem Unglück Schuld trug. den Schulen bei allen Verdächtigen herum, so daß es gar nicht wiedergeben; Papa war ja auch nicht gewesen, hätte nicht mit ihr verheirathet sein sollen", sagte Lea; auf der Hut zu sein galt. Man wußte nie, wann wie er sollte. Lea war dadurch so verschüchtert worden, eigentlich lag ihm auch eine Andere im Sinn; aber Mama man sie über den Hals kriegte; sie kamen wie die daß sie als erwachsenes Mädchen gar nicht wagte, fich zu war ja schön, und sie lief ihm damals wohl ein bischen nach, Diebe bei Nacht, besonders während der Religionsstunden; verloben; sie meinte, auch das sei unanständig. Du machst und Du weißt, Papa war nicht start... Sie hat Papanie verda handelt es sich darum, die Kinder instruirt zu haben! Dir keine Vorstellung, wie dumm ich war. Ich getraute standen, dünkt mir; er war eigentlich ein guter, lieber Mensch. Leider kann der Pastor ja nicht Herz und Nieren sehen... mich nie, mit Thorseng allein zu sein; nie durfte er mich und dann hatte Mama einen schwierigen Humor, und Papa wenn die Jungens richtig nach Pontoppidan antworten, so füssen oder auch nur mich berühren; ich war so verlegen war nicht gerade geduldig!"" All das ist sehr merkmuß er sich trollen! Und die Teufelsbuben, sie merken ganz und unglücklich, daß ich hätte in die Erde sinken mögen, würdig zu hören; Mama wieder schiebt die Schuld auf gut, wie die Sachen stehen. Es ist eine förmliche Frei- sobald ich ihn nur sah!"„ Hattest Du ihn denn Papa!"" Ja, Papa konnte auch von Mama viel Häßmauerei zwischen Lehrern und Schülern... Der Lehrer nicht lieb?" Der Lehrer nicht lieb?"-D doch, aber Wie, verlobtest liches erzählen, Vieles, was ich nicht einmal wiederholen ist gezwungen, uns das da einzutrichtern, aber er selbst Du Dich mit ihm?" „ Die gnädige Frau mag;. aber dann, zu manchen Zeiten, vertheidigte er sie glaubt wahrhaftig nicht im Geringsten daran... und brachte das zu Stande; sie diktirte" mir die Antwort und auch; die Schuld ist mein; ich hatte ja mehr Verstand!" o werden sie gottlos, so; hi- hi- hi! Es wird ein Alles!" Die gnädige Frau?"" Ja, die gnädige sagte Papa." fürchterlich Guckloch- System Erzogene!" ungläubiges Geschlecht, das dem Frau in Drammen , bei welcher ich war... Du weißt„ D, Du machst Dir keinen Begriff, wie unglaublich Ah pah, meinte natürlich), was Du zu antworten hast;" sagte sie; vergiß dumm ich in jeder Hinsicht war," seufzte Lea hie und da; Fanny; nicht die Schule mache das; man laſſe es ihnen aber nicht, auch hübsch zu danken für den schönen An- es ist schrecklich, daß wir so sind! Erst durch Dich bekam ich nur gut ergehen und sie würden Gott schon lieb ge- trag..." Und ich armes, hilfloses Mädchen, ich war von dem Einen oder dem Anderen irgend eine Idee... selbstverständlich schrecklich dankbar, und so schrieb ich, wie Im Anfang schien es mir thöricht von Dir, so dazusitzen viel schlimmer, als wenn sie Mama verloren Fanny geleitete Frau Kahrs zu Grabe; das war sie sagte. Aber Gott , welche Zeit das war; pfui, und was und mit den Männern über alles mögliche, was uns nichts hätte ich Alles Du bist ja noch glücklich, anging, zu disputiren; ich hatte ja nie gesehen oder gehört, daß ein junges Mädchen derartig auftrat. " Obwohl", fuhr Lea fort, ich hörte in meiner- Ich war auch gewiß ziemlich freimüthig", lachte Fanny;
winnen!
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Aber trostlos machte es sie nicht; nichts machte sie jetzt Du hast ja bei Mama aufwachsen dürfen!"
trostlos; sie hatte etwas sich zu freuen. Wenn es nur
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