verschiedener Städte, wie Berlin, Hamburg, Breslau, Mannheimund Hannover vertraten. Außerdem nahmen an den Verhandlungenteil: die Reichstagsabgcordneten Molkenbuhr und Pfannkuchals Vertreter der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, der Ab-geordnete Legten im Auftrage der Gencralkommission der Ge-iverkschaften Deutschlands, die Genossen Link und Ritter vonder Berliner Gewerkschaftskommission, sowie Vertreter von denZcntralverbänden der Handlungsgehülfen, der Hafenarbeiter undder Maschinisten und Heizer. Wie der VerbandsvorsitzendeSchumann in seiner Eröffnurlgsrede mitteilte, waren Re-gierungsvertreter nicht eingeladen worden, weil dieErfahrung gelehrt hat, daß sie doch nicht kommen. Eine Sympathie-depesche des österreichischen Bruderverbandes wurde mitallgcmeGcr Freude zur Kenntnis genommen.Hierauf begrüßte der Genosse Molkenbuhr den Kongreßnamens der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion mit einer An-spräche, in der er den Beratungen einen gedeihlichen Fortgangwünschte zum Besten der unter einer besonders starken Ausbeutungleidenden Handelshülfsarbeiter.Ueberdie Arbeitsverhältnisse der Handelshülfsarbeiter und derenForderungensprach sodann der Verbandsvorsitzende O. Schumann- Berlin.Schon seit Jahren, so führte der Referent aus, sei die Organisationbemüht gewesen, Material über die Berufsmißstönde zu sammeln,um Forderungen zur Abhülfe derselben an die gesetzgebenden Körper-schaften zu stellen. Eine Eingabe vom Jahre 190L an den Bundes-rat blieb jedoch unbeachtet. Als dann später in der Reichs-kommission für Arbeiterstatistikdie Mißstände, unterdenen die Handlungsgehülfen so schwer zu leiden haben, erörtertwurden, gedachte man im Beirat schließlich auch der Hülss-arbeiter, der großen Schar der Hausdiener und Packer. Es wurdenvom Beirat an 19 Vcrbandsfilialen und 12 Lokalvereine Fragebogenversandt, um ein Bild über die Lage der Handelshülfsarbeiter zugewinnen. Das Ergebnis brachte den siieirat denn auch zu derUeberzeugung, daß gesetzliche Maßnahmen zum Schutze dieser bishergänzlich unbeachteten Arbeiterkategorie durchaus notwendig seien.Im Jahre 1905 fand im Anschluß hieran sodann eine mündlicheVernehmung von 8 Auskunftspersonen aus dem Berufe statt. Wenndie Vernehmung nun auch im Beisein gewichtiger Vertreter derKaufmannschaft erfolgte und eine erklärliche Befangenheit der Ver-nommenen zeitigte, so wurde doch festgestellt, daß die Handclshülss-arbeiter von der Kaufmannschaft in einer überaus langenArbeitszeit übermäßig ausgenutzt werden. Die Herren Kaus-leute suchten diese für sie so äußerst beschämende Tatsache bei jenerVernehmung anfangs zwar zu bestreiten, mußten sie später jedochselbst als wahr eingestehen. Durchgreifende gesetzliche Schutzmatz-nahmen hat die Enquete des Beirats der Reichskommission außereiner Verordyung betr. Gewährung einer ununterbrochenen elf-stündigen Ruhepause für die Hülfsarbeiter jedoch nicht zur Folgegehabt. Es sind wohl einige Verbesserungsvorschläge gemachtworden, doch sind in denselben wieder eine ganze Anzahl der üblichenAusnahmebestimmungen vorgesehen, so daß ein wirksamerSchutz ausgeschlossen erscheint, selbst wenn jene Vorschläge des Bei-rats Gesetz werden sollten.Nun hat der Zentralverband im Oktober v. I. selbst Erhebungenüber die Lage des Hülfspersonals im Handelsgewerbe durch Heraus-gäbe von Fragebogen veranstaltet. Antworten gingen ein aus83 Orten für 2323 Betriebe mit 23 777 beschäftigten Arbeitern. InBetracht kommen naturgemäß nur Großstädte und größere Mittel-städte, woselbst folgende Branchen in die Erhebungen aufgenommenwurden: die Nahrungs- und Genußmittelbranche, Hausbedarfs-artikel, Konfektions- und Manufakturgeschäfte, Putz- und Weiß-Warenbranche, Buchhandel- und Verlagsanstalten. Es beschäftigten:1385 Betriebe bis zu 5 Personen, 698 bis zu 29 Personen, 175 biszu 59 Personen und 65 über 59 Personen, das heißt nur Hausdienerund Packer usw. lieber 18 Jahre waren davon 21 699 und unter18 Jahren 2987 Personen. Eine reguläre Arbeitszeit bis zu19 Stunden hatten 936 Personen— 7,4 Proz.z bis zu 12 Stundenarbeiteten 12 914 42,4 Proz.; bis zu 14 Stunden arbeiteten8148:= 32,5 Proz, und der Rest arbeitete über 14 Stunden. Esergibt sich somit eine reguläre tägliche Arbeitszeit von 12i4 Stundenbei 1— Zstündigen Pausen, die jedoch je nach Bedarf eingeschränktwerden. Soweit würde das Ergebnis mit dem der Reichskommissionfür Arbciterstatistik übereinstimmen. Was das Verhältnis aberwesentlich ungünstiger gestaltet, das ist die regelmäßigwiederkehrende Verlängerung der Arbeitsdaueran gewissen Wochentagen und während der„Saison". Haben docheinige Branchen, wie beispielsweise die Konfektionsbranche, jährlichmehrere Monate, ja fast ein halbes Jahr lang„Saison". In dieserZeit werden dann die Kräfte des Hülfspersonals derartig ausgenutzt,daß bis zu 18 Stunden t ä g l i ch gearbeitet werden müssen.Auf den Durchschnitt berechnet ergibt sich demnach eine Arbeitszeitvon 1414 Stunden.Die Art der Arbeit ist anstrengender und unangenehmer.als wie es dem Uneingeweihten auf den ersten Blick erscheint. Esheißt nur immer: Friedrich hinten, Friedrich vorne. Besonderswährend der Saison gibt es ein ewiges Hasten und Jagen, treppauf.treppab; bald auf der Straße bei der Kundschaft oder der Post,bald im Geschäft. Hinzu kommen noch Privatarbeiten für den Chefund dessen Familie, so daß der Hausdiener vielfach erst gegen Mitter-nacht müde und erschöpft sein Lager aufsuchen kann, um es um5 oder 6 Uhr morgens wieder zu verlassen. Zudem ist die Be-Handlung vielfach eine ausgesucht schlechte; nicht zum mindestenvon der Unzahl kaufmännischer„Vorgesetzter", unter denen sichdas„höher" stehende weibliche Element, wie Direktricen undAbteilungsvorsteherinnen, durch abstoßendes, schnippisches Benehmenmeistens noch besonders hervortut.Was d i e Beschaffenheit der Pack- und Arbeits»räume anbelangt, so existieren hier geradezu empörende Miß-stände. Vielfach müssen die Packer in Löchern arbeiten, wo wederSonne noch Mond hineinscheint. Dumpfe, feuchte Keller, wo denganzen Tag über künstliches Licht gebrannt werden muß, werdenhäufig als Packräume benutzt; oder es dient hierzu der Hof, derzugige Hausflur oder eine rattenbevölkerte Remise. In Farben-und Drogengeschäften leiden die Hülfsarbeiter unter einer gesund-heitsschädlicben Staubentwickelung, die beim Zureiben der Farbenund beim Mischen von Chemikalien entsteht. Für Ventilation isthier durchweg so gut wie gar nicht gesorgt. Ueberaus schlecht istes mit Waschvorrichtungen, Umkleideräumen, Speiseräumen undmit den Abortverhältnissen bestellt. Nicht selten liegen die Speise-und Umkleidebuchten in unmittelbarer Nähe der schlecht angelegtenund noch schlechter gereinigten Klosctträume, und ein Klosett dientmitunter 29 bis 39 Personen beiderlei Geschlechts zur Benutzung.Redner kam zu dem Schluß, daß die Arbeitsverhältnisse derHandelshülfsarbeiter einer baldigen Verbesserung dringend be-dürftig seien, wenn nicht die Hunderttausende dieser Arbeiter inein stumpfsinniges Kulitum versinken sollen.(Lebhafter Beifall.)Die Forderungen an die Reichsregierung zum Schutze der Handels-arbeiter sollen in einer einheitlichen Resolution niedergelegt werden,die alle Verhandlungspunkte des Kongresses gemeinsam umfaßt.Die Diskussion war eine äußerst ergiebige. Es beteiligten sichan der Debatte nicht weniger als 26 Redner, ebensoviele warennoch eingezeichnet, als ein Schlußantrag angenommen wurde. Dasvom Referenten gezeichnete allgemeine Bild des Elends und derAusbeutung wurde durch Einzelschilderungen aus allen GauenDeutschlands noch wesentlich vervollständigt. Von den Klagen überschlechte Behandlung, Arbeitsüberbürdung und zu lange Arbeits-zeit war eine immer drastischer wie die andere. Auch über diemiserable Entlohnung wurden Angaben gemacht, die dazeigten,'wie sich selbst die steinreichsten Handelshäuser das großeAngebot von Arbeitskräften zunutze machen, um die Löhne auf daSdenkbar niedrigste Maß herabzudrücken. So ist es in den Mittelstädten gang und gäbe, daß jugendliche Hausdiener bei Kost undLogis nur 5— 8 M. pro Woche erhalten. Verheiratete Leute werdennicht selten mit Jammerlöhncn bis herunter zu 12 und 19 M. entlohnt. Auch in Großstädten trifft man Löhne von 15 M. an. Vonmehreren Rednern wurde es auf Grund ihrer eigenen Erfahrungengeradezu als g e f ä h r l i ch bezeichnet, die Polizeiorgane gelegentlichauf die Mißstände in den Packräumen oder die Nichtinnehaltungder gesetzlichen Mindestruhezeit aufmerksam zu machen. Es ist vor-gekommen, daß solche Beschwerdeführer von den Beamten dem Chefnamhaft gemacht und daraufhin kurzerhand entlassen wurden.Direkt berüchtigt wegen ihrer Gesundheitsschädlichkeit sind in Berlinder„Börsen-" und der 29 Stufen tief gelegene„Petrikeller", wo-selbst die sogenannten„Kellerwürmer" zeitweise in Wasser undHohem Schlamm arbeiten müssen. Welche Ansprüche aber zuweilenan einen Hausdiener gestellt werden, das geht in geradezu groteskerWeise aus einem Offertenschreiben hervor, das die FirmaM. Neumann, Hoflieferant, Berlin, Friedrichstraße, kürzlich aneinen Stellennachweis für Hausdiener richtete. Die Firma ver-langte„einen patenten gewandten Menschen mit intelligenter Rede-weise und nur besten Zeugnissen" unter folgenden Bedingungen:Alter 22— 27 Jahre, unverheiratet, wenn möglich Soldat gewesen,muß in Berlin gut Bescheid wissen, saubere Kleidung resp. erhältLivree, nettes Aeußere, gewandte Manieren, muß in BerlinerDetailgeschäften tätig gewesen und guter flotter Packer sein. Unddas alles für einen Lohn von— 29 M. pro Woche! Andere Firmensuchen Hausdiener, von denen sie sogar die Kenntnis der englischenSprache verlangen. Mehrere Redner meinten launig, es fehleschließlich nur noch die Vorlegung des Einjährigen-Zeugnisses.—Eine eingehende Erörterung fand auch die verwerfliche Dreirad-q u ä l e r e i, durch welche besonders die jugendlichen Arbeiter zu-weilen bis zur völligen Erschöpfung überanstrengt werden. Ebender Schule entwachsene Jungen, die mit den Füßen kaum an diePedale heranreichen, werden da häufig 2— 3 Zentner Waren indie„Mordkarre" gepackt, so daß sie das allgemeine Mitleid derPassanten erregen. Nur der„Chef" empfindet kein Mitleid. Sämt-liche Redner waren sich darin einig, daß diese Zustände förmlichnach Abhülfe schreien.— In seinem Schlußwort bemerkteSchumann, er sei in seinem Referat absichtlich nicht auf dieLohnverhältnisse der Handelshülfsarbeiter eingegangen, weil eineAufbesserung der Löhne nicht Sache der Gesetzgebung, sondernSache der Organisation sei, die zu stärken eine ebensowichtige Aufgabe für die Arbeiter sein müsse, als wie alle Matz-nahmen zur Herbeiführung gesetzlicher Schutzvorschriften.»»*Berlin. 17. April.Zweiter Verhandlungstag.Das nächste Referat hielt Werner- Berlin. Er behandeltedie Mangelhaftigkeit der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungenüber die Sonntagsruhe.Redner drückte sein Bedauern darüber aus, daß unsere Gesetz-gebung eine Einheitlichkeit in der Handhabe der Sonntagsruhebisher noch immer nicht gelten läßt. Während für die gesamteIndustrie eine lückenlose Sonntagsruhe gilt, existiert sie für dasHandelsgewerbe nur teilweise. Es stehe aber außer allem Zweifel,daß eine vollständige Sonntagsruhe dem Handclsgcwerbe ebenso-wenig schädlich sein werde, wie sie der übrigen Industrie schädlichgeworden ist, wenn sie nur erst allgemein zur gesetzlichen Einführunggelangt. Wie aber steht es jetzt? In einem Orte gilt die Sonntags-ruhe, im anderen nicht, je nachdem sie durch Ortsstatut beschlossenist. Ueberall gelten aber noch allerhand Ausnahmebestimmungen,durch welche die örtlichen Vorschriften wieder durchlöchert' werden.Den Schaden davon haben natürlich in erster Linie die Handels-hülfsarbeiter, wie auch die Handlungsgehülfen und-Gehülfinnen.Besonders stark leiden sie unter den vielfachen Uebertretungender Vorschriften. Laut amtlicher Statistik gab es im Jahre 1994in Deutschland 9956 Verurteilungen wegen derartigerUebertretungen. Ungleich größer ist aber zweifellos die Zahl der-jcnigen Uebertretungsfälle, die überhaupt nicht zur Anzeige unddamit auch nicht zur Ahndung kommen. Es ist geradezu„Usus"in vielen Geschäften, die Leute während der gesetzlichen Ruhezeithinter verschlossenen Türen und verhangenen Fenstern stundenlangarbeiten zu lassen. Von der Organisation sind in verschiedenen'Orten Komitees gebildet worden, die auf solche Ungesetzlichkeitender Firmeninhaber zu achten und Uebertretungen der Polizei-behörde mitzuteilen haben. Doch läßt sich fast allgemein kon-[tatieren, daß die Polizeiorgane bei ihrem Einschreiten nur sehrlax verfahren. Häufig werden die beschwerdeführenden Arbeitervon den Beamten mit den Worten angefahren: Was geht Siedas an, wenn dort gearbeitet wird! Erst wenndarauf hingewiesen wird, daß die Beschwerdeführer im Interesseihrer ungesetzlich ausgebeuteten Mitarbeiter handeln, entschließensich die Beamten dann mißmutig zum Einschreiten.Nun hat die Organisation im Jahre 1995 die bereits erwähntenistischen Erhebungen auch über den Umfang der Sonntags-arbeit im Handelsgewerbe ausgedehnt. Von den 23 777 Beschäf-tigten der 83 Orte mußten 57,2 Proz. des Sonntags arbeiten,28,6 Proz. hatten vollständige Sonntagsruhe; leider hatten 14,2Proz. keine Angaben gemacht. Von den zur Sonntagsarbcit Her-angezogenen mußten 35,3 Proz. 1— 3 Stunden arbeiten; 23 Proz.arbeiteten bis zu 5 Stunden; 21,7 Proz. arbeiteten über 5 Stunden;der Rest arbeitete unbestimmte Zeit. Redner gelangte zu demSchluß, daß diese Zahlen teils den Beweis für die allgemeineDurchführbarkeit der Sonntagsarbeit ergeben, teils aber auch be-weisen, welchen großen und schädlichen Umfangdie Sonntagsarbcit im Handelsgewerbe nocheinnimmt. Es gelte, unter allen Umständen für die gesetzlicheDurchführung der Sonntagsruhe einzutreten.(Beifall.)In der Diskussion wurde von allen Rednern übereinstimmendbesonders die Lauheit der Polizeiorgane beim Einschreiten gegenUebertretungen der Unternehmer getadelt. Vielfach könne mandie Beamten erst dann interessieren, wenn man eine Verletzungdes religiösen Gefühls erheuchelt. Für die sozialpolitischeSeite der Sache zeigten sie dagegen nur sehr wenig Verständnis.Ueberdie Unfallversicherung der Handelshülfsarbeiter'prach hierauf Zimmer- Breslau. Die Ausführungen des Red-ners gipfelten in der Forderung auf Ausdehnung derUnfallversicherungspflicht für alle Handels-betriebe. Bisher sind bekanntlich nur diejenigen Betriebe ver-sicherungspflichtig. die ins Handelsregister eingetragen sind undüber eigene Lagerräume verfügen. Auch schärfere Unfall-Verhütungsvorschriften seien erforderlich, weil die Zahl der Unfällenachgerade eine erschreckende Höhe erreicht hat. So gibt die Lagerei-und Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft für 1994 folgende Zahlenbekannt: Versichert waren 337 716 Personen, davon 332 532 Voll-arbeiter. Verletzt wurden 4769, darunter 437 tödlich, das sind rund19 Proz. Auf 1909 Versicherte verunglückten 14,99 Proz. Lächerlichgering erscheinen die Beträge, die von den Berufsgenossenschaften'ür Unfallverhütung ausgegeben werden im Vergleich zu denenormen Verwaltungskosten. Schon die Art der Unfällezeigt, wo der Hebel zur Besserung anzusetzen ist. Die Ver-unglückungen erfolgen hauptsächlich durch Motore, Hebemaschinen,Fahrstühle, Aufzüge, Flaschenzüge, Explosionen vonDampfleitungen usw.. Umfallen und Herabfallen vonGegen st änden in Packräumen. Fall von Leiternund Treppen, Ueberfahren und Hufschlag. AlsUnfallursachen wurden ferner bezeichnet die ungenügende Be-lcuchtung, schlechte Leitern und morsche Treppen.Redner verweist aber auch auf die chronische Unterernährungder Handelshülfsarbeiter, die infolge der schlechten Löhne zurRegel geworden ist. Auch auf diesem Gebiete erwachse der Reichs-regierung die unabweisbare Pflicht, zugunsten der Arbeiter endlichWandel zu schaffen.(Beifall.)Die Diskussion zeitigte besonders eine herbe Kritik desSystems der Vertrauensärzte und der Rentenquetschen. Bemängeltwurde auch das häufige Fehlen von Verbandsutensilien in denBetrieben.Einer Anregung des Genossen Stelling- Lübeck zufolge er-örterte der Kongreß alsdann kurz die Frage der Zweckmäßigkeiteiner Einhcitsorganisation für sämtliche bestehenden Handclshülfs-arbeiter-Vereine. Auf Antrag Werner- Berlin wurde hierzubeschlossen, von einer Debatte über diese Frage Abstand zu nehmen.dagegen den anwesenden Vertretern der Lokalvcreine anHeim zugeben, die Anregung in ihren Vereinen zur Sprache zu bringen.Das Resultat der Besprechungen soll dann baldigst dem Haupt-vorstand des Zentralvcrbandes der Handels- und Transportarbeiterübermittelt werden. Je nach dem Ausfall bleibt es dem Haupt-vorstand dann überlassen, demnächst eine Konferenz einzuberufen,wo die Vertreter aller Organisationen das weitere in der Sacheberaten werden. Mit dieser vorläufigen Regelung der Angelegen-heit erklärten sich auch sämtliche Vertreter der Lokalvcreine einver-standen. Zu der geplanten Konferenz sollen auch die auf demjetzigen Kongreß nicht vertretenen Vereine eingeladen werden.—Hierauf referierten Bender- Magdeburg und Wagner-Hamburg über denAchtuhr-Ladenschluß und den Sechsuhr-Postschluß.Die Ausführungen der beiden Redner liefen in ihrer Quint-essenz auf eine warme Empfehlung dieser Forderungen hinaus.Eine Schädigung der Kaufleute durch Einführung des Achtuhr-LadenschlB�-es sei um so weniger zu befürchten, als diese Einrichtungsich bereit» in 139 deutschen Städten sehr gut bewährt hat. Eskicge nur»n der Rückständigkeit und dem starren Festhalten anveralteten Gewohnheiten, wenn die Kauf- und Handelsherren derübrigen Städte Deutschlands sich nicht zu einem rechtzeitigen Ge-schäftsschluß aufzuschwingen vermögen. Im Interesse des Personalssei die einheitliche Einführung des Achtuhr-Ladcnschlusses dringendgeboten. Ganz ähnlich verhalte es sich mit der Forderung desSechsuhr-Postschlusses. Bei den jetzigen Verhältnissen auf denPostämtern haben sich für die Hausdiener der Handelshäuser ganzunleidliche Zustände entwickelt. Die Abfertigung der Pakete ver-zögert sich häufig bis nach 9 Uhr abends, was natürlich eine erheb-liche Ausdehnung der Arbeitszeit des Personals zur Folge hat.Nach Ansicht den Arbeiter ist der Sechsuhr-Postschluß bei einigemguten Willen sehr wohl durchführbar und würde zu einer wesent-lichen Erleichterung des schweren Loses der Handelshülfsarbeiterbeitragen.(Beifall.)_Urrbandstag der Wäsche- und Krawattenarbeiter.Während der Osterfeiertage wurde im Berliner Gewerkschafts-hause der zweite Verbandstag der Wäsche- undKrawattenarbeiter und-Arbeiterinnen Deutsch-lands abgehalten. Derselbe war beschickt von 29 Delegiertenaus Berlin,. Bielefeld, Bremen, Chemnitz, Kottbus, Leipzig, Oerling-hausen, Köpenick und Weißensee. Der Verbandsvorstand war ver-treten durch seinen Vorsitzenden Keller und den Kassierer Eue,die Gencralkommission durch den Genossen B r u n n e r und dasFrauen-Agitationskomitee durch Frau T i e tz.Nachdem sich der Verbandstag konstituiert hatte, erstattete derVorsitzende Keller denGeschäftsbericht.Aus demselben sowie aus dem gedruckt vorliegenden Berichtist folgendes hervorzuheben: Seit dem ersten Verbandstage, dervor zwei Jahren abgehalten wurde, hat der Verband so bedeutendeFortschritte gemacht, daß keiner der Teilnehmer am ersten Ver-bandstage an eine solche Entwickelung geglaubt haben würde. DieMitgliederzahl ist in dieser Zeit von kaum 1999 auf 6599 gestiegen.Diese Zunahme ist um so höher anzuschlagen, da 93 Prozent derBerufsangehörigen Arbeiterinnen sind, die für die Organisationgewöhnlich kein großes Verständnis haben. Vor zwei Jahren wurdeauf dem Verbandstage ausgesprochen, daß die noch junge Organi-sation vorläufig nicht an Lohnbewegungen denken könne. Aberdurch das Vorgehen der Unternehmer ist der Verband im vorigenJahre in mehrere Streiks gedrängt worden, die er mit Erfolgdurchgeführt hat. Der bedeutendste dieser Streiks war der inBerlin, an dem 6999— 8999 Personen beteiligt waren.-Die Kostendieses Streiks betrugen 54 727 M.— An einem Streik in Biele-feld waren 1999 Personen beteiligt; derselbe kostete 28771 M.Gleichzeitig wurde auch ein Streik in Oerlinghausen geführt. EinStreik in einer einzelnen Berliner Fabrik, an dem 53 Personenbeteiligt waren, kostete 661 M.Vor zwei Jahren hatte der Verband erst 5 Filialen, jetzt sindeS deren 12, die alle gut fundiert dastehen.Der vom Kassierer Eue vorgelegte Kassenbericht erstreckt sichauf die Zeit vom 1..April 1994 bis 31. Dezember 1995. Er zeigteine Einnahme von 96 569,71 M., darin sind jedoch 59 990 M. Dar-lehen enthalten, die anläßlich der Streiks aufgenommen wurden.Ausgegeben sind 89 282,16 M. Davon kommen 76 496 M. aufStreikunterstützung, 2979 M. auf Krankenunterstützung. 497 M.auf Rechtsschutz, 27 M. auf Gemaßregeltenunterstützung. FürAgitation wurden 2128 M. ausgegeben; daS Verbandsorgan ver-ursachte eine Ausgabe von 2552 M.In der Debatte, die dem VorstandSbericht folgte, wurdennennenswerte Ausstellungen an demselben nicht gemacht. Abgesehenvon einigen unerheblichen Monitas war man allgemein mit derTätigkeit des Vorstandes einverstanden.Im weiteren Verlauf der Sitzung gaben einige Delegiertekurze Darstellungen über die Verhältnisse in ihren Filialen.—Dann folgte der zweite Punkt der Tagesordnung:Die Agitation und die Tarifbewegung.Der Referent Keller führte in der Hauptsache aus: Mitdem bisherigen System, durch Agitationstouren Mitglieder zu ge-Winnen und die EntWickelung neu errichteter Filialen diesen selbstzu überlassen, könne der Verband nicht auskommen. Es sei leichter,Mitglieder zu gewinnen, als die gewonnenen zu erhalten. Aberauch die Gewinnung von Mitgliedern in Orten, wo die Organi-sation noch nicht festen Fuß gefaßt hat, sei schwierig, wenn dieganzen Agitations- und Organisationsarbeitcn von wenigen Kol-legen in ihrer freien Zeit verrichtet werden sollen und außer demeinen Verbandsbeamten, dem Vorsitzenden, keine unabhängigenKollegen vorhanden sind, welche sich den Arbeiten für die Organi-sation widmen können. Die Anstellung von Beamten in dengroßen Filialen sowie die Anstellung von Bezirksleitern sei eineAufgabe, die der Verband nicht länger von der Hand weisen dürfe,wenn er nicht befürchten wolle, daß die ungeahnten Fortschritte,welche er in letzter Zeit gemacht hat. verloren gehen könnten. DieAnstellung von Bezirksleitern habe sich bei anderen Organisationengut bewährt; sie würde auch dem Verbände der Wäsche- undKrawattenarbeiter weitere Erfolge bringen. Die Zeit der Ruhe.welche jetzt nach den erfolgreichen Streiks eingetreten sei, müssezum weiteren Ausbau und zur Festigung der.Organisation benutztwerden. Wenn die jetzt auf zwei Jahre abgeschlossenen Tarifeabgelaufen sind und der Verband von 6909 Mitgliedern auf 12 999angewachsen sei, dann würde sich eine Verbesserung der Tarife leichtdurchsetzen lassen. Eine derartige Vermehrung der Mitglieder-zahl sei zu erwarten, wenn der Verbandstag die Anstellung vonBezirksleitern beschließe. Vor den Kosten einer solchen Ein-richtung dürfe man nicht zurückschrecken.Zu diesem Punkt lag ein Antrag der Filiale Bielefeld bor,welcher die Anstellung eines Bezirksleiters für den dortigen Bezirkfordert. Mit diesem Antrage zugleich wurden verschiedene An-träge zur Debatte gestellt, welche die Erhöhung der Beiträge teilsmit Rücksicht auf die Anstellung von Bezirksleitern, teils im Hin-blick auf beantragte Erhöhungen der Unterstützungssätze fordern.Der gegenwärtige Wochenbeitrag beträgt für männliche Mit-glieder 25 Pf., für weibliche 15 Pf.Sämtliche Diskussionsredner, die noch gegen Ende des erstenVerhandlungstages(Sonntag) zum Wort kamen, befürwortetendie Anstellung von Bezirksleitern sowie die Erhöhung der Bei-träge. Von einer Seite wurde die Anstellung eines Bezirksleitersnicht nur für Bielefeld, sondern auch eines zweiten für Sachsenund eines dritten für Schlesien empfohlen.Am zweiten Verhandlungstage(Montag) erhoben mehrereRedner Bedenken gegen die Anstellung von Bezirksleitcrn. Be-sonders war es B r u n n e r, der Vertreter der Generalkommission,der die Kassenverhältnisse des Verbandes nicht für so günstig hielt,daß der Verband zur Anstellung von besoldeten Bezirkslcitcruübergehen könne, und deshalb meinte, die Agitationsarbeit könneeinstweilen noch von nichtbcsoldeten Mitgliedern geleistet werden.