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de» Rücken erfolgte. Gänzlich Unbeteiligte Wurden, Weil sie nicht schnell genug fluchten konnten, schwer verletzt. Meig� 44 Bcr- tvundete wurden gezählt, die im Hospital Aufnahme fänden, darunter einer, dem hie eine Hand glatt wcggchackt wurde. Nach- fliehende hoben sie auf. Unkontrollierbar aber sind die Verletzten. die sich in privatärztliche Behandlung begaben. Die Szenen, die sich zwischen 7 8 Uhr in der Nikolaivorstadt abspielten, find unbeschreiblich. Auf Wehrlose, auf Frauen und Kinder sprangen die Berittenen, die Polizisten zu Fuß ein. Alle Ladenbesitzer und Gastwirte wurden von Schutzleuten mit dem Säbel in der Hand aufgefordert, sofort zu schließen. Alle Haustüren muhten geschlossen werden. Wenn nun die Flüchtenden versuchten, in eine geschlossene Tür zu kommen, wurden sie erbarmungslos geschlagen. Neben dem Säbel traten aber auch die für den 21. Januar neu angeschaffte» Revolver zum ersten Male in Aktion. In der Friedrich Wilhelmstraße wurde ein Polizeikommissar gesehen, der in der eine» Hand den Säbel, in der anderen den Revolver trug und herumlief. In der Schweitzerstraße Nr. 12 hat der Schreiber dieser Zeilen sich selbst davon überzeugt, daß ein Revolverschutz, der von einem Polizeioffizier ausging. Hurch das geschlossene erleuchtete Fenster hindurch ging, in die Decke drang und dort ein Loch riß. Der Offizier drohte weiter zu schieße», wenn nicht alle Fenster ge. schlössen würden. Einem der Herren muß dabei ein Malheur passiert sein, er verlor eine volle Patrone, die vorläufig als corpus ddictj auf der Redaktion derVoltswacht" aufbewahrt wird. Die Aufregung in Breslau ist unbeschreiblich. Trotzdem ver- liefen die am Freitagvormittag angesetzten 4 Versammlungen der Ausgesperrten in vollkommener Ruhe. Freilich war dies, mal auch eine ander« Polizei zur Stelle: Ausgesperrte selbst, die durch weiße Binden kenntlich gemacht, übten den wirklichen Sicherheitsdienst aus. Der amtliche PoÜzeibcricht stellt die Vorgänge natürlich ganz anders dar. Er lautet: Die ansgesperrten Metallarbeiter rotteten sich heute abend gegen 6 Uhr am Striegauerplatz zu einer Demonstration gegen die Nichtorganisierten Arbeiter zusammen, die um diese Zeit die Fabriken verließe». Nach Bericht von Augenzeugen sollen die Arbeitswilligen schlveren Beschimpfungen, Bedrohungen und Tät» lichkeiten(!) ausgesetzt gewesen sein. Die Polizei suchte die Arbeits- willigen zu schützen, konnte aber anfangs nicht viel ausrichten, da sie gegenüber der zahlreichen Menge zu schwach war. Es kam zu stürmischen Tumulten und schließlich mußte<!) die rasch verstärkte Polizei mit der blanken Waffe gegen die Menge vorgehen, aus der Würfe mit Steiiien und Flaschen(??) erfolgten. Bei dein Vorgehen der Polizei mich die Menge nur widerwillig, und leistete stellenweise Widerstand, so daß eS zu zahlreichen Verwundungen kam und die Feuerwehr requiriert werden mußte, um die Verwundeten zu verbinden. Die Lndenilihaber schlössen fast ohne Ausnahme ihre Läden. Gegen 7V2 Uhr abends waren die Menschenansammlungen zerstreut, und die einzelnen Trupps verbreiteten sich in die Nebenstraßen, Ivo weitere tumultartige Ausschreitungen vorkamen. Erst gegen ä Uhr abends trat eine weitere Beruhigung ein, aber immer noch war viel Leben auf den Straßen!" Aber selbst ein bürgerliches Blatt, die freisinnige Morgenzeitling", stimmt mit derVolksmacht" darin überein, daß keine Gewalttätigkesten von der Menge verübt wurden. Dieses Blatt berichtet: Zu bemerken ist. daß nicht ältere Leute, sondern junge, un- erfahrene Burschen solchen Unfug übten; am meisten länuten die Kinder. Zu Handgreiflichkeiten ist es nicht gekommen. Die Polizei schritt sofort ein und versuchte die Leute auseinander zu treiben und zum Fortgehen zu bewegen. Wie das nun bei solchen Ge- logenheiten wohl meist der Fall ist. leisteten die Leute der Weisung nicht allzu rasch Folge. Dazu kam noch, wie dem Berichterstatter von verschiedenen Seiten erzählt wurde, daß kleine Feueriverkskörper losgelassen wurden, sogenannte kleine Frösche. Plötzlich kam ein Trupp berittener Schutzleute und eine Anzahl unberittener Sicherheitsbeamten an und man hörte das Koin- mando;Marsch, marsch 1" Sofort sprengten die Be­rittenen in die Menge mit gezogenem Säbel ein. Das Boll konnte nicht so schnell flüchten, wie die Schutzleute ritten. Männer und Frauen wurden umgerissen, außerdem machten die Schutzleute von ihren Säbem Gebrauch. Wir wollen die Haltimg der Beteiligten in keiner Weise ent« schuldigen, aber nach den uns vorliegenden Berichten ist die Polizei mit übergroßem Eifer vorgegangen. Von einer Frau hörteil wir, eS fei grauenhaft gewesen, wie die Berittenen um sich gehauen haben. Auch Kinder sollen ver- letzt sein.<!) Wio sehr die Polizisten alle Ueberlegung und Bc- sinnung verloren hatten, zeigen folgende Angaben derVolks- wacht": Der Müller Reinhold Görlitz wollte bei Siegmund, Friedrich« Wilhelmstraße, Waren abliefern. Von Schiltzleuten anfgefordert, weiterzugehen, sah sich G. nach dem mit ihm gehenden 72 jährigen Schwiegervater namens Kauber um, um ihn zu veranlassen, schnell mitzukommen. Der Greis aber konnte nicht schnell gehen, weshalb G. zu den Schutzleuteii sagte:Haben Sie doch mit dem alten Manne ein wenig Geduld! Sie sehen doch, daß er ein alter Mann ist und nicht laufen kann l" In diesem Augenblicke aber sausten bereits die Säbelhiebe auf den Arbeiter herab, derart, daß ihm die linke Schulter total durchgehauen und mit einein Hieb die linke Hand verletzt wurde. Vom einem Gedränge oder Störung des Verkehrs konnte an jener Stelle keine Rede sein.... Aehnlich erging es dem Tapezierer Paul Rademacher. der ein Geschäft in der Anderssenstraße hat. Im Begriff, seinen Schau- kästen abzuheben, trat er, nur mit Hemd und Hose und Pantoffeln bekleidet, auf die Straße. Als ihn ein Schutzmann erblickte, schrie er ihn an;Wollen Sie wohl die Straße freimachen!" Und in demselben Augenblicke schlug der Schutzmann mit der blanken Waffe bereits aus ihnein! Zwei Säbelhiebe bekam er über den Arm und zwei über den Kopf. Im Allerheiligen-Hospital wurde er ver- banden. Dort standen zwei Wachtmeister vor der Tür Posten. Der eine sagte beim Anblick des Verwundeten, der stark blutete:Schon wieder einer I Na. sind noch viel zu wenig.... Von einem höheren Beamten, der Augenzeuge der Metzelet>var, wurde derVolkswacht" geschrieben: .... Man konnte bisher annehmen, die untergeordneten Schutzleute seien lediglich Untergebene ihrer Vorgesetzten. Das ist nicht wahr! Ich habe von meiner Wohiuuig aus wiederholt deutlich beobachtet, wie die Polizisten geradezu mit einem freudigen Eifer auf die wehrlose Menge, auf Frauen und junge und alte Leute einHieben!... Keiner zeigte menschliche Teilnahme oder Verständnis I Alle, alle zeigten sich als grausame Feinde deS Lölkes. Des Volles, dessen Söhne sie find, des Volles, das sie bezahlt! Und doch hätte sich dieses entsetzliche Blutbad vermeiden lassen! ... Das gestrige Blutbad ist eine Folge der Art und Weise, wie»um seit Ihrem rote» Sonntage die Schutzleute gegen die Arbeiterschaft scharf gemacht hat Ii! Was hat man seit dem Januar. wo man Straßeiidemoirstratioiien befürchtete, den Schutzleuten nicht alles dienstlich über die Sozialdemokraten erzählt II... Damals nun fand ihr angestachelter Eifer keine Betätigung. Gar mancher Schutzmann hat sich baß gewundert, daß die Arbeiter so ruhig blieben. Ist es da ei» Wunder, daß die Schutzleute jetzt, da sie urplötzlich vor eine erregte Menschenmasse gcsteUt werden, an alles das denken» was ihnen vor dem rote» Sonntag und bei« Ein- händigen der neuen Revolver über die Gosährlichkeit der Arbeiter gesigt mid eingeschärft worden ist? Ist es ein Wunder, wenn sie da die ruhige Ueberlegung verlieren und die etwas sehr schnellen Befehle ihrer Vorgesetzten allzu prompt und allzu eifrig auszuführen suchen? Denn daß man es nur erfahre: Die weitaus große Mehrzahl der Arbeiter bewies eine staunenswerte Disziplin. Ich sah. wie einige die Flucht ergriffen, um den Säbeln der ausgeregten Polizei zu entgehen. Und unerhörtes Vorkommnis! die berittenen Schutzleute sausten hinterdrein l Arbeiter, die die Frauen und Kinder in die Hausflure zu drängen versuchten, wurden hart angelassen und doch hat, soweit ich und ineine Nachbarn das sehen koiinten. kein einziger Arbeiter, überhaupt kein Mensch die Polizisten angegriffen. Ja, nicht rinmal zur Wehr gesetzt haben sie sich, zumal ja keiner von ihnen bewaffnet war. Wie ich höre, haben die Verhafteten aus der Wache herzzerreißend geschrien. Was mau dort mit ihnen angestellt hat, konnte ich leider nicht erfahren. Allein die in der Leuthenstraße in der Nähe der Nr. 32 ivohnenden Bewohner sind einfach außer sich vor Zorn und Empöriiiig. So ein Bürgerlicher I Der Zorn und die Erbitterung des Breslauer Proletariats läßt sich hier in Worten nicht schildern l Und das Proletariat ganz Deutschlands fühlt mit ihm! politische(leber sieht. Berlin , den 21. April. Allerlei Intrigen. Einen interessanten Einblick in die Art, wie in Deutschland regiert wird, gewähren allerhand Klatschgeschichten, die infolge der Kranlhett des Reichskanzlers in der offiziösen und sonstigenstaatS- erhaltenden" Presse auftauchen. Daß mit den Nachrichten über des Kanzlers Zustand die übliche Beschönigung getrieben wird, erscheint von vornherein gewiß. Noch heute muß Fürst Bülow das Zimmer, meist sogar das Bett hüten und selbst der Kaiser, der täglich vor- sprechen soll, ist bisher zu dem Kranken nicht zugelassen worden. Demgegenüber haben die eifrigen Behauptungen der gutgesinnten Presse, daß eS sich nur um ein unbedeutende» Unwohlsein handle, kein Gewicht. Nun sind wir gewiß weit entfernt dapon, in der Krankheit des Herrn v. Bülow, mag sie nun schwer oder leicht sein, ein Welt- erschütterndes Ereignis zu sehen. Eine große politische Bedeutung messen wir ihr schon deshalb nicht bei, weil es zurzeit ziemlich gleich- gültig ist, wer mit seinem Namen und seiner Verantwortung die Führung der Reichsgeschäfte deckt. Aber andere Leute haben offenbar ein großes Interesse daran, daß der Kanzler möglichst lange und möglichst schwer krank oder wenigsten? arbeitsunfähig bleiben möge; Leute, die um im Jargon unserer Gegner zu reden vermutlich selbst gern an die Futterkrippe gelangen möchten. Und so hat sich denn eine Intrige gegen den Kanzler angesponnen, die sich wie das in den Kreisen von Religion und Ordnung so üblich ist in das heuchlerische Gewand der Teilnahme für den Kranken hüllt. Man hat die Behauptung aufgestellt, der Kanzler sei überlastet" und deshalb fei es ein Gebot der Menschlichkeit. ihm einen Teil seiner Pflichten abzunehmen. Deshalb, so fährt das Mitgefühl" fort, solle der Kaiser sich einen Privatsekretär anschaffen,der allen Ansprüchen an gesellschaftliche Formen, Sprach­kenntnisse, diplomatische Schulung. Beherrschung der modernen Arbeitsmethode gewachsen sei, und durch diesen einen Stab technischer Hülfskräfte heranbilden lassen. Ein solches Privatin st itut werde einen großen Teil des Dienstes versehen können, der bisher die Tätigkeit des Reichs« kanzler« unterbrochen habe und die Gewißheit schaffen, daß dem Herrscher nichts entgehe und die Ausführung jedes Be- iehles wirksam überwacht werde." Die Intrige ist insofern ziemlich plump, als die Abficht, den Kanzler abzusägen oder wenigstens noch mehr als bisher zur bloßen Puppe zu degradieren, gar zu sehr hervortritt. Dennoch müssen die Freunde des Herrn v. Bülow befürchten, haß sie Erfolg haben könnte. Nur so erklärt sich der große Eifer, mit dem sie sich als- bald in die Bekämpfung des Planes gestürzt haben. DasBerliner Tageblatt", das zwar nicht offiziös ist, aber auf allen Hintertreppen und in allen Lakaienstuben gut Bescheid weiß, meint:«Der Reichs- Privatsekretär des Kaisers würde sich nur zu bald zu einem Mittelpunkt für allerlei Intrigen auSwachsen, die gegen die Verantwortliche Reichsregierung gerichtet werden." Die konservativeSchlesische Ztg." ruft zur Mobilmachung gegen m Plan auf und schreibt u. a.: Der Ehef des givilkabinetts, Herr v. Lucanus, geht.jetzt in der Hosrangordnung den StaatSministern voran; Herr v. Lucanus personlich ist überdies Ritter des Schwarzen Adler- ordens. Seinem Varallelkollegen für Reichs- und auSlvärtige An- aelegenheiten könnte kaum eine geringere Stellung zugedacht sein. Sollten etwa die Erkrankung des Reichskanzlers, der vorläufig allerdings noch unausgeführt gebliebene Plan der Heranziehung eines interimistischen Reichskanzlers und vielleicht auch da« Ver- schwinden des unbequemen Geheimrats von Hpllstein die Bor« bedingungen darstellen für eine neue Einteilung des Ge« schäftSbetriebeS im Reiche?" Und dieKölnische Ztg.", bei der eS von Alters her Tradition ist, es stets mit den gerade an der Macht Befindlichen zu halten, chlägt bereits wie toll um sich. Die Intriganten hatten erzählt, daß der Kaiser häufige Besuche'beim Reichskanzler mache und daß dann beide lange durch den Garten promenieren; hiervon könne der neue Sekretär den Kanzlerentlasten". Dazu schreibt das rheinische Blatt; Wir wissen aus dem eigenen Munde des Reichskanzlers, daß er diesen Spaziergängen die höch sie Wichtigkeit beimißt und sie als einen sehr wichtigen Staats- dienst und keineswegs als eine Repräsentationspflicht betrachtet. Eine Aenderung in dieser Beziehung würde der Reichskanzler keineswegs als eine Erleichterung seiner Arbeiten, sondern nur als eine Schädigung der Staatsinteressen betrachten." Man sieht also, Fürst Bülolv und seine Getreuen wehren sich mit Händen und Füßen gegen den Plan, ihm einen Nebenbuhler und noch dazu einen unverantwortlichen! zu geben. Ihre Angst zeugt dafür, daß etwas Ernstes hinter dem Plane steckt. Meint doch dieSchles. Ztg." sogar: Eine offiziöse Verneinung erscheint geboten, würde uns jedoch nicht der Pflicht entheben, vor einem solchen Plane auf der Hut zu bleiben, denn wir leben im Zeichen der Will- f-ihrigkeit." Man kennt sich eben in den Kreisen von Bildung und Besitz, in jenen höchstenSpitzen der Gesellschaft", um die es sich hier handelt. Man weiß, wenn sich eine Gelegenheit bietet, zu Macht und Einfluß zu gelangen, dann schont der Bruder nicht den Bruder. Wie gesagt, uns Sozialdenwlraten ist eS ganz gleichgültig, ob die Intrige Erfolg haben wird oder nicht. Aber lehrreich ist der Borgang, nicht nur weil er die Moral in hohen Kreisen wieder einmal in helles Licht rückt, sondern auch weil er die Geheimnisse deutscher RegierungSkunst bloßlegt. ES kommt lediglich darauf an, ich daS Ohr deS Kaisers zu sichern und auf ihn Eindruck zumachen. Wer darin die größte Geschicklichkeik besitzt, der ist Herr der Situation. Von solchen Zetteleien hängt der Gang der Reich«- geschäste ab. und so werden denn die Spaziergänge im Garten zu einemsehr wichttgen Staatsdienst". Die Nachwahl in Beuthen -Tarnowitz . Aus Beuthen wird uns geschrieben: Nach bürgerlichen Blättern soll die Nachwahl im oberschlesischcn Wahlkreise Beuthen-Tarnowitz am 12. Juni stattfinden. Amtlich verkündet ist dieser Termin noch nicht. Der zum Wahlkommissar ernannte neue Landrat des Kreises Tarnowitz , Graf Linrburg-Stirum, ein Sohn des konservativen Parteiführers, hat amtlich bisher nurverfügt", daß die Wähler- listen bis zum 10. Mai zur Auslegung fertigzustellen sind. Die Kandidatcufrage ist bei den drei großen Parteien des Wahl- kreises: Zentrum, Polen , und Sozialdemokraten, erledigt. Nur die Liberalen, die bei der Hauptwahl 1908 allerdings nur 1284 Stimmen erlangten, sind sich über die Aufstellung deS Kandidaten noch nicht schlüssig, wollen jedoch auch selbständig vorgehen, da eine Unter- stützung des Zcntrumskandidaten wegen der mit Ritualmordmärchen arbeitenden antisemitischen Tendenz des oberschlesischen Zentrums ganz ausgeschlossen erscheint. Das Zentrum hat erst nach großer Mühe einen Kandidaten gefunden. Diesen wieder in den Kreisen der Arbeiter zu suchen und so für den verflossenen Krolik einen neuen Renommierarbeiter der Zentrumsfraktion zu schaffen, hat man von vornherein aufgegeben. Man stellte zunächst den Generaldirektor Dr. Stephan auf, und als dieser ablehnte. einen anderen hohen Werksbeamten, den Berg- inspektor Muschallik, in Arbeiterkreisen als alter.Grubentreiber" rühm- lichst" bekannt. Herr Muschallik ist trotz seines polnischen Namens ein deutscher Patriot" und wird daher vomdeutsche,: ZentrumSflügel" unbedingt unterstützt werden. Er ist dazu ein tadelloser Reaktionär und wütender Feind der Arbeiterbewegung und wird wegen aller diesen wertvollen Eigenschaften natürlich eifrigst auch vom Gruben- kapital unterstützt. Helfen wird ihm das freilich nicht, denn der Verlust des Wahlkreises dürfte dem Zentrum ganz sicher sein. Die Polen werden diesen Kreis ebenso wie im vorigen Jahr den Katto - witzer Kreis mit erheblicher Mehrheit gewinnen. Daran ivird auch der neuerliche Zwist im oberschlesischen Polenlager nichts ändern, der gerade wegen der Kandidatenfrage in Beuthen -Tarnowitz entstanden ist. Das polnische Zentral« Wahlkomitee hat nach den Auslassungen radikalpolnischer Blätter die Polen dieser Richtung mit der Aufstellung Napleralskis geradezu überrumpelt. Dieser, Herausgeber viel gelesener polnischer Blätter OberschlestenS, ist seit Jahren der anerkannte Führer der gemäßigten Polen und unterstützte bis zuletzt das Zentrum gegen die untcr KorfantyS Leitung heranstürmcnde radikale Richtung. Die wachsende Macht der radikalen Polen zwang Napieralski, der nicht nur seinen politischen Einfluß, sondern auch seine Abonnenten schwinden sah, zu allerlei Konzessionen. So trat er mit den Radikalen im gemeinsamen Wahlkomitee in engere politische Verbindung. Als dies Wahlkomitee dann bei der letzten Kattowitzer Nachwahl Korfantii wieder aufstellte, trat Napieralski in seiner Presse allerdings nicht wieder, wie bei der Hauptwahl, für den Zentrumskandidaten ein, aber er beobachtete gegenüber seinemParteigenossen" Korfaiity eine so unzuverlässige und direkt feindliche Haltung, daß das den hellen Zorn aller so- genannten radikalen Polen erregte. Korfanty errang bekanntlich trotzdem einen glänzenden Sieg, und nun merkte Napieralski, daß er es so nicht weiter treiben dürfe, er wurde also über Nacht ein be- dingungSloser Feind des Zentrums und ein wütender Pole. Der Lohn für diese Schwenkung war die Kandaditur in Beuthen -Tarnowitz . Herr Adam Napieralski muß sich jetzt allerdings von zwei Seiten gegen den berechtigten Vorwurf der Falschheit und politischen Charakterlosigkeit wehren. Die Zentrumspresse hält seinen jetzigen scharfen Angriffen die Liebesbeteuerungen entgegen, die er früher dem Zentrum spendete, und die Radikalpolen fordern Erklärungen über sein bisheriges Verhalten gegenüber dem Polentum. Korfanty wird das Wiederhochkommen seines alten erbitterten Feindes besonders ungern sehen, aber hindern kann er eS nicht, wenn nicht die ganz« mühsam erzielte Einigung der feindlichen polnischen Brüder wieder in die Brüche gehen soll, und so redet er in seinem BlattePolak" seinen aufgeregten Parteifreunden zu, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Herr Napieralski aber hat sich schleunigst einen neuen Machtfaktor gesichert, indem er den bisher radikalenGornoslazak". der. früher von Korfanty geleitet wurde. durch Kauf an sich brachte, nachdem ihn Korfanty durch die Be- grüudung seinesPolak" fast ruiniert hat. Korfanty , der schon die Bahn für sein Blatt frei sah, muß jetzt sehen, daß der kapitalkräftige Napieralski in KorfantyS eigenem Wahlkreise dem dreimal wöchentlich erscheinendenPolak" den täglichenGorno- slazal" entgegenstellt. Trotz ihrer Abneigung gegen denalten Adam" werden die radikalen Polen , der politischen Notwendigkeit folgend, für seine Wahl eintreten, freilich nicht mit dem Eifer, wie sie für Korfaniy kämpften. Die Sozialdemokratie hat daher zweifellos bessere Aus- sichten wie bei der letzten Kattowitzer Nachwahl, und diese Aussichten sind noch verbessert dadurch, daß sie als ihren Kandidaten einen früheren Bergmann polnischer Nationalität, den jetzigen Gau » leiter deS Bergarbeiterverbandes. Genossen Franz Scholtysek in Beuthen ausstellte. An einen positiven Erfolg können wir freilich noch nicht denken angesichts der ungeheuren Schwierigkeiten der Agitation und der nationalen Flutwelle, von welcher die bisher politisch ganz indifferente proletarische Masse ergriffen ist. Man darf es schon als einen sehr erfreulichen Erfolg bezeichnen, wenn wir in Beuthen -Tarnowitz unseren 1903 eroberten Besitzstand erhalten. Zur Austveisungsschmach. Wiederum im lokalen Teil der gestrigen Abendausgabe des »Berliner Tageblatts" findet sich folgende polizeioffiziöse Notiz: Die Ausweisung von Russen. Zu den Ausweisungen von Russen erfahren wir, daß daran die Abteilmig VII des Polizei- Präsidiums, die politische Polizei, nur in sehr geringem Umfange beteiligt ist. Die meisten erfolgen im Einvernehmen mit dem israelitischen Unterstiitzungsausschuß. In der vergangenen Woche wurden täglich 20 bis 25 Russen ausgewiesen, von der politischen Polizei aber in diesem Jahre im ganzen nur etwa 20. Das angeblicheEinvernehmen" mit demisraelitischen Unterstiitzungsausschuß"(was ist das?), das übrigens recht gleich- gültig sein würde, können wir nicht für möglich halten; es würde ein höchst sonderbares Licht auf diesenAusschuß" werfen, wenn er ich mit dem Polizeipräsidium verbündet hätte, wehrlose Menschen. zu deren Unterstützung er doch nach seinem Namen da ist, aus Preußen hinauszuwerfen. Unrichtig ist, daß die politische Polizei in dem geschilderten geringen Umfang beteiligt sei; wir halten unsere Behauptungen zu diesem Punkte voll aufrecht. Gewisse Andeutungen von Polizei« beamten rechtfertigen die Besorgnis, daß zahlreiche weitere politische Ausweisungen folgen sollen. Wir wollen abwarten, ob diese Besorgnis gerechtfertigt ist. Würden aber nicht auch schonetwa zwanzig" Hinausgeworfene genügen? Genügt die zwanzig schuldlosen Menschen zugefügte Gewalt nicht, un, auch nur ein Wort der Entrüstung oder selbst ein Wort der Kritik auS dem Mosseorqan oder irgend einem anderen bürgerlichen Blatt her- auszupressen? Soweit wir hören, hat die Polizei bisher sich doch gescheut, zur vorzeitigen gewaltsamen Vollstreckung der Ausweisung zu schreiten, wenngleich viele der Ausgewiesenen von Kriminalbeamten und Spitzeln wie von Fliegen umschwärmt werden.