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ans Ufer getrieben und gelandet wordeir Voraussichtlich dürften nun auch bald die drei anderen Leichen geborgen werden. . Guttat, die auf freiem Felde bei Heinersdorf an dem italienischen Arbeiter Luigi Dovigo verübt wurde, wird nun auch ihre Sühne finden. Der Bauarbeiter Giovanni Filippi aus der Stolpischenstr. S hat vorgestern vor dem Untersuchungsrichter daS Geständnis abgelegt, seinen Landsmann und Wohnungs- genossenLuigiDovigo auf der Feldmark beim Bahnhof Pankow -Heiners- darf erstochen zu haben. Dovigo wurde, wie wir mitteilten, mit drei Messersfichen in der Brust in hohem Gras in einer alten Furche tot aufgefunden, nachdem er am Tage vorher mit Filippi in jener Gegend auf Neubauten Arbeit gesucht und in einer Schankwirtschaft in der Damerowslraße bis 12 Uhr mittags gekneipt hatte. Das Messer, von dem die Stiche herrührten, wurde bei der Leiche ge- funden. Es gehörte Filippi. der für zwei kritische Stunden sein Alibi incht nachweisen konnte. Zwei schwere Automobilunfälle werden vom gestrigen Tage ge- meldet. Abends wurde die sechs Jahre alte Lotte Littmann, am Kurfürstendamm 226 wohnhast, an der Corneliusbrücke von dem Automobil 4638 umgerissen und überfahren. Das Vorderrad ging der Kleinen über die Brust. Mit mehreren Rippenbrüchen und Quetschwunden wurde das überfahrene Kind nach der Unfall- station XX gebracht. Beim Ueberschreiten der Rosenthalerstratze geriet die 21jährige Klara Hahn aus der Gipsstr. 16 a an ein Automobil heran und wurde gleichfalls über den Oberkörper hinweg- gefahren. Sie erlitt Rippen- und Beinbrüche und wurde nach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht. Vorort- f�ackrickten. Tchitaeberg. Großes Schadenfeuer im Schöneberger Krankenhause. In dem Küchengebäude de« neu errichteten Schöneberger Krankenhauses an der Ecke der Rubens- und Renibrandtstrahe brach gestern abend Feuer aus. Der Brand ivar in dem anschließenden Kühlraum, dessen Wände, Decken und Fußboden vollständig mit Korkplatten belegt war, entstanden und fand dort reichliche Nahrung. Als die Arbeiter, welche sich auf kurze Zeit zum Vesper wcgbegeben hatten. wieder zurückkamen, hatte das Feuer bereits eine beträchtliche Aus- dehnung angenommen. Es wurde sofort bei der Schöneberger Wehr Großseuer gemeldet, worauf Branddirektor Flöter mit zwei Lösch- zügen erschien. Die Mannschaften hatten mehrere Stunden an- gestrengt zu tun, um das Feuer aus seinen Herd zu beschränken. Das Gebäude ist fast vollständig vernichtet und der Schaden ein ganz beträchtlicher. Die Entstehungsursache deS Brandes ist an­geblich aus Stichflammen einer Aetherlampe zurückzuführen. Mariendorf . Zu dem folgenschweren Gerüsteinfturz in der Lanlwitzerstr. 22 zu Mariendorf sEnglische Gasanstalt) wird uns im Anschluß an den cmSsührlichen Bericht in der vorigen Nummer noch folgendes mit- geteilt: Die vier verunglückten Arbeiter heißen Karl Treu Haus, August F i e ck e(beide in der Marienfelderstraße zu Lankwitz wohn- Haft). Friedrich S ch l e s i e r(Ridorf, Hermannstraße) und Eduard P u s ch(Mariendorf . Chausseestraße). Sie sind bis auf Pusch sämtlich unverheiratet. Im Britzer KreiSkrankenhallse, wohin alle vier sofort geschafft wurden, stellten die Aerzte bei Treuhaus einen schweren Wirbelbruch, bei Fiecke einen komplizierten Armbruch, bei Schlesier einen rechten Oberschenkelbruch und bei Pusch starke Er- schütternngen fest. Irgend eine Verschlimmerung in dem Befinden ist aber bis jetzt bei keinem eingetreten. Die eingeleitete Unter- suchung der Uitglücksstelle hat in Bestätigung unserer gemachten Mit- teilungen ergeben, daß die Ursache in dem Bruch eines-förmigen Hängeeisens liegt. Da diese Hängeeiscn aus 30 Millimeter dickem Rm, brisen angefertigt sind und daher zirka 100 Zentner Tragefähig- keit besitzen sollen, so ist es unerklärlich, wie ein Bruch erfolgen konnte, trotzdem nur zirka 10 Zentner auf dem Gerüst standen, also von einer Ueberlastung gar keine Rede sein kann. Der Bau wird von der Kölner Maschinci'bau-Aktiengesellschast ausgeführt.- Gcnchta-Zcitung. Folgen rechtswidriger Lohneinbehaltung vor dem Schwurgericht. Weil ihm sein Arbeitslohn vorenthalten wurde, ist der Arbeiter August Lehmann zum Brandstifter geworden und hatte sich wegen dieses Verbrechens gestern vor dem Schivur- gericht des Landgerichts II zu verantworten. Der AngeNagte stand bei dem Landmesser Erich Hackbarth in T e u p i tz im Dienst. Er wurde am 18. Dezember vorigen Jahres entlassen, und es wurde ihm dabei nicht der volle Lohn ausgezahlt, sondern H. brachte zehn Mark von dem Lohn in Abzug unter der Angabe, daß ihm, dem Arbeitgeber, Sachen gestohlen seien und der Täter unter den Arbeitern vermutet iverde. Dasselbe Verfahren wurde auch anderen Arbeitern gegen- über in Anwendung gebracht, obwohl der Wert der vermißten Sachen nur 15 M. betragen haben soll und der Verdacht auf keine bestimmte Person gewälzt werden konnte. Der Angeklagte verlangte am 20. Dezeinber seinen vollen Lohn, der Arbeitgeber wies ihn aber schroff zurück und hielt sich zur Einbehaltung des Restlohnes wegen des Diebstahls für befugt. Der Angeklagte war nun der Meinung, daß der Arbeitgeber den Diebstahl nur vorschütze, um rechtswidrig die Löhne einzubehalte n', und in Er- bitterung und Erregung über das ihm widerfahrene Unrecht brütete er auf Rache und wurde zum Brandstifter. Hackbarth ist Eigentümer einer ehemaligen Sandsteinfabrik in der Egsdorfer Feldmark. Das Maschinenhaus der Fabrik wurde zurzeit nicht benutzt, da Hackbarth die Arbeit auf der Sandsteinfabrik ein- gestellt hatte. Die Maschine war mit Stroh umwickelt, und die Tür des Maschinenhauses mit Brettern vernagelt. Am 20. Dezember, nachmittags, wurde bemerkt, daß aus diesem Maschinenhause Rauch herausdrang und die Tür erbrochen war. Es ergab sich, daß der Raum, wo der Benzinmotor stand, ganz voll Rauch und Onalm war. Dieser rührte davon her, daß das Stroh, mit dem der Motor um- wickelt war, gebrannt hatte. Das noch sich zeigende Feuer konnte leicht gelöscht werden, indem die hinzugekommenen Personen es mit den Händen ausschlugen. Die Maschine zeigte deutliche Spuren des Brandes, dagegen ist das Gebäude selbst vom Feuer nicht beschädigt worden. Der Angeklagte ist zur Zeit deS Brandes bei dem Maschinenhause gesehen worden; er leugnete anfangs die Tat, hat sie dann aber reumütig zugegeben. Der Staatsanwalt beantragte das Schuldig gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Brand- stiftung. Der Verteidiger erklärte, daß er das Verhalten des Herrn H. nicht näher charakterisieren wolle. So viel stehe jedenfalls fest, daß, wenn dieser sechs Arbeiter wegen eines von einem Arbeiter begangenen Diebstahls entlasse und allen sechs Arbeitern den Lohn einbehalte, er fünf Arbeitern bitteres Unrecht zufüge und sich auf deren Kosten geradezu bereichere. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten nur der versuchten Brandstiftung schuldig und billigten ihm mildernde Umstände zu. Der Staatsanwalt beantragte sechs Monate Gefängnis. Der Gerichtshof erkannte auf vier Monate Gefängnis unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft. Zu bedauern ist, daß der Arbeitgeber nicht wegen intellek - tueller Anstiftung zur Brandstiftung und wegen Erpressung neben dem Angeklagten als Angeklagter auf den Anklagcraum gebracht worden ist. Maifeier- Berichte. (Schluß aus dem Hauptblatt.)! Hannover . Die Maifeier in Hannover -Linden gestaltete sich zu einer großen Demonstration des klassenbewußten Proletariats, die alle bisherigen in den Schatten stellt. Sicherlich hat die brutale Aussperrung in der Metallindustrie auf die Mafien wie elektrisierend gewirkt, denn nach vielen Tausenden zählten in diesem Jahre diejenigen, die das Maisest durch Arbeitsruhe feierten. Auf keinem einzigen der vielen Bauten rührten sich die sonst so fleißigen Arbeiterhande; im Baugewerbe war die Arbeitsruhe eine v o l l st ä n d i g e. Auch die Holzarbeiter haben ihren Beschluß, die Arbeit ruhen zu lassen, strikte durchgeführt, ebenso verzeichnen fast alle anderen GeWerk- schaften ein riesiges Anwachsen der Zahl der sich zur Kontrolle meldend«: Feiernden. Morgens um Si/tz Uhr waren in der Stadt in fünf großen Lokalen und im Vorort Grasdorf Versammlungen anberaumt, während so n st ein Lokal, derBallhof" genügte. Lange vor Beginn der Versammlungen waren all- Lokale überfüllt, und doch fanden Tausende keine Gelegenheit, Redner zu hören. Ueberall herrschte flammende Begeisterung, hat doch das Unter- nchmertum vor den klassenbewußten Arbeitern die Flaggen streichen müssen.. Weder im Baugewerbe noch in der Holzindustrie hat es geivagt, Aussperrungen anzudrohen. Um so größerem Spott be- gegnete die Ankündigung des Fabrikantenvereins,seine Arbeiter, die. feiern, bis zum 7. Mai auszusperren." Am Nachmittag schwoll die Schar der Feiernden riesig an, so daß die drei Riesenlokale Winteryarten-KonzerthauS, Vahren- walder Turm und Lindenhof kaum unbesetzt« Plätze aufwiesen. In diesen drei Lokalen fanden die Abendfeiern statt. Die gewaltigen Massen, die hier nach Schluß der Arbeitszeit zusammenströmten, sind auch nicht annähernd zu schätzen. Die Festredner der Abend- Versammlungen im Wintergarten und Vahrenwalder Turm sprachen vor riesigen Massen eng zusammengedrängter Menschen. Tosender Beifall ertönte den Rednern entgegen, als sie diese gewaltige Mai- demonstration als eine Bürgschaft für den Sieg der Arbeiterklasse am 22. Juni, dem Tage der Ersatzwahl für Heinrich Meister, bezeichneten. Die Versammlung im Lindenhof wurde durch die Polizei gestört. Der überwachende Beamte ver- langte ganz grundlos im'Auftrage seiner vorgesetzten Behörde Räumung der großen, bis auf den letzten Platz gefüllten Galerien. Das auszuführen, war ein Ding der Umnöglichlcit. Trotzdem be- stand er Beamte auf seinem Verlangen, und um der Polizei nicht noch einen Triumph zu gönnen, verzichtete man auf die Rede des Genossen Paul. Dein über alle Maßen glänzenden 1. Mai wird in Hannover auch der 22. Juni folgen als ei» Ehrentag in der Ge- schichte der hannoverschen Arbeiterschaft. Auch in Hildeshein» hat die Maifeier einen guten Verlauf ge. nommen. Zum ersten Male fand eine Frühversammlung statt, um festzustellen, wie viele Arbeiter die Arbeit ruhen ließen, lieber 300 Arbeiter beteiligten sich, aller Scharfmacherei zum Trotz, daran. Nachmittags versa,»»melteu sich die Festteilnehiner in der reizend gelegenenBodemühlc". Leider mußte hier die Feier infolge eines Gewitters, das mit schweren Hagelschauern verbunden war, vor- zeitig abgebrochen kverden. Abends fand ciue große F e st v e r- sammlung statt, in der Genosse Rauch- Limmer redete. Rheiulaud-Westfalen. In Köln fand die Feier unter bisher nie erlebter Beteiligung statt. Leider war man infolge des Verhaltens der Kölner Polizei nicht imstande, die Feiernden zu zählen. Denn die im Voltshause Platz fanden, waren nur ein geringer Teil derjenigen, die den Tag durch Arbeitsruhe feierten. In früheren Jahren schon beteiligten sich an dem Nachmittagsspaziergange mehrere Tausende. Diesmal werden es ohne Zweifel an die 7000 bis 8000 gewesen sein. Aber die Polizei hat diese Zählung verhindert. Sie hatte zuerst den zwanglosen Spaziergang, der feit fünfzehn Jahren in Köln unge- hindert stattgefunden Hot, für einenöffentlichen'Aufzug" erklärt und verboten, weil er nicht genehmigt sei. Als dann die Mai- kominission um die Genehmigung einkam, wurde sie ihr verweigert, weil bei Stattfinden des Spazierganges dieöffentliche Sicherheit und Ordnung" gefährdet sei. Mit einer stereotypen Phrase setzt die Polizei sich über die Tatsache hinweg, daß ein und ein halbes Jahrzehnt dieser Spaziergang stattgefunden hat, ohne daßOrdnung und Sicherheit" auch nur im allevmindesten gestört worden wären. Indes das Verbot, der Umstand, daß die Polizei das Anheften der Maiplalate verbot, hat die Kölner Maifeier nicht beeinträchtigt. Alle zehn Versammlungen, die in Köln und den Vororten stattfanden, waren brechend voll. Und in allen herrschte eine Begeisterung für die hohen Ideale des Sozialismus, für die Kulturforderungen des 1. Mai, die der Steigerung durch die Willkür der Polizei wahrlich nicht bedurft hätte. Im übrigen sind unsere Kölner Genossen nicht gesonnen, stillschweigend sich ihres guten Rechtes berauben zu lassen. Sie werden sich mit dem Verhalten der Polizeibehörde noch in breitester Oeffentlichkeit befassen. In Krefeld war die Arbeitsruhe bei den Bauarbeitern, im Ver- hältnis zu den anderen Berufen, ziemlich durchgeführt, eine Vor­mittagsversammlung war sehr stark besucht, im Gegensatz zu frühe- reu Jahren, wo der Besuch mangelhast war, so daß im vorigen Jahre sogar die Vormittagsversammlung unterblieb. Die Abendfestlichkeit, die im größten Lokale der Stadt stattfand. hatte einen gewaltigen Besuch aufzuweisen. Die Vorkommnisse auf politischem und wirtschaftliche»» Gebiete in der letzten Zeit haben auch die Arbeiter in dem äußersten Teil des Nicderrheius etwas aufgerüttelt. War eS den Genossen in dem Kreise Kempen auch nicht möglich, am 1. Mai eine öffentliche Ver- sammlung abzuhalten, weil ihnen kein einziges Lokal zur Verfügung stand, so vereinigten sie sich doch an dem Abend in privaten Zirkeln, um so den Solidaritätsgedanken, der an diesem Tage alle Arbeiter der Welt wie ein Band umschlingt, zum Ausdruck zu bringen. Besser gestellt sind in der Lokalfrage die Genossen des Kreises M.-Gladbach; es fanden denn, auch in den Orten M.-Gladbach und Viersen öffentliche Veranstaltungen statt, die sehr gut besucht waren. Während in Viersen von, Arbeitsruhe noch fast keine Rede sein kom»te. hatte in M.- G l a d b a ch eine große Anzahl Genossen die Arbeit eingestellt. Die Spinner und'Ansetzet einer größeren Spinnerei feierten sämtlich, und eine auf nachmittags 2% Uhr ein­berufene Versammlung war gut besucht. Die Abendfcstlichkeit wies ein überfülltes Lokal auf. Der diesjährige erste Mai hat gezeigt, daß es auch in der schwärzesten Ecke Deutschlands vorwärts geht. Im östlichen Westfalen und den lippeschen Fürstentümern nahin die Feier einen prächtigen Verlauf. Ausflüge am Vor- und Nach- mittag wurden in Bielefeld , Herford , Bünde , Minden und Detmold veranstaltet. In Bielefeld beteiligten sich 450 Personen gegen die früheren Jahre ein Fortschritt. Die Veranstaltungen am Abend, die vornehmlich in der Abhaltung von Versammlungen bestanden, erfreuten sich eines großartigen Besuches. In Bielefeld und nächster Umgebung waren neun Lokale überfüllt, mindestens 10 000 Personen waren versammelt. Ebenfalls große Beteiligung zeigte sich in Rheda , Herford . Bünde , Minden , Rbeme, Detmold , Lemgo , Oerling­bausen und Salzuflen. Außerdem fanden in einer Anzahl kleinerer Orte, in denen Versammlungslokale nicht zur Verfügung standen, Zusammenkünste der Parteigenosse!, statt. Auch in der preußischen Vendee marschiert der Maigedanke l Provinz Sachse». Die Arbeitsruhe in Halle war in diesem Jahre größer als in den früheren. Die beiden Frühvcrsammlungen waren überfüllt. In acht Maschinenfabriken ruhte die Arbeit gänzlich. Ferner feierten etwa 600 Maurer, 150 Tischler usw. Die Demonstranten, etwa 2000 Personen, begaben sich nach den Frühversammlungen in den großen Bellevuegarten. Als die Teilnehmer die Bersamm- lungssäle verließen, erlaubte sich die wohllöbliche Polizei, die Ver- sammlungsbesucher wie Kinder zu behandeln. Nur in Gruppen von etwa 15 Personen und nach einem Abstand von 70 Schritten wurden die Versammlungsteilnehmer durch eine Schutzmannskette «elassen. Natürlich«regte die Absperrung, die auch auf der Straße vor dem Markt unternommen wurde, böses Blut, aber die gehobene Maifeststimmung und die Disziplin ließen eS nicht zu Ruhe- störungen kommen._ Soweit sich am Abend des 1. Mai feststellen ließ, sind auch d,e Demonstrationen der Feiernden in der Umgebung von Halle und in den Nachbarkreisen ohne Störungen verlausen. Besonders stark besucht waren die Versammlungen im Streikrevier. In Zeitz beteiligten sich am Ausflug 3000 Personen, und die acht Versammlungen, die des Abends im Orte selbst und der Um- gegend stattfanden, waren sämtlich vorzüglich besucht. Königreich Sachsen. In Leipzig war die Beteiligung stärker als im Vorjahre. Einzelne Industrien standen fast vollständig still, so die Holzindustrie. tu den Vormittagstunden zogen die Arbeiter und Arbeiterinnen in rupps nach de» fünf größten Versammlungslokalen: Sanssouci , VolkshauS, Felseukeller, Schloßkeller und Schillerschlößchen. Die Säle konnten die Menschenmassen nicht fassen, Tausende mußten in den anderen Wirtschastsränmen der genannten Etablissements den Schluß der Versammlungen um 12 Uhr abwarten. Dann ging es ge- meiuschaftlich nach dem Sammelpunkt: dem herrlichen König Albert-Park. Um>/,1 Uhr trafen hier die etwa 15 000 Teilnehmer starken Züge zusammen und nun ging eS im losen Zuge, der oft die ganze Breite der Straße einnahm, nach dem herrlich geschmückten Feftsuale und dem Festplatz im Brauereigarten in Stötteritz . War die Teilnehmerzahl deS ZugeS mindestens 15 000 beim Abmarsch im Albert-Park. so verdoppelte sie sich auf dem Festplatz. In der Halle wie auf dem Festplatze war Jnstrumentalkonzert. Der Gesang von Männerchören war wie seit einigen Jahren auch diesmal wieder verboten worden, was der Stimmung aber durchaus keinen Eintrag tat. Die Metallindustriellen wie die Holzindustriellen kündigten ihren" Arbeitern die Aussperrung an. Die Antwort der Holz- arbeiter war die v o I l st ä n d i g e Arbeitsruhe in allen großen Betrieben, außer in der Jubiläumsarbeiterbude, der Pianoforte- fabrik von I. Blüthner. Etwa 2700 Holzarbeiter nahmen an der Demonstration teil. Um 4 Uhr nachmittags hielt der Genosse H ä n i s ch die Festrede in der Halle. Tausende von Besuchern hielten diese schon von Mittag an besetzt. Die weitere Feier verlief würdig und imposant. Im sächsischen Manchester , in Chemnitz , nahmen an dem Polizei- lich gestattetenZuge in losen Gruppen" von den Sammelpunkien der einzelnen Bezirke nach dein Volkshause(Kolosseum ) um il3i0 Uhr insgesamt 2000 Personen teil. Die Polizei ließ sich vernünftiger- iveise nicht sehen. Die Versammlung verlief imvosaut, zum Schluß sangen die Anwesenden stehend die Marseillaise . Nachmittags fanden ebenfalls im Kolosseum Konzert und Volköbelustignng statt. Zu Tausenden kam Jung und Alt heraiigeströmt, denn eS hatten für den Nachmittag eine ganze Reihe Betriebe geschloffen. Reichlich 3000 Personen dürften den Nachmittagsveranstaltuligen bei- gewohnt haben. Am Abend fanden nicht weniger als 14 Veran- staltungen für den 16. Wahlkreis statt und in dem Bereiche des Chemnitzer Agitationskomitees 66 solcher. Wobei nicht eingeschlossen ist der 17. Wahlkreis. Bis hinauf in die äußersten Ecken deS Erzgebirges eilten die bekannteren Parteigenossen, um die Mai- feierbotschaft zu verkünden. Am Vormittage hatten in den meisten größeren Orten des Gebirges Spaziergänge, in einzelne» auch Ver- sammlungen stattgefunden. Allüberall fanden die Reden begeisterten Widerhall. Für Chemnitz und das Erzgebirge hat sich gezeigt, daß die Maifeier nicht im Abflauen begriffen ist, wohl aber greift sie um sich, bricht sich Bahn in weite Kreise und erfaßt das Volk mit unwiderstehlicher Gewalt. Mag die bürgerliche Klaffe geifem: Auch das Proletariat des Erzgebirges marschiert I In Zwickau setzte die Feier vormittags 11 Uhr mit einer impo- santen Festversammlung ein, zu der sich nahezu 1000 Genossen und Genossinnen eingefunden hatten. Die Festrede hielt Genosse W u s ch i ck- Berlin. Nachmittags ergötzte man sich durch einen Aus- flug nach den, nahen Feldschlößchen in Pöhlau, abends wurden in vier Lokalen Kommerse mit dem Tage entsprechendem Programm abgehalten. Die diesjährige Maifeier zeigte stärkere Beteiligung als alle ihre Vorgängerinnen; ein deutlicher Beweis, daß es auch im Bezirk Zwickau vorwärts geht trotz alledem. In Dresden nahm die Feier einen'großartigen' Verlauf. Die Beteiligung»vor bedeutend st ä r k e r als in früheren Jahren. Am Vormittag fanden in acht großen Lokalen Versammlungen statt, die alle sehr stark besucht, zum Teil überfüllt waren. Die ausgesperrten Metallarbeiter hatten eine besondere Versammlung im großen Saale deS Kristallpalastes veranstaltet, die überfüllt war. Gegen 1 Uhr versammelten sich die dcmonstriereiiben Arbeiter auf dem Schützenplatze, wo sie Aufstellung z u in Zuge nach dem Linkeschen Bade, dem grüßten Gartenetablisscment von Dresden nahmen. Gegen'/e2 Uhr war der große Platz dicht mit Menschen gefüllt. Den polizeilichen Vorschriften gemäß wurden die feiernden Genossen in Trupps von 100 bis 150 Personen ab- gelassen, wobei inuner einige Meter Raum zwischen den einzelnen Trupps bleiben mutzten. Der Zug bewegte sich über die Marien- brücke, den Kaiser Wilhelm - und Mbertplatz, die Bauzenerstraße entlang nach dem genannten Etabliffement, wo die Ersten um Vz3 Uhr eintrafen. 150 Radfahrer fuhren in Ordnung den Massen voraus; der Vorbeimarsch des Zuges, der von 300 Ordnern dirigiert wurde, währte genau eme Stunde. 15 000 Personen haben sich beteiligt; ein Teil der in den Vororten wohnenden Arbeiter begab sich aber direkt nach dem Fest- platze. Dieser konnte trotz seiner riesigen Ausdehnung nur die Hälfte der Massen fassen; schon um 3 Uhr war er üversüllt und die Menge stand dicht gedrängt. Die Ordner mutzten, um das Ge- dränge nicht lebensgefährlich werden zu lassen, sämtliche Ein- gänge zum Festplatz absperren und die Menge nach dem Prietznitzbad und dem Etablissement Ballhaus weisen, wo in kurzer Zeit Tausende die Räume und Gärten füllten. Die Zahl d e r D e in o n st r i e r e nd e n hat sicher 20 000 b e- tragen, die Polizei hatte unseren Ordnern alles überlassen; nirgends ließ sich ein Polizist in Uniform sehen. dagegen waren einige Polizeibeamte in Zivil zu bemerken. Am Abend fanden in Dresden und Umgegend in mehr als 30 Lokalen Kommerse mit Ansprachen statt. Der Besuch war überall ein sehr guter, vielfach konnten die Lokale die andrängenden Menschenmaffen nicht fassen. Es war die imposanteste Maifeier aller Jahre. Die Genossen im P l a u e n s ch e n Grunde unternahmen einen Umzug mit Musikbegleitung. Auch de» Genossen des 8.(Pirnaer ) Wahlkreises und den Meißenern war ein Umzug mit Musikbegleitung gestattet worden. Die Beteiligung der feiernden Arbeiter war überall eine sehr starke. Thüringen . In den Thüringischen Staaten sind die geplanten Mai-Festzüge teilweise verboten worden, z. B. in Schwarzburg- Rudolstadt und Sachsen- Weimar . Aus letzterem wird uns gemeldet: Die Re- gierung hat wieder das Bedürfnis gehabt, zur Maifeier von ihrer wachsamen Tätigkeit Kunde zu geben. Die Gemeindevorstände wurden veranlaßt, nach folgender Bekanntmachung zu handeln: Mit Rücksicht auf die am 1. Mai er. geplante sogenannte Maifeier werden für diesen Tag Fcstzügc mit oder ohne Musik, sowie zur Maifeier bestimmte Veranstaltungen feinschließlich Volksansammlungen) auf Plätzen und Straßen oberbchördlichcr Anordnung zufolge im Interesse öffentlicher Sicherheit, Ruhe und Ordnung hiermit polizeilich verboten. Zuwiderhandlungen sind strafbar." Die Arbeiter aller größeren Orte des ganzen Landes haben aber dafür gesorgt, daß diesogenannte" Maifeier doch stattfand. Gera.(Privatdepesche deSVorwärts".) An der Vormittags- Versammlung nahmen 750 Arbeiter teil. Zum größten Teil be- standen diese Feiernden aus Metall-, Holz-, Bau- und Porzellan- arbeiten,. Des Nachmittags feierten auch die Brauer. Abends fanden 10 starkbesuchte Versammlungen statt. 50 Holzarbeiter sind von den Unternehmern ans einen Tag ausgesperrt.