Hr. 103. 23. z.w°, 2. Deilllge des„WriRlts" KtlliUl Nlllksdlllt!. s«.b..d. 3 N.i MO. Die Genossin Luxemburg und die Gewerkschaften. Als ich am 18. April ini„Vorwärts" dagegen protestierte, daß ein Gewerkschaftsorgan die Genossin Luxemburg zu einer Gegnerin der Gewerkschaften stempelte und diesen Angriff zu einer Zeit gegen fie richtete, wo sie in einem russischen Kerker schmachtet, da war ich naiv genug anzunehmen, die Gcwerkschaftspresse selbst würde die Entgleisung ihres Kollegen bedauern. Weit gefehlt. Die beiden einzigen gewerkschaftlichen Organe, deren Urteil über den Fall außer der Antwort der beteiligten„Zeit- schrift für Graveure und Ziseleure" selbst mir bisher bekannt ge- worden, wenden sich nicht gegen den Redakteur, der unsere ge- fesselte Genossin attackiert, sondern gegen denjenigen, der sie ver- teidigt. Immerhin hat das eine dieser Organe, der„Zimmerer ", nicht das Verständnis für die Empfindungen verloren, die die Opfer des russischen Henkerregiments in uns wachrufen müssen. Er schreibt: „In der deutschen Arbeiterschaft herrscht über die Schandtaten der russischen Schergen eine Erbitterung und Empörung, wie wir sie nur selten gefunden haben bei Anlässen, wo es sich um eigenes Leid handelt. Diese Erbitterung und Empörung hat durch den Fall der Genossin Luxemburg eine Steigerung erfahren. Es wird allgemein als skandalös empfunden, daß das starke Deutsche Reich eine Reichsangehörige in den Klauen der russischen Schergen lassen und daß von den Schergen und ihren Handlangen: auch noch die Perspektive in der schamlosesten Weise eröffnet werden kann, daß das starke Deutsche Reich selbst dann nicht intervenieren werde, wenn die Genossin Luxemburg in Rußland bestraft, vielleicht aar gehängt wird für Tätigkeiten, die sie gar nicht in Rußland , sondern in Deutschland ausgeführt haben soll, wo sie mit Strafen nicht geahndet werden können." Das ist vortrefflich gesagt, aber wer so starke Erbitterung und Empörung schon darüber empfindet, daß unsere Gegner und ihr Haupt, die deutsche Regierung, es ablehnen, für unsere Genossin zu intervenieren, wie kann der so verständnislos gegenüberstehen der Erbitterung und Empörung, die wir empfinden, wenn gerade jetzt nicht Gegner, sondern Parteigenossen es für pasfend erachten, unsere gefangene Freundin aufs gröbste zu verunglimpfen! Merkwürdigerweise zieht der„Zimmerer " nicht diesen Schluß. Er, der die Haltung der Regierung wegen ihrer Nichtintervention skandalös findet, findet ebenso skandalös meine Intervention zu- gunsten der Genossin Luxemburg . Er fährt fort: „Da läßt es denn tief blicken, wenn der Genosse Kautsky mit dieser gesunden Empörung nichts weiter anzufangen weiß, als sie auf die Gewerkschaftsbewegung abzulenken." Verzeihung, tiefblickender Herr Kollege, aber was ich tat, war etwas ganz anderes: ein Versuch, die gesunde Empörung der Ge- werkschastSbewegung gegen Gewerkschaftsbeamte zu lenken, die nicht umhin können, selbst jetzt noch ihrem Haß gegen die Genossin Luxemburg Ausdruck zu geben und deren Ansehen durch Fälschungen zu untergraben. Dagegen bewundere ich die gesunde Empörung des„Zimmerer " über die Mißhandlungen der Genossin Luxemburg , welche Empörung sofort gehorsamst rechtsumkehrt macht, wenn sie auf einen Kollegen stößt, dessen Persönlichkeit natürlich gleich zur„Gewerkschaftsbewegung" erhoben wird. Neben dem„Zimmerer" ist es das„Eorrespondenzblatt der Ge- werlschaften Deutschlands ", das wegen meiner Verteidigung der Ge- nossin Luxemburg gegen mich zu Felde zieht. Das wird mit diplo- matischer Vornehmheit besorgt. Der„Zimmerer" fühlte aus meiner Abwehr doch eine„gesunde Empörung" heraus, daS„Eorrespondenzblatt" findet in ihr nur das„Schnnpsbedürfiiis" eines schlechten Tones, der zum Glück noch nicht der Ton der Gewerlschasts- presse ist: Ungeheuerliches muß geschehen sein— nimmt wenigstens jeder Unbefangene an—, wenn der als erster Theoretiker der Partei geltende Genosse Kautsky sich einer solchen Tonart be- fleißigt. Oder ist Schimpfbedürfnis das Ergebnis akademischer Bildung? Wenn ja, dann wissen wir doppelt daS Glück zu würdigen, daß wir akademisch gebildete Kräfte in der Gewerk- schaftsbewegung noch nicht tätig haben, und hoffentlich auch nie zur Leitung und Führung der Gewerkschaften brauchen werden." Man sieht, gesunder Empörung gegenüber entwickelt die Anstands- dame des„Eorrespondenzblatt" ein Zartgefühl, um daS sie die Prinzessin auf der Erbse beneiden könnte. Leider erstreckt sich aber das Zartgefühl nur auf die äußere Form des guten Tons, dagegen zeigt dieselbe Anstandsdame eine Biilowsche Rhinozeroshant, wenn cS sich um eine Frage des wirklichen AnstandeS handelt, um die Frage unseres Verhaltens gefangenen Genossen gegenüber. Verwundert fragt das„Eorrespondenzblatt", worüber ich mich eigentlich auftege. Daß Genossin Luxemburg im Gefängnis sitzt? DaS darf uns nicht kümmern. „Genossin Luxemburg... sitzt im Gefängnis. Ja, zum Teufel, sind wir denn schon so weit gekommen, daß man in einer all- gemeinen Polemik, ohne Namen zu nennen, nicht eine Aeußerung zitieren darf, die ein Genosse oder eine Genossin, die zurzeit im Gefängnis sitzt, getan hat oder getan haben soll, ohne sich des Parteiverrates schuldig zu machen? Es wäre geradezu ein Unfug, wenn solches UsuS in der Partei werden sollte." In der Tat. und wenn Genossin Luxemburg gehängt werden sollte, wäre das ein Grund, zu verbieten, daß Worte von ihr zitiert werden? Um mehr als harmlose Zitate handelt eS sich aber nicht, wenn man den„guten Ton" des„Eorrespondenzblatt" in An- Wendung bringt. Ich bin freilich dieses guten Tones nicht fähig und mein „Schimpfbedürfnis" drängt mich zu konstatieren, daß die„Zitate". gegen die ich protestierte, nicht Worte der Genossin Luxemburg anführten, sondern sinnlosen Klatsch, der offenbar über die Genossin Luxemburg seit Monaten in Gewerkschaftskreisen kolportiert wird und den man jetzt öffentlich gegen sie ausschlachtet, wo sie sich nicht wehren kann. Ein derartiges Verfahren„zitieren" nennen, das entspricht jenem guten Ton, den schon Riccaut de la Marliniöre in die„plump deutsch Sprack" einführen wollte, in- indem er das Betrügen ein Korrigieren des Glücks nannte. Wir Wilden, die noch nicht Europens übertünchte Höflichkeit akzeptiert haben, halten eine Polemik auf solcher Grundlage selbst einem in Freiheit lebenden Genossen gegenüber für nicht sehr er- baulich, einem verhafteten Genossen gegenüber, noch dazu einem in Rußland verhafteten, von der ganzen Welt abgeschnittenen Genossen gegenüber halten wir das polemische Hantieren mit anonymem Klatsch für eine Roheit und eine Unanständigkeit. Schlimm genug, wenn die Monopolisten des guten Tones jede Empfindung dafür verloren haben I Das„Eorrespondenzblatt" aber fährt fort zu fragen, wozu eigentlich der ganze Lärm sei. „Genosse Kautsky mar ebensowenig in der Versammlung am Mittwoch, 6. Dezember 1805, wie der Redakteur der„Graveur- zeitung". Aus eigener Kenntnis weiß er also nichts und doch hält er sich für berechtigt, in dieser Weise sich zu äußern. Will man schon aus der Sache eine Haupt- und Staatsaktion machen, so stelle man sie zurück, bis die Genossin Luxemburg in die Freiheit zurückgekehrt ist, oder höre die Zeugen, die der Redakteur der„Zeitschrift für Graveure" stellen will. Wir legen der ganzen Angelegenheit eine so große Bedeutung nicht bei." Diese Mahnung wäre wohl eher für die Redaktion der „Graveurzeitung" am Platze als für mich. Wenn diese schon gegen die Genossin Luxemburg wegen der Versammlung vom 6. Dezember vorgehen wollte, hätte sie es tun müssen, solange unsere Freundin noch in der Freiheit war. Am 5. März wurde sie verhaftet. Also drei Monate hatte die sittliche Entrüstung der„Graveurzeitung" Zeit, sich auszutoben, ohne daß sie Gebrauch davon machte. Kaum ist aber die Genossin Luxemburg verhaftet, da kann der Klatsch über sie nicht mehr warten, bis sie wieder in Freiheit ist. da mutz er während ihrer Haft losgelassen werden. Uns, ihren Verteidigern, mutet man aber zu. zu warten, bis die russischen Henker sie wieder freigegeben haben. Diesen Gefallen können wir dem„Eorrespondenzblatt" nicht erweisen. Erstens ist es noch ganz unbestimmt, wann, wie und ob überhaupt unsere Vorkämpferin wieder die Freiheit zu sehen be- kommt, ob ihr zarter Körper nicht den mörderischen Einflüssen unter- liegt, für die die Warschauer Zitadelle berüchtigt ist. Freilich dürfen wir hoffen, daß ihr eiserner Wille alle Fährlichkeiten überwinden wird, aber trotzdem können wir nicht warten, bis sie wieder frei ist— denn es handelt sich dabei nicht bloß um das persönliche An- sehen unserer Genossin, sondern auch um unsere Partei, und das ist der Grund, warum ich mich überhaupt in die Polemik mengte. Die beanstandeten Aeutzcrungcn der Genossin Luxemburg sollen in einer Parteiversammlung gefallen sein, in der sie unter allge- meinem Beifall sprach. Hätte sie wirklich geäußert, daß die Ge- werkschaften ein Uebel seien, ohne daß sofort Protest erfolgte, so machte sich die Versammlung zum Mitschuldigen. Man durfte dann annehmen, daß in der Partei, wenigstens in Berlin , tatsächlich eine starke Strömung existiert, die den Gewerkschaften feindselig gegen- über steht. Es ist also klar, daß, wer diesen Klatsch kolportiert, Unfrieden zwischen Partei und Gewerkschaft sät, das Verhältnis zwischen beiden vergiftet, Wasser auf die Mühle Rexhäusers liefert. Diesen Klatsch ohne weiteres für wahr halten, kann aber auch nur jemand, der von blindem Hasse gegen die revolutionären Vertreter der Sozialdemokratie erfüllt, vom Geiste Rexhäusers angesteckt ist, wenn er eS auch selbst bielleicht nicht merkt: den Teufel spürt ja bekannt- lich das Völkchen nie, und wenn er es beim Kragen hätte. Hier hat das„Eorrespondenzblatt", nebenbei bemerkt, die Ant- wort auf seine Frage, welchen Gewerkschaftsbeamten und-Redak- teuren ich vorwerfe, daß sie nach dem Vorbild Rexhäusers das bisher bestehende Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft unter- graben, dessen Aufrcchtcrhaltung Genossin Luxemburg, wie wir alle, für unerläßlich hält. An dieser Untergrabung hätte aber der in Rede stehende Klatsch über die Aeußerungen der Genossin Luxemburg sehr stark mit- gewirkt, wenn er öffentlich vorgebracht wurde, ohne daß er Protest erfuhr. Er wäre dann weitergetragen und glaubhafter gewesen. Deshalb hielt ich eS für notwendig, ihm sofort entgegenzutreten und durch authentische Zitate zu beweisen, daß die Behauptungen der geheimnisvollen Zeugen den wirklichen Worten und Taten der Genossin Luxemburg völlig widersprechen. Ob mir dieser Beweis gelungen, daS ist die entscheidende Frage; sie ist wichtig, nicht bloß für das per- sönliche Ansehen unserer Freundin in der Partei, sondern auch für das Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft. Erscheint der Beweis unzulänglich, so könnte ich ihn leicht verstärken. Aber merk- würdig, darüber, über den springenden Punkt, verlieren weder „Zimmerer " noch„Eorrespondenzblatt" ein Wort. Ich sehe darin ein stillschweigendes Zugeständnis, daß sie gegen meine Beweis- führung nichts vorzubringen wissen. In dieser Auffassung werde ich dadurch bestärkt, daß auch die Urheberin deS Skandals, die„Zeitschrift für Graveure und Ziseleure" in ihrer Antwort zwar sehr wortreich über mich schimpft, sich aber hartnäckig weigert, die Zeugen des angeblichen Ausspruches der Ge- nossin Luxemburg zu nennen. Ich hatte behauptet, die Zeugen der Graveurzeitschrift hätten unmöglich die Genossin Luxemburg richtig verstanden haben können. Verfügten sie über Fleisch und Bein, wie diese Zeitschrift behauptete, so sicher nicht über Hirn. Darauf erwidert das Blatt: „Hier sehen wir. wo die„strahlende, sewstsichere Borniertheit" zu finden ist: ein Mann, der als Parteischriftsteller grau geworden ist, behauptet, daß Versammlungsbesucher kein Hirn haben, Partei- genossen können wohl in Versammlungen zuhören, aber ihr Hirn ist doch zu minimal begabt, um die Ausführungen des jeweiligen Referenten richtig abzuichätzen und würdigen zu können. „Eine bessere Theorie von der bekannten„Hammelherde" konnte auch ein Gegner unserer Weltanschauungen nicht auf- stellen. „Genosse Kautsky, ist da? Ihre freie Meinungsäußerung? Nicht nur sie haben Hirn, sondern auch andere, gewöhnliche Sterbliche find mit einem Hirn zum Nachdenken ausgerüstet und dazu rechnen auch wir unsere Zeugen. „Aber ein Genosse, der sich in bezug auf den„Streik" der „VorwärtS"-Redakteure im Verein Arbeiterpresse hinstellt und behauptet: Wenn er angegriffen wird und merkt, daß man seine Arbeitskraft als Parteischriftsteller nicht mehr gebrauchen will, da die Meinungen auseinandergehen, gehe er ohne Verteidigung von dannen, ein Genosse, der von seiner eigenen Auffassung so wenig durchdrungen ist und sie ohne Schwertstreich preisgibt, ein solcher Genosse hat kein Recht. unS als Verbündete der reaktionären Presse hinzustellen, hat auch kein Recht, ein Urteil über die Hirnsubstanz unserer Zeugen zu fällen. „Uns ist das Hirn, die Denkfähigkeit der gesamten Arbeiter Deutschlands achtunggebietender, als manchen Genossen a la Kautsky." ES ist sehr edel von unserem Gclverkschaftsorgane. daß eS sich gedrängt fühlt, gleich die Denkfähigkeit«der gesamten Arbeiter Deutschlands " gegen mich zu verteidigen, weil ich die Urteils- fähigkeit seiner Zeugen beanstandet hatte. Aber eS merkt gar nicht, wie bei dem Verfechten der„Hirusubstanz" seiner Zeugen ihr„Fleisch und Bein" in Ranch aufgeht— ohne jegliche Leichenverbrennung! Die„Gravenrzeitschrift" hatte sich erboten, für die Aeußerung der Genossin Luxemburg Zeugen von Fleisch und Bein auf den RedaktionStisch deS„Vorwärts" niederzulegen. Wenn sie, dazu aufgefordert, nichts anderes vorzubringen weiß als die obige sittliche Entrüstung, so ist dannt wohl der Beweis geliefert, daß sie überhaupt keine Zeugen hat, daß die Sache noch schlimmer für sie steht, als ich erwartete. Ich„ahm an. daß dem Klatsch gegen die Genossin Luxemburg das Mißverständnis einiger konftlser Zuhörer zugrunde liege. Jetzt aber bin ich davon überzeugt, daß die Grundlage des ganzen Klatsches nichts ist, als eine elende Er- findung.— K. K a» t S k y. Die Zllttlildkmokratie Uardbayerns hielt am 28. und 29. April ihren diesjährigen Gautag in B am- b e r g ab. Aus dem Bericht des Gauvorstandes ist hervorzuheben, daß die Zahl der Mitglieder der sozialdemokratischen Vereine Nordbayerns 18 0(X) bereits überschritten hat. Die Steigerung im letzten Jahr beträgt 3500. Einige neugegründete Wa'hlvereine sind wieder eingegangen, weil die Genossen ihre Kräfte überschätzt hatten. Die Genicindewahlen des letzten Jahres waren in Nordbayern vielfach von Erfolg, es gibt nun in 27 Orten sozialdemokratische Gemeinde- Vertreter— nur in Nürnberg nicht I Dort hält der„Freisinn" die größte und stärkste Partei, die Sozialdemokratie, vom Rathaus in„freisinniger" Weise fern. Die Parteigenosien in Fürth haben ganz besonders unter der Polizeischikane des dortigen Bezirksamtes zu leiden. Dieser Tage lief von der Staatsanwaltschaft die Mitteilung ein. daß man den Burschen, der aus dem Postamt eines Provinzortes ein an den sozialdemokratischen Verein gerichtetes Paket öffnete und auf dem darin liegenden Zirkular statt„Werte Genossen" das Wort „Schufte" setzte,„nicht ermitteln konnte." Der Gautag beschloß, den Posten des Gaubeamten von dem deS Sekretärs des sozialdemokratischen Vereins Nürnberg zu trennen und einen eigenen Gausekrctär anzustellen. Um die Agitation zu fördern, setzte der Gautag neben den: neungliedrigen Gauvorstand noch ein erweitertes Agitationskomitee ein, das sich aus dem Gauvorstand und Vertretern einzelner Reichs- tagSwahlkreisvereine zusammensetzt. Das Gehalt deS neuen Gausekretärs wurde auf 2000 M. festgesetzt, steigend um jährlich 100 M. bis zu 3000 M. Der Partci- vorstand in Berlin soll um einen entsprechenden Zuschuß zu dem Gehalt ersucht werden. Bei der Abänderung des Gaustatuts, notwendig geworden durch die Aenderung des Organisationsstatuts der Gesamtpartei, wurde der Ansicht Ausdruck gegeben, daß der Beschluß des Jenaer Partei- tages betreffend Beitragszahlung der einzelnen Vereine nach Berlin recht unglücklich ist und daß er der erste sein wird, der wieder auS dem Statut verschwindet. Zur Erleichterung der Arbeit zu den kommenden Landtags- wähle» hat der Gauvorstand beschlossen, Karten herauszugeben, aus denen die einzelnen Wahlkreise bunt gekennzeichnet sind. linser Parteiblatt für Unterfrauken. die„Fränkische Volks- tribllne", ein Ableger der„Fränkischen Tagespost, will sich von der letzteren abtrennen und sich selbständig machen, um speziell den Kampf gegen das Zentrum wirksamer aufnehmen zu können, mit welcher Partei die„Fränkische Tagespost" direkt nichts zu tun hat. Der Gautag beschloß, diese Zeitungsangelegenheit in die Wege zu leiten. Bon den Genossen in Hof wird gewünscht, daß die Bayreuther Genossen sich mit aus die„Obersräukische Volkszeituug" in Hof vereinen. womit beiden Orten gedient wäre. Bisher gehört Bayreuth zum Verbreitungsgebiet der„Fränkischen Volkstribüne". Der nächste Gautag findet in Würzburg statt. Der Sitz des GauvorstandeS ist nach wie vor Nürnberg . Ueber die kommenden Landtagswahlen referierte Abg. Segitz, der dem Gautag die Mitteilung machte, daß man immer»och nicht die Gewißheit habe, ob tatsächlich der Landtag aufgelöst werde und im Frühjahr 1907 die Neuwahlen stattfinden, trotzdem dieser Landtag eigentlich nur zur Schassung des direkten Wahlrechts gewählt worden ist. Die sozialdemokratische Fraktion wird die Regierung an ihr gegebenes Wort erinnern und wird auch dem Zentrum ius Gedächtnis rufen, daß es bindend erklärt hat, seinen ganzen Einfluß aufzubieten, um den Landtag nach Fertigstellung des Wahlrechtsgesetzes zur Auflösung zu bringen. Wie groß die Erbitterung wäre, wenn das Volk tatsächlich beschwindelt ivorden wäre und der Landtag trotz des Ministerwortes nicht aufgelöst würde, beweist, daß ein Delegierter auf dem Gautag in Erwägung gab, eventuell die Auflösung des Landtages durch den politischen M a s s e n st r e i k zu er- zwingen. Zu den Vorgängen in Breslau nahm der Gautag eine scharfe Protestresolution an. Die Schopenstehlkrawalle in Hamburg vor dem Schwurgericht. Hamburg , 3. Mai, Nach siebentägiger Verhandlung wurde in der Nacht zum Freitag der Prozeß gegen die„Schopenstehler", wie sie im Volksmundc kurzweg genannt werden, zu Ende geführt. Wie schon mitgeteilt, setzte der Staatsanwalt Jrmann in einer Scharfmachcrrede den Gc- schworenen eingehend auseinander, weshalb auf hohe Strafen erkannt werden müsse: damit den Hunderten, ja Tausenden von nicht Ge- faßten ein Schreck in die Glieder fahre, Die Geschworenen haben ein Verdikt gefällt, mit dem die beiden Vertreter der Staatsanwaltschaft zufrieden sein körnten. Von Milde haben sich die Geschworenen nicht leiten lassen, sie haben ihren„Wahr- spruch" so abgegeben, daß um mit Staatsanwalt Jrmann zu reden, die Mehrzahl der Angeklagten die ganze Schwere des Gesetzes trifft. Sie gingen sogar noch weiter als die Staatsanwälte, indem sie Hinsicht- lich des Angeklagten Rittner, der von allen Zeugen als ein ordent sicher Mensch geschildert wird und gegen den Freisprechung beantragt wurde, die aus Unterschlagung lautende Hiilfsfrage bejahten, so daß auch Rittner nicht ganz leer ausging. Mildernde Umstände zugebilligt wurden nur den Angeklagten Hentrich Rudolph, Elise Rudolph, Rittner, Rucks, Donath, Kloodt, Johannsen und Blum. Freigesprochen wurde nur Barwiecks. Also 20 Angeklagten werden die mildernden Um- stände versagt, darunter dem eben erst 18jährigen Schmiedelehrliug Rehmers, ebenso dem 19jährigen noch nicht vorbestraften Hausdiener Bingießer. Dem Angeklagten Stange, dem einzigen polittsch organisierten Angeklagten, der, lvie von mehreren Zeugen bekundet wurde, ein sehr fleißiger und ordentlicher Mensch ist. aber wenig Spirituosen verttagen kann(er hat am Abend des 17. Januar 23 GlaS Bier getrunken), wurden gleichfalls keine mildernden Umstände zugebilligt. Auch er muß ins Zuchthaus. Neben ihm soll Heinrich Rudolph die Rädelsführerrolle gespielt haben, während die Angeklagte Elise Rudolph und Lceck sich des qualifizierten Landfriedensbruchs schuldig gemacht haben sollen. Als Aufrührer und Plünderer kommen in Betracht: Bingießer, Rucks, Donath, Kadner, Kloodt, Rehmers, Johannsen, Korb. Blum, Janszins, Angelstorp, Linne, Brand, Hardekopf und Wrmigcl. Die weiteren Angeklagten sind nur der Unterschlagung bezw. der Hehlerei für schuldig erklärt. DaS um 2>/z Uhr nachts gefällte Urleil lautet: Stange 2 Jahre Zuchthaus, H. Rudolph 15 Monate Gefängnis, Elise Rudolph 1 Jahr Gefängnis, Leeck 2 Jahre 6 Monate Zuchthaus , Bingießer 1 Jahr Zuchthaus. Rucks 10 Monate Gefängnis, Donath 10 Monate Gefängnis, Kadner 2 Jahr 9 Monate Zuchthaus , Kloodt 1 Jahr Gefängnis, Rehmers 2 Jahre 9 Monate Zuchthaus , Johannsen 1 Jahr Gefängnis, Korb 2 Jahre Zuchthaus, Blum 10 Monate Gefängnis, Jörn 6 Monate Gefängnis, Warnte 5 Monate Gefängnis. JauszinS 3 Jahre Zuchthaus, Angelstorp 1 Jahr Gefängnis, H. Warnemünde 2 Wochen Gefängnis, W. Warnemünde 2 Wochen Gefängnis, Drewes 1 Jahr Zuchthaus, Linne 2 Jahre S Monate Zuchthaus , Brand 5 Monate Gefängnis, Heth 1 Jahr Gefängnis, Schröder 4 Monate Gefängnis, Bantin 4 Monate Gefängnis, Hardekopf 10 Monate Ge- fängnis, Wrangel 1 Jahr 6 Monate Gefängnis, Rittner 1 Woche Gefängnis, Barwiecks Freisprechung. Bei den Angeklagten Rittner und den Gebrüdern Warnemünde gelten die erkannten Strafen durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt.
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