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Nr. 245.

Gricheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Biertele ahrlich 3,30 Mart, monatlich 1.10 mt, roöchentlich 28 Pfg frei in's Saus. Einzelne Nummer Big. Sonntags- Nummer mit luftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 830 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Mustand a Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

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Vorwirts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgefpaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Sferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Bor­mittags geöffnet.

Seenfprech- Anschluß Aut I, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Zum Parteitage!

Mittwoch, den 19. Oktober 1892.

Agitator schon allein dadurch, daß Junker und Pfaffe auf ihn schimpfen und der Gendarm hinter ihm her ist, die Ge­Den Parteigenoffen diene zur Nachricht, daß die Mandats- müther. Und gerade in den Gegenden, wo Junker und Formulare mit den gedruckten Referaten gegen Ende dieses Pfaffe in innigfter Gemeinschaft herrschen, ist die Lage der onats an die, beim Parteibureau, Berlin , Kazbach ländlichen Arbeiter eine so jämmerliche und elende, baß raße 9, angemeldeten Delegirten zur Versendung gelangen der ländlichen Arbeiter in feine Schönfärberei sie vertuschen kann. Die Lage Die Versendung erfolgt nur an jene provinzen ist im preußischen Oft­Delegirte, deren Wahl beim Parteibureau an- worden.. Daß wir keine zu grellen Farben nahmen, Vorwärts" schon oft geschildert gezeigt ift.

werden.

Berlin , 18. Oktober 1892.

Mit fozialdemokratischem Gruß

Der Parteivorstand.

die sozialdemokratische Agitation auf dem Lande.

Als auf dem ersten sozialdemokratischen Parteitage nach der Aufhebung des Sozialistengefeßes die ländliche Agitation besonders scharf ins Auge gefaßt wurde, ging in Schrecken durch die agrarischen Reihen, die bisher, theilweise mit einer gewiffen Schadenfreude, die Sozial­demokratie als ein besonderes Produkt der Industrie- Zentren, insbesondere der großen Städte, der Size der liberalen Bourgeoiste, zu betrachten gewohnt waren. Daß das Märchen von den glücklichen patriarchalischen Zuständen| uf dem Lande unter denen die Arbeiter sich wohl und dufrieden befänden, die agrarischen Junter nicht be uhigen konnte, ist selbstverständlich, da sie wußten, Märchen nur auf ihren eigenen Neberdies stimmten zu zu diesem

daß dieses Funkereien beruhe.

Märchen wenig die eigenen Klagen der agrarischen Junker über ben Mangel an Arbeitern, über deren Flucht nach den Städten, über die Sachsengängerei und die Aus­wanderungen gerade aus den Sigen des patriarchalischen Regiments. An dem thatsächlichen Untergrund für die sozial­demokratische Agitation fehlte es also gewiß nicht. Die Soffnung der agrarischen Junker mußte sich also beschränken auf die geistigen" Waffen, und geiftigen Waffen des Junkers bestehen im Gendarm, im Geistlichen und im Knüppel, lettere beiden oft in inniger Bereinigung nach dem Vorbild des Pastors Jskraut und

die

feiner Knippelgarde. bald oder richten sich vielmehr gegen diejenigen, welche sich ihrer zu eigenen Zwecken zu bedienen glaubten. Wuth des Gutsherrn, des Geistlichen, des dicken Bauern gegen Die verhetten ländlichen Arbeiter sagen sich bald, daß die

Freilich versagen die letzten

die

Sozialdemokraten doch wohl einen anderen Grund

haben dürfte, als die bloße Fürsorge für das Heil des ländlichen Arbeiters.

Den

bestätigt jest wieder ein Aufsay des Kreisphysikus Dr. Richter in der Zeitschrift für Medizinalbeamte". Auf grund seiner mehrjährigen Erfahrungen im oberschlesischen Kreise Groß- Wartenberg entrollt er ein trauriges Bild von der Lage der oberschlesischen Landarbeiter. Er schreibt u. a.:

hören auch die ländlichen Arbeiter auf, sich von den Herren Derheyen zu laffen; dann gewinnt der sozialdemokratische|

Feuilleton.

Radbrud verboten.)

Die Waffen nieder!

( 50

Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner . " Den Rückzug?" rief Otto. Das möchte ich lieber

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

industriellen und ländlichen Arbeitern.... Und da wundert man sich, daß die ländlichen Arbeiter in die großen Städte und Fabriken drängen, um die Vortheile auch zu ge­nießen?!"

Dr. Richter empfiehlt als Mittel zur Abwehr der Uebel­stände: den Erlaß baupolizeilicher Vorschriften für das flache Land und eine strenge Ueberwachung der ländlichen Arbeiter­wohnungen; die Sorge für ausreichende ärztliche Pflege der ländlichen Arbeiter durch Ausdehnung des Kranken- Ber­ficherungszwanges auf die Arbeiter der land- und forstwirth schaftlichen Betriebe; die Regelung der Arbeitszeit für länd­liche Arbeiter, besonders der Frauen und Kinder. The man an eine sittliche Hebung denken will, forge man erft für eine bessere materielle Lage!

Der Kreis, aus welchem diese elenden Zustände ge­Unter den Ursachen der Sachsengängerei" stehen obenan schildert werden, ist der Wahlkreis des Herrn v. Kare bie traurigen, zum Theil menschenunwürdigen Wohnungsdorff, des Hauptpatrons der Kornzöllner und Brot­verhältnisse unserer lan irthschaftlichen Arbeiter. Es ist, und vertheuerer. In ihm liegen die großen Standesherrschaften zwar Teider besonders auf großen, den wohlhabendsten Be- des Prinzen von Kurland und des der preußischen Krone fizern gehörigen Gütern keine Seltenheit, daß mehrere Fa gehörigen Herzogthums Dels. Die Vorschläge des milien zusammen einen einzigen, oft nicht mal gedielten, sondern Dr. Nichter mögen noch so gut und wohlgemeint mit rohen Ziegeln gepflasterten Raum bewohnen, in welchem sein, aber wer wird für ihre Ausführung eintreten? sich ein gemeinsamer offener Herd befindet. Man spricht Etwa die Liberalen, denen das bischen Arbeiterschutz- Geseh neuerdings fo gern von einer sittlichen Hebung des Volkes".

Wie kann auf einer solchen Grundlage die Sittlichkeit ge- schon ein Dorn im Auge ist? Oder die agrarischen Junker deihen. In der That, so sagt der Kreisphyfitus Dr. selber, welche jene elenden Zustände großgezogen? Man Richter, find denn auch die fittlichen Verhältnisse auf dem fehe, was der Stöcker'sche Reichsbote" bereits aus den flachen Lande nach meinen Erfahrungen, der ich sechs Jahre Schilderungen und Vorschlägen des Herrn Richter macht. unter den Arbeitern Berlins als Arzt gewirkt habe, um die Richtigkeit derselben wagt er nicht zu bezweifeln, Ab­nichts besser als in den großen Städten, denen man so gern hilfe hält er für dringend nothwendig, aber in erster etwas anhängen möchte, im Gegentheil, eher schlechter! Linie muß immer die Forderung stehen, daß der Staat ber Daß in den Wohnungen unserer ländlichen Arbeiter Regen und

Schnee oft durch die Decken bringen, das weder Thüren noch Landwirthschaft den für ihre Existenz nöthigen Schutz wie Fenster schließen und die Feuchtigkeit oft bis zur Manneshöhe ihr Pflege gewährt".

in den Wänden steht, gehört noch zu den erträglichen Uebel- Der Schutz der Landwirthschaft" ist hier wie immer ständen. Man täuscht sich aber, wenn man glaubt, daß unsere der Schuß der agrarischen Junker, als ob nicht, wenn von ländliche Arbeiterschaft für bessere Wohnungsverhältnisse ganz einem Schutz der Landwirthschaft die Rede ist, in aller­unempfänglich fei.... Etwas, was auch dem ländlichen Ar­

A

bas

beiter unferer Gegenden keineswegs mehr gleichgiltig ist, so sehr erster Linie der Schutz der landwirthschaftlichen Arbeiter in Frage kommen müßte. Das Elend der Arbeiter er im allgemeinen das Pfuscherthun begünstigt, ist eine prompte Sorge für ärztliche Hilfe an sich und seiner Familie. Aber muß hier noch dazu herhalten, die Gier der praffen­Der Reichsbote" erhöhen. auch hierin wird oft schwer gesündigt, und nicht selten find es den Junker zu wieder die Verwaltungen der größten Güter, welche es am meisten chriftlich" fromme Blatt, spricht von oben herab über die fehlen lassen. Den unzureichenden Lohn- und Brotverhältnissen Richter'schen Vorschläge. Er kommt wieder mit der Förderung unferer ländlichen Arbeiter, welche die meisten, besonders größere von Rentengütern, mit dem eigenen kleinen Häuschen" für Familien dazu zwingen, buchstäblich von Kraut und Kar die Arbeiter, kurz mit den alten Mitteln, die Leute an toffeln" zu leben, steht, zumal im Sommer, eine unverhältniß die Scholle zu binden". So wird der Gutsherr wenigstens mäßig lange Arbeitszeit gegenüber. Zumeist beginnt während der Sommermonate bie Arbeit um 3 Uhr früh und ist, bei davor geschützt, daß ihm die Arbeiter nicht fortlaufen. Das zweistündiger Mittagspause, erst um 9 Uhr Abends beendigt. an die Scholle fesseln" ist nur eine Umschreibung des Ver­Kein Wunder also, wenn die Leute trotz der langen Arbeitis langens nach Einführung der Leibeigenschaft, und in dieser geit nur wenig leiften. Die übermäßige Inanspruchnahme der eine Besserung der Lage der Arbeiter zu erblicken, vermag Frauen, welche mit den Männern von Morgens bis Abends mit nur ein Blatt des Stöcker'schen Christenthums". Ehrlicher arbeiten müssen, bedingt eine weitere Lockerung der Familien ist denn doch die ultramontane Kölnische Volkszeitung", bande. Sie ist ferner die Ursache der hohen Kindersterblichkeit welche gleichfalls von dem Aufsatze des Dr. Richter und der Verschmutzung der Wohnungen. Während man Gesetze Notiz nimmt und die Richtigkeit der dort ge über Gefeße erläßt, welche den Arbeiterschuh bezwecken, aber schilderten Zustände auch auts der eigenen An großentheils nur den Arbeitern der großen Städte und der schilderten Zustände auch

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Industriebezirke zu gute fommen, bleibt bei uns auf dem Lande schauung für Ost- und Westpreußen bestätigt. Sie weist das Loos der Arbeiterschaft das alte, ja, es verschlechtert sich zu gleicher Zeit auf einen Bericht des Vorwärts" über noch mehr. Man schafft eine unüberbrückbare Kluft zwischen die von hiesigen Genossen betriebene Landagitation hin und

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"

Genug, genug!" schrieen die Mädchen.

" Solche Sachen sollte die Zensur gar nicht erlauben", bemerkte mein Vater:" Es könnte einem die Freude an dem Soldatenstand verleiden"-"

Wagen fielen um und zerdrückten die sich dazwischen verpestet. Todte auf den zerstampften Getreidefeldern, kohl­drängenden Fußgänger. Wir wurden vom Verbandplaze, schwarze Körper, die Augen aus den Höhlen der plötzlich verschwand, auseinandergeworfen. Man rief uns zu Rettet Euch". Inmitten dieses Geschreies hörte man noch den Donner der Kanonen, und Granatsplitter fielen in unsere Massen. So wurden wir von der Menge fortgedrückt, ohne zu wissen, wohin. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen. Meine alte Mutter... meine heißgeliebte Braut, lebt wohl!..

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Und besonders die Freude an dem Krieg, das wäre wirklich schade," schaltete ich halblaut ein. Ueberhaupt," fuhr er fort, die, Fluchtepisoden sollten

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nicht hören. Ja, wenn es die Geschichte vom Rückzug des wir Wasser vor uns; rechts einen Eisenbahn- Damm, diejenigen, welche dabei waren, anständigerweise verschweigen, Derfolgten Feindes wäre-" lints einen Hohlweg, vollgestopft mit schwerfälligen denn es ist wahrlich keine Ehre, ein allgemeines, sauve qui Es nimmt mich überhaupt Wunder," überhaupt Wunder," bemerkte Requisitions- und Verwundetenwagen, und hinter uns peut mitgemacht zu haben. Der Wicht, der mit dem Friedrich, daß jemand etwas von einer mitgemachten noch eine unabsehbare Reihe von Reitern. Wir wateten Rufe, Rettet euch das erste Signal zum Neißaus giebt, Flucht erzählt; das ist eine Kriegsepisode, über, welche die durch das Wasser. Jezt tam Befehl, die Stränge der sollte sofort niedergeschossen werden. Betheiligten zu schweigen pflegen."

es

Ein

"

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Ein Feiger ruft es Pferde abzuschneiden, die Pferde zu retten und die Wagen und tausend Tapfere werden dadurch demoralisirt und müssen geordneter Rückzug ist noch keine Flucht," fiel zurückzulassen. Auch die Wagen mit den Verwundeten? mitlaufen." mein Vater ein. Da hatten wir einmal im Jahre 49 Gerade fo", entgegnete Friedrich, wie wenn ein Ja auch die. Wir Fußgänger waren der Verzweiflung war unter Radetzky nahe; wir wateten wiederholt bis über die Kuie im Wasser Tapferer Borivärts! ruft, tausend Feige voranstürmen Ich kannte die Geschichte und verhinderte deren Ab- in der Augst , jeden Augenblick niedergestoßen zu werden müssen tollung, indem ich unterbrach: und dabei auch wirklich von momentaner und zu ertrinken. Endlich gelangten wir in einen Bahn- Tapferkeit durchglüht werden. Es lassen sich die Menschen Dieser Bericht war an eine medizinische Wochenschrift hof, der wieder ganz verrammelt war. Viele durchbrachen überhaupt nicht so scharf in muthige und muthlose trennen; eingesendet, daher nicht für militärische, Kreise bestimmt. die Verrammlung, die andern sprangen darüber hinweg- sondern ein jeder hat seine mehr oder minder kouragirten, ich lief mit tausenden Infanteristen hinterher. Jetzt tamen sowie mehr oder minder feigen Augenblicke. Und be= die Stelle vor: Und ohne weiter um Erlaubniß zu fragen, las ich wir zu einem Fluß durchwateten ihn dann sprangen souders, wo es sich um Schaaren handelt, hängt jeder eins wir über Palissaden, gingen abermals bis an den Hals zelne von dem Zustand seiner Gefährten ab. Wir sind Um vier Uhr fingen unsere Trup pen zur retiriren über einen zweiten Fluß, kletterten über Anhöhen hinauf, Heerdengeschöpfe und werden von Heerdengefühlen beherrscht.

zu."

der Verwundeten-

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an. Wir Aerzte waren noch vollauf beschäftigt mit dem Berbinden sprangen über gefällte Bäume und langten um 1 Uhr Wo ein Schaf hinüberspringt, springen die anderen nach; deren Zahl einige Hundert welche noch Nachts in einem Wäldchen an, wo wir vor Erschöpfung wo einer Hurrah" schreiend voransprengt, schreien die beran und stürmte neben und hinter uns über Hügel und Felder das heißt ein Theil von uns mußte zurückbleiben, da zu Koru wirft, um zu laufen, laufen die anderen auch. In der Abfertigung harrten. Blöglich sprengte Kavallerie auf uns und Fieber niedersanken. Um 3 Uhr marschirten wir anderen nachsprengend mit; und wo einer die Flinte ins gleichzeitig Artillerie- und Fuhrmefenwagen­

wir

gefchwiegen,

- die Luft und es sind doch dieselben Leute. Ja, diefelben Menschen

Stab au. Biele Kavalleristen stürzten und wurden von den Kälte, weiter. Die Dörfer alle leer- keine Menschen, im zweiten wird über ihr Vorgehen ach stürmenden Pferden völlig zer stampft, feine Lebensmittel, nicht einmal Trinkwasser