yanzen Ausführungen auf ein Berliner Blatt gestützt und vn Anschluß daran von russischen Zuständen und bös- willigen Täuschungen gesprochen. Er hat die Männer, die er angegriffen hat, sogar mit Namen genannt. Ich halte es für eine Ritterpflicht, entschieden gegen eine derartige Behandlung hier nicht anwesender Personen einzutreten.(Bravo I rechts.) Jedenfalls sind dem Hause nach der neuen Nachprüfung keinerlei wesent- licheUmständ e verschwiegen. Die Ueberschreitung von 1 MS 000 Mark ist im wesentlichen auf die schwierigen Wasserverhältnisse und die Schadhaftigkeit der Fundamente zurückzuführen. Daneben ist von der Regierung nie in Abrede gestellt worden, daß ein Teil der Mehrkosten, aber der geringere, auch auf die Beschleunigung des Baues zurück- zuführen ist.(Hört! hört! links.) Selbstverständlich war es erwünscht, daß das Gebäude die volle Weihe durch die Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers erhielt. Das war aber nicht der Grund für eine Beschleunigung des Baues. Das Gebäude war dem Publikum durch das Polizeipräsidimn ent- zogen, weil der Brand in Chikago daran erinnert hatte, daß es nicht genügend feuersicher war. Eine möglichste Beschleunigung des Baues war nötig, wenn man das Haus nicht für mehr als ein Jahr unbenutzt lassen wollte. Sie war nötig aus künstlerischen wie aus wirtschaftlichen Interessen. Ein doppelter Umbau hat nicht stattgefunden. Es wird auf vielen Bauten so Verfahren, daß gewisse Arbeiten zurückgestellt werden, bis der Bau ausgetrocknet ist. Das ist auch hier geschehen. Von einem Firlefanz, wie er behauptet wird, kann nicht die Rede sein. Es sind nur gewisse, gebotene, provisorische Maßnahmen getroffen. Es ist vollkommen unrichtig, daß das ganze Parkett ausgerissen sei. Die Gründe sind in vollster Offenheit mitgeteilt. Ich betone, daß von einer doppelten Fertigstellung des Rohbaues gar nicht die Rede sein kann. Die ganzen Nacharbeiten haben etwa 100000 Mark erfordert, das bedeutet 10 Prozent der Ueberschreiwngen und 3 Prozent der ganzen Bau- summe. Ich kann mich dahin rekapitulieren, daß die Umstände, die wir dem Landtag als Ursache der Ueberschreitungen angegeben haben, noch in allen wesentlichen Punkten als richtig anzusehen sind. Der zweite Teil der Interpellation bedeutet ein Mißtrauen gegen die Finanzverwaltung, das gänzlich ungerechtfertigt ist. Die Finanz- Verwaltung hat zu diesem Mißtranen nie Anlaß gegeben. Zum Schluß will ich aber versichern, daß in Zukunft, um solche Etats- Überschreitungen zu vermeiden, eine größere Fühlung zwischen Bau- leitung und Baukontrolle Platz greifen soll.(Beifall rechts.) Abg. V. Arnim(k.): Nachdem ich vom Finanzminister gehört habe, daß die Mehrausgaben infolge der Beschleunigung des Baues nur 100 000 M. betragen, gebe ich zu, daß es nicht nötig war, daß die Angelegenheit in der Presse so viel Staub aufwirbelte. Ich muß dagegen meine frühere Erklärung aufrecht erhalten, daß die Bauverwaltung nicht die nötige Offenheit gezeigt hat. Der Finanz- minister hat aber zu einem gewissen Teile die Beschuldigungen des Interpellanten widerlegt.(Beifall rechts.) Abg. Wallenborn (Z.): Die Schuld an den Vorgängen trifft die Bauleitung. Besonders verurteilen wir die Sonntagsarbeit. Ist es wahr, daß bei anderen Arbeiten 69 000 M. erspart sind? Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben: Es stehen noch einige große Rechnungen aus. Es ist anzunehmen, daß die Etatsüberschreitungen sich um 70—90000 M. verringern werden. Abg. Fritsch(natl.): Sind die Architekten gefragt worden, ob die Fertigstellung des Neubaues bis zum 21. März möglich sei, oder ist einfach von einer hohen Stelle dies angeordnet? Ich glaube nicht, daß diese Fertigstellung den Wünschen der allerhöchsten Stelle entsprochen hat. Abg. Brocmel(frs. Vg.). Der Minister geht von dem Stand- punkte aus, die beste Verteidigung sei der Angriff. Herr Rosenow hat die in der Presse veröffentlichten Behauptungen lediglich zum Gegenstand der Interpellation gemacht, er hat sie nicht als eigene Behauptungen wiederholt. Die Regierung hätte wohl Veranlassung gehabt, auf die Veröffentlichungen in der Presse zu antworten.(Sehr richtig! links). In Zukunft werden wir Jbei ähnlichen Vorlagen von vornherein festsetzen müssen, was der Staat an Aufwendungen zu decken hat, wie wir es wiederholt bei Bauten der Krone getan haben. (Beifall links.) Abg. Rosenow(frs. Vp.): Ich habe vom Minister Dank dafür erwartet, daß ich ihm Gelegenheit gegeben habe, die Angelegenheit endlich klarzustellen. Statt dessen greift er mich an. Es ist ein falscher Standpunkt, wenn er auf die Presse nichts gibt. Auch die „Post" hat es als Pflicht der Regierung bezeichnet, den Sachverhalt klarzustellen. Der Minister hat die von mir auf Grund der Zeitungsnachrichten gegebenen Zahlen als richtig anerkennen müssen, Die Finanzverwaltung wird hoffentlich nicht zum drittenmal mit einem Baumeister anfangen, der schon zweimal durch interimistische Fertigstellungen diejenigen geschädigt hat, die die Kosten zu tragen haben.(Beifall links.) Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben: Ich muß entschieden Protest gegen die Schlußfolgerung des Vorredners einlegen, als hätten wir alle wesentlichen von ihm behaupteten Tatsachen zu- gegeben. Im Gegenteil waren für die Ueberschreitungen ganz andere Gründe als die von ihm angegebenen matzgebend. Geheimrat Lanner stellt die Angaben der Presse über die Einzelheiten der Fertigstellungsarbeiten zum 21. März in vielen Punkten richtig. Plafonds seien nicht für 30 000 M., sondern für 3000 M. zerstört worden, die Herstellung der Räume für das Königs- paar im Schauspielhause habe nicht 600 000 M., sondern höchstens SO 000 M. gekostet, für die Aufräumungsarbeiten zum 21. März seien nicht 131 000 M., sondern 12 000 bis lö 000 M. ausgegeben worden. Alle die Ueberschreitungen seien ein guter Maßstab für die Wahrhaftigkeit und Richtigkeit der Berichterstattung. Die Abgg. Barling(natl.) und Wolff-Biebrich(natl.) nehmen den Hofbaurat Genzmer in Schutz. Derselbe habe in Wiesbaden nur das Foyer gebaut. Ueberschreitungen seien auch nicht vorgekommen. Abg. Frhr. v. Zedlitz<fk.): Die Etatsüberschreitungen sollen uns lehren, daß das beim Schauspielhaus verwandte System der Kontrolle falsch war. Künftig werden wir lieber eine einmalige Summe be- willigen, als uns einer Schraube ohne Ende auszusetzen.(Beifall.) Abg. Gyßling(frs. Vp.) konstatiert, daß der Abg. Rosenow seine Ausführungen über den Theaterbau in Wiesbaden lediglich unter Berufung auf Auslassungen der„Tägl. Rundschau" und „Frankfurter Ztg." gemacht habe. Damit schließt die Besprechung der Interpellation. Es folgt die zweite Beratung der Novelle zum Einkommen- steuergesetz. Ueber die Bestimmungen für die Gesellschaften mit beschränkter Hastung sprachen die Abgg. Hennig. Wolff-Lissa. Freiherr v. Zedlitz. Kirsch. Lusensky. Dr. Gerschel und Finanz- minister Frhr. v. Rheinbaben. Die Weiterbcratung wird auf Mittwoch 11 Uhr vertagt. Außerdem steht die zweite Beratung des Antrags des Abg. Frhrn. v. Z e d l i tz(frk.) auf Aenderung des Kommunalabgabengesetzes auf der Tagesordnung. Schluß 4 Uhr._ parlamentarisches. Diiitengrsetz-Kommission. In der gestrigen zweiten Beratung wurde infolge Einspruches des Staatssekretärs Graf v. Posadowsky gegen die Gewährung freier Eisenbahnfahrt fiir die gesamte Legislaturperiode die Eisen- bahnfahrt auf die Dauer der Sitzungsperiode sowie acht Tage vor deren Beginn und acht Tage nach deren Schluß beschränkt. § 2 wird nach den Kommissionsbeschlüssen erster Lesung,§ 3 nach der Regierungsvorlage angenommen.§ 4 wird in folgender veränderter Fassung angenommen: Die Anwesenheit wird dadurch nachgewiesen, daß das Mitglied des Reichstages sich während der Dauer der Sitzung in eine Anwesenheitsliste einträgt. Wer an einer namentlichen Abstimmung nicht teilnimmt, gilt im Sinne dieses Gesetzes als abwesend, auch wenn er sich in die Liste eingetragen hat. Die näheren Bestimmungen über die Anweseuheltsliste, ms- besondere über Ort, Zeit und Form ihrer Auslegung, trifft der Präsident des Reichstags. Von ihm wird auch die Entschädigung (8 1 Abs. 1 unter d, Z 3) für jedes Mitglied des Reichstags auf Grund der Anwesenheitslisten sowie der Listen über namentliche Abstimmungen festgesetzt und angewiesen. Absatz 1 wurde mit 16 gegen 5, Absatz 2 mit 12 gegen 9 und Absatz 3 einstimmig angenommen.§ 5 wird unter der Einsetzung des Wortes„Eisenbahnfahrkosten" und Streichung der Worte„für die Reise zwischen seinem Wohnort und dem Sitz des Reichstags", in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. Heute: Schlußsitzung der Kommission. Die Enqnete über die Verwaltung der italienische« Kriegsmarine . Nach 23 Monaten hat die Erhebungskommission über die Reichs- marineverwaltung nunmehr ihre Arbeiten vollendet und ihre Ergeb- nisse in einem Hauptbericht und 6 Spezialberichten dem Druck über- geben. Bis zur Vollendung der Drucklegung werden noch mehrere Wochen vergehen. Obwohl aber die Resultate derartig sind, daß ein „Ordnungsblatt" alles Interesse daran haben sollte, sie möglichst lange zu verschweigen, überwiegt doch im ministeriellen„G i o r n a l e d'Jtalia" die Furcht, einen„Konkurrenten" zuvorkommen zu lassen, und es veröffentlicht einen 10 Spalten langen Auszug aus der Enquete. Nebenbei sei bemerkt, daß dieser Auszug nur durch den Vertrauensbruch eines Kommissionsmitgliedes erhältlich sein konnte; auch die Sozialisten hatten im Abgeordneten Nofri einen der Ihren in der Kommission, dock war dieser zu anständig, um die der Kommission auferlegte Schweigepflicht den journalistischen Inte- reffen seines Parteiblattes unterzuordnen.— Die Ergebnisse der Enquete sind so ernst, wie man sie nach den bereits veröffentlichten Stichproben und nach den Enthüllungen des „ A v a n t i", die zun» Prozeß Ferri-Bettolo führten, nur erwarten konnte. Sie zeigen zunächst eine große weitgehende Unredlichkeit in der Verwaltung der Staatsgelder und einen Mangel fach- technischer Kenntnisse bei den maßgebenden Persönlichkeiten, wie sie kein privates Unternehmen vertragen könnte, ohne dem schmachvollsten Bankrott entgegenzugehen. An allen Ecken und Enden zeigt sich eine große Nachgiebigkeit den Submissionsfirmen gegen- über, eine Nachgiebigkeit, die schlechterdings als unfaßlich gelten muß, wenn man sie nicht als Folge von Bestechungen ansieht. In den Kontrakten über die Lieferung der Nahrungsmittel streiten Unfähigkeit und Unredlichkeit um die Krone. Die Preise der einzelnen Waren sind so unerhört hoch— obwohl doch keine Geheim- Wissenschaft erforderlich ist, um sie in Erfahrung zu bringen!— daß die betreffende SubinissionSfirma allein für zwölf der hauptsächlichsten Waren einen jährlichen Reingewinn von 243 000 Lire erzielte I Da die Marineverwaltung 14 Tage nach erfolgter Lieferung die Waren bezahlt, investiert die Firma in den Lieferungen überhaupt nur ein Kapital von etwa einer Million. Sie legt also ihr Geld zu dem hübschen Zinsfüßchen von zirka 25 Proz. an!! Die Lieferungs- bedingungen sind so kopflos, daß eine Hausstau, die nach diesem System ihren Haushalt führt, mit Stecht für blödsinnig angesehen werden würde. So heißt es z. B.: der zu liefernde Kaffee soll Santos oder Portorico , beide H. Qualität sein.— Zwischen diesen Sorten besteht aber eine Preisdifferenz von 60 bis 100 Lire für den Doppelzentner! Der angesetzte Submissionspreis(380 Lire für den Doppelzentner) ist ungefähr der ühliche Preis für Portorico I. Qualität! Geliefert wurde natürlich nur Santos-Kaffee. Ebenso sinnig und durchdacht waren die Bedingungen für die anderen Waren. Die zur Verpflegung der Mannschaften gelieferten Nahrung?- mittel waren aber nicht nur teuer, sondern auch schlecht. So z. B. Kuhfleisch statt Ochsenflcisch, wobei die Dokumente der rindlichen „Männlichkeit" von den lokalen Schlächtereien bezogen und sogar, wie eS scheint, die Genitalien eines Ochsen gleich immer zur „Legitimierung" mehrerer Kühe benutzt wurden! Im August 1901 fand das in den Gewässern von Venedig liegende Geschwader trotz Vorherbestellung keine Verpflegung, sondern nur Waren in unbrauchbarem Zustande vor. Die Marineverwaltung wies die Waren zurück und mußte die Mannschaften auf dem Markte verpflegen. Als gegen die Submissionsfirma wegen dieses Kontraktbruches vorgegangen werden sollte, stellte sich heraus, daß die als schlecht befundenen Viktualien ruhig anderen Schiffen geliefert und dort angenommen worden waren! Der Marineminister schrieb damals persönlich an den Offizier, der gegen die Firma vorgehen wollte: man solle die Sache niederschlagen, da ja die Nahrungsmittel anderen Schiffen der Kriegsmarine annehmbar erschienen seien, also entweder ihre Zurückweisung oder ihre Annahme ungerechtfertigt sein müßte!— Bei der Verpflegung der Mannschaften machte also das Privat- kapital recht gute Geschäfte: sein eigentliches Schlaraffenland war aber die Lieferung von Kriegsmaterial, das sein„patrioti- scher" Sinn ihm eingab, so schlecht und so teuer wie möglich zu liefern. Bis 1883 wurde das Material für die Kriegsmarine von aus- wältigen Firmen und zwar von C r e u z o t und Schneider sowie von Cammel u. Brown geliefert. Im Jahre 1884 schloß man den ersten Lieferungsvertrag mit der italienischen Aktiengesellschaft „Stahlwerke Terni" ab, über deren Heldentaten wir schon gelegentlich der Kampagne des„Avanti" wiederholt berichtet haben. Der Vertrag setzte die bisher gezahlten Preise fest sowie einen Regierungs- Vorschuß von 3 200 000 Lire. Während der Gültig- keitsdauer des Vertrages wurden die Bedingungen für die„Terni " weiter verbessert: Neuer Regierungsvorschuß in Höhe von 3 Millionen, Erhöhung des Preises für die Tonne Panzer- platten von 1900 auf 2500 Lire. Die„Terni " setzte dies alles und noch viele andere Verbesserungen durch: nur eins konnte sie denn doch nicht erzielen: die von ihr geforderte Anwendung der neuen Bedingungen auf das bereits gelieferte Material! Immerhin hatte die Aktiengesellschaft nicht zu klagen: für den laufenden Kontrakt erzielte sie einen Mehrverdienst von 4160 922 Lire. So wurde weiter gewurstelt, ohne Rücksicht auf Staatskasse und Landesverteidigung. Die„berühmten" Platten der Terni waren schlecht und blieben schlecht, jede neue Prüfung bestätigte die größere Leistungsfähigkeit der Krupp schen Panzer, ohne daß die technisch Urteilsfähigen und die Ehrlichen mit ihrer Forderung: neue Typen anzuwenden, durchdringen konnten. Vorzüglich blieben nur die Dividenden, die„Terni " zahlte: 1899 15 Proz,, 1900 und 1901 ebenso, 1902 und 1903 16 Proz. Dabei stimnit auch die Rechnung über den Kapitalbestand nicht ganz: es ist da so eine kleine Differenz— eine Bagatelle— von 22 Millionen I Entweder figurierte diese Summe im Jahre 1889 nur als Kapital, ohne wirklich vorhanden zu sein, dann hat die„Terni " ihren ungeheuren Verdienst mit einem fingierten Kapital erzielt! Oder aber diese Summe war damals wirklich vorhanden, dann muß sie, die aus den Büchern einfach verschwunden ist, auch heute noch da sein. In diesem Falle ist der Kapitalbestand von 1903 fingiert und zwar um 22 Millionen zu niedrig, und diese 22 Millionen wären also zum angeblich vorhandenen Aktienkapital zu addieren, was etwa einen weiteren Profit von jährlich 7 Proz. ausmacht, um den die bescheidenen Jahresdividenden zu erhöhen wären! Die Lieferung des Seeartillerieinaterials. dessen schlechte Be- schaffenheit wir bereits in anderen Berichten betont haben, erfolgte durch auswärtige Firmen, zuletzt durch die Firma Armstrong, die in Pozzuoli ein Arsenal einrichtete und einen Lieferungsvertrag für 17 Millionen abschloß. Der damalige Oberarsenaldirektor vertrat diesen von vielen Sachverständigen mißbilligten Vertrag auf das leidenschaftlichste. Kaum war der Vertrag abgeschlossen, da quittierte der Biedermann den Dienst und wurde— Generalvertreter der Firma Armstrong für Italien !! In d e m Stil geht eS weiter: Jahrelang, millionenweise—„je mehr es wechselt, um so mehr bleibt es dasselbe", um eS mit den Worten Alphonse Karrs zu sagen. Das Resultat ist eine absolut leistungsunfähige Marine, die Hunderte von Millionen gekostet und eine Handvoll Großkapitalisten gemästet hat. „In der Verwaltung der Staatsgelder hat man es sich mehr angelegen sein lassen, die Rechffchaffenheit der Offiziere zu erweichen als die Widerstandsfähigkeit des Kriegsmaterials zu heben."— In einer Regierungsenquete darf man das sagen und beweisen! Weil der„Avantt" es sagte und bewies, muß sein Chestedakteur auf 14 Monate ins Gefängnis.— Soziales. Aufklärung der Kinder über sexuelle Dinge. Der„Bund für Mutterschutz� hat soeben sämtlichen deutschen Kultusministerien eine Eingabe unterbreitet, in welcher die Ein- fügung der geschlechtlichen Belehrung in den Schulunterricht ge- fordert wird. Die Eingabe spricht von einer allgemein herrschenden Ent- artung und Zügellosigkeit des geschlechtlichen Lebens und fährt dann fort: „Leider haben bis jetzt die Behörden nur durch polizeiliche und medizinische Maßnahmen dem Uebel zu steuern versucht. Beide Mittel müssen sich aber als unzulänglich erweisen, denn beide wenden sich gegen die vollendete Tat oder ihre Folgen; die Ursache des Uebels lasten sie unberührt. Eine der Haupt- Ursache» der Entartung des geschlechtlichen Lebens liegt unseres Erachtens nun darin, daß man die Jugend auf diesem Zentral- gebiete deS Menschcndaseins völlig führerlos läßt. So fällt sie der gemeinsten Form der Aufklärung anheim und steht jeglicher Ver- führung wehrlos gegenüber. Das Schweigen aller zur Erziehung berufenen Faktoren wirkt weiter dahin, daß das Kind sich gewöhnt, das geschlechtliche Leben als etwas Gemeines zu betrachten. So wird Ehrfurcht vor den Quellen des Lebens bei Jung und Alt un- möglich. Damit ist aber dann jeder seelischen wie physischen Ent- artung des Geschlechtslebens der Boden bereitet. Ter Jugend in ernster und würdiger Form die elementaren Kenntnisse des Gc- schlechtslebens zu vermitteln, erscheint als erstes und dringendes Erfordernis jeder Reformtätigkeit auf sexuellem Gebiet." Dies zu tun. sei in erster Linie Aufgabe der Schule, den Eltern fehle die Möglichkeit, diese Belehrung methodisch und stufengemäß zu vollziehen. Der Bund bittet,„die bundesstaatlichcn Ministerien möchten einen Ausschuß einsetzen, welcher die Fragen praktisch weiter verfolgt". Eine Aufklärung in sexuellen Dingen ist, wie in der sozial- demokratischen Presse und im Reichstag wiederholt, insbesondere bei Beratung der Lex Heinze, dargelegt ist, der beste Schutz gegen Miß- brauch der Jugend durch Verführung. Im Irrtum befindet sich der Bund mit der Annahme, es ließe sich die Aufklärung in der Familie nicht erreichen. Die Schwierigkeit der häuslichen Dar- legung ist in der sozialdemokratischen Literatur anerkannt, aber auch darauf hingewiesen, wie sie zu überwinden ist. Die Aufklärung im Hause wird um so leichter, je mehr auch die Schule zur Klarheit erzieht. Die Annahme des Mutterschutzbundes, daß eine„allgemein herrschende Entartung und Zügellosigkeit des geschlechtlichen Lebens" vorliege, ist irrig, soweit die Allgemeinheit in Betracht kommt. Sie hat sich von einer heuchlerischen Prüderie, einem zügellosen„Sichauslebenmüffen" und blasierter Erhabenheit über die natürliche Erfüllung naturnotwendiger Bedürfnisse nicht an- stecken lassen._ Christlicher Terrorismus. Mit dem Eifer eines vom Staatsanwalt angespornten Poli- zisten registriert die Zentrumspresse jeden Fall, der nur irgendwie geeignet erscheint, als„Terrorismus der Sozialdemokraten gegen andersdenkende Arbeiter" ausgeschlachtet werden zu können. Das haben die ultramontanen Herrschaften ober eigentlich gar nicht nötig, denn gerade in ihren Reihen ist ja jene Aufklärungsmethode heimisch, die ein bekanntes Zentrumsblatt einmal als„christliche Dreschflegeltaktik" bezeichnet hat. Ein erbauliches Beispiel dafür lieferte eine Verhandlung, die kürzlich vor dem Landgericht München II stattfand. In Untermenzing bei München besteht ein (fhristlicher Burschenverein. Die Mitglieder dieser ultramontanen Organisation hegen gegen die Nichtorganisierten einen tiefen Groll. Wer diesen angeschürt hat, das soll hier nicht weiter untersucht werden. Kurz und gut: bei einer passenden Gelegenheit— das war die Tanzmusik am vorjährigen Kirchweihtag— gerieten die Organisierten mit den„Indifferenten" zusammen und da sich diese absolut nicht bekehren wollten, lauerten ihnen vier christliche Agi- tatoren auf dem Wege auf und versuchten ihnen mit abgerissenen Latten und Zaunpfählen Verständnis für die christliche Organisation beizubringen. Wie heftig diese Belehrung gewesen ist, zeigt die Tatsache, daß zwei der christlichen Vereinsbrüder je 10, die beiden anderen je 6 Monate Gefängnis erhielten. Bemerkenswert ist nun das Verhalten der Zentrumspresse in diesem Falle. Sie, die sich sonst bei weitaus nicht so schlimmen Ausschreitungen von Sozialdemokraten in Entrüstung förmlich über- schlägt, stellt hier die Sache so dar, als ob es sich nur um einen Akt jugendlichen Uebermutes handele. Sie schreiht, bei der Tanzmusik sei s-" gar lustig hergegangen. Und weiter:„Noch lustiger war es später auf der Dorfstraße, denn da wurde gerauft." Kein Wort davon, daß eS sich um einen Streit zwischen Organisierten und Nichtorganisierten handelte. Ja, die Zentrumspresse kann schon tolerant sein, wenn es sich nämlich um ihre eigenen Partei- freunde handelt!_ Welche Berussgenossenschast ist haftpflichtig? In Nürnberg stürzte am 15. September 1903 ein Beleuchtungs- monteur bei Aufstellung eines Scheinwerfers im dortigen Apollo. thcater von einer Leiter und erlitt einen komplizierten Unter- schenkelbruch. Der Unfall wurde bei der Berufsgenossen- chaft für Feinmechanik angemeldet, die gar keine Antwort erteilte, weshalb Beschwerde an das Reichsversicherungsamt eingelegt wurde. Am 15. April 1904, also genau sieben Monate nach dem Unfall, erhielt der Verletzte von der Berufsgenossenschaft den Be- 'cheid, daß nicht die Gesellschaft, die das Apollothcater betreibt, son» Zern die Firma Schuckertwerke, die die Beleuchtungsanlage unter» hält, in diesem Falle versicherungspflichtig sei. Da aber der Ver- letzte nicht bei Schuckert, sondern bei der erwähnten Gesellschaft beschäftigt gewesen und diese bei der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik nicht eingetragen sei, so sei ein Ent- lchädigungsanspruch an diese nicht vorhanden! Die Berufung an Zas Schiedsgericht hatte das Ergebnis, daß die Berussgenossenschast für Feinmechanik verurteilt wurde, dem Verletzten aus einem Jahresarbeitsverdienst von 1380 Mark die Vollrente bis 15. März 1904 und von da ab 40 Prozent zu bezahlen. Hiergegen erhob die Berufsgenossenschaft Rekurs, indem sie die Entschädigungspflicht der — Baugewerksberufsgenossens cha f t aufzuhalsen üchte! Der Verletzte ließ gegen den Rekurs der Berufsgenossenschaft Gegenschrift einreichen. Inzwischen war das Apollotheater bei der Südoeutschen Eisen- und Stahlberufs ge nassen- chaft angemeldet worden. Von dieser wurde dem Verletzten mit. geteilt, daß sie den Unfall entschädige mit 40 Prozent, aber nicht aus einem Jahresverdienst von 1380 M., sondern nur von 1032 M. Hiergegen mußte in doppelter Richtung Berufung eingelegt werden, weil der Rekurs an das Reichsversicherungsamt noch nicht ent» 'chieden war und wegen zu niedriger Rentenberechnung. Als die Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft erfuhr, daß in der Sache schon ein schiedsgerichtliches Urteil vorlag, gegen das Rekurs beim Reichs- versicherungsamt eingelegt sei, erklärte sie ihren Bescheid für ungültig und suchte den Verletzten zur Zurücknahme seiner Berufung zu be. wegen, was aber nicht geschah. Das Reichsversicherungsamt setzti: die Entscheidung über den Rekurs gegen das Urteil des Schicds- gerichts aus, bis das Schiedsgerichtsurteil gegen die Entscheidung der Süddeutschen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft vorliege. In- zwischen hatte die Eisen- und Stahlbcrufsgenossenschaft an das Reichsversicherungsamt berichtet, das Apollotheater sei nur irrtümlich bei ihr eingetragen worden, es möge die Bayerische Baugcwerks- berufsgenossenschaft für entschädigungspflichtig erkannt werden. Das Schiedsgericht der Eisen- und Stahlberufsgcnosienschaft verwarf die Berufung des Verletzten, weil schon eine Entscheidung eines anderen Schiedsgerichts vorliege. Hiergcgm wurde ebenfalls Rekurs an das
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