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i',.m 23. lau w 2. Keiliige desMmillts"§n\\\m lotoMatt. Mai-Aussperrnngen und Partei. Die Mai-Ausgesperrten des A. E.-G.-Werkes Brunnen st raße waren am Montag von der Organisations leitung zu einer Versammlung nach dem Swinemünder Gcsellschasts Haus zusanlmenberufen worden. Sie nahmen daselbst Stellung zu dem Verhalten derjenigen Werkskollegen, die am 1. M a' gearbeitet haben, obwohl Arbeitsruhe beschlossen war. Der Verbandsbevollmächtigte Cohen führte hierzu in seinem Referat etwa folgendes aus: ©ine der unangenehmsten Erscheinungen bei der diesjährigen Maifeier in Berlin fei wohl die, daß von den reichlich 6000 Arbeitern und Arbeiterinnen des Werkes Brunnen straße nur zirka 1600 die Arbeit ruhen ließen, während die übrigen gearbeitet haben. Es seien nun Gerüchte im Umlauf des Inhalts, als habe bei den Vorbereitungen und Ab stimmungen über die Arbeitsruhe nicht die nötige Klarheit unter den Arbeitern geherrscht. Ja es werde sogar der örtlichen Leitung des Metallarbeiterverbandes verblümt und unverblümt der Vorwurf ge- , nacht, als trage fie die Schuld daran, daß die Arbeitsruhe in diesem Werk nicht den gewünschten Umfang angenommen habe. Dem gegenüber gelte es jetzt, unanfechtbar festzustellen, ob die Vor bereitungen und Abstimmungen korrekt erfolgt find oder nicht, und ob die Nichtfeiernden gewußt haben, daß sie gegen den in aller Form gefaßten Beschluß, die Arbeit am 1. Mai ruhen zu lassen, gröblich verstoßen haben. Zu dieser Klarstellung hätten die Versammelten umsomehr Ursache, als auch in einer kürzlich stattgesundenen Sitzung der Partei- funktionäre von Groß-Berlin kränkende Andeutungen übermöglicherweise gemachte Versehen" gefallen sind. An jener Sitzung habe er, Redner, teilgenommen und dort befürwortet, daß die Partei setzt die Pflicht habe, gegen jene Elemente, soweit fie der politischen Organisation angehören, vorzugehen, die sich dem Beschluß auf Durchführung der Arbeitsruhe nicht gefügt haben. Denn es stehe fest, daß gerade eine erhebliche Anzahl Wahl Vereinsmitglieder, und darunter auch Bezirksführer, den Maifeierbeschluß wohl befürwortet und mitgefaßt, hernach aber nicht innegehalten haben. Mit solchen Elementen, die mit schuld daran seien, daß 1500 Kollegen acht Tage lang ausgesperrt wurden, könne und dürfe die Partei unmöglich länger eine Gemeinschaft haben. Dem Treubruch und der unehrlichen Handlungsweise dieser Leute sei es zuzuschreiben, wenn jetzt Hunderte der besten Mitglieder des MetallarbeltcrverbandeS gemaßregelt auf der Straße liegen»nützten.(Beifall.) Leider aber hätten es die Parteifunktionäre in jener Sitzung ab gelehnt, gegen die treulosen Wahlvereinsmitglieder die Initiative zu ergreifen.(Bewegung). Sie hätten sich hinter der Ausrede ver- schanzt, die Durchführung der Arbeitsruhe am 1. Mai sei lediglich eine gewerkschaftliche Angelegenheit. Ergänzt sei diese Ausrede dann noch worden mit dem Hinweis auf die möglicherweise gemachten Versehen bei der Abstimmung, die nun gewissermaßen als Entschul digungSgrund für das Arbeiten der Werksmehrheit am Maitage dienen solle, weil angeblich Unklarheit bei den Arbeiten, über Form und Folgen der ArbeitSruhe geherrscht habe. ES sei ihm, dem Redner, dann schließlich anHeim gestellt worden, zuerst von ge werkschastswegen gegen die Nichtfeiernden mit Ausschlüssen vorzu- gehen, dann werde sich auch die Partei mit der Angelegenheit weiter befaflen. Eher nicht. Eine solche Behandlung der Sache habe ihn, Cohen, natürlich in eine begreifliche Erregung versetzt. Hier zeige es sich wieder, daß sich die Partei hinter die GeWerk- schaften verstecke, wenn es gelte, die Kon- se�uenzen der Maifeier zu tragen. Wohl in keinem re feien die Parteifunktionäre und die Parteipresse so intensiv die Arbeits ruhe am 1. Mai eingetreten, wie diesmal. Gerade der Umstand, daß die diesjährige Maifeier gleichzeitig mit einer De- monstration für die Beseitigung des Dreiklassenwahlrechts verbunden war, beweise doch zur Evidenz, daß die Feier diesmal mehr einen politischen wie einen gewerkschaftlichen Charakter gehabt habe; zum mindesten aber seien Partei und Gewerkschaften gleichmäßig an der Durchführung der Arbeitsruhe interessiert gewesen. Deswegen habe auch die Partei die Verpflichtung, nicht erst solange mit einem Vorflehen gegen ihre nichtfeiernden Wahlvereinsmitglieder zu warten, bis die Gewerkschaften diese zur Verantwortung gezogen hätten, sondern die Partei müsse hier selbständig mit entsprechenden Maßregeln vor- gehen. Da dürfe man nicht vor der großen Zahl der in Betracht kommenden Personen zurückschrecken, selbst auf die Gefahr hin. daß auch mal ein guter Freund von dem Ausschlüsse betroffen werde. Von Nachsicht gegen die Nichtfeiernden könne nur dann eine Rede sein, wenn sie'eine genügende Entschuldigung für ihr Verhalten hätten: das fei hier jedoch absolut nicht der Fall. Im Gegenteil. diese Leute hätten bewußt und mit Absicht gegen den von der Mehr- heit gefaßten Beschluß der Arbeitsruhe gehandelt. Irgend eine Beeinflussung von der Organisationsleitung zuungunsten der Arbeits- ruhe habe nicht stattgefunden. Vielmehr seien die Arbeiter von vom- herein aufgefordert worden, ihre Entschließungen nach freiem Ermessen zu treffen, wobei ihnen auch klipp und klar gesagt wurde, daß, wenn pe feiern wollten, sie dies aus Idealismus tun müßten, denn die Organisatton könne für die etwaigen Folgen finanziell nicht hasten, weil der Betrieb nicht der Leipziger Verbandsresolution eitt- sprechend organisiert sei. Trotzdem also den Arbeitern nicht der leiseste Zweifel darüber gelassen worden sei, daß sie vom Metall- arbetter�Verband im Falle einer Maiausspernmg statlitenniäßig keine Unterstützung zu gewärtigen hatten, haben dennoch von über 6000 Beschäftigten reichlich 1000 für Arbeitsmhe gestimmt. Folgerichtig hätte sich nun die gegen die ArbeitSruhe votierende Minderheit unbedingt dem Mehrheitsbeschlüsse fügen müssen. Jedoch blieb nicht nur die ursprüngliche Minderheit am 1. Mai nn Bc- triebe, sondern noch obendrein zirka 2500 von denjenigen, die aus freier Entschließung für die ArbeitSruhe gesttmmt hatteni, so daß nur 1500 feierten und ausgesperrt wurden. Da habe man sich doch die Frage vorzulegen, ob jene Disziplrnlofen wegen ihres schmählichen Treubruches noch als gleichwerng m der Arbeiterschaft anerkannt werden können. Jene Leute haben sich der- maßen wankelmütig gezeigt, daß auch in künftigen Fallen auf sie kein Verlaß mehr sein kann. Um so mehr also erfordere es da« Ansehen und die Ehre der Partei, zwischen sich und jenen Treulosen eine Scheidewand aufzurichten, insbesondere auch deshalb. we,l der Bestand der Gewerkschaft hier mit in Betracht komme. Bei Streik- bmchvergehen könne die Partei wohl mtt Recht sagen: Konstatiert ihr Gewerkschaften erst das Vergehen des Angeschuldigten. dann werden auch wir ihn aus den, Wahlverein ausschließen. H-t aber wo die Partei ihr ,nöglichsteö getan habe, um die we.t- gehendste ArbeitSruhe herbeizusühren. hätten die Parteifunktton�re kein Recht, die Gewerkschaften wieder so lange zu vertrösten, bis diese selbst die Treulosen aus dem Verband auSgeschlosien hatten. sondern hier habe die Partei einmal zu zeigen, daß sie zur Durch- führung der Arbeitsruhe am 1. Mai auch selbst die energische Initiative gegen disziplinbrüchige WahlvereinSmitglieder ö» ergreifen verstehe Deshalb erwachse jedem Parteigenolle» die Pflicht, zu verlange», daß sich die Partei nicht hinter die Gewerkschaft versteckt und im Hintergrunde bleibt, wo sie mit verantwortlich ist.(Beifall Unb In Är�D?skussion� gaben zwei Redner ihrer Meinung dahin Ausdruck, daß bei den Vorbereitungen und den Absttmmungen doch wohl nicht ganz einwandSfrei verfahren worden se,. Der Abstimmungsmodus habe verwirrend gewirkt. Die Arbeiterkind Arbeiterin»-.! des Werks hätten wohl alle gewußt, worum eS sich handelte. Im Prinzip seien sie auch fast sämtlich für die Arbeitsruhe gewesen. Doch als ihnen in etwas gewundener Art gesagt wurde, daß sie im Falle der Aussperrung kerne Unterstützung zu ttwatten hätten, da sei die innere Stimmung offenbar um- geschlagen, wenn sie auch für die Arbeitsruhe stimmten. Zweifellos trage der Verband mit seiner Leipziger Mairesolution auch Schuld daran, wenn es mit der Einheitlichkeit der Arbeitsruhe nicht so ge- klappt habe, wie es wünschenswert gewesen wäre. Eine ähnliche Meinung bctättgen andere Versammlungsteilnehmer durch ent- sprechende Zwischenrufe. Die Redner äußerten auch Bedenken über die Art, wie Cohen die Partei in die Angelegenheit hineingezogen habe. Mit einem energischen Vorgehen gegen die Nichtfeiernden waren sie jedoch einverstanden. Andere Redner sttmmten den Aus- führungen Cohens in jeder Hinsicht zu. W e g n e r. der Leiter der Versammlung, wies die Bemängelung des Abstimmungsmodus zurück, indeni er diesen als vollkommen korrekt bezeichnete. Cohen wandte sich dann gegen den Vorwurf, als sei das Ver sagen der Unterstützung und die Leipziger Resolution Schuld an der blamablen Ausführung des gefaßten Maifeierbeschluffes im Werke. Wenn den Arbeitern die Versagung der Unterstützung nicht paßte. so hätten sie dies bei der Abstimmung, nicht aber bei der Ausführung bedenken sollen. Gerade darin liege ja das Haupt verschulden der Arbeiter, daß sie, obwohl ihnen wegen der Unter stützung von vornherein reiner Wein eingeschenkt worden sei. dennoch »n ihrer Mehrheit für die Arbeitsruhe stimmten, dann aber ihren eigenen Beschlutz schmählich durchbrachen und am 1. Mai treulos in den Betrieb hineinkrochen. Das Verhalten der Parteifunktionäre aber habe er einer herben Kritik unterziehen müssen, denn gerade von diesen werde doch sonst immer in allen Tonarten das möglichst enge Zusammengehen von Partei und Gewerkschaften auf das wärmste befürwortet. Nun, er wolle es offen aussprechen, was er sonst lieber nicht getan hätte Hier habe er als Parteigenosse und Gewerkschafts führer mit der Partei zusammengehen Iv ollen. die Partei aber habe es nicht gewollt. Es sei das um so bedauerlicher, als manche Parteifunktionäre' gerade der Leitung des Metallarbeiterverbandes so gerne etwas am Zeuge flicken, weil diese angeblich zu wenig für die Partei agitiere, und auch derVorwärts" mit einer gewissen Vorliebe langatmige Ergüsse von solchen Personen bringe, die an der Verbandsleitung hinsichtlich ihrer Haltung zur Maifeier etwas zu mäkeln hätten, wie das kürzlich erst in einem Bericht von einer Holzarbeiterversammlung geschehen sei. Er appelliere deshalb an die anwesenden WahlvereinSmitglieder, die Angelegenheit in den Zahlabenden der Partei zur Sprache zu bringen und den Ausschluß jener wortbrüchigen Elemente vom Werk Brunnenstraße aus der Partei zu fordern.(Beifall.) Es gelangte dann folgende Resolutton zur Annahme: .Die am 7. Mai 1006 versammelten ausgesperrten Kollegen der A. E.-G.-Brunnenstratze erklären hiermit: Die Vorbereitung sowie die Abstimmung über die ArbeitSruhe am 1. Mai war derartig, daß ein Mißverständnis vollständig ausgeschlossen war. Jeder im Betrieb beschäftigte Kollege wußte, daß die erdrückende Mehrheit für Arbeite ruhe gestimmt hatte, und ist deshalb ein« Entschuldigung, eS hätte nicht genügend Klarheit bestanden, nichts als eine faule AuSrede. ES steht fest, daß jeder, der am 1. Mai gearbeitet hatte, gewußt hat, daß er gegen einen einwandfrei gefaßten Beschluß gehandelt at. Die Versammlung beantragt deshalb, daß die ver- chiedenen Gewerkschaftsorganisationen gegen diejenigen, welche gegen den einwandfrei ge- faßten Beschluß gehandelt haben, da« Ausschluß- verfahren einleiten. Desgleichen fordert die Bersammlung die politisch organisierten Kollegen auf, in den Zahlabenden für de« Ausschluß der Betreffenden aus der Partei einzutreten." Im Anschluß an den vorstehenden Bericht sehen wir unS ver- anlaßt, die Erklärung zu veröffentlichen, die der Parteivorstand über den Borfall der Lettung des MetallarbeiterverbandeS am Sonnabend. dm 5. d. M., abgegeben hat. Dieselbe lautet: Erklärung de« Parteivorstandes zur Differenz der Metallarbeiter bei der A. E.-G. die Maifeier betreffend. 1. Der Parteivorstand erllärt, daß er auf Grund der Per» Handlungen, die er seinerzeit mit der Generalkommission der Ge- werkschasten, die Maifeier betreffend, geführt hat, bereit ist, falls der Metallarbeiterverband ihn darum ersucht, die finan- zielten Opfer, welchedie diesjährige Maifeier dem Verband auferlege, nach Möglichkeit tragen z u h e l f e n. Die Form, in welcher der Parteivorstand dieseMittel aufbringt, ist ausschließlich dessen Angelegenheit. 2. Der Parteivorstand kann kein Urteil abgeben über die Handlungsweise der als Mitglieder des Metallarbeiterverbandes in der A. E.-G. beschäftigten Parteigenoffen, soweit diese ihren stüher gefaßten Beschlutz, bei der Maifeier nicht zu arbeite», selb st mißachteten. Dieser Beschluß ist auf Grund der Vorschriften, welche der Metallarbeiterverband für seine Mitglieder bezüglich einer Ent- scheidung über die Maifeier erließ, gefaßt worden. Es handelt sich also hierbei in erster Linie um eine gewerkschaftliche An­gelegenheit, zu der zunächst die Gewerkschaft Stellung zu nehmen hat. Der Parteivorstand ist auf Grund der Parteiorganisatton ver- pflichtet, abzuwarten, ob eine lokale Organisation den An« trag stellt, ein Parteimitglied, das sich an der Nichteinhaltung des in der A. E.-G. gefaßten Be- schlusseS betreffend die Maifeier beteiligt«, wegen ehrloser Handlung auS der Partei aus» zuschließen. Wird ein solcher Antrag gestellt, so ist der Partei- vorstand verpflichtet, ein Schiedsgericht zusammenzuberufen, zu dein er den Vorsitzenden ernennt. Der Parteivorstand loiirde also, wenn er von sich auS in einem Falle wie dem vorliegenden ein Urteil fällte, von vorn- herein als Partei erscheinen und die Unparteilichkeit des Schieds- gerichtSspruches in Frage stellen. 3. Soweit der Parteivorstand in der Lage ist, die Vorgänge. die anläßlich der Maifeier mit dem Verhalten eines großen TerlS der Mitglieder des MetallarbeiterverbandeS, die in der A. E.-G. beschäftigt sind, in Verbindung stehen, beurteilen zu können, glaubt er, daß auf beiden Seiten, d. h. sowohl auf Seite der bei der A. E.-G. beschäftigten Mitglieder des MetallarbeiterverbandeS, wie bei der Leitung desselben Versehen begangen wurden, die eine un» klare Situation herbeiführten. Bon diesem Gesichtspunkt aus und in Anbettacht des Um- standeS, daß ein größerer Konflikt zwischen dem Metallarbeiter- verband und seinen renitent gewordenen Mitgliedern, die bei der A. E.-G. beschäftigt sind, für die Scharfmacher eine ersehnte Ge- legenheit wäre, es zu einer Spaltung im Metallarbeiterverbande zu treiben und eine Kraftprobe mit dem Unternehmertum hervor- zurufen» empfiehlt der Parteivorstand alles aufzubieten, um einen solchen Konflikt zu ver- meiden." Wir fügen dieser Erklärung die Bemerkung hinzu, daß der letzte Satz derselben den vom Genossen Cohen unS gegenüber geäußerten Ansichten entspricht. Um so überraschter sind wir, aus den Aus- führungen des Genoffen Cohen zu ersehen, daß er in der Versamm- lung der Ausgesperrten des Metallarbeiterbande« einen ganz anderen Standpunkt vertreten hat. Der Parteivorstand. Der Unterzeichnete erklärt zu dem Versammlungsbericht folgendes. In der Sitzung der Berliner Parteifunktionäre am Frettag. den 4. d. M., lvar man einmütig der Meinung, daß die Berliner Partei nach besten Kräften für die Unterstützung der weflen der Maifeier Ausgesperrten eintreten werde. Ebenso wurde allgemein das Ver­halten derjenigen Parteigenossen, die den Maifeierbeschluß nicht be- achtet haben, auf das schärfste verurteilt. Im übrigen war man der Meinung, daß man wegen des eventuellen Ausschlusses der Genossen an das Organisationsstatut der Partei gebunden sei und in dieser Hinsicht das zutreffe, was der Parteivorstand in seiner Erklärung ausführt. Feststellen müssen wir auch, daß der Genosse Cohen in der Sitzung an, Freitag einer möglichst gütlichen Beilegung des Konfliktes das Wort geredet hat. Damit sind die unwahren Behauptungen des Ge- Nossen Cohen in allen Punkten widerlegt. Der Aktions-AnSschuß de» Berdandes der foz. Wahlvereme. MendtpuMe der veuerev deutscheu Geschichte. 3. Die Napoleonische Revolution(18011315). Dem dritten Vortrage, den Genosse Maurenbrecher am Montag über das obige Thema hielt, lag der nachstehend skizzierte Gedankengang zugrunde. Die klassische deutsche Literatur und Philosophie hat die Wäacht des Willens entdeckt. Nicht auf Beschaulichkeit, loie die griechische Philosophie, sondern auf der Bedeutung der Tat baute sich ihre Welt- Anschauung auf. Aber trotz der reichen Fülle ihres inneren Leben? ist sie für die politische, die soziale und die rechtliche Entwickclung ohne Einfluß geblieben. Es herrschte eine Zwiespältigkeit zwischen dem, was man als Ideal erkannte, und dem, was man in der Wirk- lichkcit vor sich sah. Niemand dachte daran, die neuen Rechts- anschauungen des Bürgertums im Staatsleben zu verwirkliche». Die Rechtsphilosophie formulierte die Ideale des Bürgertums als Naturrecht, fand sich aber auf der anderen Seite damit ab, daß das wirkliche, mit dem Naturrecht in Widerspruch stehende Recht Geltung hatte. Zwischen dem Naturrecht und dem positiven Recht sagte Fichte gibt es keine Brücke. Man verzichtete also darauf, die theoretisch fonnulierten Forderungen de» Vernunftstaates auf den wirklichen Staat zu übertragen. Als gegen Ende deS 18. Jahr- in Frankreich der Kampf zwischen dem Bürgertum und dem Absolutismus ausbrach, da schlugen fast alle führenden Geister in Deutschland um. Anfangs hatten sie sich für die Ideale der franzö» silchen Revolution begeistert, aber daß diese Ideale im Kampf gegen den Acholutisinus sich durchzusetzen trachteten, das jagte den klein. bürgerlich deutschen Literaten und Philosophen einen heillosen Schrecken ein und sie verurteilten deshalb die Taten der französischen Revolution. Die Träger des bürgerlichen Gedaukens in Deutsch . land loa reu der Ansicht, daß sich ihre Ideale nicht im Kampf, nicht unter Anwendung von Gewalt, sondern vielmehr durch moralische mid ästhetische, durch geistige Einwirkung auf die Machthaber durch- 'wußten. Eine solche Auffassung konnte keine praktischen politischen Resultate erzielen. Daß in Deutschland ein solcher Zwie. spalt zwischen Ideal und Wirklichkeit herrschte, daß es an Tatkraft «ur BerwirKichuna der Ideale fehlte, das liegt wieder daran, daß « Ideale nicht auf deutschem Boden, nicht aus deutschen Verhaltmssen heraus entstanden, sondern daß fie der Anregung von Frankreich her ihr Entstehen verdankten. Als sich die bürgerliche Ge, ellschaft m Frankreich nicht durch ethisch-ästhetische Dekla. manunen, sondern im realen Kampf durchsetzte, da walteten sich die deutschen Literaten und Philosophen von der französischen Revolution ab und verftclen in Pessimismus. Unter solchen Umständen war cS )enn auch erklärlich, daß der nächste Wendepunkt der deutschen Ge- chlchte, die Erschütterung, die Deutschland am Anfang des IS. Jahr. Hunderts erlebte, nicht von innen, sondern von außen kam. Auf die deutschen Volksmassen, soweit sie mit den Gedanken der ranzosischen Revolution in Berührung kamen, wirkten dieselben er- hebend. Ueberall. wo die französische Revolutionsarmee in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts nach Deutschland kam. machte ie Propaganda für die sozialen Gedanken der Revolution und diese Gedanken fanden bei der deutschen Bevölkerung so großen Anklang, daß st« die französischen Armeen nicht als Eroberer ansahen, sondern re als Befreier begrüßten. Auch bei den Bauern in Westfalen hatten die Freiheitegedanken derart Wurzel gefaßt, daß sich die Adeligen der westfälischen Grafschaft Mark in ihrem eigenen Interesse veranlaßt sahen, den König von Preußen zu bitten, er möge die Gutsuntertänigkeit und die Fronpflicht der Bauern ausheben. Daran dachte aber die preußische Regierung noch nicht. Sie suchte sich viel- mehr auf andere Weise vor dem Vordringen der Gedanken der ranzösischcn Revolution zu retten. Preußen trat auS dem gegen Frankreich gerichteten Bunde mit England und Oesterreich aus und 'chlotz mit Frankreich den Frieden zu Basel , in dem vereinbart wurde, daß die Franzosen nicht über eine bestimmte Linie die Demarkationslinie in Rorddeutschland vorrückten. Ihre links- rheinischen Provinzen trat die preußische Regierung an Frankreich ab. Sie opfert« das linke Rheinufer, um die Propaganda der ranzösischen Revolutionsarmee vom rechten Rheinufer abzuhalten. Aber neben den offiziellen Baseler Friedensbedingungen schloß Preußen mit Frankreich einen Gcheimvertrag, worin vereinbart wurde, daß Preußen für die Abtretung des linken RheinuferS durch Zuteilung von Gebieten auf dem rechten Rheinufer durch Frankreich reichlich entschädigt werden solle. Herrenloses Gebiet gab eS natürlich auf dem rechten Rheinufer uicht. Es tonnte sich also nur darum handeln, daß daS preußische Gebiet durch Zuteilung von Gebieten geistlicher Souveräne, deren cS damals 100 bis 120 in Deutschland gab, vermehrt und abgerundet wurde. DaS war groß. zügige dynastische, aber keine nationale Politik, welche Preußen betrieb. Auch Oesterreich schloß im Jahre 17S2 einen ähnlichen Geheim. vertrag mtt Frankreich ab. Dieses Verhalten Preußens und Oester­ reichs bedeutete für die französische Republik «ine völlige Aenderung ihrer Politik. Im Interesse ihrer Selbsterhaltung hatte die franzö- ische Republik in den Jahren 1702 1795 unter der Devise:Krieg den Palästen, Friede den Hütten", die soziale Propaganda nach Deutschland getragen. DaS Verhalten von Preußen und Oesterreich zeigte aber der französischen Regierung, daß sie im Interesse Frank. reichs eine andere Politik Deutschland gegenüber betreiben könne. denn man sah ja, daß die großen deutschen Regierungen für alle« u haben waren, wenn man ihr« Länder durch anderes deutsches Ge. stet vergrößerte. Wenn die französische Republik diesem Ver- langen nachkam, dann konnte sie ihre Herrschast besser sichern als durch Verbreitung sozialer Propaganda. Auf dem Rastatter Kongreß 1708 wurden die Geheimverträge Frankreichs mit Oesterreich und Preußen bekannt gegeben, und nun geschah etwas, was für die deutschen Fürsten für alle Zeit eine Schmach und Schande ist. Die deutschen Fürsten umschwänzelten Frankreich , um bei der bevorstehenden Länderverteilung möglichst viel für sich zu bekommen, und bei den Verhandlungen wirkten die Gesandten durch Bestechungen in derselben Richtung. Im Jahve 1801 war der Handel soweit gediehen, daß Frankreich Frieden mit Oesterreich und Preußen schloß, wonach alle linksrheinischen deutschen Besitzungen an Frankreich abgetreten und die betreffenden Fürsten dafür durch Gebiet« auf dem rechten Rheinufer entschädigt werden öllten. Ein« ReichSbcputation wurde eingesetzt, welche diese Ab- machungen im Jahre 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß besiogelte. Danach wurden die Gebiete aller geistlichen Fürsten sowie etwa 180 freie Reichsstädte an deutsche Souveräne verteilt. Die napoleonische Politik ging nun dahin, den Ländcrhunger der deutschen Fürsten im französischen Interesse auszunutzen, einige von ihnen herauszugreifen und sie durch Zuteilung von Land gewissermaßen zu seinen Vasallen zu machen. Die süddeutschen Staaten Bayer». Württemberg, Baden und Hessen , die zu jener Zeit zusammen nicht größer waren als das heutige Thüringen , sind in ihrer heutigen Gestalt durch Napoleon Bonaparte , den fremden Eroberer, geschaffen. Sie find Zufallsgebilde, von denen damals niemand glaubte, daß sie Jahrhundert hindurch bestehen würden. em Im Frieden von Pretzburg(1805) wurde bestimmt, daß Bayern , Württemberg, Baden und Hessen , diese Staatengebilde von Napoleon « Gnaden, ebenso souverän sein follten, wie Oesterreich. Am 1. August 1806 erklärten diese vier süddeutschen Staaten, daß sie