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Nr. 110. 23. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Sonntag, 13. Mai 1906.

Eine englische Heimarbeit- Ausstellung. 35 Pf. pro Dugend. Arbeitszeit 10 bis 12 Stunden täglich. eine ganze Anzahl von Männern und Frauen, die sich dem

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London  , 9. Mai.  ( Eig. Ber.)

Das Beispiel der deutschen Gewerkschaften und Sozial­politiker: durch eine Heimarbeitausstellung sozialpolitisch zu wirken, fand hier Nachahmung. Aber mit der Heimarbeit­ausstellung in London   haben die englischen Trade Unionisten nichts zu tun! Sie wurde von der sozialliberalen Daily News" arrangiert, deren Besitzer Georg Cadbury sich für einen Sozialisten hält, jedenfalls aber ein recht arbeiter freundlicher und gutmeinender Unternehmer ist. Unter dem Namen Sweated Industries Exhibition" wurde die Aus­stellung am 3. Mai in der Queens Hall eröffnet, in der vor zehn Jahren der internationale Sozialistenkongreß tagte. Die Ausstellung wird bis zum 29. Mai dauern. An jedem Ausstellungstage soll ein Vortrag über einen mit der Aus­stellung zusammenhängenden Gegenstand gehalten werden. Es werden sprechen: Fräulein Gertrud Tudwell, eine nahe Verwandte von Sir Charles Dilfe und Vorsitzende der Ge­werkschaftsliga für Frauen, über Lohn und Arbeitszeit"; der Arbeiterabgeordnete Will Crooks über Billige und schlechte Kleider"; Genosse Lansbury:" Der Einfluß der Heimarbeit ( des Schwitzsystems) auf die Gemeindesteuern"; Fräulein Clementine Black: Die Arbeitskraft als Ware"; Frau Hids: Die Uebel des Schwitzsystems"; Pastor Lilley:" Die Ver­antwortlichkeit des Käufers"; 3. N. Macdonald, Arbeiter­abgeordneter und Sekretär der Arbeiterpartei: Eine Vor­Tage zur Regulierung der Heimarbeit"; der sozialliberale Ab­geordnete Gooch:" Die Behandlung. der Heimarbeit im Aus­Lande"; Frau Macdonald: Amerikanische Gesetze gegen das Schwitzsystem"; Genosse Herbert Burrows: Warum und auf welche Weise soll die Gesellschaft das Schwitzsystem ab­schaffen?"; der sozialliberale Abgeordnete Money, der sozial­politische Redakteur der Daily News": Die Wurzel des Uebels"; Genoffin Macarthur, Organisatorin der Frauenge­werkschaften:" Der Trade Unionismus und die Arbeite­rinnen"; Profeffor Dr. Woodhouse: Ernährung und Schwitz system"; Dr. Lawson Dodd: Deffentliche Gesundheitspflege und sozialer Fortschritt"; Fräulein Adler, Organisatorin der jugendlichen Arbeiter: Die Kinder und die Heimarbeit". Außerdem follen noch Bernard Shaw  , der Abgeordnete Tennant, Pastor Hamson und andere Sozialpolitiker sprechen. Die Vorträge werden dann in Buchform erscheinen.

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Knabenhofen 1,50 M. Auslagen auf Zwirn, Nadeln usw.| arbeiterleben entwirft. In der anglikanischen Kirche   gibt es Marimalwochenverdienst 10,50 M.; Minimum 3 M.! Die sozialen Dienste" widmen; sie gründen Arbeiterklubs, Ar­Arbeiterin hier ist eine Witwe mit vier Kindern; sie bewohnt beiterinnenvereine, in denen gespielt, getanzt, gelesen und zwei Zimmer, für die sie 5 M. Wochenmiete zahlt; sie erhält geturnt wird; fie nehmen die armen Arbeiterkinder auf Aus­Armenunterstüßung. flüge mit, besuchen arme Kranke und unterstützen sie, ohne In Werkstätte II werden Zündholzschachteln gemacht: fie mit Religion und Seelsorge zu plagen. Sie nennen sich Lohn für 12 Dubend 17 Pf. Arbeitszeit 12 Stunden täglich. einfach social workers"( Soziale Arbeiter). Haw gehört Wochenlohn von 5 bis 8,20 m.; Wochenmiete 2,50 M. für zu dieser Kategorie, und er kennt die Armenquartiere ein Zimmer, in dem sieben Personen schlafen. Der Mann Londons   sehr gut. Er erzählt im Katalog der Ausstellung: der hier arbeitenden Frau ist schwindsüchtig; das älteste Als er neulich in einem der Klubs für jugendliche Arbeiter Mädchen ist 11 Jahre alt, besucht die Schule, arbeitet aber des in Shadwell( Ost- London  ) war, kam ein kleiner Junge und Morgens sowie in der Mittagspause und eine Stunde abends; fragte, ob nicht jemand seinen Bruder, der sehr krank sei, be­die Familie erhält Armenunterſtügung. suchen möchte. Haw und einer seiner Freunde machten sich auf den Weg und gingen mit dem Jungen zu einem der an den Docks liegenden Häuser, wo sie in das Logis des Kranken geführt wurden." Der Junge öffnete die Tür. Wir traten unwillkürlich zurück. Der Geruch, der uns entgegenschlug, benahm uns den Atem. Durch eine Atmosphäre von schweben­den Flaumflocken saben wir eine Frau, die mit Pelzzupfen beschäftigt war. Zwei junge Kinder lagen im Bett, auf dessen Decke Kaninchenhäute umherlagen.

In Werkstätte III werden Hafen, Desen, Knöpfe auf Karton geheftet. Arbeitszeit 14 Stunden täglich. Wochen­verdienst 3,50 M. Wochenmiete für drei Zimmer 3,50 M. Armenunterstützung.

In Werkstätte IV werden Tennisbälle genäht. Arbeits­zeit 10 Stunden täglich. Wochenverdienst während der Saison( bon Februar bis Auguft) 10 bis 12 M. Wochen miete 2 M. für ein Zimmer. Außerhalb der Saison näht die Arbeiterin Hemden.

In Werkstätte V werden Pantoffel verfertigt. Lohn 2,50 m. für das Dukend Frauenpantoffel, 3 M. für das Dußend Männerpantoffel. Arbeitszeit 13 bis 15 Stunden täglich. Wochenverdienst 12 M. Auslagen pro Dugend 50 Pf. Wochenmiete 2 M. für zwei Zimmer. Der Arbeiter ist Witwer mit vier Kindern.

In Werkstätte VI werden Regenschirme hergestellt. Lohn 1,50 M. für das Dußend. Arbeit sehr unregelmäßig. Wochenlohn 6,40 M. Wochenmiete für zwei Zimmer und Küche 8 M.

In Werkstätte VII werden Säde genäht. Arbeitszeit 10 Stunden. Wochenlohn 6,25 M. Wochenmiete für ein Bimmer 2,50 M. Die Arbeiterin entstammt einer Sad­macherfamilie. Ihre Mutter hatte 21 Kinder, davon sind acht von ihren Eltern abhängig. Ihr Vater ist Tagelöhner, aber oft arbeitslos. Sie ist verheiratet; ihr Mann ist Tagelöhner, ebenfalls oft arbeitslos. Wenn ein Sack schlecht gemacht ist, werden ihr 75 Pf. vom Lohn abgezogen, bei besseren Säden beträgt der Abzug 2,50 M.!

Aehnliche Gegenwartsbilder sind in den übrigen 15 Werk­stätten zu sehen, in denen die verschiedensten Dinge an Die Ausstellung besteht aus zwei Abteilungen: eine Ab- gefertigt werden, u. a.: Handschuhe, Mieder, Spitzen, Papier­teilung enthält etwa 250 Warenartikel, die hausindustriell büten, Tonpfeifen, Zigarrenfpiken, Stickereien, fünstliche hergestellt wurden; die zweite Abteilung enthält 22 kleine Blumen.( Die Blumenarbeiterin ist alt, schon 50 Jahre mit hausindustrielle Werkstätten, in denen 44 weibliche und Blumenarbeit beschäftigt und daher sehr geschickt. Sie arbeitet männliche Personen beschäftigt sind. Ueber die Herstellungs- 14 Stunden täglich, verdient 10 M. die Woche, wovon 4,50 M. weise und die Kosten der Waren gibt der Ausstellungskatalog auf Miete abgehen; sie erhält ihren franken Mann und Auskunft, ebenso über die Arbeitsbedingungen und das Leben empfängt Armenunterſtügung. der Heimarbeiter.

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In Werkstätte I werden Hosen genäht und gebügelt, Zum Schluß geben wir noch ein Gegenwartsbild wieder, ferner Tischlerarbeiten verfertigt. Für das Dußend Männer- das Mr. Georg Haw, eines der Vorstandsmitglieder der Aus hosen werden 1,75 bis 2,50 m. gezahlt; für das Dußend stellung und christlicher Sozialist, aus dem Londoner   Heim­

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,, Macht doch die Tür zu, um Gotteswillen," schrie die Frau, da der Windzug die Federn und den Staub aufwirbelte. hr feid wohl gekommen, die anderen zu besuchen? Zu mir fommt niemand. Mein Jüngstes ist schon seit sieben Tagen tot, und ich schufte vom Morgen bis zum Abend, um so viel zusammenzuschaffen, das Begräbnis bezahlen zu fönnen." Sie legte auf einen Augenblick die Arbeit nieder und sagte in einem weicheren Tone:" Seht sie doch an, sie ist nicht sehr verändert." Die Frau näherte sich dem Bett, in dem ihre zwei Kinder schliefen, und indem sie zu Füßen der Schlafenden einen Haufen Kaninchenhäute auf die Seite stieß, hob sie die Bettdecke und enthüllte uns den ab­gemagerten Körper des toten Kindes. Sie legte den Rücken ihrer Hand an die falte Wange ihres toten Lieblings und meinte, die Nachbarn sagten immer: Alice sei ein liebliches Stind. Aber, Ihr fönnt ja nicht hier stehen bleiben. Er hört Euch. Hört, wie er hustet!" An der anderen Seite des Bimmers, auf Säcken gebettet, lag ein schwindsüchtiger Junge, neben welchem eine Frau saß, die Säcke nähte." Haw und sein Freund meinten, der Junge sollte ins Krankenhaus. Mutter und Sohn stimmten dem Vorschlage zu. Während der Unterredung setzte die Mutter ihre Arbeit ununterbrochen fort und sagte dann leise zu ihren Besuchern: Die Begräbnisleute wollen den Störper nicht einsargen, wenn sie nicht das Geld auf dem Tische liegen sehen. Darum arbeitet sie( die Pelzzupferin) jett Tag und Nacht, um das Begräbnisgeld zusammen­zufriegen..." Zwei Tage darauf wurde der schwindsüchtige Junge ins Krankenhaus und das tote Kind auf den Kirchhof gebracht. Der Junge starb nach wenigen Tagen. Und wenn fie nun auch zwei Mäuler weniger zu füttern hatten, so ar­beiteten die Belzzupferin und die Sacknäherin doch beim Kerzenlichte in der staubigen und schwülen Stube ununter­brochen fort." Neuheiten

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