Einzelbild herunterladen
 

Nr. 111.

Abonnements- Bedingungen:

Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl, 3,30 mt., monatl. 1,10 r., wöchentlich 28 Bfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage Die Neue Welt" 10 Bfg. Bost­Abonnement: 1,10 Mart pro Monat. Eingetragen in die Post- Zeitungs­Breisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien , Dänemark , Holland , Italien , Luxemburg , Portugal , Rumänien , Schweden und die Schweiz .

S

Ericheint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Dolksblatt.

23. Jahrg.

Die Infertions Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Rolonel. geile oder deren Naum 50 Bfg., für politische und gelverkschaftliche Vereins. und Bersammlungs- Anzeigen 30 Bfg. ,, Kleine Anzeigen", bas erste( fett­gedruckte) Wort 20 Bfg., jedes weitere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlaf. stellen- Anzeigen das erste Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 1hr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet. Telegramm. Abreffe: Sozialdemokrat Berlin ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV. Mr. 1983.

Dienstag, den 15. Mai 1906.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.

Parteigenoffen! Demonftriert heute gegen die Schulverpfaffung!

Gegen die Schulfeinde!

Die herrschende Klasse zwingt die Kinder des Proletariats

Petersburg, 13. Mai. In der gestrigen Gigung der Duma in die dürftig ausgestattete, auf niedrige Lehrziele beschränkte führte Rodits chew in seiner Rede über die Amnestie folgendes und obendrein vernachlässigte Volksschule. aus: Die Amnestiefrage ist keine Parteifrage, sondern eine Das deutsche Bildungswesen ist auf den ersten Blick und Die herrschende Klasse hält die aus diesen und anderen nationale Frage. Der Vorschlag, eine Amnestie zu gewähren, für den unkritischen Betrachter sehr mannigfaltig und viel Gründen unzufriedene und erbitterte Arbeiterschaft Preußens bildet nicht den Gegenstand einer Gesegesvorlage, denn die gestaltig. Es gibt Universitäten, Akademien, technische Hoch in der Kette des Dreiklassenwahlrechts, wodurch der Arbeiter- bringe deshalb keinen Gefeßentwurf ein, sondern ich weise hin auf Gnade ist eine Prärogative des Monarchen. Ich schulen, Handelshochschulen, gewerbliche Fachschulen, Fortschaft jedwedes Mitbestimmungsrecht über die Volksschule un- die Leiden des gesamten Bolles. Wir richten eine Bitte an den bildungsschulen; es gibt Gymnasien, Progymnasien, Real- möglich gemacht wird. gymnasien, Realprogymnasien, Oberrealschulen, Realschulen, Monarchen und bringen damit den Wunsch des gesamten Volkes Die herrschende Klasse ist gegenwärtig drauf und dran, zum Ausdruck, und ich möchte nicht, daß dieser Wunsch zu einer Bürgerschulen und Mittelschulen; und es gibt Volksschulen, der Arbeiterschaft zum verlegendsten Hohne das beschämend Forderung werde. Während des Wahlkampfes, auf dem Wege nach entgeltliche und unentgeltliche. Welche Vielseitigkeit der niedrige und dem heißen Bildungsdrang der Arbeiterklasse Petersburg und hier in Petersburg selbst haben wir einzig und Bildung, so sollte man meinen, verschafft diefes reichhaltige geradezu ins Gesicht schlagende Bildungsziel der Volksschule allein das Wort Amnestie" gehört. Die Rechtsgelehrten behaupten, Bildungswesen dem deutschen Volke! noch wesentlich herabzudrücken.

lasse, der foalierten Reaktion der Junker, Pfaffen und Plus Gegen diese schmachvolle Schulpolitik der Herrschenden macher muß die Arbeiterschaft mit aller Straft lauten und nach drücklichen Protest erheben.

Aber man würde einer argen Täuschung anheimfallen, wenn man aus der Mannigfaltigkeit der Bildungsanstalten auch auf die Mannigfaltigkeit der Bildung im deutschen Volfe felbst schließen wollte. Denn diese Mannigfaltigkeit in den Anstalten kommt nur einer verschwindenden Minderheit des Insbesondere muß gegenwärtig das freche Attentat auf Wolfes zugute. Nur 5 Proz. der schulpflichtigen Kinder be- die Boltsschule, wie es durch die leitenden Tendenzen des suchen die höheren Lehranstalten mit ihren verschiedenartigen Schulunterhaltungsgesetzes versucht wird, als eine weitere Zielen und Lehrmitteln, die übrigen 95 Proz. der Schulkinder Entrechtung, ja geradezu als eine offene Verhöhnung der aber sind von der reichbesetzten Tafel der höheren Lehranstalten bildungsdurstigen Arbeiterschaft zurückgewiesen werden. ausgeschlossen, fie müssen mit den dürftigen Wasser- und Brot­portionen, die die Volksschule verabreicht, borlieb nehmen.

in Rußland bestehe die Todesstrafe nicht und doch haben allein im vom 30. Oftober darf nicht wiederholt werden. Lassen Sie uns ein­Monat April 99 Hinrichtungen stattgefunden. Die Verzeihung muß allgemein sein, einer eingeschränkten bedürfen wir nicht. Der Jertum mütig fein und lassen Sie keine Meinungsverschiedenheiten unter uns über die Amnestie entstehen. Alle, die ein Verbrechen begangen haben, müssen begnadigt werden im Namen der Liebe, wie dem Apostel Petrus verziehen wurde. Allgemeine Berzeihung ist das Bindemittel zwischen Bolt und Kaiser. Petersburg, 18. Mai. Die heutige Sigung der Duma wurde um 3 Uhr nachmittags eröffnet. Es lagen a woei Anträge vor, Die Arbeiterschaft verlangt statt dessen eine gründliche wonach die Duma unverzüglich an den Kaiser die tele­um Erlaß einer Amnestie richten solle, Reform des Sajulwesens an Haupt und Gliedern im Sinne graphische Bitte der Einheitsschule. Sie weiß sich in dieser Forderung einig arbeit schreiten tönne. Für diese Antrage wurde die bor deren Gewährung die Duma nicht zur mit den Lebenszielen der hervorragendsten Pädagogen der Dringlichkeit beantragt. Vizepräsident Grebestul und ein Vergangenheit, mit Comenius , Pestalozzi und Diesterweg, anderer Rebner sprachen sich gegen die Dringlichkeit aus. ebenso mit anderen führenden Geistern der Vergangenheit wie Situation sei zugefpigt und könne einen Konflitt hervorrufen. Gi Fichte, Goethe und Karl Marx . Heyden mahnte, bei der Wahrung der eigenen Nechte auch di Brärogative anderer zu achten. Für die Dringlichkeit trat der Moskauer Arbeiterabgeordnete Saweljem ein, der einen blutigen Konflikt voraussah, der schon morgen beginnen könne. Die Duma ver­warf darauf die Dringlichkeit. Sodann wurde die gestern be­schlossene Wahl einer Kommission von 33 Mitgliedern zum Entwurf Die Duma nahm im weiteren Verlaufe ihrer Sigung einen Antrag der Konftitutionell- Demokraten an, die Adreßkommission zu beauftragen, den Entwurf der Adresse in der am 15. d. M. um 2 Uhr anzuberaumenden Sitzung vorzulegen, und die Arbeiten der Duma bis dahin zu vertagen. Ferner wurde ein von den Polen gestellter Antrag angenommen, der Adreßkommission die von ihnen verfaßte Denkschrift über die Lage im Königreich Polen vom nationalen Standpunkte zu unterbreiten. sammlungen; demonstriert für Eure Rechte, für das Wohl Universitätsprofeffor Stfcheptin, hielt in der heutigen Sigung Petersburg , 18. Mai. Duma. Der Abgeordnete bon Odessa, Eurer Kinder!

Wer aber bestimmt das Maß des Wissens für die Volks­ichule? In Preußen ist dafür das preußische Abgeordneten haus maßgebend. Das erbärmliche Dreitlassenwahlsystem ver­teilt aber den politischen Einfluß nach der Größe des Geld­sacks. Wer nichts hat, hat auch nichts zu sagen. Wer aber einen Millionenbesitz ererbt, erschlichen, ergaunert oder auf Die Arbeiterschaft verlangt zur Ermöglichung einer durch sonstige reelle oder unreelle Weise zusammengebracht hat, der greifenden Umgestaltung des preußischen Schulwesens im Sinne verfügt über einen großen politischen Einfluß bei der Wahl des pädagogischen Fortschritte die Einführung des allgemeinen, zum preußischen Landtag, mag er im übrigen strohdumm fein. gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts zum preußischen Nun haben nach der letzten Uebersicht der Ergebnisse der Landtage; ferner verlangt sie Einheitlichkeit der verworrenen einer Adresse auf die Thronrede vorgenommen. Veranlagung zur preußischen Einkommensteuer von den und ungleichen Schulgesetzgebung in Deutschland durch ein bom 36 269 439 Personen, deren Zahl sich bei der zum Zweck der Reichstage zu schaffendes Reichsschulgesetz. Steuerberanlagung stattgefundenen Personenstandsaufnahme Wir fordern deshalb alle klassenbewußten Arbeiter, alle in Preußen ergab, 20 474 257 Personen, das find 56,48 Proz. Freunde einer freien Schule auf zum wirksamen Protest gegen der Bevölkerung, ein Einkommen bis zu 900 m. jährlich. die in Preußen der Verwirklichung näherschreitende Schul­Ein Einkommen bis zu 3000 m. jährlich haben verpfaffung sowie zur Demonstration für die vorstehend ge­34 626 790 Personen, das find 95,47 Prozent. Ueber zeichneten freiheitlichen Schulforderungen.

3000 M. Einkommen haben also 4,53 Prozent Personen Arbeiter, erscheint massenhaft in den heutigen Ver­

in Preußen.

zusehen haben..

Die Revolution in Rußland . Dissonanzen in der Duma.

aus

und können nichts Verbrecherisches erbliden in

Diese noch nicht einmal 5 Proz. Preußen, die die Ver­eine Rede, in der er unter anderem folgendes fagte: Wir müssen treter des großen und sehr großen Stapital- und Grundbesikes ein vollständig flares Verhältnis zwischen uns und der höchsten Ge­einschließen, haben im preußischen Landtage faft uneingeschränkt walt herzustellen suchen. Wir verlangen die Amnestie nicht als das Heft in der Hand. Es sind ungefähr dieselben 5 Proz. einfache Begnadigung von Verbrechern, sondern Preußen, die ihre Kinder in die höheren Lehranstalten senden. Prinzip, weil wir die Gefangenen nicht mehr als Ber­Es ergibt sich sonach die empörende ungerechtig brecher betrachten können, nachdem das Regime, das sie Die Frage der Amnestie ließ bereits taktische nach der gegen sie erhobenen Anklage durch Empörung zu stürzen ber­teit, daß die 5 Proz. Personen in Preußen, deren Meinungsverschiedenheiten in der Duma auftauchen. Während fucht haben, nicht mehr besteht. Wir können nicht Verbrecher erblicken Kinder nicht die plebejische Volksschule zu die radikaleren Elemente erst dann mit der Arbeit zu be in den Männein, die Vorfämpfer waren im Kampfe gegen das besuchen brauchen, und die selbst von ber- ginnen vorschlugen, wenn die Regierung die allgemein ge jegt gestürzte Negime. Wie sollten wir nicht Amnestie verlangen einzelten Ausnahmen abgesehen- niemals eine Bolts forderte Amnestie bewilligt habe, trat die gemäßigtere für Männer, für deren Vorgehen wir mitverantwortlich schule besucht, nie eine von innen gesehen Mehrheit dafür ein, es cinstiveilen wegen der Amnestie nicht sind, da wir ja selbst an ihrem Kampfe teilnahmen. Nur einem haben, dennoch auf Grund eines ungerechten zum Konflikt mit der Regierung kommen zu lassen, sondern Bufall ist es zuzuschreiben, daß unsere Mittämpfer ins Gefängnis Bahlsystem 3 über die Volksschule zu bestimmen und damit zu versuchen, auf dem Wege der Petition die Regierung zum geworfen wurden, während wir heute in der Duma das Maß des Wissens für die übrigen 95 Proz. Preußen fest- Entgegenkommen zu veranlassen. Ob diese durch Beschluß ge- fizen. Wenn wir auch nicht das Programm der revolutionären billigte Taktik Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Ueber Parteien gutgeheißen haben, sondern unseren eigenen Weg ge So kommt es denn auch, daß nach den gesetzgeberischen die betreffenden Verhandlungen der Duma wird gemeldet: Leistungen des Dreiklassen- und Fünfprozentparlaments der Präsident den Antrag Robitschew zur Diskussion, eine Adresie ihren Ideen. Die Person des Monarchen ist für uns ohne Ber­Petersburg, 12. Mai. Gegen Schluß der Sigung stellte der gangen find, fühlen wir uns doch solidarisch mit ihnen preußische Staat verausgabt für zirka 19 000 Studenten an den Kaifer zu richten, als Antwort auf die Thronrebe. antwortung. Die Thronrebe ist gebedt durch die Verantwortlichkeit 12,68 Millionen, also für den Kopf 650-700 M.; außer Be- und behufs Redigierung der Adresse eine Somber Minister, die ihre Entlassung eingereicht haben würden, wenn tracht bleiben die Stiftungen und sonstigen Einkünfte der mission von 83 Mitgliedern zu ernennen. Die Adresse sie sich nicht in lebereinstimmung damit befunden hätten. Unsere Hochschulen. Für 170 000 Schüler höherer Lehr- foll die Erklärung enthalten, daß die Gewährung einer Antwort auf die Thronrede soll nicht ein persönlicher Appell an das anstalten zahlt der Staat 14,58 Millionen Mart, also für allgemeinen Amnestie absolut notwendig fei. Serz des Monarchen sein, sondern ein Programm auch für jeden den Kopf durchschnittlich 85-90 M.; für über 6 Millionen Die Duma beschloß Dringlichkeit für den Antrag Roditschew fünftigen Minister. Wir sind der elektrische Draht, der die Ver­Volksschüler zahlt der Staat 85 Millionen Mark, also und trat, nach Ablehnung eines Antrages auf Vertagung, sofort in bindung herstellt zwischen der höchsten Gewalt und dem Volke. für den Stopf etwa 14 M. So tommt es ferner, daß die die Beratung der Adresse ein. Nachdem Robitschen in zündender wäre die Duma ausschließlich aus Konservativen und Reaktionären Rede die Notwendigkeit einer fofortigen allgemeinen Amnestie zusammengefeßt, fie müßte genau so die Amnestie fordern, wie Steigerung der Ausgaben für die höheren Lehranstalten in bargelegt, ergriffen noch die ɓäuerlichen Abgeordneten wir es tun. dem Zeitraum von 1891-1901 betrug 115,43 Proz., während Anifin, Aladyn und andere das Wort und führten eine bei den Volksschulen die Steigerung in dem gleichen Zeitraum heftige Sprache. Anitin führte aus, die erste Pflicht der Dunia mir 46,85 Proz. betrug. fei es, für alle politischen Gefangenen die sofortige Amnestie Petersburg , 14. Mai. ( W. T. B.) Die Mitglieder des von der Regierung zu verlangen. Sollten diese Forderungen des Reichsrats hielten private Beratungen über die Adresse an Volkes unberücksichtigt bleiben, fo werde das Bolt die Geden Staiser ab. Ueber die Amnestie gehen die Meinungen fangenen selbst befreien und dann werde die auseinander. Graf Witte sprach für die Amnestie, evolution in ganz Rußland ausbrechen. Er hoffe, welche das einzige Mittel zur Beruhigung der Gemüter set. daß die Regierung es nicht darauf ankommen lassen, noch rechtzeitig Die Amnestie fönne nicht, wie manche befürchten, der Anlaß aur Bermmft kommen und die Forderungen der Boltsvertretung einer revolutionären Bewegung werden; es sei Zeit, die ab­von sich aus erfüllen werde. Darauf wurde beschlossen, die Antwort ministrative Willkür zu liquidieren. Wenn der Reichsrat um adresse einer Kommission von 33 Mitgliedern zu überweisen. Die Amnestie bitte, werde der Kaiser ihm nicht sein Gehör ver nächste Sigung findet morgen nachmittag 2 Uhr statt. In derfelben sagen. Schipow beantragte, um eine Revision der Grund­soll die Wahl der Kommissionsmitglieder stattfinden. gefehe nachzusuchen.

Wenn man noch den Umstand in Berücksichtigung zieht, daß in letzter Linie der ganze Reichtum der herrschenden Stlassen in Gold nur gemünzter Arbeiterschweiß ist, so stellt sich die Schulpolitik des kapitalistischen Klassenstaates burch folgende aufreizenden Tatsachen dar: Die herrschende Klasse hat sich aus den ihr von der Ar­beiterklasse erarbeiteten reichen Mitteln ein vielgestaltiges höheres Schulwesen in guten Schulräumen mit weitgesteckten Lehrzielen und leistungsfähigen Lehrmitteln geschaffen.

03

Der Reichsrat und die Amnestie.