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Dcutfcheo ReicJ-,. CT.onrrtfereS in Deutschland ? Die sozialdemokratische Fraltion hüt in ihrer gestrigen Hitzung folgenden Antrag zum Reichsetat Sfä Innern eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: Den Herrn Rc'ichSkmnfo zu ersuchen, durch das Reichs» bersicherungsamt festsiiellex zu lassen, ob in den UnfallverhllwngS- Vorschriften der KnafpfchastSberussgenossenschaft für die Gruben« betriebe. Feuerlöscheinrtchtungen und Rettungsapparate vorgeschrieben sind, durch die Katastrophen der Art. wie die in den Schächten von CourridreS verhütet werden. Sollte festgestellt werden, daß ausreichend? Sicherheit nicht ge- geben ist, dann möge das Reichsversicherungsamt die Knappschafts» berufsgenossenschaft im Aufsichtswege anhalten(§ 112 des Gewerbe- Unfallversicherungsgesetzeö) schleunigst die Unfallverhütungsvorschriften entsprechend zu ergänzen und ihre strengste Beachtung aus allen Gruben zu erzwingen._ Gerichtlichfestgestellte Tatsachen". Am Dienstag ist von der Strafkammer deS Landgerichts Magdeburg in dem Flugblatt-AufreizungSprozetz gegen die sieben Genossen Holzapfel, Bethge, Hanpt, Lackenmacher, Gorgas, Vater und König st«dt. indem vor acht Tagen die Hauptverhandlung stattfand, das Urteil gefällt worden. Die Richter haben die Genossen Holzapfel. Bethge und Haupt zu je sechs Wochen Gefängnis verurteilt, die Ge« Nossen Lackenmacher, Gorgas. Vater und König st edt aber freigesprochen, während der Staatsanwalt nur den letzteren freigesprochen, alle anderen aber auf sechs Wochen ins Gefängnis geschickt wisien wollte. Die Freispriiche erfolgten, weil daS Gericht die Möglichkeit annahm, daß die betreffenden Angeklagten den Inhalt des Flugblattes nicht gekannt hätten. Die Genossen Holzapfel und Bethge hatten als Redakteur und Drucker deS Flugblattes zugegeben, daß fie den Inhalt gekannt haben, beim Genossen Haupt hat das Gericht angenommen, daß er als Stadtverordneter und Führer der Partei Gelegenheit gehabt habe, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen, und daß er diese Gelegenheit auch benutzt habe. Der Prozeß unterscheidet sich von den übrigen Aufreizungs- Prozessen der letzten Zeit zu seinen Gunsten durch die erheblich ge« ringer« Ben, essung der ausgeworfenen Strafen. Das ist yber auch die einzige Unterscheidung. Sonst ist er genau derselbe unhaltbar« Tendenzprozeß, wie die Prozesse gegen Vreslauer«Volks« wacht", dieLeipziger Volkszeitung", die Erfurter Tribüne". Auch im Magdeburger Fall zeigt sich, daß der Kautschuk, Paragraph, der von der Aufreizung zu Gewalttätigkeiten handelt, Freispruch und Verurteilung völlig ins subjektiv« Ermessen der Richter stellt und daß die bürgerlichen Richter nicht im« stand« sind, bei der Urteilsstndung sich von ihren bürgerlichen Bor- urteilen gegen die Sozialdemokratie freizumachen. Auch das Magbe- burgcr Urteil ist ein Ausfluß der Klassenjustiz, nur dem Grade, nicht dem Wesen nach unterschieden von den Bluturteilen von Breslau , Leipzig und Erfurt . Das zeigt in nur zu deutlicher Welse die Begründung des Urteils. Darin heißt es: Da« Gericht habe nun di« Wort«zu Boden schlagen", brechen",stürzen" an und für sich bildlich genommen. ES sei deswegen objektiv«ine Ausreiznng in dem Flug- blatt nicht enthalten. Mit Rücksicht auf den Hinweis auf Rußland , auf die Empfehlung aller Mittel, auf die vom Gericht als notorisch festgestellt» Tatsache. baß in Dresden und Hamburg die unters Bevölkerungs« klaff« in der Wahlrechtsbewegung zu den Waffen gegriffen habe, mit Rücksicht weiter darauf, daß in der Ber» brcitungseinlodung von einem geharnischten Flugblatt ge- sprochen werde, se, aber anzunehmen, daß der Inhalt des Flug« vlattes den Eindruck auf die arbeitende Bevölkerung mache, daß sie mit allen Mitteln zur Durchsetzung ihres Willens vorzugehen habe. Das Flugblatt sei daher geeignet. Neigung zu gewalt- tätiger Stimmung hervorzurufen. Damit wäre eine Störung de» öffentlichen Lebens und ein Gefühl der öffentlichen RechtSunstcherheit verbunden. Es liege also unter diesen Um stände neige Au ff orderung vor. Ge- Walt anzuwenden. Die Anfforderung richte sich an die unter« Wählerklass« gegen die wahlrechllich besser Situierten. Es lägen also zwei abgeschlossen« Klassen vor. die gegen« einander zur Gewaltanwendung aufgereizt seien. Damit seien die Merkmal« des ß ISO des Strafgesetzbuches gegeben. Das Gericht erkennt also an. daß in dem Flugblatt an sich keine«nfteizung enthalten sei. Aber, so meint das Gericht weiter. bei den Lesern Hab« Neigung zu Gewalttätigleiten entstehen müssen, weil darauf hingewiesen worden sei, daß man in Rußland unter Anwendung aller Mittel Revolution gemacht habe und weil---- was das Gericht als notorisch festgestellt erklärt bei der Wahlrechtsbewegung in Hamburg und Dresden die untere Bevölkerungsklasse zu d«» Waffen ge« griffen hätte.",.. WaS die Richter alsnotorisch festgestellt" erachte», sind aber nichts weiter als durch die wahrheitswidrigen Darstellungen der bürgerlichen Presse und die bürgerliche» Vorurteile gegen die Arbeiterbewegung genährte Phantasten!'Weder in H a m b u r g noch in Dresden ist in der Wahlrechtsbewegungzu denWaffen gegriffen worden". In Dresden hat die Polizei mit Waffen- gewalt friedliche Demonstrationen zu verhindern gesucht, dort sind Leute, die zum Teil nicht einmal Wahldemonstranten waren und di« zum Teil in betrunkene», Zustande in der Erregung über da« rück» sichtslose Vorgehen der Polizei sich zu beleidigende» oder aufreizen» den Worten oder auch zum passiven Widerstände hinreißen ließen, zu unverhältnismäßig harten Strafen verurteilt worden. In Hamburg aber haben sich am Schopegstehl nicht die Wahldemonstranten betätigt, wie der Schopenstehlprozeß einwandefret festgestellt hat. Von einemErgreifen der Waffen" ist nirgends etwas zu bemerken gewesen. Aber für die Magdeburger Richter ist e» trotzdem gerichtsnotorisch I Die zweite Stütz« des Urteil« ist der Hinweis auf die russische Revolution. Er ist natürlich nicht als Empfehlung der Methoden der russischen Revolutionäre gedacht und aufgefaßt worden, die unter den außer- ordentlichen Verhältnissen Rußlands andere sein müssen als die einer Partei in einen, Verfassimgsstaato. sondern lediglich als Aufforde- rung, in Energie und Opferwilligteit den russischen Prole« iariem nachzueifern. Aber diese für den deutschen Sozial- demokraten selbstverständlich« Tatsache ist den bürgerlichen Richtern nicht faßbar. Immerhin hat sich da» Gericht größere Mühe gegeben, dem Urteil juristisch« Stützen zu geben. als der Staatsanwalt, der in seiner in der Verhandlung gehaltenen Rede lediglich mit der Tendenz der Sozialdemokratie operierte. ES hat ein würdige» Gegenstück zu dem Plaidoyer deS Erfurter Staatsanwalts im Erfurter AufteizungS- Prozeß geliefert. Man genieße folgend» Stellen: Man muß das vergehen der Lngellagten beurteilen nach den Sielen und Mitteln der Sozialdemokratie. Ihr »dziek ist der Sturz der gegenwärtigen Gesellschaftsordmmg und deren Ersetzung durch eine neue. Wie diese beschaffe» sein wird, da« ist noch nirgends und niemals gesagt worden. Auch darüber hat man nie etwas gehört, wie La» oerhältni« einer sozialisffschen Gesellschaft zum Ausland gedacht wird. So dunkel aber das Ziel der Sozialdemokratie ist, so klar sind ihre Mittel. Als erstes dient ihr die Erzeugung und Nährung des Klaffen- Hasses und als letztes angeblich der Generalstreik. Der Klassenhaß wird unausgesetzt genährt durch die Tagespresse der Sozial« demokratie. Dem Arbeiter gehört die Zukunft, heißt es da immerzu, während Adel und Bürgertum als im verfall geschildert werde». Nur der Arbeiter arbeitet; er allein ist ein sittlich ernster Mensch. Aber trotz seiner Arbeit müsse er körperlich und geistig darben, weil ihn, die besitzenden Klassen seinen rechtmäßigen Verdienst nehmen. Der Arbeiter lebt immerfort in Armut, während die Besitzenden sich in Schwelgereien ergehen. Die Gesetze lverden dargestellt, als seien sie nur zum Schutze der Ber « brechen der Besitzenden da; die Richter sind Streber, die das Gesetz beugen. Die Minister sind günstigenfalls Idioten. Alles, was die Regierung macht, ist schlecht und verfehlt und den Arbeitern feindlich. Es gibt gewiß auch Arbeiter von ruhiger Ueberlegung und ge« sundem Menschenverstand, die den Kopf schütteln über solche Hetzereien. Aber: steter Tropfen höhlt den Stein! Die Arveiter fangen schließlich an zu glauben, WaS ihnen tagein, tagaus erzählt wird. Der Haß und d,e Erbitterung sind nicht zu ermessen, die durch diese Hetzerei heraufbeschworen werden. Das ist nun der Boden, auf welchen die Saat des Flugblattes fällt! Ich meine, der Arbeiter hätte viel zu wenig germanisches Blut, wenn ex nun nicht geneigt sein würde, die vermeintlichen Sklavenletten zu sprengen. Wie soll er die einzelnen Sätze anders auffassen, wie als eine Aufforderung, bei nächster Gelegenheit zu Gewalttätig- ketten überzugehen? Nun versichert die sozialdemokratische Presse uns von Zeit zu eit, daß die Sozialdemokratie nicht an Gewalttätigkeiten denke. ber was soll man von einem Menschen, von dem man unaus» gesetzt beleidigt wird, halten, wenn er zwischendurch hin und wieder versichert, daß ihm jede Absicht der Beleidigung fernliegt! Man halte diese Rede, die einen Ehrenplatz in der Antisozial« demokratischen Korrespondenz des Herrn Lorenz verdient, mit den gerichtlich festgestellten Tatsachen" der Magdeburger Richter zu» sammen und man kann die Klassenjustiz mit Händen greifen. netterer Rückgang der Schweinepreise. Nach den» Bericht der Direktion des Berliner städtischen SchlachtviehmarkteS sind die Schweinepreise heute wiederum zurückgegangen. Es kosteten nämlich Schweine bester Qualität 60 M., Schweine zweiter Qualität bg bis (59 M., Schweine dritter Qualität 51(57 M. pro Doppelzentner Lebendgewicht mit 80 Proz. Tara. Der Unterschied zwischen den fetzigen Preisen und den Höchstpreisen während der Viehteuerung»- Periode beträgt demnach 1? Pf. per Pfund, trotzdem zögertoch immer ein Teil der Schlächter, die Detailpreise herunter» zusetzen.> Der polnische Abgeordnete Kerfaitty, gewählt im oberschlesi» schen ReichStags-Wahlkreise Kattowitz -Zabrze , scheint eigenartige Auffassungen von den Pflichten eines Volksvertreters zu haben. Obwohl er sich im Wahlkainpfe als Arbeiterfreund aufspielte, hat er die sämtlichen Plenarsitzungen des Reichstages, in denen über die neuen Steuergesetze Beschluß gefaßt worden ist, ge- schwänzt, ohne sich zu entschuldigen. Ebensowenig erscheint Herr Korfanty in den Sitzungen der Petitionskommission des Reichs» tags, deren Mitglied er ist. In der KomiiiissionSsitzung am Mittwoch sollte er als Referent über vier Petitionen Bericht er­statten. Diese Petittonen sind bereit« in einer Reihe von Kam« missionssitzungen von der Tagesordnung abgesetzt tvorden. weil der Referent, Herr Korfanty , unentschuldigt fehlte. Da er auch am Mittwoch wieder die Kommissionssitzung schwänzte, be« auftragte die Petitionstommisston ihren Vorsitzenden, sich mit dem Vorsitzenden der polnischen Fraktion des Reichstages in Per« bindung zu setzen und anzureßen. ob diese nicht für Herrn Korfanty ein anderes, weniger schwänzlustigcs Ritglied in Vorschlag bringen will. Zum Schulstrcit in Bremen . In der bremischen Tagespresse Wird die Anklageschrift gegen die vier Lehrer, gegen die ein Vis« ziplinarverfahren eingeleitet worden ist, im Wortlaut veröffent« licht. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dafür, daß der bremische Senat sich durch sein tolpatschiges Vorgehen selbst die ärgste moralische Ohrfeige versetzt, so wird dieser Beweis durch die Anklageschrift erbracht. Das Aktenstück strotzt von Unverständnis für de,, heiligen Schuleisex, der dt« bremischen Volksschnllehrer beseelt; es ist eine in den dürren Sätzen des Kanzleideutsch ge« halten« dürftige Zusammenstoppelung von Scheingründen, um den LehrernAufreizung und Aufforderung zahlreicher Beamter zum Widerstände gegen die vorgesetzte Behörde" vorwerfen zu können. Die Angeklagte» werde» es leicht haben, diese wackelige Anklage über den Haufen zu stoßen. Um so leichter wird ihnen diese Aufgabe werde», als sie sich mit Fug und Recht auf die bremisch« Bürgerschaft das bremische Landosparlament berufen können, die durch mehrere unzweideutige Handlungen ihre unver« kennvare Sympathie mit dem Borgehen der Lehrer belundet. also auchzahlreiche Beamte zum Widerstand gegen die vorgesetzte Be« Hörde" aufgefordert hat. Es ist nickt ausgeschlossen, daß die Bürgerschaft schon am nächsten Mittwoch zur neuesten EntWickelung der Dinge Stellung nimmt.- Die zur Ablösung der Sozialdemokratie am Niederrhein be- gründet«Westdeutsche Aboudpost". Organ der HIrsch-Dunckerschen Gewerkveretno tu Rheiuland-Westfalen, ist an chronischen, Abonnenten- smwnnd derart erlrankt, daß sie von, t. Juni ab nur noch einmal wöchentlich erscheint. Wie lange noch? Bald wird sie zum ewigen Schlummer eingehen? Im Kampf zwischen und Kapital und Arbeit ist kein Zivstterding mehr möglich. Da heißt es Farbe bekennen. Es giht für Arbeiter nur eine die sozialdemokratische Presse. Wir." Dem Abgeordnetenhause ist von einerach Nordamerika gereiste,« Kommission ein Bericht über die dortigen Zustände zugegangen, der nach der Behauptung konservativer Blätter einsehr reiches und zum Teil recht wertvolles Material" enthält.Wertvoll" in gewissen, Sinne scheint da« Material allerdings auch für die deutschen Arbeiter zu sein. Ans dem Teil des Berichte«, den der Regierungs- und Gewerberat Oppexmqnn in Arnsberg erstattet hat, gibt dieDeutsche TageSztg." einig« Stellen wieder.. Herrn Oppcrmaun hat es in Amerika nicht gefallen. Und um zu zeigen, wieviel besser wir es doch in Deutschland haben, schreibt er: So spielt denn, umur das Augenfälligste zu berühren, der Policemaiin eine erheblich gröbere.Rolle als bei us, und sein an Selbstherrlichkeit grenzende» Regiment wird sich wahr- scheinlich öfter nach der metallischen Beeinflussung richten, die in ber Union eine große Rolle spielt. Mit über- zeiiguugSenister Miene sagt« mir ei» angesehener Aincrilauer, es wird bei Jhuen zu Lande gewiß doch so sei», wie bei uns, daß die Gesetze nur auf dt« Besitzlosen angewendet werden." Die Wählbarkeit der Beamten und die vierjährige Wahlperiode haben Zustände geschaffen, die dein amerikanischen VerwaltungSshstem einen recht bedenklichen Anstrich geben. Kor- ruptton in Gesetzgebung und Verwaltung stirv in den Ber - einigten Staaten üble Krebsschäden des öffentlichen Leben». Be- sonders häufig und groß ist die Korruption in den Stadt- Verwaltungen. Biel « Stadtväter verkaufen ihren Einfluß und ihre Stimmen, wo sich dazu Gelegenheit bietet. Am meisten Geld wird verdient, wenn groß« Kontrakt«. Rechte und Privilegien der Stadtgemetnde an Privatgesellschaften zu verschachern gibt..>" Ist es nicht merkwürdig, wie scharf»nanche Leute sehen, wem, die Brille des Vorurteils ein wenig mithilft? Anderwärts, Ivo die Beamten nicht gewählt, sondern ernannt werden, kommt solche Korruptton selbstverständlich.nicht vor. Auch in dm Stadt- Verwaltungen nicht. Weiter weiß der Herr Gewerberat am deutschen Vaterlande zu rühmen: Wo haben sie(die Amerikaner) drüben die alten Heil» q u e I l e n. in denen sie, wie wir S t ä r k u n g suchen können? Wo haben sie wohl drüben so leicht zugängliche und zahlreiche Gründe zumFagen und Fischen wie hier? Wo ist es ihnen drüben möglich, wie bei uns, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land mit einem Automobil über feste, gut unterhaltene und jahrhundertalte Straßen zu jagen? Das alles haben wir voraus." Es wird die deutschen Arbeiter gewiß sehr interessieren, daß wir" in alten Heilquellen Stärkung suchen können, daßwir" Gründe zum Jagen und Fischen haben, daßwir" bequem per Autoniobil von Stadt zu Stadt jagen können, vorausgefetzt natürlich, baßwir" das nötige Geld dazu haben. Die Abfassung dieses Berichts zeigt wieder einmal, daß für ge- wiffe Schichten derGesellschaft" nur die oberen Zehntausend zählen. Das arbeitende Volk rechnet ni ft mit, das gehört nicht zu uns". Und der Mann ist G e w e r b e r a t I Der Entwurf eines WanderarieitsstättengesetzeS ist dem Abgeord- netenhaufe-»'gegangen. Die Vorlage lehnt sich an die im Jahre 1904 vom Hause angenommene Resolution an, worin die Regierung ersucht wird, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Fürsorge für mittellose arbeitswillige Wanderer einzubringen. ES handelt sich im wesentlichen um die bekannten Pläne deS Pastors v. Bodelschwingh, die nun mit Hülfe deS Staates in die Praxis umgesetzt werden sollen. An einigen größeren Orten eines Bezirks werden Wander­stätte» errichtet, die mit Arbeitsnachweisen verbunden werden, und diese Nachweise stehen wieder unter sich in Verbindung. Alle mittel- losen arbeitsuchenden Wanderer, die sich als solche bei einer Ge- meindebchörde ausweisen, sollen der nächsten Arbeitsstätte zugeführt werden. Hier erhalten sie gegen Arbeitsleistung vorübergehend Ver- pflegung und Obdach, oder aber st« werden einer Arbeitskolome zu- geführt. Daß der Landtag ein so reaktionäres, gegen die Aermsten der Armen gerichtetes Gesetz annehmen wird, steht leider außer Zweifel. -__ Gott wie geistreich! Selvst dasBerliner Tageblatt" kann den imponierenden Eindruck unserer 43 Protest-Versammlungen gegen die preußische Schulvorlage nicht aus der Welt lügen. Um aber seinen Be- fähigungsnachwets als Nörgelfritze von neuem zu erbringen, kräkelt es wenigstens an der in den Versammlungen angenommenen Rc- solution herum, indem es schreibt: Weniger sozialdemokratische Phrasen hätten mehr Wirkung getan. Soweit die Resolution gegen die angeblicheKlassen- Herrschaft der Besitzenden" zu Felde zieht und daraus alberne Folgerungen zieht, ist sie närrisch. Und närrische Resolutionen können der Sacheur schaden, der ste dienen sollen, selbst wenn diese Dache gut ist," Merkwürdig, daß die Mosse-Männlein nur den letzten Absatz der Resolution einerKritik" würdigen, sich aber um die ersten drei Absätz« gar nicht kümmern. Diese ersten drei Absätze ent« halten aber auch gar zu unfreisinnige Dinge, so z. B.: einen Tadel gegen den geplanten..Angriff aus die Selbstverwaltung der Ge- mejnden", eine Koustatterung der Tatsache, daß die preußische Volksschule den Pfaffen und der Bureaukratte»och erbarmuugs- loser als bisher ausgeliefert werden soll usw. Man darf begierig sein, wann dasfreisinnige"Tageblatt" sich eine phrasenlose Resolution, frei von jeder Albernheit und Narretei, abringen wird. Vielleicht an Artur Levysohns 100. Ge- burtstag?-»_ Um einen Arbeitswillige«. Vor der Strafkammer zu Offen« dach wurde am Montag der Schuhmacher D o b r i n s k y wegen Mßhandlung eines Arbeitswilligen anläßlich eines Schuhmacher- streiks zu einem Jahre Geföugniö verurteilt. Der Mißhandelte hat keinen dauernden Schaden erlitten, sondern konnte»lach kurzem seine Arbeit wieder aufnehmen. Er wurde selbst vom Staatsanivalt als «in charakterloses Subjekt, der wegen Betruges verfolgt wird, hin- gestellt. Die Täterschaft DobrinSkys, der noch nicht vorbestraft war. ist zudem sehr zweifelhaft. Trotzdem di« harte Strafe! Dennes handelt sich um einen AcVeltSwtlligen l" So wurde die hohe Strafe nämlich begründet l__ Morenga gefangen? Nach einer Meldung aus Kapstadt soll es der Kappolizei ge« luuaei, sein, Morenga mit sieben seiner Leute gefangen zu nehme». Er soll nach Uppin gton gebracht worden sein. So erfreulich es im Interesse der Steuerzahler wäre, wenn die Meldung sich bestätigte unseren Kolouialfexen und Hurrapatrioten müßt« eigentlich diese Art der Unschädlichmachung des gefährlichsten Gegners unserer Siidwestafrika-Truppen peinlich sein. Ist es doch nur mit englischer Hüls » gelunaen, den bisher Unüberwindlichen kaltzustellen. Klug« Leute haben freilich bereit« entdeckt, daß auch der Kappolizei dieser Coup nicht geglückt wäre, wenn nicht Morenga vorher von der Abteilung Bech geschlagen und selbst verwundet worden wäre. Das mag sein, aber wahrscheinlich wäre der Abteilung Bech ihrerseits dies« erfolgreiche Ueberrumpelung nicht geglückt, wenn sich Morenga nicht auf englischein Gebiete vor der deutschen Verfolgung völlig sicher gewähnt hätte I Hoffentlich erstebt nun nicht aus den Unterführern des Ge, fangeneu ein neuer Morenga, bamii das uferlos« NricgSaben teuer sich nun endlich seinem Ausgange zuneigt. 400 Millionen hat«S uns ohnehin gekostet!-» Huetand* Schweiz . Volksabstimmungen und Wahlen. I» der Stadt Zürich ist in der sonntägigen Volksabstimmung mit 0501 gegen 4607 Stimmen da» Zwetklassensystein verworfen worden, Unsere Partei hatte die Stimmberechtigten zur Ber« werfung aufgefordert. Im A u h e r s i h l« Z ü r i ch ist bei einer Ersatzwahl in den Großen Stadtrat ein grober Disziplinbruch vorgekommen. Die Bürgerlichen hatten gar keinen Gegenkandi. baten aufgestellt, weil in diesem Kreis« unsere Partei die sichere Mehrheit hat. Dagegen wurde von den der Arbeiterunion ange- hörigen Eisenbahnern in letzter Stund « eine Sonderkandidatur aufgestellt, auf die 1449 Stimmen fielen gegen 1597 Stimmen de» offiziellen Parteikandidaten. S» muß nun ein zweiter Wahlaang stattfinden, Bei den Stadtratswahkcn in Genf verloren unsere Genossen ihre bisherigen 5 Sitze, die Radikalen 4, den Gewinn machten die Konservativen, die sich demagogischerweiseDemokraten " nennen. In Chaux-de-fonds behielten die Sozialdemokraten bei den Neuwahlen ihr« bisherigen 10 Sitze, die ihnen die Bürger« lichen fxeiwillig-proportional überließen. Die AntimilitartsteN Raine und Graber unterlagen. In B a s« l wurde in der Volks­abstimmung dt« Vorlag« betreffend die Subventionterung. des neu« zucrbauenden Theaters mit 3861 gegen 2735 Stimmen ange« nomnien, im Großen Rat des Kantons Waadt mit 136 gegen 40 Stimmen das Verbot des Absinths beschlossen. Italic«. Wahrscheinlich"? Rom , 15. Mas.(V. HO In hiesigen politischen Kreisen gilt infolge der Demission der sozialistischen Abgeordneten ein« Minister- krise als wahrscheinlich. Schwede». Kritische Situation. Stockholm , 15. Mai. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat heut« abend mit 194 gegen 94 Stimmen den Regierungsentwurf" einer Wahlrechtsreform angenommen. Trotzdem ist diese Lorlage