clttcn Vorsprung bor den Sozialisten: 10. Arrondissement 2. Wahlbezirk. 11. Arrondissement 3. Bezirk. 13. Air. 2. Bez. 14. Arr. 1. Bez. 15. Ari. 1. Bez. 17. Arr. 2. Bez. 10. Arr. 1. Bez. Die sozialistischen Kandidaten sind nun überall zurückgetreten, mit Ausnahme vom 13. und 15. Arrondissement. Im 13. hat der Radikalsozialist B u i s s o n, einer der tüchtigsten Männer seiner Partei, 3002, der Nationalist 7551, ein zweideutiger unabhängiger Kandidat 1188. der Kandidat der geeinigten Sozialisten, Coutures, 2737 Stimmen erhalten. Es ist also wahrscheinlich, das; Buisson durchfüllt und der Reaktionär geivählt wird, wenn die sozialistischen Stimmen dem radikalen Kandidaten nicht zu Hülfe kommen. Anders ist die Situation im 15. Arrondissement. Dort hat der Parteikandibat, der bisherige Abgeordnete A u b r i o t, 6207, der Radikalsozialist Chautard 8401, ein Nationalist 3057, ein Konservativer 843 Stimmen erhalten. Die Wahl des Reaklionärs ist also ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit aber, daß Aubriot von soviel.klerikale» und zäsaristischen Stimmen profitiert', daß er wiedergewählt wird ist gering. Der Rücktritt des Sozialisten ist also mehr eine Sache de» Prinzips, eine„Pflicht der republikanische» Solidarität", In einer ähnlichen Situation ist im 3. Bezirk des 11. Arron- dissements Genosse Lauche zugunsten deS Radikalen zurückgetreten, trotzdem der reaktionäre Kandidat, der geckenhafte Schriftsteller Paul Adam , verzichtet hat. Die„parlamentarischen Sozialisten" kamen in drei Bezirken als begünstigte republikanische Kandidaten in Betracht. Doch hat sich Gabriel Deville im 4. Arrondissement zurückgezogen, da er bei der Mißstimmung, die er durch seine Haltung im Parlament bei den organisierten Genossen hervorgerufen hat, wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Der„gute Richter" M a g n a u d, der unverzüglich als Kan- didat aller Republikaner aufgestellt worden ist, wird wahrscheinlich gewählt werden. Jni 5. Arrondissement hat der unabhängige Sozialist Vi Viani 5213, der frühere nationalistische Deputierte A u f f r a y 5010, der Kandidat der sozialistischen Partei C o l l i g n o n 503 Stimmen erhalten. Die sozialistischen Stimmen werden wohl alle Viviani zufallen. Gegen die Weigerung der Genossen Aubriot und Coutures, ihre Kandidatur zurückzuziehen, hat nun gestern die Exekutiv- kom Mission der Gesamtpartei Stellung genommen. In einer Resolution, die mit allen gegen eine Stimme angenommen wurden, bezeichnete sie das Vorgehen der Genossen als einen Akt der Disziplinlosigkeit und erklärte, daß die einzigen Kandidaten der Otepublilaner und Sozialisten in den zwei in Frage kommenden Be- zirken die Biirgerlich-Radikalen Chautard und Buisson sind. Es ist sicher keine gewöhnliche Erscheinung, daß eine Partei ein Mandat, das sie selbst besessen hat, selbst aufgibt und die Preisgabe oben- drein als eine Parteipflicht hinstellt.— In bezug auf die sozia- listischen Dissidenten beschloß die Exekutivkommission, daß die Genossen und die Abgeordneten der Partei für diejenigen, die die Partei verlassen haben, weder sprechen noch Plakate anschlagen dürfen. Die radikale und radikalsozialistische Partei ist mit dem Vor- gehe» der Exekutivkomnlission gegen die zwei opponierenden Wahl- kreise natürlich höchlichst einverstanden, obwohl sie in anderen Fällen die sozialistische Parteidisziplrn als„Tyrannei" hinstellt. Im übrigen muß anerkannt werden, daß die radikalen Kandidaten die Parole, den begünstigten Sozialisten Platz zu inachen, fast überall befolgen. So ist denn in Paris die Wahl der Genossen Grou ssier, Allemane und C a r d e t. in St. Denis die von Weber und W i l l m zienilich gesichert. In der Provinz aller- Vings leisten einzelne Oiadikale Widerstand gegen das Gebot der „republikanischen Solidarität", Im Departenient Hautes Pyränües ist ein Radikalsozialist sogar zugunsten des radikalen Dissidenten Henri Wäret, eines begabren, aber aus der Panama -Zeit her be-° rüchtiaten Schriftstellers, zurückgetreten, der gegen den regierungS- freunolichen Oiepublikaner R e i n a ch, den alten Freund Gambettas, kandidiert. Auch gegen die Sozialisten richtet sich in vereinzelten Fällen die Siichwahltaktik der radikalen Kandidaten. Andererseits haben auch die Sozialisten in inehreren Provinzwahlkreisen die Unterstützung der regierungsfreundlichen Kandidaten abgelehnt. Im zweiten Wahlkreise von G r e n o b l e z. B. bekam der P r o a r e s s i st Pichet 7215, der Radikale 4033, der unabhängige Sozialist Cor- n a u d 0332 und der unifizierte Sozialist B r i z o n 8006 Stimmen. Die Genossen beschlossen, die Kandidatur Brizons nicht zurückzu- ziehe» I Man sieht, ganz ohne Reibungen vollzieht sich diese erste Wahl- aktion der geeinigten Partei nicht, aber die vereinzelten Differenzen können den imponierenden Eindruck, den der Aufmarsch des sozia- listischen Proletariats auf alle ernsten Beurteiler der französischen Politik gemacht hat, nicht beeinträchtigen. Daß die besprochenen Er- scheinungcn eine Diskussion darüber anregen werden, inwiefern für eine sozialistische Klassenpartci der Gesichtspunkt des gemeinsamen demokratischen Jntcrefses auch dort bestehen bleiben kann, wo die Gefahr eines reaktionären Sieges gar nicht vorliegt, ist wahr- scheinlich und auch wünschenswert. Das Vorgehen der jetzigen bürgerlich-raditalen Regierung gegen die gewerkschaftliche Bewegung dürfte die Vertreter der über den Notsall hinausgehenden republika- Nische» Solidarität um kein Argument bereichern. Deutftftes Reich. Hehlerdienste. Die reaktionäre Presse bringt eS fertig, den jämmerlichen offiziösen Rechtfertigungsversuch, durch den die„Nordd. Allg. Ztg." den preußischen Polizeiminister in der Affäre Schöne-Brockhusen in die Tinte hineingeritten hat, entweder ohne jeden Kvmmentar ab- zudrücken oder gar als gelungene Abwehr zu bezeichnen. Diese schamlosen Hehlerdienfte werden freilich nichts nützen I Die freisinnige Presse ist sich, wie es sa auch gar nicht anders möglich war. einig darüber, daß die Entgegnung des offiziösen Blattes nichts war als eine über Erwarten lendenlahme und un- geschickte Ausrede. So erklärt die„Boss. Ztg.": „Das ist nichts als S i l b e n st e ch e r e i. Ob der Satz aus der Rede des Ministers sortgelassen war oder nicht, ist gleich- gültig, da sich die Ausführungen des Rechtsanwalts und seine Schlußfolgerungen hauptsächlich gerade gegen diesen Satz richte». Es ist sehr bedauerlich, daß sich„nicht zuverlässig" hat fest- stellen lassen, wie die Spionagesache in die Ausweisungssache hineingetragen wurde und wie sie sich abspielte. Aber weil das dem Minister und seinen Beamten mcht gelungen ist, sollte es selbstverständlich erscheinen, daß dies« Feststellung im Wege de« gerichtlichen Berfahrens, insbesondere durch eidliche Vernehmung der Zeuge», erfolgt. Insbesondere sind die gericht- lichen Ermittelungen über den falschen Paß und das falsche RcligiinSzeugnis, über die sich der Minister auSgeschwiegen hat und auch die„Rordd. Allg. Ztg." schweigt, unerläßlich. Die ganze Auslassung des Blattes ist so lahm, daß, wenn die Regierung nichts Besseres sage» kann, als waS in der„Nordd. Allg. Ztg." steht, es weife gewesen wäre. aarnichtS zu lagen, woraus freilich ebenfalls Schlüsse gezogen werden müßten, die dem Minister nicht wünschenswert erscheinen würden." Das„Berk. T a g e b l." urteilt: „Uns will scheinen, als sei diese Verwahrung nichts als eine Bestätigung her vom«iechtsanwalt Liebknecht gemachten Angaben. Jedenfalls wird die Regierung nicht umhinkönnen, anders als in d'eser gewundenen Form zu den Anklagen des Herrn Lrebknecht Stellung zu nehmen. Weshalb vernimmt man die Herren Schone und Brockhusen nicht zu Protokoll und teilt mih was sie zu sagen haben? Dann ließe sich weiter- Die„Freie Deutsche Presse" sagt: „Die H a u p t s a ch e ,st. daß die P o l i z e i nunmehr gegen- über den bestimmten Versicherungen des Rechtsbeistandes des russischen Kaufmanns einen jämmerlichen Rückzug antreten muß der nur höchst dürftig durch Redewendungen uiaÄiert wird, wie: „es habe nicht zuverlässig festgestellt werden können, wie die Spionageaffäre m die Ausweisungssache hineingetragen worden ist und wie sie sich im einzelnen abgespielt habe." Außerdem fehlt aber— und das ist außerordentlich wichtig � jede Bemerkung des offiziösen Blattes darüber, wie es denn eigentlich mit dem falschen Passe steht, der dem russischen Kaufmann von dem Kriminalkonmnssar Schöne ausgehändigt loorden ist. und in dem der Russe, der jüdischer Konfesston ist, als Angehöriger der deutsche» Nation, als ein gewisser Ernst Fiedler und als Christ charakterisiert wird. Wie kam die Polizei dazu, dem russischen Kaufmann ein gefälschtes Dolunient zu übergeben? Hierüber wird die zuständige Behörde wohl oder übel deutlich Rede und A n t>v o r t st e h e n müssen. Weit entfernt also, daß durch die Erklärung der„Nordd. Allg. Ztg." die Sache aus der Welt geschafft worden wäre, fängt sie jetzt erst recht an, das öffentliche Interesse zu erregen." Geradezu erbärmlich benimmt sich wiederum das führende Z entrums organ, die„Germania ". Zu ihrem Schmerze kann sie nach der Entgegnung der„Nordd. Allg. Ztg." die ganze Auseinandersetzung nun nicht mehr totschweigen. Trotzdem teilt sie von dem Inhalt der Liebknechtschen Erklärung nicht einmal so viel mit, wie selbst die„ P o st" noch vor der Entgegnung des offiziösen Blattes mitzuteilen für nötig hielt. In einer Notiz von ganzen 22 Zeilen quirlt sie die Auslassungen Liebknechts und des Offiziosus der„Nordd. Allg. Ztg." derartig durcheinander, daß kein Leser eine Ahnung bekommt, um WaS es sich eigentlich handelt. Und ihre Stellungnahme zu der skandalösen Affäre besteht dann in der scharf- sinnigen Bemerkung:„Die Sache ist, wie sich ans den vorsichtigen Bemerkungen der„Nordd. Allg. Ztg." ergibt, offenbar nicht recht in der Ordnung." Das ultramontane Hauptorgan gesellt sich also auch hier wieder zu dem reaktionären Hehlergesindel I— Das Schnlkompromiß gesichert. Eine Zeitungskorrespondenz meldet, daß nunmehr ein neues Kompromiß zwischen den Konservativen und dem Zentrum einerseits und den Nationalliberalen andererseits zustande gekommen sei. Dies sei dadurch geschehen, daß man den National- liberalen das Zugeständnis gemacht habe, den§ 40 der Schul- Vorlage, der die A n st e l l u n g der Rektoren in den Ge- meinden völlig in die Machtvollkommenheit der Regierung stellte, aus der Borlage auszuschalten. Bekanntlich sträubten sich die Nationalliberalen gerade gegen diesen Paragraphen, der einen Eingriff in die kommunale Herrschast des Liberalismus bedeutete. Doch wurde bereits seit einiger Zeit gemunkelt, daß erneute Kompromißverhandlungen mit den Nationalliberalen im Gange seien, da von steikonservativer Seite der Vorschlag ge- macht worden sei, die Zustimmung der Nationalliberalen zur Schul- verpfaffungsvorlage dadurch zu erlangen, daß der Stein des Anstoßes, eben der§ 40, einstweilen hinweggeräumt werde. Diese Gerüchte werden jetzt durch die erwähnte Korrespondenz dahin be- stätigt und ergänzt, daß das neue Kompromiß nunmehr tatsächlich zustande gekommen sei. Das„Reich" bestreitet zwar, daß die Kompromißvcrhandlungen bereits soweit gediehen seien, doch ver- sichert auch es, daß alle Aussicht vorhanden sei, daß in aller Bälde die Unterhandlungen zu einem„günstigen Abschluß" ge- diehen sein würden. Es unterliegt also kaum noch einem Zweifel, daß die nationalliberale Landtagsfraktion trotz der Oppo- sition der nationalliberalen Jugend und trotz der Professorenproteste dem schmählichen Werke der Schulder- pfaffung und Gemeindeentrechtung ihre parlamentarische Unterstützung zuteil werden lasten wird! Wir haben von den Nationalliheralen von allem Anfang an nichts anderes erwartet. Den Unternehmerintereffen gegenüber schweigen alle ideologischen„liberalen" Gewissensskrupel. Dem Gruben- und Hüttenkapital gelten ebenso wie den oft- elbischen Junkern die d ü m m st e n Arbeiter als die b e st e n Arbeiter. Und das Gruben- und Hüttenkapital dominiert in der nationalliberalen Partei. Daher die Zustimmung der National- liberalen zu der Schulvorlage, die die Volksschule vollends der Pfaffheit und den staatlichen Aufsichtsbehörden � den Handlangern der Kraut- und Schlotjunker ausliefert und der systematischen Verblödung der arbeitenden Klassen den erdenklichsten Borschub leistet!__ „Ehrtpliche" Verleumdung. Durch die„christlich-national-gesinnte" Presse macht wieder die Geschichte der angeblich nach Rußland geschickten„20 000 M. Bergarbeitergeld" die Runde. Aus der Tatsache, daß Genosse Sachse, Vorsitzender des Bergarbeiterverbandcs, auf eine berufsinstanzliche Verhandlung der 20 000 M.-Geschichte vor der Essener Strafkammer verzichtete, folgert wider besseres Wissen die Verleumdersippe, es sei „doch etwas nicht in Ordnung". Bekanntlich griff bei der Essener Stichwahl das Zentrum am Tage vor der Entscheidung zu dem schoflen Mittel, der Sozialdemokratie„Raub an Vergarbeitergeldern" vorzuwerfen. Der Redakteur Hau kam er von der„Essener Volkszeitung" sagte in einer Wählerversammlung nach Mitteilung von Berg- arbeiterbündlern, der Bergarbeiterverbandsvorstand habe 20 000 M. für die russischen Revolutionäre verwendet. Darauf- hin strengte der Verbandsvorstand gegen Hankamer die Klage an. Der Schöffengerichtstermin fand am 19. Dezember v. I. statt. Hankamer versicherte hoch und heilig, er habe den Berbandsvorstand gar nicht gemeint, nur den sozialdemokratischen Parteivor stand! Dieser habe im Jenaer Purteitagsbericht zugestanden, 20000 M. von für die streikenden Bergarbeiter gesammeltem Gelde nach Rußland für die Revolutionäre geschickt zu haben. R.-A. Dr. Niemeyer, der Vertreter des BergarbeitervorstandeS. hielt dem Zentrumsmann vor, es sei auch nicht wahr, daß„20000 M. Bergarbeitergeld vom Parteivorstand an die russischen Revolutionäre geschickt" sei. Vielmehr berichte der Parteivorstand auf Seite 41 des Parteitagsprotokolls nur. daß zur Linderung des Elendes der durch den Befreiungskampf „in Not geratenen Arbeiterfamilien"„wieberholt" Geldbeträge aus der Parteikaffe nach Rußland geschickt worden seien. Gegen eine solche HülsSaktion sei aber gerade von der Zentrunispartei um so weniger etwas einzuwenden, als der Erzbischof Fischer von Köln ebenfalls zu einer Sammlung für die Opfer der russischen Revolution beigesteuert habe l Da Hankamer dabei blieb, nur den Parteivorstand gemeint zu haben sder Bergarbeiter- vorstand sei gar nicht beschuldigt), so beantragten Genoffe Sachse und R.-A. N i e m e y e r. den Parteikassterer G e r i s ch- Berlin zu vernehmen. Dieser würde nachweisen, daß er. nachdem von der Streikleitung offiziell die Streikgeldersammlung geschloffen, dies am 8. März 1005 im„Vorwärts" bekannt gegeben habe. Das bis dahin bei der Parteikasie eingegangene StreikuuterstützungSgeld habe Gerisch laut Quittungen ohne Abzug an die Kasse der streikenden Bergleute abgeliefert I AlS nach dem offiziellen Sammelschluß dann noch Gelder bei Gerisch einliefen, habe er jedem Einsender oder Ueberbringer schriftlich oder mündlich die Sachlage klargelegt und die Geber ersucht, zu bestimmen, wohin da« Geld fließen solle, ob in die Parteikaffe zur Verfügung der Partei, oder in die Kasse der Bergarbeiter. Je nachdem die Geber bestimmten, habe darauf Gerisch über daS Geld verfügt. Auch das nach dem osftziellm Schluß der Savunluvg eiulaufeude Geld sei der Bergarbeiterkasse zugeführt worden, sofern die Geber es be- stimmten l Der Rechtsanwalt Bell sEsscner Zentrumsführer) und der beklagte Zentrumsredakteur Hankamer proiestierten gegen die Ver- nehmnng von Gerisch. Sachse wies darauf hin, daß die Gegner syske- matisch mit der 20 000-Markgeschichte Hansieren gingen, in versteckter Weise würde doch der Verbandsvorstand beschuldigt. Hankamer blieb dabei, den Verbandsvorstand nicht beschuldigt zu haben. Das Gericht entschied, durch die widersprechendenjZeugenauSsagen sei die Acußerung Hankamers nicht festgestellt worden. Wenn er sie doch getan hätte, so sei daS während der Wahlagitation geschehen, deswegen stünde ihm der Schutz des§ 103. zur Seite I Auf Grund dieses Paragraphen müsse Freisprechung erfolgen. Bei der Urteilsbegründung sagte der Gerichtsvorsitzcnde wörtlich: „Die Vorstandsmitglieder des Bergarbeiterverdaiides sind Ehrenmänner, denen man nicht nachsagen darf, sie hätten Berg- arbeitcrgelder widerrechtlich verwendet!" Eine unzweideutigere Ehrenerklärung konnten die Bergarbeiter- Vorstandsmitglieder nicht verlangen. Damit auch eine höhere Instanz feststelle, ob der§ 103 einen ultramontanen Wahlagitator schützt, wenn er ehrliche Leute ver- dächtigt, legte der Verbandsvorstand sofort Berufung ein. Bevor es aber zu der zweitinstanzlichen Verhandlung kam, teilte Herr Rechts- anwalt Dr. N i e m e y e r dem Genoffen Sachse mit, eS sei keine Aussicht vorhanden, daß das Berufungsgericht zu einem anderen Entscheid kommen würde. Hankamer bliebe dabei, den Verbands- vorstand nicht beschuldigt zu haben. Deshalb gebe er(R.-A. Niemeyer) den Rat, den Berufungstermin nicht durchzuführen. Die von dem Schöffengericht abgegebene Ehrenerklärung spreche ja den Verbands- vorstand von jeder Rechtswidrigkeit frei. Auf den Rat seines Rechtsanwalts verzichtete der Verbands- vorstand auf die Berusungsverhandlung und erschien nicht zum Ternnne. Das alles weiß die„christliche" Presse, sie weiß auch, daß Bell und Hankamer durch ihren Protest die vollkommene Entlarvung des ultramontanen Wahlschtvindels verhinderten. Trotzdem bringt sie jetzt wieder verdächtigende Artikel. Verlogenheit und Heuchelei sind ihr Lebenselement._ Ein neuer Schlag gegen die Bergarbeiter. Am Mittwoch hat das Abgeordnetenhaus die Bergarbeiter er- neut mit Skorpionen gezüchtigt. Der Trutznovelle, die der große Streik geboren hat, folgt die Verschlechterung des KnappschaftLkassen- gesetzeS. Anstatt einer Erweiterung der Arbeiterrechte wird die Ab- änderung des Titel 7 deS Allgemeinen Berggesetzes neben kleinen Verbesserungen auch eine erhebliche Verschlechterung bringen. Den Invaliden soll das passive Wahlrecht für die Vertreterwahl genommen werden. Das bedeutet, den Unternehmern das Mittel in die Hand geben, unbequeme Aelteste hinauszubugsieren. Invaliden können nicht gemaßregelt werden, darum sollen sie hinaus t Aber damit ist der Haß der Reaktion gegen die Bergsklaven noch nicht gestillt. Die Bestimmung in dem Entwurf, welche daS geheime Wahlrecht für alle Knappschaftskasien verlangt, hat man gestrichen. Und den Polen verweigert man überhaupt das Recht, Leute ihres Vertrauens zu wählen. Seit Jahrzehnten kämpfen die Bergleute für eine Reform, die ihnen einen wirklichen Einfluß auf die Knappschaftskasse einräumt. Wie zum Hohn schlägt man ihnen nun noch eine» Teil der winzigen Rechte aus der Hand und liefert die Kassen vollständig der Willkür der Unternehmer ans. Wut und Empörung muß dieses Attentat bei der Bergarbeiterschaft auslösen. Doch was kümmert sich die dem Unternehmertum dienstwillige Regierung darum? Und das muß konstatiert werden: die Hauptverantwortung für den neuen Schlag gegen die Bergknappen trägt das Zentrum I ES treibt sein Doppelspiel weiter, sich arbeiterfreundlich zu drapieren und dabei der Reaktion Handlangerdienste zu leisten. So bei der Bergnovelle, so auch jetzt. Damals verkündete es mit tönenden Worten, eS werde eventuell durch Einbringung eines ReichsberggesctzcntwurfeS der Lerschande- lung der Novell « vorbeugen. Es brach sein Wort! Und nun? Wohl stellt man Anträge, die den Wünschen der Arbeiter entsprechen, aber man weih, diese werden abgelehnt und dabei beruhigt man sich. Namentliche Abstimmung will das Zentrum beantragen für die dritte Lesung, die am Montag vorgenommen werden soll. Damit ist den Bergarbeitern nicht gedient, die Komödie hat gar keinen Wert. Wiederholt hat daS Zentrum verabsäumt, den Bergarbeitern das geheime Wahlrecht zu sichern. Bei Beratung der Novelle zur Erdrosselung der freien HülfSkasseu, bei Beratung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag hat daS Zentrum geholfen. sozialdemokratische Anträge niedcrzustimmen. durch welche für die KnappschaftSkaffen das geheime Wahlrecht garantiert wurde. Die Sozialdemokratie hat im Reichstage einen Antrag zum Knappschastskaffenwesen eingebracht, in welchem u. a. das geheime. freie Wahlrecht gefordert wird, dieselbe Forderung wird gestellt in einem sozialdemokratischen Antrage betreffend Abänderung des Krankepkassengesetzes. Warum hat das Zentrum nicht geholfen, diese Anträge durch- zubringen? Es stellt nur dqnn Verbesserungsanträge, wenn eS weiß, daß sie doch abgelehnt werden.— Die Berliner Schlächtermeister leisten sich, um ihre Preispolitik zu rechtfertigen, die seltsamsten Sprünge. Gestern abend hatten sie sich bei Feuerstein. Alte Jakobstr. 75, versammelt, um entrüstet gegen di� Behauptung zu protestieren, sie wären mit ihren Bcrkaufsprciscn noch immer nicht entsprechend dem Rückgang der Biehpreise herunter- gegangen. Zugleich aber nahmen sie eine Resolution an, in der sie selbst zugeben, bisher noch die Detailpreise unverhältnismäßig hoch- zuhalten, denn in dieser Resolution heißt es wörtlich: „Jeder Laie muß zugeben, daß die im Sommer zum Verkauf gelangende sogenamite Winterware in einer Zeit fabriziert worden ist, wo die höchsten Preise für frisches Fleisch gezahlt worden sind; soll da ein Verkaufspreis nach augenblick- lichen Preisen für frisches Fleisch möglich sein? Die Preise für frisches Fleisch sind unbedingt herabgesetzt, was jede Hausfrau bestätigen muß. Außerdem aber sind für die Höhe der Fleisch- preise auch die teuren Eispreise sowie deö Umstand von Einfluß. daß die niedrigeren Schweinepreise zu einer Zeit(Sommerzeit) eingetreten, wo viele Teile des SchivcineS, wie Kopf. Beine, Bauch und Fett nicht zu verwenden sind, während das Publikum seinen Einkauf nur aus die besseren Saisonartikel beschränkt." Zum Schluß dieser kuriosen Resolution wird erklärt: „Die Fleischermeister Berlins und Umgegend würden eS mit Freuden begrüßen, der Bevölkerung so billiges Fieisch liefern zu können, wie in früherer Zeit, leider ist daran nicht zu denken. Das Fleischergewerbe erblickt nach wie vor da« größte Uebel zur Fleischtcuerung in der Schließung der Grenzen und hält die Oeffnung der Grenzen zur Einfuhr von lebendem Bich für das einzige Mittel zur Herbeiführung normaler Flcischpreise." Die Resolution enthält also nichts anderes als einen kurzen Auszug der kürzlich bereits von uns kritisierten RechtfertigungS- versuche der.Allgem. Fleischer-Zeitling". Nochmals auf diese Wer- legcnheitS-Argumcntation des ehrsamen Blattes ziirückzukoinmen. lohnt sich nicht der Mühe. Nur zu dem schönen Schluß der Resolution möchten wir uns die Bemerkung gestatten, daß wir mit der Forderung einer Oeffnung der Grenzen
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten