DaZ hervorragendste politische Organ dieser Partei, die„Kölnische Volkszeitung", schreibt über diese Steuer: „Wir unsererseits würden der ganzen Finanzreform keine Träne nachweinen, ja, wir würden ihr Scheitern mit Genug- tuung begrüßen, wenn die unpopuläre, unvernünftige Fahrkarten- steuer auf diese Weise unter den Tisch fiele.(Vielfaches HörtI hörtl links.) Auch die einzelstaatlichen Regierungen würden wohl nicht bös sein, wenn diese Steuer beseitigt würde. Möchte die dritte Lesung wenigstens dieses Ergebnis haben. Das Scheitern nicht nur der Fahrkartensteuer, sondern auch der Brausteuer wäre im Interesse des Zentrums wie in dem der Allgemein- heit kein Unglück. Vielleicht würde die Regierung dann mit besseren Steuerplänen kommen!(Vielfaches Hört! hörtl links.) Sie werden nun sagen, das sei ein Blatt, das ja seine Meinung habe und aussprechen könnte. Wenn man aber im Namen des Zentrums sticht, so hat der Gegner das Recht, Stimmen aus einem so hervorragenden Organ dieser Partei anzuführen, besonders dann, wenn Sie sagen, Sie würden mit Leichtigkeit nicht nur Ihre ländlichen, sondern auch Ihre städtischen Wähler davon überzeugen, daß Sie diese Steuer haben annehmen müssen. Die Bemerkung über die Tabaksteuer wollte Herr Westermann nur für seine Person gemacht haben. Am liebsten möchte er diese Stelle wohl wieder herauskratzcn aus seinem Stenogramm. Die Tatsache steht nun einmal fest, daß der offizielle Redner der Nationalliberalen bei dieser Gelegenheit eine neue Steuer prokla- miert hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der preußische Herr Finanzminister hat sich veranlaßt gesehen, den bayrischen Berkehrsminister gegen einen Angriff von mir zu ver- teidigen. Wenn es nötig sein sollte, dann werde ich mich mit unserem Verkehrsminister schon persönlich auseinandersetzen, dafür bedarf es des preußischen Ministers nicht.(Heiterkeit.) Sodann hat der Vertreter der bayrischen Regierung— man sieht ja seine Landsleute auf diesen Bänken recht selten(Heiterkeit)— sich auch gegen den Angriff, den ich gegen den Umfall der bayrischen Re- gierung gerichtet habe, gewandt. Was hat er nun gesagt? Die bayrische Regierung habe ihren Standpunkt in der Kommission ver- treten. Und jetzt vertritt sie einen anderen Standpunkt. Ich wüßte nicht, was man unter Umfall sonst verstehen sollte.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe keineswegs meinen Vorwurf nur gegen die bayrische Regierung gerichtet, sondern gegen die Regierungen im allgemeinen. Nur eine macht eine Ausnahme: Der biedre Schwabe forcht sich nicht.(Heiterkeit.) Er hat sogar versucht, dafür zu sorgen, daß auch der Münchener Umfall verhindert wurde;(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten), aber es ist ihm nicht gelungen. Bayrischer Bevollmächtigter Ritter v. Burkhard: ES passiert nicht nur den Regierungen, daß sie ihre Entschließungen ändern. Auch in den Parlamenten fällt man häufig genug um. Ich er- innere an die Stellung der Sozialdemokraten zur Tantiemensteuer. Ich bitte Sie, die Vorlage abzulehnen.(Stürmische Heiterkeit links.) Ich wollte sagen: anzunehmen.(Beifall rechts.) Abg. Haußmann(Südd. Vpt.): Mir scheint nach den Ausführungen, die ich soeben gehört habe, als ob der Katzenjammer bereits kräftig einsetze, bevor es noch zu einem Beschluß gekommen ist.(Beifall links.) Abg. Dr. Spahn(Z.): Die„Kölnische Volkszeitung" hat zuerst einen Artikel für die Fahrkartensteuer gebracht. Im übrigen wird, wie ich trotz aller Hochachtung vor der Presse erklären mutz, die Zentrumspolitik nicht von der Presse, sondern durch die Beschlüsse der Fraktion gemacht. Das werden Sie auch bei der Abstinimung erfahren. Ich erkläre, daß kein Zentrumsabgeordneter den Artikel der„Kölnischen Volkszeitung" verfaßt hat. Abg. v. Bollmar(Soz.): Wenn der Abg. Dr. Spahn erklärt hat, der Artikel in der „Kölnischen Volkszeitung" mache auf die Zentrumspartei keinen Eindruck, diese werde vielmehr einstimmig für die Fahrkartensteucr eintreten, so wundert mich das weiter nicht. Auf verstockte Sünder macht eben nichts mehr Eindruck.(Heiterkeit.) Ich wollte nur beweisen, daß man auch in Zentrumskreisen sehr verschieden über diese Steuer denkt.— Wenn ich den Vertreter meiner heimischen Regierung richtig verstanden habe, hat er gesagt, er habe in der Kommission seine Bedenken nur„sanft" zum Ausdruck gebracht. Das ist überhaupt der Fehler, daß die bayrische Regierung der Reichsregierung gegenüber immer den„sayften Heinrich" spielt. (Große Heiterkeit.)— Wenn dann der Scrr Ritter v. Burkhard behauptet hat, wir seien bei der Tantiemensteucr umgefallen, so muß ich annehmen, daß ihm kein besseres Argument zur Ver- fügung gestanden hat. Wir haben nämlich in der Kommission nur deshalb gegen die Tantiemensteuer gestimmt, weil wir dasselbe auf viel besserem Wege bei der Erbschaftssteuer erreichen wollten.?lls wir dann sahen, daß die Erbschaftssteuer nicht in unserem Sinne gestaltet wurde, ließen wir unsere Bedenken gegen die Tantiemen- steuer zurücktreten.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Bayrischer Bevollmächtigter Ritter v. Burkhard stellt fest, daß er nicht gesagt hat, er sei sanft aufgetreten., Hiermit schließt die Debatte. Der Antrag Eickhoff-Merten(frs. Vp.),' wird mit großer Mehr- heit angenommen. Ebenso n l»z der Antrag Becker(natl.) auf Belegung der Kinderfahrkarten mit der halben Steuer und auf Besteuerung der Sonderfahrten, für die keine Fahrkarten ausgegeben werden, mit 10 vom Hundert des gesamten Fahrpreises angenommen. Die Abstimmung über die Fahrkartensteuer in der durch diese Anträge abgeänderten Fassung der Beschlüsse zweiter Lesung ist auf Antrag des Abg. Singer(Soz.) eine namentliche. Die Steuer wird mit 150 gegen 119 Stimmen angenommen. 4 Abgeordnete enthalten sich der Abstimmung. Die weitesten Bestimmungen über die Fahrkartensteuer werden debattelos angenommen, ebenso diejenigen über die Automobil- steuer und die Tanticmesteuer. Es folgt die Beratung der Erbschaftssteuer. Abg. Bernstein(Soz.): Wir müssen erklären, daß zu unserem großen Bedauern der Reichstag auf unsere weitergehenden Anträge nicht eingegangen ist. Es wäre bei deren Annahme möglich gewesen, von der einen oder der anderen Steuer abzusehen. Trotz- dem wir aber unsere Anträge nicht durchgesetzt haben, werden wir f ü r die Erbschaftssteuer stimmen, weil wir darin eine Abschlags- zahlung auf die Einführung direkter Steuern im Deutschen Reiche sehen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Abstimmung über den Tarif ist auf Antrag des Abg. v. Norrmann(kons.) eine namentliche. Der Tarif wird mit 205 gegen 42 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen angenommen. Zur Geschäftsordnung erklärt Abg. Schräder(frs. Vg.), daß er aus Versehen seine Ab- stimmungskarte gegen die Erbschaftssteuer abgegeben habe; er habe für die Steuer stimmen wollen.(Heiterkeit.) Nach§ 14 werden Erbschaften, die Kirchen, kirchlichen, mild- tätigen und gemeinnützigen Stiftungen zufallen, mit 5 Proz. besteuert. Abg. am Zehnhoff(Z.) bittet, dem Begriff„mildtätige Stiftungen" eine möglichst weite Ausdehnung zu geben. Abg. Dr. Beumer(natl.) begründet einen Antrag, wonach bei diesen Erbschaften die im Gesetz vorgesehene Progression der Steuer wegfällt. Es sei menschlich begreiflich, wenn Leute, die für künst- lerische und gemeinnützige Zwecke große Summen stifteten, dafür dem Staat nicht noch etwas abgeben wollten. Abg. Bernstein(Soz.): Es war ja sehr interessant, daß Herr Beumer in seinen Ausführungen kein Wort von der Toten Hand gesprochen hat, während doch sein Antrag eine große Begünstigung der Toten Hand bedeutet. ES sollen alle Erbschaften und Schen- kungeu, die der Toten Hand zufallen— und mögen sie noch, so groß sein— im Gegensatz zu allen anderen Erbschaften nur anit 5 Proz. besteuert werden. Diesem Antrag, der die Wirkung haben Jojh die Erträge ans der Erbschaftssteuer zu verringern, können wir unter keinen Umständen zustimmen. Wenn die National- liberalen es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, auf Kosten der Allgemeinheit der Kirche solche Zuwendungen zu machen, so mögen sie es tun, wir werden gegen diesen Antrag stimmen, der wider den Geist der Erbschaftssteuer verstößt.(Bravo ! bei den Soz.) Abg. Dr. Müller-Meiningen (frs. Vp.) schließt sich den Aus- führungen des Vorredners in jeder Weise an.(Beifall links.) Abg. Burckhardt(Wirtsch. Vg.) wundert sich, daß die Sozial- demokraten und Freisinnigen geg�n den Antrag stimmen wollen, obgleich doch auch den Arbeitern die milden Stiftungen zugute kommen. Abg. Bernstein(Soz.): Wir können es sehr gut verantworten, wenn wir gegen den Antrag Beumer stimmen. Die Stiftungen kommen nur zum kleinsten Teil den Arbeitern zugute. Ich mache außerdem nochmals darauf aufmerksam, daß es eine große Reihe von Stiftungen gibt, bei denen kaum die Verwaltungskosten gedeckt werden. Im übrigen sind wir Sozialdemokraten ja auch grund- sätzlich dagegen, daß den Arbeitern das, was sie unbedingt be- dürfen, durch Wohltätigkeitsanstalten gewährt wird und nicht durch die Gesetzgebung. Sorgen Sie(nach rechts) erst einmal dafür, daß wir ordentliche Gesetze bekommen, dann brauchen wir keine Wohl- tätigkeitsanstalten.(Unruhe rechts.) Geben Sie doch erst einmal den Arbeitern das Koalitionsrecht in vollem Maße. Jedenfalls kommt das, was die Stiftungen leisten, doch durchaus nicht in Betracht gegen das, was die Arbeiterkoalitionen schon geleistet haben. Die Sorge dafür, wie wir unsere Haltung den Arbeitern gegenüber vertreten, können Sie uns überlassen.(Lebhafter Bei- fall bei den Sozialdemokraten.) Hiermit schließt die Debatte. Der Antrag Beumer wird gegen die Stimmen der Linken und des Abg. Hieber(natl.), den seine Freunde vergebens zum Sitzen auffordern, angenommen. Mit dieser Aenderung wird§ 14 angenommen. Bei§ 17 erinnern die Abgg. v. Gerlach(frs. Vg.) und Dr. Wiemer(frs. Vp.) daran, daß Abg. v. Oertzen(Rp.) versprochen habe, einen Antrag einzubringen, daß die für die landwirtschaft- lichen Grundstücke geltenden Vergünstigungen auch für die städtischen eingeführt werden sollen. Z 17 und der Rest der Erbschaftssteuervorlage wird nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. Es folgt das Mantelgesetz. Nach einem Antrag Dr. Spahn(Z.), Dietrich(kons.), Büsing (natl.) soll die Fahrkartensteuer statt am 1. Juli erst am 1. August eingeführt werden. Abg. Graf Kanitz(kons.) bedauert, daß die Ausfuhrzölle und die Umsatzsteuer für Mühlen nicht in die Finanzreformvorlage hineingekommen sind, glaubt aber, daß in kurzer Zeit entsprechende Vorlagen nötig werden werden. Der Antrag Spahn-Dietrich wird mit großer Mehrheit an- genommen, ebenso ß 1— 2. Bei§ 3 bedauert Abg. Brunstermann(Rp.), daß man nicht zu der im Interesse der kleinen Staaten dringend notwendigen Bindung der Matrikular- beitrüge gekommen ist. § 3 und der Rest des Mantelgesetzes wird ohne weitere Debatte angenommen. Die Abstimmung über das gesamte Gesetz betreffend die Reichsfinanzrcform ist auf Antrag Bassermann(natl.) eine namentliche. Das Gesetz wird mit 149 gegen 95 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen angenommen. Die noch nicht erledigten Resolutionen werden von der Tages- ordnung abgesetzt. ES folgt die dritte Beratung der Flottenvorlage. Das Gesetz wird debattclos gegen die Stimmen k. Sozialdemokraten und der freisinnigen Bolkspartei angenommen. Die Tagesordnung ist erschöpft. Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr. I. Zweite Beratung deS Handels- und Schiffahrtsveotrages mit Schweden ; 2. zweite Be- ratung des Militärpensionsgesetzes. Schluß 4% Uhr. Die Revolution in Rntzland. Keine Amnestie! „Pardon wird nicht gegeben I" Dieses Wort aus kaiserlichem Munde scheint dem russischen Zaren als der Weisheit letzter Schluß vorzuschweben. Als seine getreuen„Ratgeber", seine Onkel und Tanten ihm gestern, Sonnabend, den 19. Mai(nach russischen, Stile: 6. Mai) zu seinem 38. Geburtstage herzlich gratulierten, hätten sie ihm nur mitteilen sollen, daß er sich bald „gratulieren" könne, wenn er vor dem durch ganz Rußland hallenden Schrei nach Amnestie sein kaiserliches Ohr verstopfe. Schließlich erreicht Nikolaus II. Alexandrowitsch in nunmehr zwei Jahren doch schon das Schwabenalter, und da müßte er sich in lichten Momenten darüber klar werden, daß Rußlands Zar mit dem Wohl und Wehe seines Volkes nicht mehr so spielen kann wie bis vor kurzer Zeit. Nun— wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. Nikolaus' Heilige scheinen ihn verderben zu wollen I Es heißt zwar, die Amnestie sei nur deswegen noch nicht ver- kündet worden, weil das Justizministerium und das Ministerium des Innern die Arbeit nicht bewältigen konnten, und die Amnestie werde wohl am 27. Mai, dem Krönungstage erscheinen. Wer aber weiß, wie schnell russische Ministerien«Arbeit" zu bewältigen ver- mögen, wenn es gilt, nach Sibirien zu verbannen, zu knuten, zu hängen, der wird an den Ernst jener unverschämten Ausflüchte nicht glauben. Und ob eS für Nikolaus nicht allmählich gefährlich wird, auf m o r g e n zu verschieben, was er schon vorgestern hätte tun müssen, darüber ist auch kaum zu streiten. Einstweilen scheinen sich die Ohrenbläser des Zaren in ihrer Haut noch recht wohl und sicher zu fühlen. Meldet doch ein Bericht- erstatter der«Voss. Zeitung" aus Petersburg . Herr Goremykin solle gesagt haben: ein Drittel der Duma-Abgeordneten gehöre selber ins Gefängnis! i Auch diesen Mann werden die Vorgänge in Rußland wohl noch ein wenig anders denken und sprechen lehren.— Die trostlosen Reichsfinanzen. Ueber die Nichteinlösung der fälligen Schuldquote wird ge- meldet: Die in diesen Tagen fällige Einlösung der kurzfristigen Ver- pflichtungen der nlsstschen Regierung in Höhe von 60 Millionen Rubel sollen von der russischen Reutet um weitere drei Monate prolongiert werden. Wie das Ausland denkt. Nach einer«Standard"-Melduug aus London (vom 19. d. M.) haben die Verhandlungen zu einer cnglisch-russischen Verständigung, hauptsächlich mit Bezug auf die Türkei , Persien , Afghanistan und Tibet , einen vorgerückten Stand erreicht und werden zu Ende ge- -llhrt werden, wenn die neue Verfassung in Rußland zur Ausführung gelangt ist. Und aus Paris wird gemeldet: Paris , 19. Mai. Die französischen sozialistischen Abgeordneten beabsichtigen, beim Wiederzusammentritt der Kammer ein Sympathie- votum für die russische Duma in Borschlag zu bringen und gleich- zeitig die Dumamitglieder zur Entsendung einer Abordnnng nach ianS einzuladen. Die deutsche Oeffentlichkeit schweigt--- Hua der Partei. Eine skandalöse Unwahrheit produziert der„Zimmerer" in seiner soeben erschienenen Nr. 20 in einem 2% Spalten langen Artikel mit der gruseligen Stichmarke:„Ein Blick in den Hexenkessel". Es ist eine Anhäufung von Schiefheiten und Verdrehungen schlimmster Art, die sich zunächst gegen den Genossen Kautsky richten. Wir wollen dem Genossen Kautsky nicht vorgreifen, für den Fall, daß er eine Erwiderung auf diese Angriffe für nötig halten sollte. Zur Charakterisierung des„Zimmerer" wollen wir hier lediglich fest- stellen, daß er über Kautsky u. a. schreibt: «Kautsky ist als Schriststellername mir seit etwa 1885 bekannt..." Genosse Kautsky ist bekanntlich seit 1880 Mitarbeiter an den Höchbergschen sozialistischen Zeitschriften gewesen und seit 1883 hat er die„Neue Zeit" geleitet. Die Aeußerung KautskyS von dem«bornierten Haß dieser Elemente gegen jede Form der Arbeiterbewegung, die sich ein höheres Ziel setzt als fünf Pfennig Stundenlohn", fälscht der „Zimmerer ", indem er hinter dem Wort.Elemente" in Klammern einfügt:«er meint damit die Leiter der Gewerkschaften ins- gesamt". Nach solchen Leistungen kann es einen kaum noch überraschen, wenn man im Fortgang des Artikels auf folgende skandalöse Un- Wahrheit stößt: „Seit dem Sturze der alten«Vorwärts"-Redaktion sitzt ein Genosse darin, der im Jahre 1905 eine längere Zeit die Redaktionsgeschäfte der„Einigkeit"(bekanntlich das gewerkschafts- feindlichste Blatt in Deutschland ) besorgt hat und zwar zu der- selben Zeit, wo nach dem Kölner Gewerkschaftskongreß die große Schlammflut gegen die freien Gewerkschaften von diesem Blatt ausging..." Diese Behauptung, daß ein Mitglied der jetzigen„Vorwärts"- Redaktton jemals die Redaktionsgeschäfte der„Einigkeit" geleitet hätte, ist eine blanke skandalöse Unwahrheit. Es scheint jetzt im „Zimmerer " und den ihm geistesverwandten Blättern der GeWerk- schastspresie— glücklicherweise ist es die Minderheit— üblich zu werden, jeden Klatsch, sofern er sich gegen Blätter mißliebiger Genossen richtet, unbesehen, ohne jede Prüfung auf seine Stich- haltigkeit, in die Oeffentlichkeit zu tragen. Leichtfertigkeit bei An- griffen gegen solche Genossen scheint zur taktischen Regel dieserBlätter zu werden, und die Persidie dieser Takttk wird erhöht durch den Umstand, daß kein Name genannt wird, so daß dem Nichtunterrichteten überlassen bleibt, sich irgend einen beliebigen Genossen als den an- geblichen Verbrecher zu denken I Wir fordern den„Zimmerer" hiermit auf, den Namen des „Vorwärts"-Redakteurs, der die Redaktionsgeschäfte der„Einigkeit" geleitet haben soll, zu nennen und mit seinen Beweisen herauszurückenl Denn Beweise wird er doch haben? Oder nicht? Heraus mit der Sprachel Bom Wachstum der Organisationen. Der sozialdemokratische Wahlverein zu Bielefeld ist im Laufe des 1. Quartals dieses Jahres um 503 Mitglieder, von 1883 auf 2391 gewachsen. Personalien. Genosse May-Solingen ist nach einer Meldung der„Rhein . Zeitung" nicht in die Redattion der Elberfelder„Freien Presse" eingetreten, sondern er ist zurzeit als Annoncenakquisiteur für die„Freie Presse" tättg. Die Streittgkeiten in der holländischen Sozialdemokratie. Die vom Parteitag zu Utrecht 'angenommene Resolutton über Taktik und Organisation, in der die Parteigenossen, die sich„besonders berufen und verpflichtet fühlen, die Partei vor Verwässerung und Abweichung von dem prinzipiellen Wege zu bewahren", als die Ur- Heber der persönlich zugespitzten Streittgkeiten hingestellt werden und in der ihnen vorgeworfen wird, anderen Parteigenossen systematisch den Stempel der Prinzipienschwäche, des Opporiunismus, Revisio« nismus usw. aufgedrückt zu haben, war selbstverständlich nicht besonders geeignet, die Streitigkeiten innerhalb der Partei zu beseitigen oder wesentlich abzuschwächen. Die Lertteter der Minderheit geben sich mit diesem Urteil nicht ohne weiteres zufrieden. Die Redaktton der „Nieuwe Tijd" veröffentlicht im Maiheft der Zeitschrift im Anschluß an die Resolution folgende Erklärung der Genossen Henriette Roland-Holst , Van der Goes und Gort er: „Diese Resolution war gegen die Marxisten und vor allem gegen die drei Redaktelire dieser Zeitschrist gerichtet und wurde mit großer Mehrheit angenommen. Dem gegenüber konstatteren wir: Daß in der Tat in den letzten Jahren einige Parteigenossen unseres Ecachtens danach trachten, die Partei von einer konsequenten und scharfen Führung des Klassenkamfes abzulenken und zu Kon« Zessionen an bürgerliche Gruppen zu bewegen. Wir erinnern hier, obwohl sich diese Richtuilg bereits früher wiederholt offenbarte, nur an das. was in der letzten Zeit vorgefallen ist: Vliegens Haltung in der Frage der Staatspensionierung, TroelstraS Aenßerungen über Frauenwahlrecht und an das Richtvcrteidigen der Arbeiterforderungen beim Gesetzentwurf über den Arbeitskontrakt durch die Kammer- fraktton. In allen diesen Punkten ist unser Kampfprogramm durch diese Parteigenossen verlassen worden. Wir konstatteren also, daß, obwohl wir niemals bezweifelt haben, daß diese von der unseren abweichende, aber in allen Ländern bestehende Richtting hiernlit den Interessen der Partei am besten zu dienen meinte, die Bezeichnungen Opportunismus und Revisionismus, die überall auf derartige Bestrebungen von Parteigenossen an» gewandt werden, auch von uns mit Recht auf diese Richtung an- gewandt wurden— und daß hier nur insofern von Systematik im Gebrauch dieser Bezeichnungen die Rede sein.kann, als es sich um Tatsachen handelte, in denen wir eine Abweichung vom Prinzip oder Programm nachwiesen. Wir konstatieren, daß, obgleich diese von uns gebrauchten Worte vollkommen zutteffend waren, der Kongreß sie doch als einen„Miß- brauch von der Freiheit der Kritik" gebrandmarkt hat. Diese Aeußerung des Kongresses schützt offenbar nur scheinbar die Freiheit der Kritik, aber sie soll uns in der Tat den Mund schließen und be- deutet eine Waffe für jene Opportunisten, die mit Recht[von unserer Kritik getroffen werden konnten. Wir erklären, daß wir dessen ungeachtet die volle und wahrhafttge Freiheit der Kritik nach wie vor fordern und sie, ebenso wie bisher, überall schützen werden." Nach dem Erscheinen dieser Erklärung wurde>die Debatte im „Het Volk" fortgesetzt. Die Genossen von der„Nieuwe Tijd"-Gruppe haben es bekanntlich abgelehnt, irgend ein Amt im Vorstande oder in der GeschästSleitung der Partei anzunehmen. Die Redaktion von „Het Volk" erklärt, daß die Parteigenossen mit dieser ihrer Weigerung und ihrer Auffassung auf dem„verkehrten Wege" seien. Nicht ihre Richtung sei verurteilt worden, sondern sie seien nur wegen der Form ihrer Kritik vom Parteitag„zur Ordnung gerufen" worden. Troelstra sucht sie von ihrem Entschluß unter anderm mit der Be- merkung abzubringen, daß— im Gegensatz zu dem, was in Holland geschah— die deutschen Revisionisten loiederholt, auf den Partei- tagen in Hannover . Lübeck und Dresden „zur Ordnung gerufen" worden sind, aber nichtsdestoweniger fortfahren, ihre Pflicht innerhalb der Partei zutun. Die Redaktion von„Het Volk" meint, wenn es nun, wie die Genossen von der„Nieuwe Tijd" annehmen, tatsächlich die Richtung sei, um die sich der Streit in Utrecht drehte, dann hätten sie umsomehr die Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihre Richtung in der Parteileitung vertreten sei. Hierauf bemerkt Van der Goes in einem„Der einzig mögliche Weg" überschriebenen Artikel in „Het Volk" unter anderem: „Ich antworte, daß durch die Form, in der der Streit geführt wurde— die Debatte über das Amendement Roland-Holst (worin
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