Merlach sagen lassen, daß er nur belanglose, veraltete 'xpcktorationcn der„Deutschen Tageszeitung" wiedergegeben yabe. Genosse Bios monierte die Uebertretung der Gewerbe- ordnung in Brannschweiger Konservenfabriken, wo noch eine Arbeitszeit von 15— 18 Stunden für weibliche Arbeiter nichts Seltenes sei. Der braunschweigische Bundesratsbevollmächtigte suchte vergeblich die Uebertretungen zu verteidigen. Darauf folgte eine Anklage Bern st eins gegen die bekannten Aus- schreitungen der Breslaucr Polizei gegen die Bres- lauer Arbeiter. Demgegenüber suchte sich Graf Posa- d o w s k y hinter Kompetenzbedenken zu verschanzen und be- zeichnete den Dreiklassenlandtag als die kompetente Stelle für diese Anklagen. Genosse H e r z f e l d trat diesem Versuche Posadowskys, das Recht der Reichstagsabgeordneten, solche Anklagen zu erheben, einzuschränken, entgegen. Das Koalitionsrecht sei den Breslauer Arbeitern entrissen worden, dafür sei die Reichs- regierung verantwortlich. Könne der Staatssekretär des Innern nicht Rede stehen, möge er dem preußischen Minister des Innern, als Bundesratsbevollmächtigten, den Auftrag dazu geben. Herzfeld- verwandte sich außerdem für die Seeleute, denen auf Grund der Seemannsordnung schwere Nachteile von den Reedern bereitet werden. Auch B e r n st e i n wies die Kompetenzbedenken Posadowskys zurück. Der ostelbische Junker v. Oldenburg-Januschau hielt eine Harlekiniade über alles Mögliche und Unmögliche, die das Haus in ständige Heiterkeit auf Kosten des hohlen, von sich höchst eingenommenen Redners setzte. Ein Kunter- bunt verfassungsrechtlicher, unverdauter Lesefrüchte ließ ihn den Grundsatz proklamieren, daß die Einzelstaaten ihre Ver- fassung nach der Preußens zu richten hätten, und be- klagen, daß außerpreußische Bundesstaaten ihre Wahl- reform nicht nach dem junkerlichen Dreiklassenparlament eingerichtet hätten. Für. diese Anpöbelung der ver- fassungsrechtlichen Selbständigkeit der Bundesstaaten ließ ihm der bayerische Bundesratsbevollmächtigte Graf Lerchenfeld eine kurze, aber kräftige Abfertigung zuteil werden, die die Borniertheit und Anmaßung des ostelbischen Junkertums hart traf UNd darum großen Beifall im Hause fand. Auf den Bänken der Junker saß Oldenburg von Januschau wie ein begossener Pudel. Einige Redner bürgerlicher Parteien hielten es dennoch für angebracht, sich auch noch mit dem kuriosen Großspurigen von Januschau zu befassen. Genosse Sachse streifte noch einmal die Bergarbeiter- Verhältnisse und die Stellung der Parteien im Reichstag und im preußischen Landtage, speziell die des Zentrums. Er begründete die sozialdemokratische Resolution, die festgestellt wissen will, ob die Gewähr in den Grubenverhältnissen ge- geben sei, daß Katastrophen wie in Courriöres verhindert werden können. Demgegenüber trat Giesberts(Z.) für die zahme Zentrumsresolution ein. Repliken und Dupliken zwischen den Genossen Sachse, H u e und den Zentrumsabgeordneten E�zberger, Giesberts und T r i m b o r n schließen die Spezialberatung dieses Etats. Die sozialdemokratische Resolution wurde ab- gelehnt, die des Zentrums angenommen. Um 8 Uhr abends war der Etat des Reichsamts des Innern erledigt. Die Ferienstimmung der Mehrheit ist so lebendig, daß wohl schon morgen Vertagung des Reichs- tages bis zum 13. November erfolgen wird. Unfreiwillige Komik. Im Abgeordnetenhause leisteten sich heute bei der Fort- •fetzung der Beratung über das Schulunterhaltungsgesetz die freisinnigen Abgeordneten den Scherz, die ganze an sich höchst ernste Schulverpfaffungsaktion ins Komische zu ziehen, indem sie den zwangsweisen Religionsunterricht nun wie für die christlichen so auch für die jüdischen Schulkinder forderten. Natürlich waren sich weder Freisinn noch Mehrheits- Parteien der Komik der Situation belvußt, die Abgg. Cassel und Peltasohn bemühten sich vielmehr ganz ehrlich, auch ihren Glaubensgenossen den zwangsweisen Religionsunterricht auf- zuhalsen. Ihr Bemühen scheiterte; nur die christlichen Kinder soll die Volksschule zwangsweise verdummen. Der Kampf drehte sich weiter um die Selbstverwaltungs- rechte der Gemeinden in Schulfachen. Der unerträgliche Zustand völliger Bureaukratenwillkür, der jetzt auf diesem Gebiete herrscht, konnte selbst im Dreiklassenparlament von keiner Partei verteidigt werden; nur daß auch keine ge- nügenden Mut hat, seine Beseitigung der Regierung abzu- trotzen. So ließ man der Regierung auch diesmal wieder das Bestätigungsrecht für die Mitglieder der Schuldeputation, das bekanntlich zu der schmachvollen Nichtbestätigung Singers und jetzt sogar des Freisinnigen Dr. Penzig geführt hat; ja man setzte den Schuldeputationen, indem man ihnen die Geistlichen beider Konfessionen als Zwangsmitglieder aufbürdete noch be- sondere Aufseher. So weit das neue Recht, das man schuf. Daneben kam die Selbstverwaltung mit dem frommen Wunsche davon, die Regierung möge später eine Vorlage über den Rechtsschutz gegen die Willkür der Schulaufsichtsorgane vor- legen. Inmitten der Debatte über das Rettorenberufungsrecht wurde die Weiterberatung auf Sonnabend 11 Uhr vertagt.— Zur Wahlrechts-Bewegung i« Sachsen-Altenburg. A l t e n b u r g, 23. Mai. (Eig. Ber.) Die Altenburger Parteigenossen sind nunmehr ebenfalls in eine Bewegung zur Erringung des allgemeinen gleichen Wahlrechts ein- getreten. Der Landesvorstand und die sozialdemokratischen Aiit- glieder des Altenburger Landtages haben einen Austuf an die alten- burgische Bevölkerung erlassen, in dem sie zum Kampf gegen daS überlebte Vierklassenwahlrecht auffordern. Im Laufe dieser Woche werden fünfzigtausend Flugblätter im Lande ver- breitet. Weiter sollen Unterschriften unter eine Massenpetition für das gleiche Wahlrecht gesammelt werden und schließlich soll zur Förderung der Agitation eine Broschüre verbreitet werden, in welcher das Menburger Landtagswahlrecht und seine Schicksale behandelt werden. Auch die Abhaltung einer Reihe von Versammlungen ist geplant. Daß die Bewegung jetzt erst einsetzt, hat seinen Grund in dem Umstand, daß der Landtag erst im November oder Dezember wieder zu einer kurzen Tagung zusammentritt. Im nächsten Frühjahr finden Neuwahlen zum Landtage statt und diese werden dann unter der Parole:„Für das allgemeine gleiche Wahlrecht I" vor sich gehen. Bisher ist hier jeder steuerzahlende Staatsbürger von 25 Jahren zum Landtag wahlberechtigt, wenn er die Steuern für das ab- gelaufene Kalenderjahr bezahlt hat und seit mindestens sechs Mo- nate in dem Bezirk, in dem er wählen will, wohnt. Um gewählt werden zu können, muß man 30 Jahre alt sein und mindestens drei Jahre im Besitz des Staatsbürgerrechts sein. Die Stimm- abgäbe ist geheim und direkt. Soweit könnte das Wahlrecht noch einigermaßen vernünftig gelten, bestände nur nicht die Vierteilung der Bevölkerung. Auf je SOO Seelen wird nämlich ein Höchst besteuerter herausgezogen, und diesen Höchstbesteuerten sind von den 30 Mandaten neun reserviert. Die übrige Bevölkerung wird nach der Steuer- leistung in drei Klassen eingeteilt. Jede hat sieben Abgeordnete zu wählen. Im weiteren enthält das Wahlgesetz noch die reaktionäre Bestimmung, daß von den 30 Abgeordneten 18 auf das platte Land entfallen müssen. Den industriellen Städten, die den Hauptteil der Steuekn aufbringen, bleiben 12. Tatsächlich wählen nach heutigem System 383 Höchstbesteuerte 9 Abgeordnete, 1579 Wähler der e r st e n Klasse wählen 7, 4606 der zweiten Abteilung ebenfalls 7 und 24 531 Wähler der dritten Ab- teilung auch bloß 7 Abgeordnete. Es wählen also 6573 Steuer- zahler 23 Abgeordnete, während 24 531 andere nur 7 Abgeordnete wählen dürfen I ••* Deutfchee Reich« Die wiirttembergischen Standesherren und das Bubgetrecht. St u tt ga r t, 23. Mai. (Eig. Ber.) Die heute begonnene Spezialberatung der V e r f a s s u n g s- r e b i s i o n in der Ersten Kammer begann mit der Frage des Budgetrechts und zeigte die feudalen Herren so eigensinnig und herrschsüchtig, wie man es seither gewöhnt ist. Sie fühlen sich be- rufen, das allgemeine Wahlrecht, welches sie für die Zusammensetzung der Zweiten Kammer unbeschränkt zugestehen wollen, dadurch un- wirksam zu machen, daß sie die Machtsphäre der Ersten Kammer er- weitern. Die Regierung war den Standesherren in ihrem Eni- Wurf bereits sehr entgegengekommen, indem sie hineinschrieb: „Bei der Beschlußfassung über Aufnahme von Anleihen und über Veräußerungen vcrn Bestandteilen des Kammerguts sind beide Kammern gleichberechtigt." Dieses Zugeständnis hatte die Zweite Kammer aber gestrichen, und deutlich zu erkennen gegeben, daß sie das bisherige etatrechtliche Verhältnis zwischen beiden Kammern unverändert erhalten wissen wolle. Demgegenüber hat nun die Kommission der Ersten Kammer beschlossen, nicht nur das zu nehmen, was die Regierung ihr bot, sondern darüber hinaus für die Erste Kammer das Recht zu be- anspruchen, bei jeder Steuer, deren Sätze im Wege der ordentlichen Gesetzgebung fest bestimmt sind, sowohl bei einer etwaigen Erhöhung oder Ermäßigung der Steuersätze oder Ab- schaffung der Steuer mit dem gleichen Recht wie die Zweite Kammer mitzuwirken. Darum ging nun der Streit in der heutigen Sitzung, in der die Regierung sich vergeblich bemühte, die Standesherren von ihren gänzlich aussichtslosen Forderungen' abzubringen. Schien es in der gestrigen Verhandlung, als ob eine Verständigung nicht ganz aus- geschlossen wäre, so schloß dagegen die heutige Sitzung mit einer grellen Dissonanz. Heute handelte es sich eben um den nervuz rerum, ums Steuerzahlen, und da verstehen die Hohen und Er- lauchten Herren keinen Spatz. Fürst Quadt-Wykradt-Jsnh erklärte brutal, bei der ganzen Entkickelung, die die Dinge in der Zweiten Kammer genommen haben, hätten sie hier„für den Schutz der besitzenden Klassen einzutreten". Die namentliche Abstimmung ergab die völlige Ein- stimmigkeit der Ersten Kammer in dieser Frage, ob- gleich es zweifellos ist, daß bei einem Beharren auf den gestellten Forlxrungen das Scheitern der Reform gewiß ist. Blitzartig wird in solchen Augenblicken der Stand der württembergischen Gesetzgebungs- Maschine beleuchtet. Während die Zweite Kammer, die doch heute schon zum größten Teil aus Volks-Abgeordneten auf Grund des allgc- meinen Wahlrechts besteht, nielnals eine so trotzige Haltung der Re- gierung gegenüber einnimmt und sich leider viel zu sehr zur Ver- ständigung geneigt zeigt, um ein solch größeres Gesetzgebungswerk nicht scheitern zu lassen, denkt die Handvoll Standesherren gar nicht daran, derartige Rücksichten zu nehmen. Stuttgart 25. Mai. (W. T. B.) Die Kammer der Standes- Herren Hat in der fortgesetzten Beratung der Verfassungsrcvision das Recht des Königs zur Ernennung der erblichen Mitglieder auf- rechterhalten und die Zusammensetzung der Ersten Kammer nach dem Siegierungsentivurf angenommen. Der vom anderen Hause be. schlossene Ersatz für die aus der Zweiten Kammer ausscheidenden Privilegierten durch 17 vermittelst Landesproporz zu wählende Ab- geordnete wurde abgelehnt. Im Lause der Debatte richtete Fürst Hohenlohe-Waldenburg scharfe Angriffe gegen die Regierung, indem er bedauerte, daß es nicht möglich sei, einen Minister, der Fiasko ge- macht, zur Demission zu zwingen. Ministerpräsident v. Breitling hielt dem entgegen, daß es sich hier um eine königliche Vorlage handele._ Die gesetzwidrigen Streikbrecherquartiere im Hamburger Frei- hafengebict wurden in der Sitzung des Hamburger Landesparlaments vom Mittwochabend nochmals von unseren Genossen zur Sprache ge- bracht. Der Senat beantragte die Bewilligung von 6 6S18ÖY M. für die Aptierung des östlichen Teiles der Kehrwieder-Wandrahm- insel für Freihafenspeicher. Zu dem hierzu vorliegenden Ausschuß« antrage stellte die sozialdemokratische Fraktion folgenden Antrag: „In die Verträge ist ausdrücklich die Bedingung aufzunehmen, daß die errichteten Gebäude nicht zu Massenwohnquartieren benutzt werden dürfen." In der Begründung des Antrages bemerkte Genosse E. Fisch-er unter anderem, daß die Errichtung von Wohnquartieren im Frei- hafengebiet ohne weiteres auf Grund des Zollanschlußvertrages aus- geschlossen sei, aber trotz des klaren Wortlautes der gesetzlichen Be- stimmungen mehrfach Streikbrecherquartiere errichtet worden seien, ohne daß diesen Uebertretungen ein Ende bereitet worden wäre, deshalb hätten seine Parteifreunde den Antrag gestellt. Bei der vorigen Behandlung dieser Angelegenheit hatte ein Mitglied der Finanzdeputation gegen diese Gesetzesverletzungen nichts einzuwenden, während diesmal ein anderes Mitglied der Finanzdeputatton die Massenquarttere für durchaus unzulässig hielt. Dr. Bauer von der Linken, seines Zeichens Rechtsanwalt. hält nichts auf„Buchstabengläubigkeit". Er verttitt den Standpunkt. daß jedes Gesetz verschieden„ausgelegt" werden könne. Im Zoll- anschlußvertrage, meinte er, sei nur die Rede vom Bebauen mit Gebäuden zu Wohnzwecken, nicht aber von der Einrichtung vor- handener Gebäude für Massenquartiere. Um solchen juristischen Spitzfindigkeiten vorzubeugen, empfahl Fischer nochmals die An- nähme seines Anttages, der aber abgelehnt wurde. Ob der Finanzdeputation den Hamburger Reedern und Werst- besitzern gegenüber keine Machtmittel zur' Jnnehaltung der klaren gesetzlichen Vorschriften zur Verfügung stehen? Sollte das nicht der Fall sein, dann wird der andere Kontrahent des Zollanschlußver- träges, das Reich, eingreifen müssen, und zwar mit etwas mehr Nachdruck wie bisher; denn auf bloße Rüffel im Reichstage von feiten des Bundesratsttfches reagieren die Pfeffersäcke und der Advokatenklüngel der hamburgischen Republik nicht.— Verschiedene Polizeiauffassungen. Gegen die Mißhandlunge» Inhaftierter auf den Polizeiwachen richtet sich eine von dem Frankfurter Polizeipräsidenten Scheren- berg erlassene Warnung an die unteren Polizeibeamten. Es heißt darin: „Ich werde fortan die Dienststellenvorsteher persönlich mit für jede vorkommende, gesetzlich ungerechtfertigte Sistierung oder Fest- nähme verantwortlich machen und jeden Polizeibeamten mit Arrest bestrafen, der sich durch eine ungerechtfertigte Festnahme oder Sistterung einen Uebergriff zu schulden kommen läßt. Außerdem werde ich fortan auf das schärfste gegen jeden Uebergriff in der Behandlung der Festgenommenen, insbesondere auch auf den Polizeiwachen, unnachsichtlich einschreite».' Die Warnung ist gut gemeint; ob sie aber unter dem heuttgen Polizeisystem viel nützen wird, muß bezweifelt werden. Immerhin soll anerkannt werden, daß Herr Scherenberg etwas andere Begriffe von den Obliegenheiten der Polizei hat, als sein Kollege, der Breslauer Polizeipräsident, der bekanntlich an seine Schutzleute wegen ihres schneidigen Verhaltens bei den Streikunruhen einen Danlerlaß gerichtet hat.—_ Der englisch -deutsche Freundschaftsverband unter Vorsitz Lord Aveburys(des bekannten Gelehrten und Schriftstellers Sir Jchn Lubbok) hat 40 Redakteure hervorragender deutscher Zeitungen und Zeitschriften zu einer Sympathie- und Verstärdigungsfeier nach London eingeladen. Das„Bureau Lassan" berichtet darüber nach englischen Blättern: Von den 40 deutschen Redpkteuren, die vom Englisch -deut- schen Freundschaftskomitee zu einer Reise nach England ein- geladen worden sind, haben nur vier die Einladung abgelehnt. Von diesen vier erklärten zwei ihre herzliche Sympathie mit dem Zweck der Einladung, während nur zwei aus Mangel an Sym- pathie ablehnten. Die Redaktion des Berliner „Vorwärts", die ebenfalls ablehnte, erklärte sich grund- sätzlich gegen einen derartigen Austausch von Liebenswürdigkeiten. Die deutschen Besucher schiffen sich am 19. Juni in Bremen nach Southampton ein. Von dort begeben sie sich nach London , wo sie die Sehenswürdigkeiten be- sichtigen und ihnen zu Ehren eine Reihe Festlichkeiten ver- anstaltet werden. Die deutschen Gäste werden u. a. auch Strat- ford-on-Avon. die Geburtsstätte Shakespeares, und die Universität Cambridge besuchen. Die Meldung des„Bureau Lassan" ist, soweit sie den„Vor- wärts" betrifft, nicht ganz richtig. Der betreffende Redakteur hat nicht erklärt, daß er gegen den Austausch von Liebenswürdigkeiten sei, sondern daß seine Grundsätze ihm die Annahme solcher Liebens- Würdigkeiten verböten. Dagegen hat er in seiner Ablehnung nach- drücklich betont, daß der«Vorwärts", wie bisher, in vollstem Maße für die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und England eintreten werde.— Inkrafttreten des Diiitengesetzes. DaS„Reichsgesetzblatt" und der„Reichs-Anzeiger" veröffent- lichten gestern das Gesetz über die Gewährung einer Entschädigung an die Reichstagsmitglieder. Es tritt mit dem heutigen Tage in Kraft. Von heute ab ist für die Reichstagsmitglieder eine An- Wesenheitsliste ausgelegt._ Kolonisierungsvcrsuche in Deutsch-Südwestafrika . Herr v. Lindequist, der neue Gouverneur unseres südwest- afrikanischen Sandgebiets, will dort neue Ansiedelungen gründen, und zwar ist zunächst eine Kleinsiedelung bei Osona geplant, einem Flecken nahe bei Okahandja an der Bahnlinie Okahandja— Windhuk. Wie die„Windh. Nachr." zu berichten wissen, bietet der Ort vor- züglichen Boden mit reichlichem Grundwasser für Gartenbau. Die Heimstätten sollen durchweg etwa zehn Hektar groß sein; sie liegei�auf dem rechten Ufer des Swakop so, daß fast jede den Lauf des Swakop berührt. Im ganzen sind vorläufig vierzig angelegt. Da auch auf Viehwirtschaft Rücksicht genommen ist, wird der Siedelung ein größeres Gebiet Weideland, voraussichtlich 20 000 Hektar, beigegeben werden. Kaufverttäge können von Be- Werbern mit dem Distriktamte Okahandja abgeschlossen werden, unterliegen aber der Genehmigung des Gouverneurs, �eder Be« Werber erhält grundsätzlich nur eine Heimstätte. Als Preis ist fest« gesetzt eick halber bis dreiviertel und einen Pfennig für den Ouadrat« meter je nach Lage und sonstiger Beschaffenheit. Im allgemeinen beträgt der Preis für eine Heimstätte tausend Mark nebst etwa zehn bis zwanzig Mark Vermessungskosten. Die armen Kerle, die sich zur Ansiedelung verlocken lasse», sind zu bedauern._ Bundesrat. In der heutigen Sitzung des Bundesrats wurden der Entwurf eines Gesetzes wegen Aenderung einiger Vorschriften des Neichsstempelgesetzes, der Entwurf eines Gesetzes betteffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld, und der Einwurf eines Gesetzes betreffend die Ausgabe von Reichs- kassenscheinen angenommen.— Die Fahrkartenstcner im badischen Landtag. Zur Beratung des sozialdemokratischen Antrags betreffend die Reichsfahrkartensteuer in der badischen Zweiten Kammer, über deren Resultat wir bereits in letzter Nummer kurz berichteten, wird uns nachträglich noch von unserem Karlsruher Korrespondenten ge- schrieben. Die Angelegenheit versprach gerade in Baden einen inter - essanten Verlauf, weil hier wiederholt der Landtag sich fast einmütig dafür ausgesprochen, daß in der dritten Wagenklasse der Fahrpreis auf 2 Pf. pro Kilometer ermäßigt werde. Dieser Befchluß wird schon durch die sogenannte Taristeform, welche zwischen Preußen und den Bundesstaaten mit selbständiger Eisenbahnverwaltung in der Schwebe ist, mit Füßen getreten, denn bekanntlich sieht diese sonderbare „Reform" den Dreipfennigtarif in der dritten Klasse vor, wozu in Baden noch der bisher nicht bestandene Schnellzugszuschlag kommt. Und nun soll der Fahrpreis durch die Fahrkartensteuer noch weiter ganz gewaltig erhöht werden I Wenn die Nationalliberalen und das Zenttum in Baden auch nur halbwegs ihren früheren Beschlüssen treu bleiben wollten, müßten sie einmütig für den sozial- demokratischen Antrag stimmen. Es kam ganz anders I Kurz und bündig, aber sehr nachdrücklich wurde von unserer Seite der Antrag begründet, wobei wir darauf verzichten konnten, daß selbst der badische Eisenbahnminister schon in der Budgetkommission erklärt habe, daß ihm die Fahr- karten st euer sehr unangenehm sei— ein Grund mehr für die bürgerlichen Parteien, für unseren Antrag einzutreten. Und nun begann die Komödie: der FrakttonSführer des ZenttumS gab eine lange Erklärung ab, die sich zehnmal im Kreise drehte, ver« schiedentliche Male die Fahrkartensteuer bedauerte, endlich aber zu dem Schluß kam, daß die vielgepriesene.Finanzreform" angenommen werden müsse und daß das Zenttunr deshalb gegen den sozial« demokratischen Anttag stimmen werde. Aehnlich bejammernswert war die nattonalliberale Erklärung.»rur daß der Aufwand von albernen Redensarten vielleicht noch größer war wie in der Zenttumserklärung. Angesichts dieser jammervollen Hal- tung der Parteien, die sich seit Jahren auf den Zwei- pfennigwrif in der HI. Klasse festgelegt haben und nun die Wähler so schmachvoll verraten, hatte es der Finanzminister leicht; er schlug sogar etwas übermütige Töne an, sprach von Patriotismus und Nationalgefühl, das zur Annahme der Finanzreform zwinge usw.— Es ist ihm bös heimgeleuchtet worden und er wird nicht bald wieder einen Patriotismus der Fahrkartensteuer feiern und eine Erbschasts- steüer verteidigen, die den großen Besitz und insbesondere die Fürsten unpatriotischerweise vom Beizug besteitH Der Eisenbahnminister wählte der Tapferkeit besseren Teil, er hörte die vernichtende 5kritik der verkehrsfeindlichen Steuer und— schwieg I Er fand nicht den Mut, sein Bekenntnis aus der Budget- kommission vor dem ganzen Lande zu wiederholen. Schließlich wurde der sozialdemokratische Antrag abgelehnt, nur die Demokraten, der Freisinnige und 1 konservativer Abgeordneter sttmmten dafür.—_ Die Unterbilanz der Berliner Milchzentrale. Die Berliner Milchzenttale, die bekanntlich zu den, Zweck ge- gründet worden ist, die Versorgung Berlins mit Milch zu einem agrarischen Monopol zu gestalten, gerät immer tiefer in den Dalles. Schon für das Geschäftsjahr 1903/04 ergab sich bei einer buch- mäßigen Belastung der Genosse� mit Rückständen in Höhe von
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