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Nr. 121. 23. Jahrgang. 2. Seilm ilis Jonoirts" Kerlim HoMlitL Sonntag, 27. Mai 1906. Hbgeordnetenbaud* 78. Sitzung vom Sonnabend, den A. Maß« vormittags 11 Uhr. Am Mnistertisch: D r. S t u d t. Bor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Kultusminister Dr. Studt: Der Abg. Kopsch hat gestern geäußert, ich hätte einem an- gesehenen Schulmann gesagt, die meisten Berliner   Lehrer seien Sozialisten und Atheisten. Die Behauptung ist völlig aus der Luft gegriffen. Im November v. I. gelangte ein Gerücht zu nieiner Kenntnis, nach dem ich zu einem Schulrat, der eine Unterredung mit mir gehabt hatte, etwas Aehnliches gesagt haben sollte. Darauf hat der vetteffende Schulrat erklärt, daß die Angaben vollständig aus der Lust gegriffen seien.(Fortgesetztes Hört! hört! rechts.) Er sei über die Verbreitung solcher Angaben empört und bereit, eine solche Erklärung zu veröffentlichen.(Hört! hört! rechts.) Ich habe davon keinen Gebrauch gemacht, weil ich Klatsch über meine Person grundsätzlich ignoriere.(Lebhaftes Bravo! rechts.) Ich erinnere bei dieser Gelegen- heit daran, daß der Abg. Kopsch schon zweimal ähnliche Mitteilungen gemacht hat, seine Beweise ist er aber schuldig geblieben. Wie ich darüber denke, wenn jemand systematisch das Vertrauen stört, um die Lehrerschaft in den Dienst einer bestimmten Partei zu bringen, habe ich schon eingehend dargelegt.(Lebhafter Beifall rechts.) Die zweite Beratung des SchuluntcrhaltungsgesetzeS wird fortgesetzt bei Z 40 Rektorenberufung, zu dem der nationalliberale Kompromißantrag deS Abgeordneten Bachmann vorliegt, der bezweckt, das BerufungSrecht der Rektoren grundsätzlich der Schulauffichtsbehörde mit der Verpflichtung der An- hörung der Gemeinden zu geben, aber den Gemeinden das Be- rufungsrecht lassen will, die es jetzt haben. Der Abg. Cassel(frs. Vp.) beantragt, für die Rektoren ebenso wie für die Lehrer das Wahlrecht den Gemeinden zu geben und den Schulauffichtsbehörden nur das Bestätigungsrecht zu gewähren. Ferner liegt ein Anttag des Abg. Cassel vor. der den Antrag Bach- mann dahin abändern will, daß für die Besetzung der Rektoren  - stellen der Gemeindevorstand Personen vorschlagen soll, aus der die Aufsichtsbehörde einen bestätigen soll. Abg. Schiffer(natl.): Wir stehen den freisinnigen Anträgen zum Teil sehr nahe, werden sie aber ablehnen, weil sie den Rahmen des Kompromisses bedrohen. Wir wollen hier eine gesunde Realpolitik. Wir verwahren uns aber ausdrücklich dagegen, daß wir mit dem Antrag irgend ein Prinzip festlegen wollten. Wir verwahren uns dagegen, daß wir für eine weitere Einschränkung der Stadtrechte zu haben sein würden. Wir hoffen mit unserem Antrag eine Brücke zur Verständigung geschlagen zu haben.(Beifall bei den National- liberalen.) Ministerialdirettor Schmartzkopff sucht nachzuweisen, daß die Regierung schon nach dem heute geltenden Recht berechtigt sei, eine stärkere Einwirkung auf die Anstellung der Rektoren auszuüben. Abo Dr. Inner(k.): Der Abg. Kopsch meinte gestern, dieses Gesetz werde die Kriecherei befördern. Mit demselben Recht könnte man das von den Bestimmungen behaupten, die den Magistraten das Wahlrecht geben.(Sehr wahr I rechts.) Der Abgeordnete Cassel, der in Berlin   sehr einflußreich ist, würde aber jedenfalls die Möglichkeit einer solchen Insinuation mit voller Schärfe zurück- weisen.(Sehr wahr! rechts.) Trotzdem wir der Ansicht sind, daß der Staat seine Rechte behält, meinen wir doch, daß keine Partei Anlaß hat, weiter zu gehen als die Regierung. Deshalb kann ich offen erklären, daß wir bereit sind» zu ver- suchen, ob eS möglich ist, den Wünschen der National- liberalen noch weiter entgegenzukommen, um die Mehrheit möglichst stark zu machen. Wir sind bereit, die Hand zur Versöhnung, die uns von den Nationalliberalen entgegengestreckt wird, zu er- greifen unter der Voraussetzung, daß eine brauchbare Grundlage ge- stlnden wird. Dazu wird der Antrag aber noch sehr der Um- gestaltung bedürfen. Deshalb sind wir Konservativen in diesem Stadium der Verhandlungen noch nicht imstande, für den nattonal- liberalen Antrag zu stimmen, wir hoffen aber bis zur dritten Lesung noch eine brauchbare Grundlage für die Verständigung zu finden. (Beifall rechts.) Abg. Dr. Dittrich(Z.): Ich kann nur die kurze Erklärung ab- geben, daß eS uns noch zweifelhaft erscheint, ob der nationalliberale Antrag einen gangbare» Weg darstellt. Wir behalten uns deshalb vor, zu dem vom Abg. Dr. Inner angekündigten Anttag bei der dritten Lesung Stellung zu nehmen. Abg. Frhr. v. Zedlitz(frk.): Ich freue mich über die Erklärung des Abg. Dr. Jrmer und bedaure, daß sich seine Anregungen noch nicht zu einem Anttage verdichtet haben. Wir werden zunächst gegen den§ 40 stimmen und auf eine Verständigung bis zur dritten Lesung warten. Abg. Münstcrberg(frs. Vg.): Wir erkennen ohne weiteres an, daß die Kommissionsbeschliisse manche Verbesserungen gegenüber der Regierungsvorlage aufweisen. Ich bitte Sie, den Antrag Cassel anzunehmen. Im Fall der Ablehnung unseres AnttagS werden wir zunächst für den nationalliberalen Antrag stimmen.(Beifall links.) Abg. Caffel(frs. Vp.): Der Ministerialdirektor sieht es als eine Enttechtung des Staates an, wenn den Selbstverwaltungen Rechte gegeben werden. Wäre seine Ansicht richtig, so hätte ja Friedrich Wilhelm IE. den Staat am meisten entrechtet, indem er die Selbst- berwalwng schuf.(Sehr gut I links.) Wir bekämpfen den national- liberalen Antrag, weil wir gleiches Recht für alle fordern.(Sehr richtig I links.) SBir vertreten auch nicht bloß das Interesse der Lehrer, sondern das der Schule. Wir werden in dieser Lesung für den nationalliberalen Antrag stimmen in der Erwartung, daß der- selbe nicht abgeschwächt wird, daß er nicht ein Provisorium auf einige Zeit darstellt.(Beifall links.) Abg. Dr. Friedbcrg(natl.): Ich glaube nicht, daß es dem Abg. Dr. Jrmer möglich ist, unserem Antrag eine bessere Fassung zu geben. Gelänge es doch, so würden wir gem bereit sein, für diesen neuen Antrag zu stimmen. Abg. Kopsch(frs. Vp.): Der Minister hat zu Beginn der Sitzung in seiner scharfen Polemik gegen inich gesagt, ich hätte gestern er- klärt: Der Minister hat einmal die Mehrzahl der Lehrer als Sozialisten und Materialisten bezeichnet. Diese Aeußerung habe ich nach Ausweis des unkorrigierten Stenogramms nicht getan. Ich habe lediglich referierend in objektiver Weise(Gelächter rechts) den Inhalt von Zeitungsartikeln wiedergegeben und ausdrücklich be- ,nerkt: Ich hoffe, daß es sich anders verhält! Bisher war eS in diesem Hause nicht Sitte, einem politischen Gegner Motive unterzn- schieben, zu denen er sich nicht bekennt.(Sehr wahr! links. Äe- lächter rechts.) Die Achtung dieser Sitte verlangen wir auch für «ns, auch vom Minister!(Lebhaftes Bravo I links. Zischen rechts.) Kultusminister Dr. Studt: Ich habe lediglich das wieder- gegeben, was ich gehört habe.(Rufe links: Stenogramm.) Das Stenogramm ändert an der Tatsache nichts.(Gelächter links.) Ich kann nur wiederholen, daß ich den elenden gemeinen Klatsch, der so vielfach über mich verbrettet wird, einfach ignoriere.(Bei- fall rechts.) Damit schließt die Besprechung. Die Abstimmung über den Antrag B a ch m a n n bleibt zweifelhast, es findet deshalb Aus- zählung statt, bei der der Anttag Bachmann mit 111 gegen 150 Stimmen abgelehnt wird. Die Anträge Cassel werden ab- gelehnt und die Kommissionsbeschliisse angenommen. Es folgt die Beratung des Z 56, der in Westprcußen und Posen bei: Geltungsbereich des Gesetzes ausschließt. Hierzu wird ein. Anttag des Abg. v. Wentzel(k.) angenommen, der die Regierung auffordert, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Schulunterhaltung in den Provinzen Posen und Westpreußen  in gerechter Weise regelt. Bei Z 57, der bestimmt, daß das Gesetz am 1. April 1S07 in Kraft tteten soll, wird ein Anttag deS Abg. Pallaske(k.) an­genommen. nach dem das Gesetz erst am 1. April 1908 in Kraft tteten soll. Damit ist die zweite veratnng deS SchulunterhalwngSgefetzeS beendet. ES folgt die einmalige Beratung des Staats- vertrage« zwischen Preußen, Bayern  , Baden und Hessen   über die Mainkanalisierung. Der Verttag geht nach kurzer Debatte an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Nächste Sitzung Montag 12 Uhr.(Kleine Vorlagen; 8. Beratung des Schulunterhaltuugsgesetzes.) Schluß 6 Uhr._ VI. Nerb nndstag des Aentschen Holzllrbetterverbnndes. Köln  , 25. Mai. Auf Antrag der Revisionskommission wird dem Kassierer Bohne einstimmig Entlastung erteilt. Zur Beratung gelangen die Anträge zum ArbeitSnach- weis. Ein Antrag des Gautages Hamburg  : Jede Zahlstelle zu verpflichten, einen Arbeitsnaöhloeis einzuführen, wird abgelehnt. R ö s k e weist darauf hin, daß der paritätische Arbeitsnachweis mehr und mehr Anerkennung und Geltung gefunden habe und dort, wo er richtig organisiert ist, auch die Arbeiter befriedigt. Wo ein solcher paritätischer Nachweis bestehe, sei der Verbandsarbeitsnach- weis unnötig. Becker(vom Vorstand) steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß der Arbeitsnachweis in die Hand des Ver- käufers der Arbeitskraft gehört, und daß man nur aus Zweck- mäßigkeitSgründen, und weil der Verband wichtigere Dinge zu tun habe, in den paritätischen Nachweis einwillige. Um den Arbeits- Nachweis allein zu streiken, müsse heute als Unding gelten. Angenommen wird ein Antrag Salomon- Bielefeld: Jede Zahlstelle ist verpflichtet, die Arbeitsnachweisfrage mehr als bisher zu behandeln; da. wo es möglich ist, ist ein Arbeitsnachweis einzu- führen. Ferner findet der folgende Antrag des Gautages Dresden  einstimmige Annahme: Die den Arbeitsort wechselnden Mitglieder sind streng verpflichtet, an jedem Orte, wo sie Arbeit nehmen wollen, erst beim Vertrauensmann Erkundigungen über die Art der am Orte üblichen Arbe'itsvermittelung und die sonstigen ort- lichen Bestimmungen einzuholen und diese zu beachten. Es folgt die Beratung über Gehälter und Ent- schädigungen. Die Kommission, für die Starke- Dresden  berichtet, schlägt vor, unter Beibehaltung der auf dem vorigen Ver- bandstage beschlossenen Gehaltsstaffel den Angestellten im Vorstand, den Hülfsarbeitern im Verbandsbureau, den Gauvorstehern und den Angestellten derHolzarbeiter-Zeitung" eine monatliche Teuerungszulage von 15 Mark zu gewähren. Den aushülfsweise im Verbandsbureau beschäftigten Kollegen soll die Entfchädigung in der Regel so bemessen werden, daß sie mindestens das Anfangs- geholt der Hülfsbeamten bekommen. Dem Kollegen L e i p a r t sollen für die Herausgabe des AlmanachS 300 M., ferner in An­betracht seiner umfangreichen Tätigkeit eine laufende jährliche Ent- schädigung von 200 M. zum Gehalte bewilligt werden. Die hier vorgeschlagene Regelung ist als eine vorübergehende zu erachten. wobei Voraussetzung ist. daß eine grundlegende Neuregelung der Gehaltsfrage in einer den Zeitverhältnissen und der Bedeutung des Verbandes entsprechenden Weise durch den nächsten Verbandstag (1008) erfolgt. Die Entschädigung für die agitatorisch tätigen Kollegen wird von der Kommission als dringend der Erhöhung be- dürftig bezeichnet. In der mehrstündigen Diskussion, die im allgemeinen ohne Erregung geführt wird, wenden sich mehrere Redner ent- schieden gegen die Opposition, die in Mitgliederkreisen sich gegen die Gehaltserhöhung der angestellten Kollegen bemerkbar gemacht hat. Man wirft der Kommissionhalbe Arbeit" vor und wendet sich gegen den Ausweg derTeuerungszulage"; eS müsse schon auf diesem Verbandstage eine wirkliche Regelung der Gehälter vor- genommen werden. Auf diesen Standpunkt stellen sich mehr oder weniger S i ck f e l d t- Berlin, L ü t h- Hamburg, N e u m a n n- Hamburg, K a h l- Hamburg, K u n i s ch- Düsseldorf und andere. Es wird weiter darauf hingewiesen, daß andere Gewerkschaften, die politische Partei und die Konsumgenossenschaften ihre Angestellten erheblich besser beezahlten als der große Holzarbeiterverband. Die meiste Opposition werde nicht von den Zahlstellen mit schlechten Lohnverhältnissen, sondern von solchen mit hohen Löhnen gemacht. Der Verband habe kein Interesse daran, seine Angestellten und Leiter auszunutzen, überanzustrengen und vor der Zeit zu ver- lieren. Gegen die Vorschläge der Kommission erhebt sich aus Gegner- schaft gegen die Höhe fast kein Widerspruch; die meisten Redner wünschen über die Kommissionsvorschläge hinaus eine sofortige Regelung. Der Verbandstag beschließt hierauf einstimmig, GehaltS- erhöhungen vorzunehmen. ES wird mit 70 gegen 44 Stimmen beschlossen, das Grundgehalt der Vorstandsmitglieder festzusetzen auf 2400 M., steigend um 120 M. jährlich bis 3000 M., das Grund- gehalt der Gauvorsteher mit allen gegen 16 Stimmen auf 2100 M., steigend um 120 M. auf 2600 M., das Gehalt der Hülfsarbeiter gegen acht Stimmen auf 1800 M., steigend um 100 M. auf 2400 M. In bezug auf die aushülfsweise beschäftigten Kollegen und den zweiten Vorsitzenden L e i p a r t beschließt der Verbandstag gemäß den Vorschlägen der Kommission. Die Diäten der Gauvorsteher werden wie die der Vorstandsmitglieder von 6 auf 8 M. erhöht. Die Entschädigungssätze für die in der Agitation tätigen Kollegen sollen ebenfalls erhöht werden. Weiter beschließt der Verbandstag, daß alle Arbeitskräfte ayS Kollegenkreisen zu entnehmen sind. Mit allen gegen acht Stimmen beschließt der Verbandstag auf Antrag des Gautags Dresden, daß Zahlstellen, die sich in einem in sich abgeschlossenen Jndustri»- oder Lohngebiete befinden, sich zu vereinigen haben, um bessere und gleiche Organi- sations- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Der Antrag zielt besonders auf die um die großen Städte herumliegenden Orte, zumal die Vororte. Auch ein Antrag des GautageS Hamburg  : Kleinere Zahl- stellen in unmittelbarer Nähe großstädtischer Zahlstellen, in denen die Verbandsgeschäfte durch besoldete Beamte geführt werden, haben sich diesen anzuschließen zwecks einheitlicher Regelung der gesamten Bewegung. Weiter werden folgende Anträge angenommen: Lokalunter- stützung darf an Mitglieder, die sich an ihrem letzten Arbeitsort nicht abgemeldet haben, nicht gezahlt werden; auch darf die Gesamt- summe den eingezahlten Beitrag nicht überschreiten. Die Gauvorstände sind verpflichtet, in ihren Gauen dahin zu wirken, daß in solchen Provinzorten, wo Bautischlerarbeiten angefertigt werden und die Kollegen zum Einsetzen(Anschlagen) dieser Arbeiten nach solchen Orten geschickt werden, wo bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen vorhanden sind, die Kollegen sich vorher an zuständiger Stelle über diese besseren Löhne, Preise und Arbeitsbedingungen zu informieren haben. Angesichts der Unterstützungseinrichtungen unseres Verbandes ist den G a u k o n f e r e n z en die Befugnis genommen, Extra- beitrage zwecks Unterstützungen zu beschließen. Ferner wird beschlossen, den Gewerkschaftskongreß, wie bisher, entsprechend der Mitglicderzahj zu beschick««.. Einem Antrage, wonach die Zahlstellen verpflichtet werde« sollen, jährlich eine Agitation für die Arbeiterpresse zu veranstalten und das Ergebnis in derHolzarbeiter-Zeitung" bekannt zu geben, widerspricht K l o ß, da es sich um Agitation für politische Zeitungen handeln würde, wozu man die Mitglieder von Verbandswegen nicht verpflichten könne; die Absicht des Antrages könne aus der Initiative der Mitglieder in den Zahlstellen ver- wirklicht werden. Darauf zieht der Antragsteller den Antrag zurück. Zur Beratung kommt der siebente Punkt der Tagesordnung; die Maifeier.' Der Referent Glocke- Berlin betont unter Hinweis auf die Beschlüsse der internationalen Kongresse und der Parteitage, daß die würdigste Form der Feier die Arbeitsruhe sei. Falsch sei, daß die Maifeier nicht in das Gebiet der gewerkschaftlichen Aktion gehöre; denn die Forderungen des MaiprogrammS, sowohl die deS Arbeiterschutzes als die des Koalitionswesens und deS allgemeinen, gleichen Wahlrechts schneiden tief in alles das ein, was die Ge- werkschaften fordern und erstreben. Die Maifeier geht uns über- dies doch auch als Mitglieder der politischen Arbeiterbewegung an. Wir können doch keinen Januskopf haben und als Gewerkschaftler so und als Angehörige der Partei anders handeln. Eine ganze Anzahl von Gewerkschaften hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die würdigste Form der Feier die Arbeitsruhe sei. Dennoch haben sich seit 1800 die Gewerkschaften um die Durchführung der Maifeier blutwenig gekümmert. Daß gemäß der Aeußerung eines Vertreters auf dem Verbandstag der Metallarbeiter nur 5 Prozent der Metallarbeiter den 1. Mai gefeiert haben, beweist, daß man noch gar keine Anstrengung gemacht hat, um die Mitglieder zur Feier zu bewegen. Die Tarifabschlüsse sind kein Hindernis für die Mai- feier. Erstens steht über die Maifeier nichts in den Tarifen, und zweitens ist die Feier an einem Tage kein Tarifbruch. Die Unter- nehmer schließen Tarifverträge, um denfortwährenden Beun- ruhigungen" aus dem Wege zu gehen. Da werden sie doch um des einen Tages willen nicht diese Beunruhigungen wieder heraufbe- schwören. Es fehlen uns aber Beschlüsse, wonach wir die Kollegen, die den 1. Mai durch Arbeitsruhe feiern, nachhaltig unterstützen können. Das muß angesichts der Aussperrungen der Maifeiernden auf die Feier hindernd einwirken. Der Redner empfiehlt die Annahme der Anträge 246 und 249, die lauten: 1. Antrag Berlin  : Der Verbandstag steht auf dem Standpunkt, daß die Feier des 1. Mai am würdigsten durch Ar- beitsruhe gefeiert wird. Er verpflichtet deshalb die Funktionäre des Verbandes, gemäß den Beschlüssen des Parteitages und des internationalen Kongresses in diesem Sinne zu wirken. 2. Gautag München  : In denjenigen Betrieben, wo drei Fünftel der Kollegen organisiert sind, ist der 1. Mai durch Ar- beitsruhe zu feiern. Für etwa hieraus entstehende nachteilige Folgen der betreffenden Kollegen hat die Organisation einzu- treten. 3. beantragt der Referent: Bei Aussperrungen und Maß. regelungen infolge der Arbeitsruhe am 1. Mai wird den davon Betroffenen, soweit sie voll- und halbberechtigt sind, die Streik- Unterstützung von der zweiten Woche an aus der Verbandshaupt- kasse gezahlt. Zu dem Gegenstand liegt eine Resolution des Gautages Berlin  als Material vor, ferner eine solche von Leopold-Berlin. Der Verbandstag beschließt, zunächst die Meinung deS Vorstandes über die Maifeierfrage zu hören. Leipart: Von einer Stellungnahme des Vorstandes kann eigentlich nicht die Rede sein, wie ja auch die früheren Verbands- tage es abgelehnt haben, zur Maifeier grundsätzlich Stellung zu nehmen. Der- Vorstand hat die Anträge auf Ausschluß von Mit- gliedern, die sich an der Maifeier nicht beteiligten, ablegen müssen. Weiter hat der Vorstand die Stellung eingenommen, daß es sich nicht empfiehlt, bei Lohnbewegungen die Freigabe des 1. Mai als Forderung aufzustellen, da es nicht zweckmäßig wäre, im Juli, August und September oder auch im Februar oder März für eine Forderung zu streiken, die der Unternehmer bis zum 1. Mai doch wieder umgestoßen haben kann. Der Vorstand steht gegenwärtig auf dem Standpunkt, daß alle Anträge abzulehnen sind, die den wegen des 1. Mai gemaßregelten Kollegen Streik- oder Gemäß- regeltenunterstützung gewähren wollen. Andernfalls müßte der Vor- stand bei den Anträgen auf Genehmigung von Streiks im Früh- jähr warten, bis sich die finanzielle Wirkung der Maifeier auf die Verbandskasse übersehen ließe. Der Vorstand hat über die diesjährige Beteiligung der Mit- glieder an der Maifeier eine Umfrage veranstaltet. Von den 741 Zahlstellen haben sich 413 an der Feier beteiligt. In diesen haben 70 047 Mitglieder den ganzen Tag, 247 einen halben Tag gefeiert. Von diesen wurden ausgesperrt: auf einen Tag 019, zwei Tage 677, drei Tage 092, vier Tage 264, fünf Tage 32. sechs Tage, also eine Woche, 1212, sieben Tage 1. bis zehn Tage 106, länger als zehn Tage 351, auf unbestimmte Zeit 55; ohne Angabe der Zeit figurieren 010 Mitglieder; dauernd entlassen wurden 81. Ins- gesamt wurden also von 71000 Mitgliedern 5600 gemaßregelt. Die Hälfte unserer Mitglieder hat nach dieser Statistik durch Arbeits- ruhe den 1. Mai gefeiert. Aus den einzelnen Städten greifen wir einige Zahlen heraus. Es wurden in Berlin   von 24 000 feiernden Mitgliedern 910 aus- gesperrt, in Bremen   von 745 65, in Breslau   von 1650 566, in Dresden   von 1750 127, in Leipzig   von 3000 1100, in Hamburg  von 6000 954, in Lübeck   von 400 32, in Hannover   von 1500 70, in Frankfurt   a. M. von 1500 13, in Stuttgart   von 2000 120. in Nürnberg   von 950 57, in Fürth   von 1384 4 usw. In der Diskussion stellen sich fast alle Redner auf den Standpunkt des Referenten Glocke. Robert Schmidt- Berlin   be- kämpft die Ausführungen und die Anträge nicht ernstlich, obwohl er grundfätzlich nicht auf deren Boden steht. Er verwahrt sich dagegen, daß er, wie behauptet worden sei, die Maifeier abschaffen wolle. Das Wesen des 1. Mai liegt für ihn nicht in dem Feier- oder Ruhetag, sondern in der Demonstration. Er glaubt, daß die Ge- werkschaften noch nicht stark genug sind, um es auf eine Kraft» probe am 1. Mai ankommen lassen zu können. In große Industrie- gebiete sei man kaum eingedrungen. Er hofft aber, daß es nicht dauernd nötig sein werde, sich bei der Maifeier die heutige Re- serve aufzuerlegen. Wenn aber der Verbandstag die Feier des 1. Mai durch Arbeitsruhe beschließe, dann dürfe er nicht auf die von einzelnen Rednern befürwortete Halbheit verfallen, die Gemäß» regelten von der Unterstützung durch die Hauptkasse auszuschließen, sondern dann müsse der Verband auch alle Konsequenzen auf sich nehmen. Merkwürdigerweise habe gerade Magdeburg   den Antrag auf absolute Feier am 1. Mai gestellt, obwohl in Magdeburg   von 1203 Mitgliedern nur 530 gefeiert haben. In der weiteren Diskussion wird der Ueberzcugung Ausdruck gegeben, daß die Aussperrungen zu einem wesentlichen Teile darauf zurückzuführen seien, daß die Kollegen nicht entschieden genug für die Maifeier eintreten. Bei einheitlicher Beteiligung werde das Maßregeln aufhören, wie auch gerade dort Aussperrungen statt- fanden, wo die Kollegen eineS Betriebes nur zum Teil feierten. Der Verbandstag nahm, wie schon telegraphisch gemeldet, schließlich einstimmig den Antrag 246(Berlin  ) an und be- schloß gegen 7 Stimmen, beiMaßregelungenauSAnlaß der Maifeier die davon Betroffenen aus der Verbandskasse zu unter st ützen. Die weiteren Anträge. die zur Maifeier vorliegen, wurden der Statutenberatuugst»«». Wission überwiesen, ebenso die Aesolutisoeo.