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Hr. 124. 23. Z. Kkilszc des ,Ar«ck" Knlim Msdlck. Dovilerstag, 31. Mai 1906. Gerichtsorganifation für Berlin und Bororte. Mit dem 1. Juni tritt für Berlin auf Grund des Gesetzes vom tS. September 1830 eine neue Genchtseinteilung in Kraft, die ins- besondere für alle Zivilsachen von Wesentlichkeit ist. An Stelle der heute bestehenden beiden Landgerichle Berlin I(für die Stadt) und Berlin II lfür die gesamten Alchenbezirke) treten drei Landgerichte. Außerdem ist die Einteilung, Zahl und Bezeichnung der Amtsgerichte eine wesentlich andere. Nachstehend geben wir ein Bild der Gerichtsorganisation, wie sie mit dem 1. Juni in Kraft treten wird. Berlin und seine Vororte werden in drei Landgerichte mit der Bezeichnung Landgericht I , Landgericht II und Landgericht III ein- geteilt. Das Landgericht I befindet sich Neue Friedrichstraße 16/17, und Grunerstr. 3. Die Strafsachen werden nach wie vor Alt- Moabit 11/12 und Turmstr. 73 abgeurteilt. O e r t l i ch zuständig ist das Landgericht I für den Bezirk, der fortan den Bezirk des Amtsgerichts Berlin-Mitte(siehe unten) bildet, sowie für Beschwerden und Berufungen gegen die vom Amis- gericht Berlin-Mitte gefällten Entscheidungen. Das Landgericht II(Zivilabteilungen HallescheS Ufer 29/31, Strafsachen: Turmstraße) ist örtlich zuständig für den Bezirk der Amtsgerichte Berlin-Schöneberg, Berlin-Tempelhof, Köpenick , Groß-Lichtcrfelde, Königs-Wnsierhausen, Mittenwalde , Rix darf, Trebbin und Zossen . Das Landgericht lll befindet sich in Charlottenburg am Tegeler Weg, Ecke Osnabrückerstraße(beim Bahnhof Juitgsernheide). Es ist örtlich zuständig für den Bezirk der Amtsgerichte Alt-Landsberg , Berlin-Wedding , Bernau , Charlottenburg , Kalkberge-Riidersdorf, Lichtenberg , Liebenwalde , Nauen , Neu-Weißensee, Oranienburg , Pankow , Spandau und Strausberg . Ramcn und Zuständigkeit der Amtsgerichte. 1. Das Amtsgericht Berlin-Mitte(Neue Friedrichstraße 12/15 und Molkenmarkt 2) ist örtlich zuständig für: die­jenigen Teile Berlins und der Kreise Niederbarnim und Teltow , die begrenzt werde»: im Norden und Osten durch die äußere Grenze der Berliner Ringbahn von dem Charlottenburger Vcibindungs- kanal bis zur Spree bei Treptow , im Süden durch das linke Spree- ufer von der Eisenbahnüberführung bis zum Austritte des oberen Freiarchengrabens, durch das Südufer dieses Grabens und weiterhin durch das Südufer des SchiffayrtSkanals bis zu dessen Mündung in die Spree, im Westen durch das Westufer des Charlottenburger VerbindungSkannlS. Zu welchen anderen Amtsgerichten die übrigen Stadtteile Berlins gehören, ergibt die Anführung bei den nach- folgenden Amtsgerichten. Für die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin -Mtte ist hervorzuheben, daß diesem Gericht die gemeinsame Führung der Güterrechts-. Handels-, Genossenschafts-, Binnenschiffs-, Muster«, Börsen-, Wassergenossenschasts-Register für die Amtsgerichte Berlin- Mitte-Schöneberg -Tcmpelhof. Charlottenburg , Rixdorf zufällt. 2. DaS Amtsgericht Bcrlin-Tempelhof liegt HallescheS Ufer 29/31 und HallescheS Ufer 26. Es ist zuständig für den Teil von Berlin , der südlich des Schiffahrtskanals, östlich der Berlin -Aitbalter Eisen- bahn belegen ist, ferner für die Amtsbezirke: Tempelyof. Blanken- felde(mit Ausschluß des Gemeinde- und des Gutsbezirks Rangs- dorf), Mahlow (mit Ausschluß deS Gemeinde- und des Gutsbezirks Diedersdorf), Mariendorf (mit Ausschluß des Gemeindebezirks Lank- »sitz); ferner für den Gemeinde- und Gutsbezirk Jühnsdorf des Amtsbezirks Groß-Schulzendorf und für den Gutsbezirk Hasenhcide. 3. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg liegt in Schöneberg (Wartburgplatz. Grnnewaldsttaße). Oertlich zuständig ist es für die Gemeinden Schöneberg , Friedenau und Steglitz und ferner für den südlich des Schiffahrtskanals belegenen Teil von Berlin (Potsdamer Vorstadt), soweit er nicht zu dem Amtsgericht Berlin - Tcmpelhof gelegt ist. 4. Das Amtsgericht Berlin-Wedding(Brunnenplatz) ist örtlich z u st ä n d i g für den nördlich des Nordrings und westlich der Prenzlauer Allee belegenen Teil Berlins (Vorstadt Wedding und Schönhauser Vorstadt) sowie für die Amtsbezirke Wittenau , Reinickendorf . Tegel , also für die Gemeinden Wittenau (Dalldorf ), Borsigwalde , tzermsdorf, Lübars , Heiligensee , Plötzensee, Reinicken- dorf und Tegel . 5. Das Amtsgericht Charlottenburg (Kantstraße) ist zuständig für den Stadtkreis Charlottenburg und für die Amtsbezirke Deuffch-Wilmersdorf, Grunewald , Schmargendorf , Spandauer Forst(die Gemeinden Wilmersdorf . Schmargendorf , Kolonie und Forstbezirk Grunewald, Dahlem und Ruhlebcn). 6. Das Amtsgericht Groß-Lichterfclde(Ringstraße) ist zuständig für: Groß-Lichterfelde , Lankwitz , Zehlendorf mit Schlachtensee und Nikolassee , Teltow , Schönow, Osdorf , Ruhlsdorf, Heinersdorf , Groß- und Klein-Beeren. Diedersdorf. 7. Das Amtsgericht Lichtenberg (Magdafttaße) ist zuständig für: Lichtenberg , Hohenschönhausen , Wilhelmsberg, Marzahn . Hellers- dorf, Friedrichsselde. Biesdorf , Kaulsdorf . Mahlsdorf . Rummelsburg . Ettalau(mit Ausnahme der zu dem Amtsgericht Berlin-Mitte ge- legten Teile). 3. Das Amtsgericht Neu-Weißensee(Ecke Park- und verlängerte Große Seestraße) ist zuständig für den nördlich des Nordringes. östlich der Prenzlauer Allee belegenen Teil Berlins (Prenzlauer Vorstadt), sowie für Weißensee . Heinersdorf , Malchow (nicht für Carow), Wartenberg , Falkenberg . Lindenberg und Ahrensfelde . 9. Das Amtsgericht Pankow (Kissingerstraße) ist zuständig für die Amtsbezirke Blankenfelde , Nieder-Schönhausen, Pankow , Schöner­linde, Schönwalhe, sowie für den Amtsbezirk Französifch-Buchholz mit Ausschluß von Heinersdorf und für die Gemeinde Carow. 10. Das Amtsgericht Rixdorf(Berlinerstr. 64/69) ist zuständig für den Stadtkreis Rixdorf sowie für Britz , Baumschulenweg , Rudow , Buckow , Groß- und Klein-Ziethen, Schönfelde , WaSmannsdorf, Selchow und Treptow (mit Ausnahme des zu dem Amtsgericht Berlin-Mitte gelegten Teiles). An Stelle einer Zentralisierung tritt also eine zu arger Kon- fufion führende Dezentralisierung. Die Einrichtungen fallen wie ersichtlich, vielfach, insbesondere für die Stadt Berlin , nicht mit der Gemeindegrenze zusammen. Wegen deS Umzuges ersucht der Kammergerichtspräsident, in den ersten Tagen des Juni alle gerichtlichen Akte, die nicht besonders eilbedürftig und dringend sind, tmtlichst zu unterlassen oder doch auf daS notwendigste zu beschränken. Die unbequeme, kostspielige und ohne Rücksicht auf die Be- dürfnisse deS Publikums vom Gesetzgeber geschaffene neue Gerichts- organisation Berlins wirft schon ihre Schatten voraus. Die Flucht Hennigs vor Gericht. Bor der vierten Strafkammer standen gestern die Kriminal- schutzleute Johann Gottlieb Petschack und Wilhelm Wölk unter der Anklage, als Beamte durch Fahrlässigkeit die Eilt- weichung eines Gefangenen lHenitig), dessen Begleitung ihnen an- vertraut war, erleichtert zu haben. Unter den Zeugen befindet sich H e n n i g. Der Angeklagte Petschack erklärt: Ich bin seit dem Jahre 188S Kriminalschutzmann. Seit mehreren Jahren bekleide ich den Posten eines ersten Kriminalbeamten in dem 17. Polizeirevier in der Wörtherftr. 1. Am 6. Februar, kurz vor dem Abendappell teilte ihm nun Wölk mit, daß sich in der Chorinerstr. 04 ein Mensch unter verdächtigen Umständen un- angemeldet aufhalte. Ich teilte dieS dem Polizeileutnant Wolter mit, der mir und Wölk dem Aufttag gab, nachzusehen, was an der Sache sei. Wir sollten uns vorher beim Hauswirt über die Persönlichkeit deS Unbekannten erkundigen. An irgend einem Zusammenhang mit der Hennigschen Mordaffäre dachten wir nicht. Am Sonntag zuvor war uns in einer Versammlung der Kriminalbeamten vom Kommissar WannowSki an der Hand einer Photographie von Hennig, die 13 Jahre alt ist, eine Personal- beschreibung gegeben. Der Hauseigentünier der Chorinerstraße 54, frühere Schutzmann Loest, hatte zu Walk geäußert, der Unangemeldete habe eine Aehnlichkeit mit Hennig. Wir gingen zu Loest. Der Frau Loest legte ich das Bild Hennigs vor und fragte, ob es eine Aehn- lichkeit mit dem Unbekannten habe. Sie konnte aber sich darüber nicht bestimmt aussprechen. Besuch bei Hennig. Wir gingen dann hinauf zu Frau Schöler, wo der Unangemeldete wohnte und klopften an. Von innen rief eine Sttmme:.Wer ist denn da?' und nachdem ich geantwortet hatte:.Machen Sie auf l" öffnete nach einigen Minuten ein angekleideter Mann, zu dem ich sagte:Sie wohnen hier unangemeldet; wo kommen Sie denn her?" Er sagte, er komme aus Hamburg , wo er sich einige Zeit aufgehalten, und sei der Kaufmann Alfred Heiden. Ich sagte ihm, das kann jeder sagen, ich brauche Ihnen das nicht zu glauben. Darauf meinte er:Wenn Sie das nicht glauben, so komme ich mit und werde mich auf der Polizei legitimieren." Ich sah ihn mir an und fand mit der Photographte absolut keine Aehnlichkeit. Sein ganzes Auftteten war das eines anständigen, gebildeten Menschen, er zeigte auch gar keine Angst, sondern ging ruhig und gelaffen mit. Vorher trat er noch vor den Spiegel, drehte sich(einen Schnurrbart, zog den Ueberzieher an, und auf dem Korridor sagte er noch zu Frau Schöler: Halten Sie den Kaffee bereit, ich komme in einer halben Stunde wieder. Sistierung. So verließen wir die Wohnung. Heiden ging zwischen uns. Auf der Straße ging der Mann sehr ruhig wie der harmloseste Mensch. Als wir vor der Wache ankamen, ging ich mit dem Un- bekannten, der links von mir ging, etwas voraus und Wölk kam gleich hinter uns. Ehe man an die Tür des Polizeibureaus kommt, hat man eine Flurtür zu passieren, die zur einen Hälfte fest und zur anderen Hälfte beweglich ist. Flucht. MS wir an dem Podest ankamen, wo die Tür sich befindet und ich diese öffnete, drehte sich der Mann plötzlich um, haute drauf los, sprang blitzschnell die acht Stufen in einem Sprung herunter, fiel zuerst, raffte sich auf und lief fort. Ich rannte hinterher. Er rannte in das Haus Schönhauser Allee 28 und wurde verfolgt. Plötzlich schrie jemand: Er geht über die Grenz- mauer nach den, Hause Wörtherftr. 48, ich lief dorthin und plötzlich hieß eS:er läuft über die Dächerl" Angeklagter Wölk erklärt, er fei feit zwölf Jahren bei der Berliner Schutzmannschaft und seit drei Jahren in dem 17. Polizei- revier in der Wörtherstraße als Kriminalschntzmann angestellt. Er schildert die Ereigniffe von der mißglückten Festnahme wie der An- geschuldigte Petschack. Er betont insbesondere, es habe sich um Fest- stellung einer Meldelontravcntion. nicht um Festnahme Hennigs ge- handelt. Beweisaufnahme. Zeuge H a u s b e f i tz e r L o e st: Ms ich in der Zeitttng das Bild Hennigs sah, faßte ich und meine Frau sofort den Verdacht, daß der bei Frau Schöber zugezogene und noch nicht angemeldete Mann der Mörder Hennig sei. Ich wollte meine Wahrnehmung dem Revier mitteilen. Auf dem Wege dahin traf ich den Angeklagten Wölk und teilte ihm mit, daß nach meiner Ueberzeugung, nach dem Bilde und nach dem Anzug usw. der Kerl der Mörder Hennig sei. Wölk übernahm eS, beim Reviervorstand Meldung zu machen. Am anderen Tage kamen die beiden Angeklagten und sagten, sie wollten sich weiter dqnach umtun. Petschack, so fährt der Zeuge fort, zeigte nur die von ihm mitgebrachte Photographie und ich sagte ohne wetteres: Ja, das ist er. Ich kann mir nicht helfen, Herr Präsident,'es tut mir leid, hier das sagen zu müssen, aber ich muß doch bei der Wahrheit bleiben I Präs.: Na gewiß, Herr Zeuge, Sie werden sich doch nicht aus Mitleid mit den Angeklagten zeit- lebens unglücklich machen wollen. Der Zeuge erzählt weiter, daß auch seine Frau sofort gesagt habe, daß eS Hennig sein müsse. Der Verdacht war um so gerechtfertigter, als in der Personalbeschreibung auch ein kleiner, schwarzer Hut und ein Stock mit silberner Krücke als Kennzeichen angegeben waren und der Fremde, der diese Beschreibung wohl ge- lesen haben mochte, danach gleich mit einem Zylinder und ohne Stock mit silberner Krücke ausging, während er vorher diese in der Beschreibung angeführten Sachen gehabt hatte. Der Zeuge hat den Angeklagten gesagt, sie sollten sich doch den Mann einmal ansehen, indem sie vorschützten, das Zimmer mieten zu wollen. Die Ange klagten sagten aber:Das ist nicht nötg, der ist so wie so unser Mann I" Richtig ist, daß Hennig beim Weggehen mit den Beamten der Frau Schöber zugerufen hatte:Bitte, in einer halben Stunde Kaffee I" Diese Dreistigkeit hat den Zeugen in seiner Ansicht wieder schwankend gemacht. Die Frau Loest und Frau Schöber bestätigen die Aussagen diees Zeugen. Hennigs Lernehmung. Der zum Tode verurteilte Zeuge Hennig bleibt während seiner Vernehmung gefesselt. Unnütze Borsicht. Zwei Gefängnisbeamte mußten ihn auf Anordnung des Präsidenten an den Armen festhalten, zwei hinter ihm Posto fassen. Er erzählt den Vorfall wie folgt: Anfangs Februar mietete ich mir bei der Frau Schöber ein Zimmer. Ich hatte den Plan, nur fünf Tage dort zu wohnen. Nach drei oder vier Tagen klopfte es eines Morgens an der Tür, ich lag noch im Bett und sagte den draußen Wartenden, sie müßten warten, da ich mich erst anziehen wolle. Der ältere Beamte(Petschack) kam auf mich zu und sagte:Sagen Sie mal, Sie wohnen unangemeldet hier." Ich antwortete:Ja. es ist aber erst der dritte Tag." Der Beamte fragte mich:_Haben Sie Legitimationspapiere?" Worauf ich antwortete:Nein, die sind bei meinem Chef in Hamburg ." Der Beamte sagte darauf:Na, dann bedauere rch, dann muß ich Sie zur Wache mitnehmen." Vors.: Haben Sie bemerkt, daß einer der Beamten eine Photographie hervorzog? Hennig: Jawohl, der ältere(Petschack) nahm eine Photographie hervor und verglich sie mit mir. Vors.: Hennig, stimmt das auch? . ennig: Ja, ich weiß eS ganz genau. Der Beamte steckte die Photographie jedoch ohne weiteres wieder ein. er mußte mich wohl nicht für den Hennig halten. Vors.: Sie sollen eine große Narbe am Halse haben? Hennig: Jawohl, wenn die Beamten darauf sehen wollten, hätten sie mich im ganzen Leben nicht gekriegt. Vors.: Haben die Beamten nach Legitimationspapieren gesucht? Zeuge: Nein. ES lag doch keine Veranlassnng vor. zu re- vidieren. Einer guckte ja mal unters Sofa, sonst aber geschah nichts. Sie hätten ja bloß in die Paletottaschen fassen branchen, da waren ja alle Papiere drin. Vors.: Erzählen Sie nun den Transport zur Wache. Zeuge: Wir gingen dann ein Stück die Chorinerstraße entlang und kamen durch einen Durchgang in der Tre�ckowstraße wieder heraus. Die Beamten hatten mich vorschriftsmäßig in ihre Mitte genonimen und wendeten auch, wie ich sah. eine gewlffe Aufmerk- samkeit an. Vors.: Merkten Sie. daß Sie von den Beaniten be- obachtet wurden? Zeuge: Jawohl. Auf der Straße hatten eS die Beamten nicht an Sorgsalt fehlen lafsen. Erst auf dem Flur der Polizeiwache war es anders. Der ältere Beamte ging vorauf und öffnete die Flügelttir. Vors.: War der eine Flügel fest?" Zeuge(lachend): DaS habe ich nicht weiter untersucht. Mso, als der Beamte gerade die Tür öffnete, zog ich meinen Revolver hervor und legte auf den zwei Stufen tiefer stehenden Beamten an. Vors.: Haben Sie los- gedrückt? Zeuge: Das hätte ja gar keinen Zweck gehabt, der Revolver war gar nicht geladen. Als der zweite Beamte vor Schreck die Hand vorhielt, stieß ich ihn einfach beiseite und lief davon. Hennig wird, nachdem ihm die Feffel abgenommen worden ist, nunmehr vereidigt. R.-A. Arndt: Ich bitte, in Gegenwart des Zeugen einmal die über ihn erschienene Personalbeschreibung zu verlesen, um sich über- zeugen zu können, inwieweit sie zuttifft. Dies geschieht. R.-A. Arndt: Meinen Sie nun, daß diese Beschreibung auf Sie paßt?Hennig: Wer mich nach der veröffentlichten Photo- graphie suchen sollte, hätte mich im Leben nicht finden können. Hierauf wird der Zeuge unter denselben Sicherheitsmaßregeln wie bei seinem Hertransport wieder in das Untersuchungsgefängnis zurücktransportiert. Zeuge Kriminalkommissar Wanowski ist mit der Bearbeitung der Hennigschen Mordsache betraut gewesen. Er bekundet unter anderem, er habe außerdem eine Runddepesche an alle Reviere er- lassen, daß von allen wichtigen Meldungen in dieser Affäre ihm so- fort telegraphische Nachricht nach seinem Zimmer auf dem Polizei- Präsidium, wo er sich zu jener Zeit Tag und Nacht aufhielt, gegeben werden sollte. Auf Befragen des Rechtsanwalt Arndt bestättgt der Zeuge, daß er durch Rundschreiben vom 23. Februar, als Hennig noch nicht gefaßt war, die Reviere aufgefordert habe, die Anschläge in Sachen Hennig zu entfernen, da das Bild desselben diesem nicht mehr ähnlich sei. Polizeileutnant Wolter, der Rebiervorstand ans der Wörther st raße, gibt zu. daß er das letztere Rundschreiben gekannt, es aber so aufgefaßt habe, daß damit nur das Zimmer be- zeichnet werden sollte, wo der Kommissar Wannowski zu finden sei, ohne daß die Boten erst nöttg hätten, lange nach dem Zimmer suchen zu müssen. Als ihm am 5. Februar der Angeklagte Wölk die Meldung von der ihm gewordenen Mitteilung des Hauseigenttimers Loest machte, war bloß davon die Rede, daß nach Ansicht deS letzteren die Möglichkeit" vorlag, daß der unangemeldet bei Frau Schöber wohnende Mann Hennig sein könnte. Er habe sich die Sache überlegt und sich gesagt, daß in solchen Fällen, wo durch die Presse daS Publikum zur Mithülfe zur Ergreifung von Kapital- verbrechen, aufgerufen wird, so viele Meldungen einzulaufen pflegen, daß man nicht jede gleich als große Sache auffassen kann. Dazu kam noch, daß daS Bild, nach welchem sich Herr Loest dieMöglichkeit" konstruiert hatte, 13 Jahre alt war, daß eS sich um ein anständiaes Haus und eine anständige Familie handelte und Raubmörder in solche im allgemeinen nicht zu ziehen pflegen, sondern sich andere Unterkunstsorte aussuchen. Er hielt jedenfalls diese Meldung noch sehr der Nachprüfung für bedürftig. Er hielt es für zweckmäßig, wenn es sich Ivirklich um Hennig handelte, bei diesem keinen Verdacht zu erregen, sondern an ihn des Morgens heran- zukommen, zn einer Zeit, wo er noch schläft. Auf den Appell am nächsten Morgen habe er dann den Angeklagten gesagt, daß bei Frau Schöber ein verdächtiger Mann zugezogen sei und eine geringe Mög« lichkeit vorliege, daß es Henmg sein könnte. Er habe die beiden Angeklagten dann beaustragt, zu Frau Schöber zu gehen und sich nach den. Manne zu erkundigen und nach seiner Legitimation zu fragen. Wenn er geglaubt hätte, daß es sich wirklich um Hennighandelte, dann hätte er nicht dieberden Beamten geschickt, sondernwäreselb st mitanderen Beamten hingegangen. Der Staatsanwalt beantragt gegen Petschack 50 M., gegen Wölk 30 M. Geldstrafe. Die Verteidiger legten dar, daß keine Fahr- läsflgkeit vorliege. Die Behandlung der ganzen Meldung auf dem Revier und andere Umstände hätten das Entweichen bewirkt. Der Gerichtshof kam zu einer Verurteilung der Angeklagten. Er war der Meinung, daß sie bei der ganzen Sachlage und bei der ziemlich bestimmt ausgesprochenen Vermutung, daß eS sich um den Raubmörder handelte, doch ganz grob fahr- lässig gehandelt haben, als sie ihn in so Vertrauens- seliger, bei einen, vermeintlichen Raubmörder gewiß ganz unangebrachter Weise zum Polizeibureou begleiteten. Nur mit Rücksicht darauf, daß sie altgediente Beamte seien, die sich bis dahin nichts haben zuschulden kommen lassen, habe der Gerichtshof eine Geldstrafe gewählt und diese gegen Petschack auf 300 Mark event. 60 Tage Gefängnis, gegen Wölk auf 100 Mark event. 20 Tage Gefängnis festgesetzt. 4. des Nerbandes Arbeiter. Mainz . 29. Mai. Dritter BerhandlungStag. Die Debatte über den Bericht des Vorstandes wird fortgesetzt, sie bewegt sich im wesentlichen in denselben Bahnen, wie gestern. Ein Schlutzantrag wird angenommen. Die Mitglieder des Haupt- Vorstandes beschäftigen sich eingehend mit den erhobenen Einwen- düngen, ebenso der Vertreter des Ausschusses. Hierauf Mittags- pause. Grenzstreitigkeiten und Organisationsform. In der Nachmittagssitzung referiert Mohs über Grenz- streit ig leiten. Die Gemeindcarbeiter sind stets bestrebt, die Reibungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Das besagt nicht, daß sie zu Kreuze kriechen, sondern sie wollen auf dem Wege der Gleichberechtigung mit den übrigen Gewerkschaften ihre Angelegen- heiten ordnen. Die Eigenartigkeit der kommunalen Betriebe bringt die Notwendigkeit eineS einheitlichen taktischen Vorgehens mit sich, was wiederum dazu führt, daß die Leute sich zu einem B e. triebsverband zusammenschließen, um gemeinsam vorgehen zu können. Da nun die verschiedensten Berufe sich hier zusammen- finden, so muffen die Gegensätze aufeinanderplatzen. Hier kann nur in der Form Abhülfe geschaffen werden, daß man Kartell- Verträge abschließt mit den beteiligten Gewerkschaften, die alles zu regeln haben. Dies schließt in sich, daß die Leistungen der Kartellteilnehmer einigermaßen gleickstvertig sind. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Was entstanden ist, verdankt seine Existenz der Notwendigkeit und deshalb wollen und müssen wir damit rech- nen. Auf dem Wege der Organisation der Staats-' und Gemeinde- arbeiter in Betriebsverbänden, gegliedert in Berufssektionen auf lokaler Grundlage, verbunden mit Einigung auf dem Kartellwcgc ist die Wahrung der Interessen aller Arbeiter ebenso wie auch der Friede gesichert. Der Vertreter des Verbandes der Steinsetzer erklärt, daß gar mancherlei Differenzpunkte vorhanden sind. Er betont, daß in Teutschland rund 600 Pflasterer in Gemeinde- und Staats- betrieben vorhanden feien, die, falls nicht im Steinsetzerverband organisiert, der Einführung deS längst projektierten allgemeinen Lohntarife für ganz Deutschland im Wege ständen. Den Vor» schlagen des Referenten stimmt er zu. Der Vertreter des TranSportarbeiterverbandeS, Hempel, stimmt den Vorschlägen des Referenten gleichfalls zu. Werde dieser Weg eingeschlagen, dann dürste eine Einigung wohl nicht schwer sein. Den Gemeindearbcitcrn stehen nur zwei Wege' offen: entweder sie anerkennen die Resolution der Konserenz der Vorstände, oder eine Aetriebsorganisation der.Gemeindegrbeiter