gehen der entschieden liforcilen Elemente Bei den Wahlen ausgesprochen und zugleich gewagt, die von dem„Wahlausschuß der vereinigten Liberalen" bei der Darmstädter Reichstags- ersatzwahl ausgegebene Stichwahlparole zu billigen. Solche Vermessenheit geht der„Fr. D. Presse" und ihren Hinter- männern gegen den Strich. Herr Müller-Sagau erläßt des- halb in seinem Organ einen Ukas, in dem er erklärt, daß für das Verhalten der Freisinnigen Volkspartei zu den anderen Parteien die Meinungen des hessischen„freisinnigen Landes- Vereins" absolut bedeutungslos sind: „... Ein„freisinniger Landcsvcrein für das Großherzogtum Hessen" ist kein Glied der Organisation der Freisinnigen Volks- Partei, sondern kennzeichnet sich selber als aus„Angehörigen der drei linksliberalen Parteien", auch der Freisinnigen Ver- einigung und der Deutschen Volkspartei , zusammengesetzt. Matz- gebend für die Haltung der Freisinnigen Volkspartei zu anderen Parteien sind die Beschlüsse der Parteitage, vornehmlich des Parteitages zu Wiesbaden , dem zuwider die Darmstädter einen nationalsozialen Kandidaten auf den Schild erhoben haben. In dem Beschlutz des Wiesbadener Parteitages heitzt es:„Der Parteitag hält ein Zusammenwirken mit na t i o na l s oz i a l e n Elementen für eine poli- tische Unmöglichkeit, gleichviel, welcher politischen Gruppe sie sich anschließen." Was soll da erst werden, wenn es sich nicht nur bloß um nichtssagende Beschlüsse, sondern um die Aufstellung gentein- samer Kandidaten und um gemeinsame Arbeit handelt. Viel- leicht erleben wir noch die hübsche Komödie, daß in einigen Wahlkreisen die männlichen Freisinnigen sich mit der Frei- sinnigen Vereinigung, in einem anderen mit den National- liberalen„vereinigen", und daß dann beide Gruppen, ähnlich wie bei der Darmstädter Stichwahl, gegen einander in- trigieren.— Landtagsferien. Gestern sind auch die beiden hohen Häuser des Landtages, das Forussische Dreiklassenparlament und das edle Haus der Fossilien, in die Ferien gegangen, das Abgeordnetenhaus auf unbestimmte Zeit, das Herrenhaus bis zum 15. Juni. Redlich haben sich die konservativen Herren beider Konfessionen mit Unterstützung der nationalliberalen „Staatsmänner" bemüht, die ihnen von der Regierung vorgelegten reaktionären Gesetzesvorlagen zu verschlechtern, und unter Aufwand ihrer von den Vätern ererbten Weisheit ist ihnen das, wie anerkannt werden mutz, bei den meisten Vorlagen, besonders bei dem Schul- verpfaffuugs- und dem Knappschastsgesetz, auch vortrefflich gelungen. Selten hat bisher eine Tagung der westkalmückischen Duma gleich Wertvolles auf dem Gebiet der reaktionären Bestrebungen geleistet' und es ist daher begreiflich, datz die hohen Herren hinausstreben nach Misdroy und Heringsdorf , nach Baden-Baden oder nach dem feudalen Heiligendamm , um sich von den im Dienste der vaterländischen In- teresien überstandenen Hirnstrapazen zu erholen. ES war denn auch den beiden hohen Hänsern vergönnt, in dem beendeten SesstonSabschnitt eine recht stattliche Anzahl von Gesetzen zu verabschieden, nämlich: 1. den Enttourf betreffend die Abänderung des Einkommen- und Ergänzungssteuergesetzes, 2. das Knappschastsgesetz, 3. den Entwurf über die Befähigung zum höheren Ver- waltungSdienst, 4. den Entwurf betreffend Einsetzung von Bezirks- eisenbahnräten, 5. die Hereynia-Vorlage, 6. das Sekundärbahngesetz. 7. den Entwurf betreffend Verbefferung der WohnungSverhältniffe staatlicher Arbeiter, 8. die Wahlrechtsreformvorlage(Schlutz- abstimmung im Herrenhause steht noch rus), S. die Lotterieverträge mit Thüringen und Reuh, 10. den Staatshaushaltsetat. Vom Herrenhaus erledigt, im Abgeordnetenhaus aber noch un« erledigt geblieben sind: 1. der Entwurf betreffend Anlegung von Spar« kasienbeständen in Jnhaberpapieren, 2. der Entwurf betreffend die Zulassung einer Verschuldungsgrenze für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke, 3. der Entwurf gegen die Verunstaltung von Ortschaften, 4. der Entwurf betreffend Abänderung des hannoverschen Gesetzes über die Zusammenlegung der Grundstücke, 5. der Entwurf zur Deklarierung des Kommunalabgabengesetzes. Vom Abgeordneten- Haus erleb igt, im Herrenhaus aber unerledigt geblieben sind: 1. der Entwurf betreffend Gewährung von Geldmitteln für die Vorflutverhältnisse an der Oder; 2. der Staatsvertrag wegen der Mainkanalisierung; 3. die Sckulvorlage. Von beiden Häusern unerledigt bleiben die Entwürfe über die Ausübung des JagdrechteS und der Entwurf über die Wander- arbeitsftätten. Der vom Abgeordnetenhause angenommene Entwurf über Aenderung des Kommunalabgabengesetzes sZuschutz der Betriebs- gemeinde an die Wohnortsgemeinde zu Schul- und Armenlastrn) ist vom Herrenhause geändert worden, mutz also vom Abgeordneten- hause nochmals beraten werden. Rechnet man dazu die vielen KommisiionS- und FraktionS- sitzungen sowie die anstrengenden„gesellschaftlichen Verpflichtungen" aller Art, so haben die Herren beider Häuser entschieden Bedeutendes an Arbeit zum Wohl des preußischen Volkes, vornehmlich natürlich seines„edelsten" Teiles, geleistet.— Nach den Wahlen. Man schreibt uns aus Brüssel : Die Kompliziertheit der Berechnung beim Proportional- System bringt es mit sich, daß die Feststellung der Ergebnisse der Sonntags-Wahlen erst am Dienstag morgen zu ermöglichen war. So erübrigte es sich denn auch, über die neue politische Lage in Belgien vorher etwas zu sagen. Die Wahl erstreckte sich auf die eine Hälfte des Landes, nämlich auf die Provinzen Brabant , Antwerpen , Namur , Luxemburg und West-Flandern . Von den 85 Kammer-Mitgliedern, deren Mandate erledigt waren, gehörten 54 der klerikalen, 20 der liberalen, 10 der sozialdemokratischen und einer der christlich-demokrattschen Partei an. Die Wahlen brachten den Katholiken nur noch 50, den Liberalen aber 23 und den Sozialdemokraten 12 Sitze! Damit ist die Mehrheit der Ultramontanen von 20 auf 12 Stimmen gesunken, und die neue Kammer wird bestehen aus: 89 Katho- liken, 46 Liberalen, 30 Sozialdemokraten und einem christlichen Demokraten. Da die beiden Oppositionsparteien nun verstärkt ins Parlament einziehen, könnte man sich leicht versucht fühlen, den Sieg der Liberalen und der Sozialdemokraten zu über- schätzen. Man muß aber folgendes bedenken: Vor den Wahlen schien der Sturz der Reakttonsrcgierung besiegelt, denn die Katholiken waren nicht nur durch ihre nun 22 Jahre dauernde Oberherrschaft, sondern auch durch persönliche und prinzipielle Uneinigkeiten in den eigenen Reihen geschwächt, sie hatten kein zugkräftiges Rcgierungsprogramm für die Zukunft. Und> s o traten sie vor die Wähler I Hingegen hatte die Opposition alle guten Chancen für sich: Die liberale Partei war durch den Beitritt der sogenannten „gemäßigten" Elemente gekräftigt, ihr und der Sozial- demokratcn Programm war im ganzen Lande populär; denn die drei Reformforderungen: Allgemeines Wahlrecht, allgemeine Schulpflicht, allgemeine Hcerespsticht nebst Verkürzung der Dienstzeit sind allen nichtklerikalen Belgiern seit Jahren ge- läufig. Zur Eroberung dieser Reformen und mit dem Ziele. die Mängel des belgischen Proportionalsystcms zu beseitigen, schien das liberal-sozialdemokratisch-christlich-demokratische Kartell aufs beste präpariert: den Katholiken die Majorität zu entreißen. Diese Hoffnungen haben sich leider nicht erfüllt. Mcr- dings sind die Liberalen schließlich, wenn man die Stimmen- zahlen in Betracht zieht, noch besser fortgekommen als die Sozialisten. Sie gewannen zum Beispiel in Brüssel 27000, die Sozialisten nur 300 Stimmen. Aber darüber kann uns immerhin die Tatsache hiuwegtrösten, daß die für die Kandidaten der Arbeiterpartei abgegebenen Stimnien diesmal wenigstens als„reine" sozialisttsche Stimmen angesprochen werden dürfen. Hat die Partei trotzdem keinen Sitz eingebüßt, sondern sogar zwei erobert, so gibt das uns für zukünftige Kämpfe immerhin nicht unerfreuliche Aussichten auf den Weg. Die Regierung ist mit dem Wahlergebnis recht unzufrieden. Zwar ist die Uebermacht der Schwarzen für zwei weitere Jahre garantiert, aber der Niedergang ihrer Majoritätsziffern macht sie doch ängstlich und bedxnklich. Schon verkündigen die Vor- sichtigen unter ihnen, man müsse sich mit dem Gedanken ver- traut machen, dem Volke einige Konzessionen zu gewähren, ihm einige seiner Forderungen zu ersüllen. Die schwarze Reaktions-Srlppe soll also in Zukunft ein wenig verdünnt werden. Wir werden uns redliche Mühe geben, unseren Klerikalen bei den Wahlen 1908 gehörig in ihre saure Suppe zu spucken.— m Oeutlckes Reich. Sauf-Prämiierung. Einen Borschlag zur Abwälzung der Brausteuererhöhung auf die Konsumenten leistet sich das Berliner Fachorgan„Deutsche Brau- industrie". Obgleich bekanntlich selbst für die allergrößten Brauereien die Steuererhöhung nur ungefähr 1,15 M. pro Hektoliter Bier be- trägt, plädiert das Vlättchen dafür, daß die Brauereien sämtlich ihren Preis um 2 M. erhöhen sollen. Damit aber nun nicht die Gastwirte die Benachteiligten sind, sollen diese den Preis für jedes erste Glas Bier, das ein Gast bei ihnen trinkt, um 5 Pf. erhöhen. Wörtlich schreibt das Blatt der„notleidenden" Groß- brauereien: Die norddeutschen Bierbrauereien sollten sich mit den Gast- Wirten auf folgendes Vorgehen einigen: 1. Die Brauereien erhöhen den Preis für untergäriges Bier in ganz Norddeulschland gleichmäßig um 2 M. pro Hektoliter. 2. Die Gastwirte fordern für das erste Glas Bier zwanzig Pfennig, für jedes weitere 15 Pf, wie bisher. Bei 200 Glas zu V10 Liter macht der Gastwirt noch ein gutes Geschäft, denn em Mehr kommt schon durch daS erste Glas zu 20 Pf. heraus. Das Publikum hat es dabei vollständig in der Gewalt, die ihm durch den Reichstag und Bundesrat auferlegte Verbrauchs- abgäbe zu tragen oder abzulehnen. Wer fünf Glas Bier trinkt, hat die für das erste Glas Bier mehr gezahlten 5 Pf, wieder eingebracht: wer inehr trinkt, hat schon einen Vorteil gegenüber dem weniger Trinkenden. Und der Wirt.hat außerdem seßhaftere Gäste, denn mancher, der ge- wohnt ist, die Lokale mehrmals zu Wechsel», wird dies unterlassen, weil er im neuen Lokale für das erste GlaS wieder 20 Pfennige zahlen muß. Die AiuialkoHoliker kommen dabei aber am wenigsten auf ihre Rechnung, denn der Biervcrbrauch wird nicht zurückgehen, sondern eher steige». Es wirh dann gewissermaßen ein Trinken stattfinden um die„Prämie von fünf Pfennig" bei fünf Gläsern Bier." Der Vorschlag erscheint als ein fauler Witz; er ist aber tat- sächlich ernst gemeint, wie denn auch hinterher das edle Brauorgan in komischer sittlicher Entrüstung über die„Hetze" der Tageszeitungen gegen die Brauereien zetert. Für die Wirte dürfte sich allerdings die vorgeschlagene Methode, wenn sie sich durchführen ließe, als recht profitabel erweisen; denn es gibt genug Leute, die es in der Trink- festigkeit noch nicht bis zum sechsten Seidel gebracht haben, sondern sich mit einem oder zwei Seidel begnügen. Für diese würde der Auffchlag nicht weniger als 33'/, bezw. 162/s Proz. bettagen.— Aus dem Reichstagswnhlkreise Rinteln -HofgelSmar, der infolge des Ablebens des Grafen Reventlow vor einer Ersatzwahl steht, wird uns geschrieben: Schon jetzt treten die Genossen Rintelns in die Agitation ein. Sie sammeln die gelesenen Parteizeitungen und den„Wahren Jakob" und der Genosse Lambrecht verbreitet sie in den Dörfern der Umgegend. Am Dienstag kam er in das Dorf RolfShagen. Der Bürgermeister hielt ihn auf der Straße an und forderte ihn auf, mit in die bürgermeisterliche Wohnung zu gehen, uin seine Person festzustellen. Der Bürgermeister erNärte, er habe vom LandratSamt zu Rinteln die Anweisung bekommen, wenn in seinem Orte sozialdemokratische Schriften verbreitet würden, sie zu beschlagnahmen. Er nahm daher dem Genosien Lambrecht den Rest seines Agitationsmaterials, etwa 40 Nummern des Parteiblattes und 20 Exemplare des„Wahren Jakob", ab. Man muß annehmen, datz das Oberhaupt der Gemeinde Rolfs» Hägen die Verfügung des LandratsamteS falsch verstanden hat, denn es ist nicht recht denkbar, datz dieses eine solche wider daS Gesetz verstoßende Anordnung ergehen ließ. Solche bürgermeisterlichen Irrtümer find aber für die Genossen jetzt bei Beginn der Wahl- kampagne sehr unangenehm und deshalb werden sie durch un- gesäumte Beschwerde dafür sorgen müssen, daß das Landratsamt den Dorfoberhäuptern unzweideutig mitteilt, daß das Verbreiten von Druckschriften, und seien sie noch so sozialdemokratisch, in ge- schlossenen Räumen ein gesetzliches Recht des preußischen Staats- bürgers ist und daß nach offizieller Anberaumung und Verbindung des WahlterminS— die für Rinteln-Hofgeismar allerdings noch nicht stattfand— sogar die öffentliche Verteilung auf Straßen und Plätzen durch Reichsgesetz gewährleistet ist.— Ein preußisches Kulturdokument. In Lägerdorf , einem, größeren Fabrikort in der Nähe von Itzehoe tSchleswig-Holstein), haben unsere Parteigenossen schon seit Jahren in der Gemeindeverttetung die Sitze der 3. Klasse beinahe unbestritten inne. Durch ihren selbstlosen Eifer und ihr kommunal- politisches Verständnis haben sich die sozialdemokratischen Vertreter längst auch innerhalb der Gemeindevertretung eine sichere Position errungen. ES herrscht im allgemeinen ein gutes Einvernehmen zumal zwischen den Vertretern der 2. und 3. Klasse und häufig gehen bäuerliche, kleinbürgerliche und proletarische Ge- meindeverordnete Hand in Hand, wenn eS gilt, gegenüber der privatkapitalistischen Jnteressenpolitik der„erstklassigen" Ver- tteter, zur Hauptsache Angestellte und Direktoren der großen Zement- fabriken, das Wohl der Allgemeinheit wahrzunehmen. Aber auch die Fabrikdireltoren haben auf neuttalem Gebiete schon wiederholt Gelegenheit gehabt, der Stellung unserer Genossen Anerkennung zu zollen, und so war es durchaus nichts Ueberraschendes, als vor einiger Zeil bei der Wahl de? Schulvorstandes unter anderem auch der Kandidat der dritten Klasse, unser altbewährter Genosse H i n s ch e, einstimmig als Schulvorsteher gewählt wurde. Der Aufsichtsbehörde scheint die Einmütigkeit dieser Verttauens- kundgebung weniger gefallen zu haben, denn sie weigerte sich, die Wahl zu bestätigen. Genosse Hinsche versuchte vergeblich, im Instanzenweg die Anerkennung seiner Wahl durchzusetzen und er hat nunmehr von der obersten Stelle, dem preußischen Unterrichts- Ministerium, folgenden Bescheid von wahrhaft kulturhistorischer Be- deutung erhalten: Ihre gegen unseren Bescheid vom 2. Januar 1903 gerichtete Beschwerde vom 22. Januar 1906 hat der Herr Unterrichts- m i n i st e r uns mit dem Auftrage übersandt, sie in seinem Namen ablehnend zu bescheiden. Der Herr Minister ist gleich uns der Ansicht, daß bei Ihrer ausgesprochenen staatsfeindlichen Stellung mit Sicherheit anzu« nehmen ist, daß Sie das Amt als Schulvorsteher, falls man eS Ihnen übertragen hätte, dazu benutzen würden, den staatlichen Bestrebungen zur Förderung der Schule geradezu entgegen zu arbeiten. Sie haben Ihre sozialdemokratische Gesinnung unzweideutig betätigt. sich an dem Kampfe gegen die Grundlagen der bestehenden Rechts- und Staatsordnung beteiligt und sich damit in bewußten Gegensatz zu den Aufgaben der Schule gestellt, in die Herzen der ScbülerFrönimigkeit, vaterländische Gesinnung und Königstreuc zu pflanzen. Auch haben Sie durch Ihren politischen Lebens» Wandel<!> öffentlich Aergernis bei denen erregt, welche die zu Recht bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung hochhalten und die Erziehung ihrer Kinder zu gottesfürchtigen und vaterlandsliebenden Menschen erstreben. Ihre Bestätignng als Mitglied des Schulvorstandes würde daher den staatlichen' und Schulinteressen zuwiderlaufen. Königliche Regierung in Schleswig . Man sieht, die preußische Regierung wittert in dieser Aera der Schulverpfaffung Morgenluft. Sozialdemokratische Schulvorstands- Mitglieder sind in allen Landestcilen ja auch bisher regelmäßig nicht bestätigt worden. Aber eine Begründung von solch reaktionärem Zynismus konnte doch wohl erst ün Kielwasser des allerjüngsten Vennuckerungskurses sich hervorwagen. Das Mach- werk im einzelnen zu glossieren, ist überflüssig— eS spricht in jedem Worte beredt für sich selber und ist besonders an d e n Stellen, wo eS die Ziele der Volksschule nach preußischen Regierungsgrundsätzen formuliert: Frömmigkeit, vaterländische Gesinnung und Königstreue, von wahrhaft klassischer Prägnanz, Nur darauf sei hingewiesen, datz die Regierung sich mit den Tatsachen in einem geradezu klaffenden Widerspruch befindet, ivenn sie in ihrem Schreiben sich auf Eltern beruft, denen die Wahl des Sozial- denrokraten anstößig sein könnte. Die Behörde kann ganz Läger« dorf mit sämtlichen Leuchten des Kultusministeriums absuchen, und sie wird keinen einzigen uubeantteten Schwurzeugen für ihre Be- hauptung auftreiben.—_ Wie notwendig die Entschädigung unschuldig Verhafteter ist, schreibt die Mainzer „VolkSzeiuing", zeigt folgender Vorfall, der sich vor mehreren Wochen hier abspielte. Ein auf der Reise befindlicher Metzgergeselle stagte bei einem Metzgermeister nach Arbeit und erhielt von ihm, da keine Beschäftigung vorhanden, nach altem Brauch eip Geschenk. Nach Verlassen des Ladens wurde der Geselle von einem Schutzmann verhaftet und nach dem dritten Bezirk verbracht, wo er ganz entschieden bestritt, gebettelt zu haben. Aber alle Beteuerungen halfen nichts. Nach vierzehn« tägiger Untersuchungshaft stand Verhandlung vor dem Schöffengericht an. Als Zeuge ttat hier der Metzger- meister aus und sagte aus, daß der Geselle nicht gebettelt, sondern nur um Arbeit nachgefragt habe. Nicht wenig erstaunt war der Meister, als ihm ein Protokoll vorgelesen wird mit ungefähr folgender Einleitung:„Auf Borladung erscheint der Meygermeister X und giebt folgendes an usw.", nämlich daß der Geselle gebettelt habe. Auf die Frage deS Richters, wie er dazu komme, auf dem Revier den Bettel des Gesellen zuzugeben, erNärt der Meister, gar nicht auf dem Revier gewesen und nicht von de« Kommissar vernommen worden zu sein. Er könne sich nur entsinnen, daß um fragliche Zeit ein Schutzmann bei ihm gewesen und ein Schreiben zur Unterschrift vorgelegt habe. Da er aber gerade mit Arbeit überhäuft gewesen, habe er das Schreiben nicht durchgelesen und seinen Namen darunter gesetzt. Hätte ihm der Schutzmann den Inhalt des Schreibens mitgeteilt oder wäre er aus dem Revier ver- nommen worden, würde er nicht unterschrieben haben. Der An» geschuldigte wurde daraufhin auf freien Fuß gesetzt; 14 Tage war er unschuldigerweise seiner Freiheit beraubt, ohne daß schließlich ein Hahn danach ttäht.... Eine Untersuchung soll nach dem Blatte eingeleitet sein, doöh verlautet bis jetzt nichts über ihr Ergebnis. Die Polizeipraxis, die der Bericht enthüllt, läßt sich mit parlamentarischen Worten gar nicht kennzeichnen.—______ „Blamage" und Blamage. Herr Dr. Wilhelm Kronsbein, Chefredakteur der„Post", hat es sich nun einmal in sein Köpfchen gesetzt, partout zu beweisen, daß man studiert, ja sogar einen Doktortttel er- worden haben kann, ohne über eine allzu große und allzu ergiebige Gehirnmasse zu verfügen. Am Donnerstagabend reitet Sancho Pansa- Kronsbein wieder auf der„Paßblamage der Sozialdemokratie" herum. Es ist kein Ruhm, ihn aus dem Sattel zu heben; doch müssen wir uns leider mit seinen Reitkünsten noch einmal beschäftigen— einfach zur Steuer der Wahrheit, zur Ehre der Logik und des menschlichen Mitgefühls. Eine ehemalige russische„Untertanin" hat die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Sie wirkt in Deutschland in einer Weise, die der russischen Regierung arg mißfällt. Nach deutschen Gesetzen ist ihre die Hirne revoltierende Tätigkeit nicht sttafbar— von einigen Fällen abgesehen, die denn auch prompt zur Bestrafung der„Sünderin" führen. Nach russischen Gesetzen oder richtiger: nach russischer Willkür steht auf dieselben„Verbrechen", die in Deutsch - land mit ein paar Mark oder geringer Gefängnisstrafe „gesühnt" werden, jahrzehntelange Kerkerhaft. Zwangsarbeit, Sibirien k Von ihrer Familie abgeschnitten, von all' denen getrennt, die ihrem Herzen die Nächsten sind, auS ihrer früheren Heimat verbannt, die gerade in den Gcburts- wehen einer großen Zeit zu kreißen beginnt, bedient sie sich des Mittels, dessen sich unzählige Exilierte vor ihr bedient haben: sie benutzt einen Patz, der ihr„legaler" Weise nicht zukommt I Benutzt ihn, um in Rußland nicht ver- hastet und bestraft zu werden für„Verbrechen", die in Deutschland begangen, nach deutschen Gesetzen nicht sttafbar oder längst gesühnt sind, in Rußland aber zu Will- kiir-Akten bekannter Art ausgenutzt werden können. Benutzt ihn ohne jede Absicht, irgend etwas Sttafbares, irgend etwas selbst nach russischen Gesetzen Verbotenes zu begehen! Wen schädigt sie damit? Wen betrügt sie?— Herr Schöne ist ein einflußreicher Beamter im Deutschen Reiche. Herr v. Brockhusen steht in Diensten dieses Beamten. Die Regierung des Deutschen Reiches steht nach den offiziellen Erklärungen im besten, schönsten Einvernehmen mit der russischen Regierung. Deutsche Beamte geben sich dazu her, einem russischen Staatsangehörigen einen falschen Patz ver- schaffen zu helfen zu dem ausgesprochenen Zweck, die russische Regierung zu bespitzeln, ihr Geheimnisse abzuhorchen, diese der deutschen Regierung zu überbringen, damit sie unter Umständen gegen Rußland verwendet werden können! Wen
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