61nc TagcSzcUung der englischen Arbeiterpartei wird, wie wirder„Justice" entnehmen, vom 26. Juni ab in London herausgegeben werden. Herausgeber und Chefredakteur soll der JournalistMortimer Holden werden. Holden war bei den letztenWahlen Kandidat der Arbeiterpartei für Accrington; früher leitete er17 Jahre lang die„Lancashire Arbeiterzeitung" und war jetzt derparlamentarische Korrespondent für Arbeiterfragen für die„DailyMail". Seitdem er vor 20 Jahren zum erstenmal Hyndman undMorris in einer Versammlung hörte, gehört er der Arbeiterbewegungan; da er ein begabter Journalist ist, scheint er derrichtige Mann zu sein, um ein so schwieriges Unternehmen zu leiten.„The Majority"— Die Mehrheit, wie dasneue Blatt Heisjen soll, wird, um mit dem großkapitalistischenZeitungsuntcrnehmen konkurrieren zu können, auf breitester Grundläge errichtet. Die englischen Sozialisten und Gewerkschafter sollendurch Gewinnbeteiligung an dem Unternehmen interessiert werdenFür 1000 Leser der„Majority" soll dem Parlamentarischen Fondsder Arbeiterpartei 1000 M., für 100 000 Leser 100 000 M. zugeführtwerden usw. Gelingt eS dem neuen Organ, die englische Arbeuerschaft auch unabhängig von der kapitalistischen Presse— ob kon-fervativ oder liberal— zu machen, so wäre das ein immenserFortschritt zur Selbständigkeit der Arbeiterklasse.poliretlickes» 0ertcbtUcheo ulw.Mißglückte Staatsrettung. In Danzig hatte der Genosse VoßlDanzig ein Strafmandat von 50 M. nebst 8 M. Kosten— billigermacht man es in Danzig nicht— erhalten, weil er im MonatJanuar in einem Dorfe eine geheime Versammlung abgehalten habensollte. Voß war jedoch von seiner Unschuld so fest überzeugt, daßer gerichtliche Entscheidung beantragte, und vor dem Schöffengerichtwurde durch die Zeugenaussage die ganze Haltlosigkeit der Anschuldigung bewiesen. Der Gastwirt, in dessen Lokal das Verbrechenbegangen sein sollte, bekundete, daß er dem Boß das Lokal verbotenhabe. Der Sozialdemokrat sei auch sofort gegangen. Der Gendarm.der die Anzeige gegen Voß erstattet hatte, mußte dem Gericht sagen,daß er aus eigener Kenntnis nichts wisse, sondern nur durch Hören-sagen s!!) etwas erfahren habe.(Da sieht man, wie Strafmandatezustande kommen.) Natürlich mutzte der Genosse Boß auf Grundsolcher Aussagen freigesprochen werden.GetverKIcbaftlicKes.Zur BuchbinderauSsperrungliegt ein Dokument vor. das so charakteristisch sowohlwahren Absichten der Arbeitgeber als auch die Naturdiedesheutigen Klassenstaates widerspiegelt, daß es verdient, imvollen Wortlaut wiedergegeben zu werden. Dasselbe lautetC. H. SchwabeBuchbindereiStuttgart.Telephon Nr. 3.Stuttgart, den 30. Mai 1906.Tübingerstr. 83.Herrn(folgt Name und Ort).Höflich bezugnehmend auf Ihr Geehrte? vom 27. er. an dieVereinigung der Arbeitgeber der Buchbindereien Stuttgarts teileich Ihnen hierdurch mit, daß Sic sowie Ihre zwei Kollegen s o«fort in meine Großbuchbinderei eintreten können.Wegen des Streiks brauchen Sie keine Sorge zu haben, dennerstens arbeiten sowieso einige Leute schon bei mir, 2. habe ichfür den nötigen Schutz(durch Polizei) gesorgt, 3. werden dieRädelsführer unv Hetzer(Agitatoren) in allen Städten(Stuttgart. Berlin. Leipzig) nicht wieder eingestellt. Sie habenalso von diesen nichts zu befürchten!Die Hauptsache ist die, daß Sie sich von den Streikpostennicht abhalten lassen; dann haben Sie in meinem Geschäft,wenn sie gute Arbeiter sind, bestimmt dauernde undgutbezahlte Beschäftigung.Fahrgeld 3. Klasse vergüte ich gerne, sobald Sie 4 Wochenlang in n, einem Geschäft sind.Sollten Sie also geneigt sein, bei mir eintreten zu wollen,so bitte ich Sie um gefälligen sofortigen Bescheid.AchtungsvollC. H. Schwabe.Glück hat ja Herr Schwabe mit seinem heißen Werben„licht gehabt, köstlich ist aber die Naivität, mit welcher erüber die Polizei zum„nötigen Schutz" für die Streikbrecherverfügt.„Meine Herren! Wir arbeiten ja nur für Sie"— sagtebekanntlich Herr v. Bötticher, weiland preußischer Minister,zu den Unternehmervertretern im Reichstage. Ganz sorechnet Herr Schwabe auch auf die Polizei in Stuttgartund verrechnet sich bei solcher Kalkulation durchaus nicht.denn vor allen Aussperrungsbetrieben in Stuttgart stehtstramm ein Schutzmann— der Unternehmerinteressen— kannman hinzufügen.So gebietet es das„Staatsintercsse". In der Stadt derabgehackten Hand das vergebliche Suchen nach dem„uimsichtigen" Schutzmann und in Stuttgart, Berlin und Leipzigdie Schutzwachen vor den Aussperrungsbetrieben, damit die„Rädelsführer. Hetzer und Agitatoren nicht wiedereingestellt zuwerden brauchen."Und der Kollegenschaft in der„Provinz" wird die un-würdige Rolle zugedacht, als Verräter ihrer Berufsangehörigenschimpflichen Streikbruch zu verüben.Das alles wird und soll den Herren aber nicht ge°lingen!_Ein neuer Ulitcrnehmer-Trutzverband.Der in Göttingen tagende Hannoversche Handwerkertag faßtesine Resolution, überall die Bildung von Arbeitgeber-Fachverbändenvorzunehmen zwecks Gründung eines allgemeinen Schutzverbandesgegen Streiks.Wenn die Herren ihre Aufgabe so anffaffen, daß sie durch Eni-gegenkommen gegenüber berechtigten Arbeitcrforderungen Streiksverhindern wollen, dann werden Erfolge die Früchte ihrer Wirksam-keit sein.Berlin und Umgegend.Die Aussperrung der Lithographen und Steindrucker. Am Mitt-woch waren die Berliner Ausgesperrten im Gewerkschaftshause per-sammelt, um den Bericht über den Stand des Kampfes entgegenzunehmen. Der Referent Bartels kennzeichnete die gegenwärtigeLage folgendermaßen: Noch vor kurzem gaben die Unternehmer undderen Organe kund, daß 8-, 10-, ja 16 000 Berufsangehörige inDeutschland ausgesperrt werden sollten. Auch jetzt noch spricht dasOrgan des Unternehmerverbandes von 5000 Stcindruckern undLithographen, die zurzeit ausgesperrt sein sollen ohne die Streikenden,die außerdem noch hinzugerechnet werden müßten. Nach einer vonden Arbeitnehmern gemachten Aufnahme, die sich auf alle inf frage kommenden Städte erstreckt, kann dagegen festgestellt werden.aß gegenwärtig in ganz Deutschland 2790 Berufsangehörige aus-gesperrt sind. Dazu kommen noch 8S0, die schon vor der jetzigenAussperrung im Streik standen oder ausgesperrt waren, so daß dieZahl der Streikenden und Ausgesperrten insgesamt 3610 beträgt.Das ist etwa ein Fünftel aller organisierten Lithographen und Stein-drucker. Dieso Zahlen beweisen, daß die Aussperrung bei weitemnicht den Umfang angenommen hat. den sie nach den Absichten derScharfmacher annehmen sollte. Auch in Berlin hat die Zahl derAusgesperrten bei weitem nicht die erwartete Höhe erreicht. Währendman damit gerechnet hatte, daß am Sonnabend 1500 Arbeit-nehmer in Berlin ausgesperrt werden würden, sind nur 330Lithographen und 400 Stcindrucker von der Aussperrung betroffen.20 Firmen sind an der Aussperrung beteiligt. In einer Anzahlvon Lohndruckereien und bei Privatlithographen ist es zu Arbeits-einstellungen gekommen, weil die Arbeiter verhüten wollten, daß indiesen Betrieben Streikarbeiten für die aussperrenden Firmen an-gefertigt werden. Es ist aber bereits in den meisten Fällen eineVerständigung darüber erzielt worden, daß alles, was als Streik-arbeit zu betrachten ist, zurückgestellt wird und nur einwandsfreieArbeiten angefertigt werden.— Unter den bei den aussperrendenFirmen beschäftigten Kollegen herrscht volle Einmütigkeit. Bis aufeinzelne Abtrünnige hat keiner sich den Bedingungen der Unter-nehmer unterworfen. Einmütig haben die Kollegen die Betriebeverlassen. Die wenigen, die sich den Unternehmern unterworfenhaben und stehen geblieben sind, können den Kampf nicht zuun-gunsten der Arbeiter beeinflussen.In Augsburg und in Elberfeld haben die Unternehmer dieKündigungen zurückgezogen, dort ist also keine Aussperrung erfolgt.In Heilbronn, Solingen und Dresden hat je eine Firma den Aus-sperrungsbeschluß nicht ausgeführt,— Die Lage des Kampfes istnach alledem für die Arbeiter äußerst günstig, sie können deshalbmit der Gewißheit deS Sieges dem weiteren Verlauf der Dinge entgegensehen.Oeutfehes Reich.Der Lohnsklaven Empörung. Druck erzeugt Gegendruck! Daserleben nun auch die Swmmlinge im Saarrevier. Hier glaubt manin altgewohnter Willkür den ungezügelten Herrenstandpunkt aufrechterhalten zu können. Nicht einmal die den Harmoniestandpunft Per-tretende christliche Organisation fand vor den Herrschern in SaarabienGnade. Und lange, lange Zeit waren die Berg- und Hütten-sllaven geduldig und gehorsam jedem Machtgebot. Aber schließlichmußte die verhaltene Wut. der in der Tiefe wirkende Groll gleicheinem Naturgesetz in offene„Widersetzlichkeit" sich geltend machen.Und das ist geschehen. Unterm 6. Juni wird aus Saarbrückengemeldet:Eine stark besuchte Versammlung der Burbacher Hüttenleute be-schloß die Arbeit niederzulegen, nachdem den Arbeitern vom Direktorder Hüttenwerke ihre Forderungen abgelehnt worden waren. Sowurde den Arbeitern unter anderem die Erlaubnis verweigert, demchristlichen Metallarbeiterverband beizutreten. Infolgedessen werden1300 Hüttenarbeiter heute die Arbeit niederlegen.Wie auch diese Widersetzlichkeit gegen Unternehmerwillkür-Herrschast auslaufen mag, der Bann ist gebrochen, der Anstoß zueiner weitergreifenden Belvegung ist gegeben. Einmal zum Bewußt-sein der Menschenwürde, der Gleichberechtigung und der Kampf-fähigkeit erwacht, werden die Lohnsklaven in das alte Joch nie mehrsich zurechtfinden._Dekorierte Streikposten.Bei der Aussperrung der Lithographen und Steindrucker sind inDresden einige ältere Arbeiter mit auf die Straße gesetzt worden,die das von der sächsischen Regierung gestiftete Ehrenzeichen fürTreue in der Arbeit haben, das nach 30jähriger ununterbrochenerArbeitsdauer bei einer Firma verliehen wird. Die für ihre Treuein der Arbeit jetzt ausgesperrten Arbeiter wollen die Medaille beidem Streikpostenstehen tragen, um so zu veranschaulichen, wie dasUnternehmertum Treue in der Arbeit lohnt.Kampf im Baugewerbe. In Düren(Rheinl.) hat der Arbeit-geberverbaud für das Baugewerbe am 2. Juni zirka 100 Maurerund BauhülfSarbeiter ausgesperrt, um die Aufhebung einer Sperrezu erzwingen, die verhängt war, weil von den Maurern Putzerarbeit(Streikarbeit) verlangt wurde. Die organisierten Maurer und Hülfsarbeiter beschlossen, bei allen Unternehmern, welche jetzt die imrühjahr aufgestellten Forderungen nicht bewilligen, gleichfalls dielrbeit einzustellen. Dadurch kam es bereits zu weiteren Arbeits-niederlegungen. Die Zahl der Ausgesperrten resp. Stteikenden hatbereits 150 überschritten. Die Arbeitgeber wollten am Sonnabend.den 2. Juni, den Stukkateuren die Forderungen bewilligen. DieseGenossen haben jedoch die Aufnahme der Arbeit von dem Kampfeder Maurer und BauhülfSarbeiter abhängig gemacht.In einer Tarifbcwegung stehen die in den Kunstanstalten usw.beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen der BuchbinderbrancheNürnbergs. Eine Kommission erhielt den Auftrag, die Tarif-Vorlage für Nürnberg und Fürth möglichst einheitlich zu gestaltenund demnächst einer Versammlung vorzulegen, die dann definitivStellung nehmen soll.Die Aussperrung in den gesamten Betrieben der dem Verbändedeutscher Kachclofenfabrikanten angeschlossenen Unternehmer ist mit dem2. Juni perfekt geworden. Bis jetzt sind der Zentralleitung 41 Ortegemeldet, in denen die Aussperrung proklamiert worden ist. DerVerband der Töpfer hat den Kampf mit frischem Mute aufgenommen.Ii« unterstützen sind mit den im Streik befindlichen Kollegen zirka1700 Mann. Der Verband ist imstande, diesen Machtkampf völligaus eigener Kraft führen zu können.Eine Beendigung der Aussperrung ist nur möglich, wenn derStteik in Breslau beendet wird. Eine am 1. Juni kurz vor Tores-schluß in Breslau stattgefundene Sitzung vor dem dortigenGewerbegericht verlief völlig resultatlos, da den BreslauerUnternehmern durch das schneidige Eingreifen des Ofenprotzentums jetzt der Kamm geschwollen ist. Die Herrenwaren in jener Sitzung sogar so fr— ivol, da? Ansinnen zu stellen,daß die Breslauer Töpfer jetzt zu ungünstigeren Bedingungen dieArbeit aufnehmen sollten, als vorher von ihnen bereits zugestandenUnter solchen Verhältniffen war eine Beendigung des Kampfes un-möglich. Es soll nun am 11. Juni ein Schiedsgericht zusammen-treten, zusammengesetzt aus je drei Vertretern der Arbeitnehmer undArbeitgeber. Diesem Schiedsgericht sollen auch die Vorsitzenden desFabrikantenverbandes und des Zentralverbandes der Töpfer an-gehören. Der Schiedsspruch soll nicht bindende Kraft erhalten.Möglich, daß diese Verhandlung den Frieden bringt. Dieseraber ist nur möglich, wenn das Unternehmertum den Arbeiternin weitgehendem Maße entgegenkommt. Der Verband der Töpferühlt sich stark genug, den Kampf auf der ganzen Linie führenzu können. Zustatten kommt, daß die beiden Arbeitgeber�Organisationen im Töpfergewerbe sich einander nicht grün sind,andererseits haben viele Fabrikanten dem Aussperrungsbeschlusse nurin der Hoffnung zugestimmt, daß aus der Aussperrung nichts wird.Diese leiden nun an Warenmangel und haben große Geschäfts-einbüßen. Ein erheblicher Teil der Fabrikanten gehört der Organi-sation nicht an und hat gar nicht ausgesperrt.— Weiterhin brenntden Breslauer Unternehmern der langwierige Streik bereits starkauf den Nägeln.Andererseits ist die Haltung der Breslauer Streikenden sowohlwie die der Ausgesperrten einfach mustergüttig. Wie ein Mannhalten die Stteikenden fest, wie ein Mann haben die Ausgesperrtendie Betriebe verlassen! Unter solchen Umständen kann der Organi-ätion um den Erfolg nicht bangen. Sie steht einig und geschloffenda und wird dem brutalen Machtspruch der Kachelprotzeu zu be-gegnen wissen IAussperrung. Die Maschinenfabrik Recke in Rheydt hat von ihrenArbeitern, da die Arbeiter der Maschinenabteilung im Streik beharren. 90 Proz. ausgesperrt.Zum Straßenbahncrstreik in Dortmund. Nicht Uebermut hat dieLeute zum Streik gettieben, sondern die bittere Not. Sie warenimmer sehr bescheiden und„gesiimungStüchtig". fie wachten ängstlichdarüber, daß jeglicher äußere Einfluß von gewerkschaftlicher Seiteferngehalten blieb. Bisherige Organisationsversuche waren nochimmer vergebens. So war's, bis das Regiment Schmieding anbrach.h. bis die Sttaßenbahn in städttsche Regie überging. Verlänge-mng der Arbeitszeit, rigorose Strafen und eine fast unmenschlicheBehandlung hat nun die Leute zu dem verzweifelten Schritte desStreiks getrieben, nachdem die Verwaltung auf die Beschwerdender Leute mit Maßregeln geantwortet hatte. Daß essoweit kommen mußte, ist einfach ein Skandal. DieForderungen der Leute sind so bescheiden, daß keinMensch den ablehnenden Bescheid der Verwaltung begreifenwird. Damit sich die Welt überzeugen kann, in welch bescheidenenGrenzen sich die Forderungen der Straßenbahner bewegen, seien siehier angeführt. Sie sind geteilt in s) allgemeine Forderungen, b) Lohnforderungen. Allgemeine Forderungen:1. zehnstündiger Arbeitstag; gemachte Ueberstunden werden mit demLohnsatz gleichgestellt; 2. angefangene Stunden müssen voll bezahltwerden; 3. als Ruhetag ist jeder achte Tag anzunehmen; 4. dasKleidcrgeld soll fortfallen; 5. den Wagenführern müssen Regen-mäntel kostenlos gestellt werden: 6. die Kilometergelder sollennach dem früheren Satz bestehen bleiben, anfangend nach einemhalben Jahre; 7. die einbehaltenen sechs Schichten müssen zurückgezahltwerden; 8. die Tage, welche durch den Streik verloren sind, müssen nach-gezahlt werden. Lohnforderungen: Anfangsgehalt 95 M.. nach einemhalben Jahre 100 M.. nach einem Jahre 105 M.. nach zwei JahrenIlOM. und dann von zwei zu zwei Jahren um 5 M. steigend bis zumHöchstgehalt von 1600 M. Ferner wünscht das Personal die Einrichtungeiner Pensionskasse.Die Verwaltung hat die Forderungen abgelehnt und damit denöffentlichen Skandal heraufbeschworen.Die sonst so bescheidenen Straßenbahner besannen sich auf ihreMenschenwürde und legten voller Enttüstung die Arbeit nieder. Sieernteten damit den ungeteilten Beifall der Arbeiterschaft Dortmunds.Der Betrieb ruhte auf allen Linien, die Verwaltung suchte jedochbaldmöglichst Ersatzlräfte heranzuziehen. Zum Teil haben sich solchein den Werkstattarbeitern der Straßenbahn gefunden, außerdemfungierten eine Anzahl Schutzleute als Fahrer.Trotz aller Bemühungen ist es aber nicht gelungen, mehr als13 Wagen fahren zu lassen, während sonst an gewöhnlichenWochentagen etwa 70—75 Wagen verkehren. Der Unwille derBürgerschaft ist bedenklich hoch gestiegen, was der Verwaltung abergänzlich gleichgültig zu sein scheint. Denn anstatt eine Verständigungmit den Leuten zu suchen, hat sie am Sonnabend sämtliche Streikendeentlassen.Die Straßenbahner selbst bezeichneten die Ankündigung der Eni-lassung als einen Schreckschutz und beschlossen, nur die Arbeit ans-zunehmen, wenn die Forderungen anerkannt würden. NichtSdesto-weniger muß das brutale Verfahren der Verwaltung vor aller Weltgebrandmarkt werden. Es mutz auch festgenagelt werden, daß solcheZustände in einer Kommunalverwaltung möglich sind, wo zwar dieNattonalliberalen die Mehrheit haben, das Zentrum aber infolgeeines Kompromisses entscheidenden Einfluß ausübt.ZZusland«Eine« glänzeuden Sieg haben die Jnnsbr ucker Tischlererrungen. Nach einem Vertrag, der durch Vermittelung deS Statt-Halters zwischen ihnen und den Meistern nach voraufgegangenenStreik zustande kam. ist folgendes festgelegt: Neunstundentag mitl�stiindiger Mittagspause und 6 Uhr abends Arbeitsschluß;Minimallohn von 3 Kronen 40 Heller(3 Mark) und vom 1. Juli ab3 Kronen 60 Heller. Die Niederlage der Scharfmacher drückt sichaber noch deutlicher aus in dem Umstand, daß sich die Meister ge-zwungen sahen, von Organisation zu Organisation zu verhandeln.Die von den Scharfmachern des Baugewerbes inszenierte allgemeineBauarbeiteraussperrung mußte schon nach 14tägiger Dauer wiederaufgehoben werden.Die Aussperrung der Wiener Bauarbeiter wächst sich zu einerallgemeinen Aussperrung aller in den Barigewerben beschäftigtenArbeiter, als Stukkateure, Tischler, Schlosser, Dachdecker, Anstreicher,Maler, Bildhauer, Steinmetzer, Glaser usw., aus. Wenigstens habendie Baumeister den Unternehmern dieser Branchen, mit denen sie zu-sammen den„Zentralverband der Baugewerbebetriebe" bilden, dieseOrder gegeben. Dadurch glaubt man die Bauarbeiter und Maurermürbe zu machen. Ob sich dem Befehl der Scharfmacher die Mehr-zahl der Meister fügen wird, bleibt freilich abzuwarten. Bis jetztläßt sich der Umfang der Aussperrung noch nicht genau feststellen.Ein Zimmererstreik in Holland. Die Zimmerer in Leiden findvor ungefähr acht Tagen in den Streik getreten. Anfangs beteiligtensich nur 34 Mann; inzwischen ist die Zahl der Streikenden auf 200 an-gewachsen, so daß der Stteik sowohl in der Stadt selbst wie in derUmgebung allgemein ist. Gefordert werden statt des 11 stündigen der10 stündige Arbeitstag und 23 Cent Stundenlohn. Die Arbeitskammersucht zu vermitteln.Letzte ffJacbricbtcn und Oepelcben.Sympathie für die Duma-Parks, 6. Juni.(Privatdepesche unseres Pariser Karre-spondenten.) Tie sozialistische Kammergruppe bereitet eineSympathiekundgebung für die russische Reichsduma vor. In-dessen hat die Fraktion noch nicht darüber entschieden, ob sieauch die Kammer zu solcher Kundgebung veranlassen wird.Streikfortsetzung.Breslau, 0. Juni.(W. T. B.) Die ausständigen Formerund Gießer sowie die ausgesperrten gewerkschaftlich orgamsiertenMetallarbeiter haben in einer heute vormittag abgehaltenen Ver-sammlung beschlossen, weiter im Kampf auszuharren, da die Ver-Handlungen mit der Breslauer Maschinenbauanstalt wegen Bei-legung des Former- und Gicßerausstandes dortselbjt ergebnislosgeblieben sind.Die russischen Agrarunruhen.Petersburg, 6. Juni.(B. H.) Nach hier eingetroffenen Mel-düngen sind in fast allen Gouvernements Agrarunruhen ausgc-brachen. In verschiedenen Orten kam eS zu Zusammenstößen,wobei viele Personen verletzt wurden.Bom internationalen Bergarbelterkongreß.London, 6. Juni.(W. T. B.) Ter internationale Berg-arbeiterkongrcß nahm in seiner heutigen Sitzung einen Antrag derdeutschen Delegierten an, wonach die Beschäftigung von Kindernunter 14 Jahren im Bergwerlsbrtriebe gesetzlich verboten werdensoll. Die englischen und französischen Delegierten enthielten sichder Abstimmung, da sie von ihren Verbänden keinen Auftraghatten.Erdbeben.Tanger, 6. Juni.(W. T. B.) Ein Erdbeben in Fez amI. Juni wurde in dem deutschen Konsulat um 3 Uhr 29 Minutenmorgens örtlicher Sonncnzeit durch einen starken Stoß wahrge-nommen. DaS HauS schwankte zwei- bis dreimal von Südwestennach Nordosten und zurück. In der tiefer gelegenen Altstadt wurdedas Beben weniger, dagegen in der oberhalb des Konsulats ge-legenen Judenstadt stärker verspürt. Der Stoß soll dort so starkgewesen sein, daß Kinder umfielen, Türen aufsprangen undWanduhren stehen blieben. Eingeborene versichern, daß em leiserStoß etwa um 2 Uhr nichts vorangegangen sei.Anarchistendeportatio».New Jork, 6. Juni.(B. H.) Hiesigen Blättern zufolge ist derNegierung der Plan unterbreitet worden, eine Insel zur Jnter-nierung gefährlicher Anarchisten aller Länder herzugeben. Diesesoll von Kriegsschiffen bewacht werden, welche ein Entweichen derInternierten unmöglich machen.Lerantw. Redakteur: Hans Weber. Berlin. Inseratenteil vcrantw.: Th. Glocke, Berlin. Druck u, Verlag: Vorwärts Bucht r. u. VcrlagSaustalt Paul Singer&<So..Berlin S W. Hierzu 2 Beilagen u.vnterhaltungSilattM«