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fc nKadetten",Wilden" und Vertretern anderer Parteien zusammensetzt. Die Bildung dieser Partei liegt in den Händen deS Grafen P. A. Heyden, I. I. Lwow u. a. Die Justiz gegen die Volksvertreter. W Petersburg, 9. Juni. lHerold"-Depesche.) Das vom Prokurator .»egen Aufreizung der Arbeiter gegen 15 Dumamitglieder der Arbeiterpartei eingeleitete Strafverfahren wurde vom Appell- Präsidenten dem obersten Senat überwiesen, da den Dumamitgliedern Amtscharalter beizulegen sei. Die Nachklänge der Ministererklärung i» der Provinz. Die Raum- und Verkehrsverhältnisse Ruhlands bringen es mit lich, daß die Ereignisse im Zentrum nicht sofort in der Provinz ihr Echo finden. Es bedarf einiger Zeit, bis die Provinzler Stellung zu den Petersburger Aktionen nehmen und das Resultat davon in Petersburg bekannt wird. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn erst jetzt genauere Nachrichten aus dem Innern des Reiches kommen, die die Stimmung des Volkes bezüglich der bekannten Goremykin - schen Erklärung charakterisieren. Die Russische Korrespondenz erhält darüber folgenden Bericht: Petersburg , 5. Mai. Die Provinz beginnt sich über den ersten Konflikt der Duma mit der Regierung zu beunruhigen. Jeden Tag treffen an die Adresse des Dumapräsidenten und der Depulierten eine Menge Tele- gramme ein, die das Verhalten der Duma billigen. In den Städten werden Versammlungen organisiert, in denen die Tätigkeit der Duma besprochen und entsprechende Resolutionen gesaßt werden. Aber nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem flachen Lande wird schon eine durch den Konflikt hervorgerufene Bewegung bemerkbar. Die lokalen Preßorgane bringen jetzt Mitteilungen, die ein gewisses Licht auf die Stimmung der bäuerlichen Bevölkerung werfen. Aus einen, Orte wird z.B. geschrieben, daß schon am Tage nach der Ministererklärung die Bauern sich nach der Sladt begeben hatten. Es bildeten sich Gruppen, das Ereignis wurde eifrig besprochen, und allerorts hörte man, wie die Regierungserklärung mißbilligt und die Duma und ihr Verhalten gelobt wurden. In anderen Orten erfuhr man über den Konflikt ans den Telegrammen, die die Deputierten an ihre Wähler abgesandt hatten. Die Telegramme wurden sofort in mehreren Exemplaren unter den benachbarten Dörfern verteilt, damit die Bauernschaft auf diese Weise erfuhr, was die Regierung ihr bescherte. Die sozialistischen Organisationen entfalten eine riesige Agitation auf dem Lande und verbreiten in Massen Proklamationen unter der Ueberschrist:Man hat Euch den Boden und die Freiheit verweigert." Die Bauern wenden sich an die Sozialisten nut der Bitte, sie über das Ereignis aufzuklären; die Organisationen sind aber nicht stark genug, um alle Bitten berücksichtigen zu können. Die Konterrevolution an der Arbeit. Seitdem die Amncstiefrage erörtert wird, werden die Schrecken der Konterrevolution wieder fühlbar. In vielen Orten wurde in den letzten Tagen wieder Blut vergossen, in vielen Städten haben sich die Straßen vom unschuldigen Blute friedlicher Einwohner, Kinder, Frauen und Greise gerötet. Im Publikum zirkulieren schon Gerüchte über den immer größer werdenden Einfluß des Polizei- generals T r e p o w auf den Zaren, über feine neuen Pläne, der oppositionellen Stimmung der Duma und der provinziellen Be- völlcrung den Terrorismus der organisiertenschwarzen Banden" entgegenzustellen, um die öffentliche Meinung irrezuführen und die' Aufmerksamkeit der bisher indifferenten Zuschauer von dem stesig wachsenden Mißtrauen zu der Regierung auf einen anderen Gegenstand zu lenken. Wenn man die Hetzen gegen Juden und Intelligenz mit der unter hohem Druck geführten Agitation zur Veranstaltung reaktionärer Kundgebungen gegen die Duma zu- sammeustellt, und wenn man beachtet, daß das offizielle RegierungS- organ alle diese Kundgebungen mit der peinlichsten Genauigkeit wiedergibt, dann scheint es keinem Zweifrl zu unterliegen, daß der ganze Feldzug der schwarzen Bande von obenher inauguriert wird. Uebcr die Hetze, die in den letzten Tagen in Wologoda stattfand, wird berichtet: Der Gouverneur von Wologoda stand glücklicherweise mit der Gendarmerieverwaltung schon längst auf gespanntem Fuße, und verhinderte deshalb nicht, daß die Beteiligung der Gendarmerie an der Hetze angezeigt wurde. Die Hetze wurde schon feit langem vorbereitet und die letzten Ereignisse, die Eröffnung der Reichsduma und der 1. Mai wurden dazu benutzt, um sie zu verwirklichen. Der Tag der Dumaeröffnung ging ohne jegliche Störung hin. Aber schon am Vorabend des 1. Mai wußte die ganze Stadt, daß eine Hetze geplant war. Einige besonders einflußreiche Mitglieder der schwarzen Bande veranstalteten Versammlungen, gaben Versprechungen ab, Wodka �Branntwein) zu spenden, was sie auch nachher kurz vor der Hetze getan haben. Ihre Agenten bereisten die umliegenden Dörfer und forderten die Bauern auf, zum 1. Mai in der Stadt zu erscheinen. Sie behaupteten, daß die Juden und andere fremdeElenrente" die Duma auseinandergejagt hätten und daß die zurückgekehrten Deputierten am 1. Mar dem Volke darüber Rechenschaft geben wollten. Dadurch wurden die Bauern gegen die Juden, die Intelligenz und die Revolutionäre aufgestachelt, und es blieb nur übrig, die Stimmung der ver­sammelten Menge entsprechend auszunutzen. Dies wurde auch glänzend durchgeführt. Verkleidete Gendarmen führten die schwarze Bande, dieLandwächter" schössen auf das von der Bande in Brand gesteckteVolkshaus" und verhinderten die Feuerwehr, das brennende Haus zu löschen. Die Polizei war plötzlich ver- schwundcn, die Soldaten blieben außer Aktion. Der Gouverneur, der längst zu den Liberalen gezählt wurde, und der unbedingt gegen die Hetze war, wurde auch angegriffen und durch einen Stein ver- wundet. Im ganzen werden etwa 50 Ermordete und Verwundete gezählt. Mißhandelt wurden alle Schichten des Volkes ohne Unter- schied. Unter den Verletzten befanden sich z. B. Seminarschüler, ein Staatsanwaltsgchülfe und Lehrer usw. In dasselbe Kapitel gehört folgender Bericht aus S i m b r r S k: Unsere sonst so friedliche Stadt war neulich der Schauplatz wüster Ausschreitungen der polizeilich organisierten schwarzen Bande unter persönlicher Leitung und Beteiligung des Polizeichefs Pifijcff und der Polizeikommissäre Solowjeff und Nekrassow . Das städtische Krankenhaus ist mit Verletzten überfüllt. Viele Personen sind durch die Mißhandlungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Eine Frau N. wurde auf der Straße mit Knuten'derart be- arbeitet, daß sie im Zustande tieffter Bewußtlosigkeit ins Kranken- Haus eingeliefert ward, wo sie. ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, ihren Verletzungen erlegen ist. Augenzeugen berichten, daß die Frau nicht nur aufs vrehrschste geschlagen, sondern daß sie auch am Haar stratzenlveit durch den Kot geschleift worden ist. Unter den Verwundeten befinden sich Arbeiter, Angehörige der Intelligenz und einzelne oppositionell gesinnte Beamte. Alle Bor- stellungcn und Beschwerden beim Gouverneurchef blieben erfolglos. So begann in unserer Stadt dieneue parlamentarische� Aera". Uebrigens rüsten die schtvarzen Banden, wie sie ganz ungeniert öffentlich erzählen, zu einem neuen, noch viel stärkeren Angriff auf die revolutionäre Arbeiterschaft und Intelligenz für den Tag der Amiiestieerklärung. Wahlsiege der Sozialdemokratie. DerRussische Kurier", eine liberale Korrespondenz, berichtet: Die jetzt im Kaukasus stattfindenden Reichsdumawahlen fingen der russischen Sozialdemokratie einen unerwartet glänzenden Sieg. Fast in allen kaukasischen Wahlbezirken siegten die Sozial- dcmokraten, und die vereinteii Kräfte der anderen Parteien, selbst die derKadetten", vermochten den Triumph der Sozialdemokraten nicht aufzuhalten. m Gleichzeitig meldet diese Korrespondenz über dre Wahlen m Sibirien : Dort haben selbst in solchen Städten, wo noch bis vor kurzem von einer größeren Agitation der Sozialdemokraten nichts zu merken war. durchweg sozialdemokratische Wahlmäuner den Sieg erlangt. Besonders charakteristisch sind in dieser Beziehung die Wahlen in Omsk . Die Einwohner dieser Stadt setzen sich zum größten Teil aus Beamten und Militär zusammen, und doch sind alle vier von der Stadt gewählten Wahlmänner Sozial­demokraten. Das ist die Antworl auf die Repressalien des un- erbittlichen Generals Suchotin und des bekanntenVertilgers" der Kramolniki"(Aufwiegler) Möller-Sakomelsky. Selbst die bis dahin regierungsfreundlichen Einwohner der Stadt Omsk waren über die Beruhigungspolitik der zügellosen russischen Behörde derart empört, daß sie die sozialdemokratischen Organisationen einmütig bei ihrer Wahltätigkeit unterstützen. Auch in Krasnojarsk und T s ch e l- jabinsk, wo größere sozialdemokratische Arbeiterorganisationen vorhanden sind, wie überhaupt in TranSbaikalina ist ähnliches zu verzeichnen._ polltUcbe Ocbcrficht. Berlin , den 9. Juni. Hinter den Kulissen der Kolonialpolitik. Einige Leute, die gute Beziehungen zu den Hintertreppen der Wilhelmstraße haben, plaudern eben wieder allerlei über die internen Vorgänge in der deutschen Kolonisationsarbeit" aus, das auch für weitere Kreise sehr wissenswert ist. So stellt der biedere Herr Harden recht hübsch allerlei Neues und Altes über die Soldateska-Natur des Herrn von Deim- ling zusammen: ... Herrn v. Deimling ist in Berlin aber dasselbe Mißgeschick begegnet, dessen Opfer er schon in Südwestafrika war: er hat eifernd die Verschanzung beschossen, die er schonen mußte. Ein tüchtiger, tapferer Offizier. Bei Narondas hat er den Hotten- totten die ärgste Niederlage.des ganzen Feldzuges bereitet lMorenga wurde damals durch einen Shrapncllsplitter am Unterleib schwer verletzt und zunächst für tot gehalten). Im Norden aber hatte der Oberst Unglück. Ist er zu jäh, zu ehrgeizig, rascher zur Tat. als ein Führer heutzutage sein darf? Er hat den von den Deutschen schon besetzten Waterberg beschossen; und seine SicgcsbullctinS mußten mehr als einmal widerrufen werden; s o oft, daß sie daS Hauptquartier schließlich nicht mehr beförderte. Die ganze Schutztruppe sprach davon. Deren Kommandant wird er nun. Ein Mann, dessen Konflikte mit dem General von Trotha nicht erst von den Helio- graphisten ausgeplaudert zu werden brauchten. Der einen von jungen Stabsoffizieren getadelten und höhnisch glossierten Vor- trag über Südwest veröffentlicht hat. Der zu dem milden Gouverneur v. Lindequist patzt wie die Faust aufs Auge; und die beiden sollen doch zusammenarbeiten. Können wir neue Friktionen an der Spitze der siechen Kolonie vertragen? Mancher bedauert die Wahl; hätte lieber den frommen, stillen Major v. Estorff als Kommandanten der Schutztruppe gesehen. Trotzdem keiner die soldatischen Tugenden des neuen Herrn anziveifelt. Muß der Befehlshaber auf so gefährdetem Posten aber nicht auch ein bißchen Diplomat sein und sich auf die schwere Kunst der Menschen- behandlung verstehen? Oberst Deimling lebte mit Trotha in offenem Zwist und durfte schon deshalb, in unserem musterhaft disziplinierten Heer, nicht der Nachfolger des Mannes werden, dessen Wirken er in Windhuk und Berlin un- heilvoll genannt hatte. Vermag er die Hitze zeitig zu dämpfen, den Zorn, Wenns nötig wird, zu zügeln? Aehnelt er Steinmetz oder Wißmann? E r h a t i n A f r i k a auf Deutsche geschossen, in Deutschland die Leute beleidigt, die er dem Regierungswunsch günstig stimmen sollte." Von Herrn Erzberger wieder sollen allerlei Interim stammen, die das Stuttgarter Zentrnmsorgan, dasDeutsche Volksblatt", bringt, dessen Redaktion Erzberger früher angehörte. Dieses Blatt veröffentlicht, wie wir demFränkischen Kurier" entnehmen, einen Artikel über das Zentrum und die Ablehnung des Reichs- K o l o n i a l a m t s, der in der Form einer Politik gegen den Schwäbischen Merkur" auseinandersetzt, niemand habe erwarten können, daß das Zentrum sich in der dritten Lesung ander? stellen werde als in der zweiten, und dann also fortfährt: Die Regierung hat das nicht erwartet. Der Chef der Reichs- kanzlci und der Stellvertreter des Reichskanzlers haben teilweise mehr als eine Woche vor der Abstimmung über das Reichs- kolonialamt mit bekannten ZentrnmSabgeordnete» gesprochen. und es ist beiden Herren gesagt worden, daß das Zentrum an seinem Nein festhalten werde.Was ist da zu tun?" meinte der Chef der Reichskanzlei. Die Antwort war, die Freunde des Reichskolonialamtes müßten eben zur Stelle sein. Und das Ergebnis war: von den Konservativen fehlten über 50 Prozent, von den Nationalliberalen über 20 Prozent. Als nach der Ablehnung der Eisenbahn ein rechtsstehender Abgeordneter zum Zentrum kam und sagte:Nun fällt wohl auch das Reichs- kolonialamt?", da ist ganz offen und ftei gesagt worden:Gewiß, nach der Besetzung des Hauses." Es ist erst ein paar Tage her, da sagte ein ganz bekannter konservativer Abgeordneter zu mir: Na, wissen Sie, daß das Reichskolonialamt gefallen ist, ist gar kein Schaden; der Erbprinz hat ja doch kein Rückgrat. Unsere Freunde haben überhaupt an der ganzen Ge- schichte kein Interesse mehr." Die Abstimmungsliste beweist das sehr deutlich. Die Taktik des Zentrums war also auch hier die denkbar offenste und lauterste." In der Tat: dieTaktik" deS Zentrums war sooffen und lauter", daß sie eben beweist, wie wenig den: Zentrum ernsthast an der Ablehnung lag, wie sehr sie lediglich eine Demonstration zur Einseifung seiner Arbeiterwähler sein sollte, und wie jesuitisch- gerieben daS Zentrum selbst der Regierung den Weg wies, das Reichskolonialamt gegen den Willen des Zentrums durch- zubringen. Außen hui, innen pfui l Sehr niedliche Enthüllungen macht Herr Erzberger im Deutschen Volksblatt" schließlich noch über die Farmer- entschädigung. Er sagt: Wie kann man überhaupt mit einer Fordening von 10,5 Millionen Mark an den Reichstag zugunsten derFarmer" herantreten, wenn man weiß, wie die ersten fünf Millionen ver- putzt worden sind! Der Sohn eines früheren national- liberalen Abgeordneten und reichen Welt- mannes hat einenSchaden" von 400 000 M. angemeldet; reiche Hamburger national liberale.Großkauflcute und SchnapSliefcrantc» kommen mit derselben Rechnung; eine Schäferei- gesellschaft, die nahezu bankerott war, aber sehr hochstehende Aktionäre hat, will auch nahezu eine halbe Million haben. Und so Iveiter. Das ist dasnationale" Interesse!" Wenn so viel schon trotz aller amtlichen Sperrmaßregeln an die Oeffentlichkeit kommt, wie viel wird dann noch im Verborgenen ruhen, von dem die Steuerzahler, auf deren Kosten diese ganze Wirt- schaft geht, überhaupt nichts erfahren l Kolonial- Landsknechte. EinSoldheer für unsere Kolonien" fordert in derRheinisch- Westfälischen Zeitung" ein kolonialpolitischer Schriftsteller. Der Gedanke der besonderen Kolonialarmee ist nicht neu; als not- wendige Konsequenz der glorreichen Weltpolitik ist er schon mehrfach ausgesprochen worden. An dem Vorschlag des Kolonialpolitikers des Kohlen- und Eisenjunkerblatts ist aber beinerkenswert die Offenheit, mit der er die Bestinimung dieser Arnree ausspricht und mit der er ihr Wesen darlegt. Er schreibt u. a.: Ein kriegerischer Konflikt mit einer seemächtigen Nasion liegt heute nicht außer dem Bereich der Möglichkeit. Die räuniliche Ausdehnung unferer Schutzgebiete und die Entfernung vom Mutterlaude ist so groß, daß eine Verteidigung durch Heimat- truppen iin Kriegsfalle so gut wie unmöglich ist. Ein Truppen- transport über See bedarf eines starken Konvois von Kriegs- schiffen, deren Detachierung unsere Flotte nicht vertrageil könnte. Unsere Schutzgebiete, die als leichte und billige Beute geradezu anlocken, sind mit den verhältnismäßig kleinen Konttngenten das südwestafrikanische Expeditionskorps kommt ja wieder nach Hause nicht im stände, einen nachdrücklichen Angriff einer Landungsflotte auszuhalten und ohne Verstärkung aus dem Mutter- lande einen von irgendwoher eindringenden Feind auf die Dauer erfolgreich abzuwehren." Deutschland soll also im Kanipfe mit einem see- mächtigen Gegner nicht bloß seine eigenen Grenzen, sondern auch noch seine Kolonien verteidigen. Das wäre selbst vom Standpunkte des Bourgeois ein unrentables Verfahren, denn ein siegreicher Aus- gang des Krieges gäbe uns die Kolonien ohne weiteres zurück, für die Entscheidung des Krieges aber bedeutete der Besitz der Kolonien nichts. Aber es ist auch weniger die Verteidigung, die sich der Kolonialpolitikus als die Aufgabe der Kolonialarmee denkt, als Werkzeug zum Angriff, als Werkzeug aggressiver Weltpolisik ist sie ihm wertvoll. Er fährt fort: Nicht allein das Interesse an der Erhaltung der Kolonien im Kriegsfalle spricht für die Bildung eines deutschen Kolonial- Heeres. Die Summe der geschichtlichen Erfahrungen aller Zeiten und aller Völker gipfelt in dem Satze: große überseeische Er- Werbungen und Aktionen, Handels- und Weltpolitik im modernen Sinne sind ohne besondere Kolonialtruppcn nicht möglich. Auch Deutschland wird, um die angefangene Bahn mit Erfolg weiter beschreiten zu können, hierin keine Ausnahme machen dürfen.. .Deutschland würde bei solcher Armee sparen, will der Autor darauf glauben machen; die tropen -akklimatisierten Krieger würden weniger Verluste durch Krankheiten haben, als frisch in Deutschland ausgehobene. Das stimmt, ist aber mir ein Argument gegen die Beteiligung an sinnlosen überseeischen Abenteuern. Den Stamm für die Kolonialarmee erblickt der Verfasser im südwestaftikanischen Erpeditionskorps. Er meint: ..... Es werden sich gewiß viele Leute finden, die im Hinblick auf die bessere Besoldung und auf eine höhere Prämien- zahlung an: Schlüsse der Dienstzeit gern zum Kapitulieren bereit sind. Hiermit ist aber auch das manchem vielleicht fllrchter- lich Klingende gesagt: das zu gründende deutsche Kolonialheer kann nur ein SöldncrkorpS sein, durch und durch ein bezahltes Berufsheer, das sich aus Deutschen (nur erstklassigen Leuten) rekrutiert, die sich ftir 510 Jahre, etwa vom 24.-35., zum Dienst in den Kolonien verpflichten müssen...." Es folgen Ausführungen, die beweisen sollen, daß eS nichts Ehrenrühriges ist, gegen Entgelt Soldatenhandwerk zu treiben. Der Herr Kolonialpolitikus sucht so dem Gegner alle Einwände von vorn» herein zu nehmen. Einen aber, der sehr nahe liegt, hat er nicht an- geführt. Die Erfahrung nämlich, daß der Söldner und vor allem der Kolonialsöldner verroht, daß er eine Geißel für die Eingeborenen bedeutet und eine Gefahr ftir das Volk, dem er angehört. Unsere herrschende Klasse hätte eine Truppe, die sie, wie der Zar seine volksfremden Kosaken, auch gegen den inneren Feind vortrefflich verwenden könnte, deren Verwendung gegen das eigene Volk für die Herrschenden init viel weniger Gefahr verknüpft wäre, als die der stehenden Armee. Für eine solche Soldarmee würden sich Elemente melden, die zu ehrlicher Arbeit nicht geeignet, ihre gewalttätigen Triebe austoben lassen würden gegen die Gegner, die man ihnen zeigt. DaS sind die Gründe, die das deutsche Volk in noch höherem Maße, als die kolossalen Kosten, die ein solches Söldnerheer verursachen müßte, zu entschiedenster Abwehr des Gedankens der Kolonialarmee führen müssen. Deutsche Landsknechte darf es auch in den Kolonien nicht geben I Deittfches Reich. Dir alte Taute Boß verwendet wieder einmal einen langen Leitartikel dazu, um ihrem Herzen gegen dieLeipziger Volkszeitung" Luft zu machen. Diesmal wird ihr Geseire über die Verworfenheit unseres Leipziger Bruderblattes dadurch Hervorgerufen, daß es auch dieses Parteiblatt, Ivie übrigens und selbstverständlichst auch alle anderen, abgelehnt hatte, über das Attentat in Madrid eine Tränenflut zu ergießen wie die bürgerliche Presse, vielmehr und mit Recht darauf hingewiesen hatte. daß dieselbe Gesellschaft, die sich über den möglichen Erfolg des Attentats jetzt so ungeheuer entsetzte, an dem kapitalistischen Mord von Millionen Proletarier achtlos vorübergehe. Wir wollen einer eventuellen eigenen Abwehr derLeipziger Volkszeitung", wenn sie eine solche überhaupt für notwenig hält, weder vorgreifen, noch würden wir auf das sehr durchsichtige Wehgeschrei der servilen Vossin überhaupt einzugehen brauchen. wenn sie nicht, gleichfalls aus sehr durchsichtigen Motiven, sich der Hoffnung hingäbe, daß hinter dieser Auffassung und Ausdrucksweise unseres Leipziger Parteiorgans nicht die ganze deutsche Sozial- demokratie stände. Darüber können wir derVoss. Ztg." die be- ruhigende Versicherung geben, daß dieLeipziger Volkszeitung " nur in einer besonderen Form die allgemeine Auffassung der Partei iviedergegeben hat, lind wenn der biederen alten Tante sonst nichts fehlte, könnte sie wieder zu den Gesunden gerechnet werden. Der konfiszierte Dreibund. DieRhein .« Westfäl. Ztg." vom Freitagmorgen ist wegen eines ArtikelsDer geflickte Drei- b u n d" beschlagnahmt worden. Der Artikel enthielt eine scharf ge- spitzte Krittk des Telegrammwechsels zwischen Wien und Rom und richtete sich hauptsächlich gegen Ungarn und Italien . Inwiefern er eine Majestätsbeleidignng enthalten sollte, dürfte Geheimnis des Staatsanwalts bleiben. DieRhein.-Westfäl. Ztg." hat wiederholt ohne Beschlagnahme in der Tendenz sehr ähnliche Artikel gebracht, die viel weniger irgend jemand persönlich wessen sollten als nach allen Seiten hin scharfmachen und zu weltpolitischen kriegerischen Verwickelungen hetzen sollen. Denn dieRhein.-Westfäl. Ztg." ist, wie man weiß, das Organ der Kanonenkönige und Panzerplattenfabrikanten. Wie der Kaiser reist. In dem Bericht der Scherlblätter über den Einzug Wilhelms II. in Wien findet sich folgende, auch für unsere Leser sicher interessante Mitteilung: .... Bei der Schönbrunner Brücke am Ausgang der Allee war neben der Triumphpforte eine Militärkapelle plaziert, welche beim Nahen des kaiserlichen WagensHeil dir im Siegeskranz" spielte. DerZug bestand aus 16 ganz gleichen Hof- wagen. In einem der letzten faß das gekoppelte Dachsenpaar Kaiser Wilhelms." Wenn die Dackel schlau sind, werden sie im Laufe der Jahre merkwürdige Eindrücke auf den kaiserlichen Reisen gesammelt haben._ Maifeier ostpreußischer Landarbeiter. Unter dieser Spitzmarke teilten wir bereits in der Nr. 119 des Vorwärts" mit, wie dieDeutsche Tageszeitung" dumme Be- merkungen darüber gemacht hatte, daß auf dem Gute Komorowen deS Genossen Ebhardt der 1. Mai durch vollständige Arbeitsruhe ge- feiert worden ist. Zum Schlüsse hatte sie dasMustergut"(die Gänse- füßchen rühren natürlich von dem Oertel-Blatt her) allen intelligenten Landlcuten dringend empfohlen. Genosse Ebhardt bemerkte in seiner Bescheidenheit damals dazu:Ob mein Gut ein Mustergut ist, kann ich nicht beurteilen, jedenfalls bemühe ich mich, es dazu zu machen, soweit es in meinen Kräften steht und soweit meine Mittel reichen" usw. Der Zufall hat es nun gewollt, daß ein paar Tage nach dieser Zuschrift von einer selbst derDeutschen Tageszeitung" doch wohl