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Nr. 1B4. 23. Jahrgang. L KilU des.Armrls" Kerlim NilksdlM. Mitwoch, 13. Juni 1906. Soziales. Die Masscnkündigimgen im Statistischen Amt find, nach derTäglichen Rundschau",bis auf weiteres" zurück- gezogen,da es sich als unmöglich herausgestellt hat, die organisatorische Umgestaltung der Handelsabteilung noch im Etatsjahr 1906 zur vollen Durchführung zu bringen". Die Kündigungen waren von der Presse aller Parteien, mit Aus- nähme von Blättern der nationalliberalen und konservativen Richtung, lebhaft getadelt. Die Tatsache, dag 68 Hülfsarbeitern in der von uns beschriebenen Weise eine Pstugstfcst-Ueberraschung zuteil geworden ist, und mit ihr die aus dieser Tatsache gezogenen Schlüsse bleiben als Zeichen für die soziale Rückständigkeit des Reichsamts des Innern und vornehmlich des Statistischen Amtes bestehen, das die Unterlagen für die sozialpolitischen Gesetze vorzubereiten hat. Sozialpolitik in statistischen Aemtern. Ein interessantes Seitenstück zu den inzwischen, wie wir mit- teilten, zurückgenommenen Massenlündigungen im Kaiserlichen Statistischen Amt bildet das Verfahren des Königlich Preußischen Statistischen Landesamtes, sich sozialpolitisch zu betätigen. Dieses Institut stand ehemals unter dem statistischen Altmeister Ernst Engel  an der Spitze statistischer Zivilisation und Wissenschaft. Nachdem Engel aber durch Bismarck   in den siebziger Jahren gewaltsam ent- sernt worden ist, sieht diese Behörde ihre vornehmste Aufgabe darin, möglichst zu versteinern und sich gegen moderne Ausgaben ab- zuschließen. Besondere Ehre aber glaubt es einlegen zu können mit seiner Art, Sozialpolitik zu treiben. Wenn in Deutschland   große Zählungen, wie die Volks-, Berufs- und Betriebszählungen usw. ver- anstaltet werden, so haben leider die einzelstaatlichen Acmter einen großen Teil der Bearbeitung zu leisten und dem Kaiserlichen Statistischen Amte Tabellen einzuliefern, die dieses Amt erst für die endgültige Publikation verarbeitet. Ist dieses Verfahren an sich schon schwerfällig genug, so ist das im Interesse der Benutzung der Statistiken noch in erhöhtem Maße deshalb der Fall, weil dann die endgültige Bearbeitung von allen Mängeln in der Arbeitsweise der einzelstaatlichen Aemter abhängig wird' Das macht sich im Reiche sehr unangenehm geltend, da das preußische Amt sich an- dauernd weigert, diejenigen statistischen Methoden einzuführen, die allein die schnelle Bearbeitung so ungeheuren Materials bewältigen können. Während man in Oesterreich  , den Vereinigten Staaten  , vielen anderen Ländern und sogar in--- Rußland in ausgiebigster Weise elektrische Zählmaschinen benutzt, arbeitet man in Preußen mit ungeübtem Personal, das sich aus pensionierten und verabschiedeten Offizieren. Beamten, Kaufleuten, Frauen usw. zusammensetzt, die zu allem besser geeignet sind als zur schnellen, sicheren und guten Verarbeitung statistischen Zahlen- niaterials. Es mag ja ganz nett gedacht sein, den er- wähnten Leuten, die oft schlecht genug gestellt sind, einen Ver- dienst zu verschaffen, aber warum muß gerade die Statistik darunter leiden? Man käme vielleicht besser weg, wenn man mit elektrischen Zählmaschinen arbeitete und nebenher einen Fonds für frühere Hülfs- arbeiter einrichtete. Amerika   verarbeitet seinen Zensus, und zwar das gesamte ungeheure Material, in 4c 5 Jahren, wobei schon nach zwei Jahren die"rsten Bände mit den Ergebnissen erscheinen; bei uns dauert die Bearbeitung einer kleineu Volkszählung ebenso lange. Und dabei sind in Amerika   bei den großen Entfernungen, dem viel viel größeren Umfange der Befragungen und der um die Hälfte größeren Bevölkerung noch ganz andere Schwierigkeiten zu überwinden, als bei uns I Was machen wir denn mit den Statistiken, wenn wir stets nur veraltete Zahlen zur Benutzung haben? Das Preußische Statistische Landesamt lehnt die Be- Nutzung moderner Bearbeitungsmethoden mit der Begriindung ab. daß ihm die bisherige Methode gestatte, sich sozial­politisch zu betätigen. Begründet es damit auch die Tatsache, daß die von ihm begonnene und teilweise publizierte Be- arbeitung der 189äer Berufs- und Gewerbezählung elend stecken geblieben und heute noch nicht vollständig erschienen ist, während das Kaiserliche Statistische Amt unter v. Scheels Leitung mit den 18 Bänden nach 4� Jahren(November 1899) fix und fertig war, obwohl es dabei auch schon auf die vom preußischen Bureau zu liefernden Tabellen warten mußte? Ein Beitrag zur Hetze gegen OrtSkrankenkassen. Auch in Koburg   sucht die bürgerliche Presse nach berühmtem Muster die Krankenkassenvcrwaltung zu verunglimpfen. Die mittel- deutschen   Organe zur Sozialistenbekämpfung brachten fast einhellig folgende Notrz über die Koburger allgemeine Ortskrankenkaste: Koburg  . Die hiesige allgemeine Ortskrankenkasse, die seit vorigem Jahre von einem fast völlig sozialdemokratischen Vorstand geleitet wird, hat laut ihren, Jahresbericht für 1905 eine Unterbilanz von 2604 M. herausgewirtschaftet, auch die dem Reservefonds sonst zufließenden 10 Proz. der Beiträge konnten nicht abgeführt werden. Trotz des schlechten Abschlusses schlug der Vorstand eine Teuerungs- zulage für die Kassenangestellten vor, hatte aber damit in der letzten Generalversammlung kein Glück." Unser Bruderorgan, dieReußische Volkszeitung", veröffentlicht darauf folgende aus eingeweihten Kreisen stammende Entgegnung: Wie die Verhältnisse in der hiesigen Gemeinsamen Ortskranken- lasse sind, ersehen Sie in dem Bericht über das letzte Geschäftsjahr. Daraus ist zu entnehmen, daß fast alle Mehrausgaben lediglich den Mitgliedern zugute gekommen sind, wenn man davon absieht, daß die personlichen Verwaltungsmehrausgaben den Vorstandsmitgliedern der Arbeitnehmer für ihre Mühewaltung zukommen(die zwei Vorstands- Mitglieder der Arbeitgeber verzichteten auf die ihnen bewilligte Ent- schädigung) und außerdem unter den sächlichen Verwaltungs- Mehrausgaben sich solche befinden, welche durch Ein- richtungen in den Kassenlokalitäten des neu erworbenen Geschäftshauses hauptsächlich ent- standen sind. Der Verfasser einer Notiz in einem dortigen Blatt, welcher über die Zusammensetzung des Vorstandes als von einem feit vorigem Jahre fast völlig sozialdemokratischen Vorstand berichtet, scheint die Angewohnheit zu besitzen, Wider besseres Wissen zu berichten, die in ihrer Ursache manchmal auf einen Sturz vom Postament oder ans erbliche Belastung zurückzuführen ist, denn er weiß doch jedenfalls, daß in beziig auf die Zusammensetzung des Vorstandes und die politische Ge- sinnung der einzelnen Mitglieder desselben, in den letzten Jahren keinerlei Aenderungen eingetreten sind, welche diese, zum besten ge- gebcne Ansicht, rechtfertigen, oder sollte der Borstand dadurch, daß zwei organisierte Schriftsetzer, welche Vorfitzende der Orskrankenkasse waren, und wovon der eine noch Vorstandsmitglied ist und dafür ein organisierter Maurer Vorsitzender wurde,gast völlig sozialdemo- lratisch" geworden sein? auch hierüber wird der«fast völlig halb oder dreiviertels" in der Baumwolle gefärbte Berichterstatter genau Bescheid wissen. Daß die Beamten, trotz desschlechten Abschlusses" deS letzten Geschäftsjahres den Vorstand ersuchten, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, wird für einsichtsvolle Menschen, welche nicht durch Gehässigkeit, Neid und Unverstand geplagt sind, bei der all- gemein anerkannten Teuerung kein unbilliges Verlangen sein, da die Entlohnung der Beamten bis jetzt keineswegs eine derartig schwindelnde Höhe erreicht hat, daß eine Verbesserung ihrer Lage nicht mehr ein- treten dürste. Die Kasse zählt 5000 Mitglieder, gewährt Familien- Unterstützung und obendrein haben die vier Beamten die Geschäfte der Invalidenversicherung mit zu erledigen und für alles dies zahlt die Kasse folgende Gehälter: der Kastenfnhrer...... bei 22 Dienstjahrcn 2600 M. 0 erste Beamte......»10 1300» 0 zweite Beamte.....»4_ 1100 1 Mithin dürften die Verwaltungsausgaben für die Beamten die niedrigsten in ganz Deutschland   sein. Wenn bei einer Kasse auch deren Mehreinnahmen an Beträgen im Betrage von 5771,59 Mark ' wieder mit(verursacht durch epidemieartig auftretende Krankheiten der Mitglieder und deren Angehörigen, für Krankenunterstützmig, ärztliche Hülfe, Arznei usw.) zur Ausgabe gelangen, so bedeutet daS für die Beamten ganz enorm steigende Anforderungen an ihre Leistungsfähigkeit. Das weiß derfamose Berichterstatter wider besseres Wissen" auch ganz genau, berichtet aber trotzdem mit freu- diger Genugtuung,die Ilassenangestellten hatten in der letzten Generalversammlung kein Glück" mit der Verbesserung ihrer wirt- schaftlichen Lage. Der Berichterstatter ist jedenfalls derselbe, Ivel- cher schon öfters von Koburg aus an dieLeipziger Neuesten Nachrichten" und sonstige bürgerliche Zeitungen über Kassen- verhältniste und Fahnenangelegenheiten berichtete und Ende vorigen Jahres wohl auch die anonymen Preßstrolcheceien imKoburger Tageblatt" gegen die Beamten der Ortskrankenkasse in Koburg veranlaßte. Die Firma Lump& Konsorten reicht eben überall hin und hat anscheinend in Koburg eine Hauptagentur." Diese Antwort läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Trotzdem wird das System der Verdächtigungen von Kastenverwal- tungen nicht abbrechen, weil es von dem Wunsche völliger Vernichtung der Selbstverwaltung diktiert ist. Bote und Kranlenkontrolleur L 1000 Eue Induftnc und Handel Aktiengesellschaft vorm. Lahmeycr u. Co. Der Reingewinn des Unternehmens stellt sich auf 1 602 999 M., 330 415 M, mehr als im Vorjahre. Auf das 20 Millionen Mark betragende Aktienkapital gelangen 7 Proz. Dividende zur Verteilung, im Vorjahre 5 Proz. Vom amerikanischen   Fleischskandal. Wie der Abgeordnete zum Bundeskongrctz Beveridge, welcher die Gesetzesvorlage für eine ver- schärfte Fleischinspektion resp. Ausdehnung derselben ans das ftir den inländischen Konsum bestimmte Fleisch usw. begründete, erklärte, ist die Sache durch das BuchThe Gungle"(Dschungel) von Npton Sinclair angeregt worden(der von derSocialist Party" als An- Hänger reklamiert wird), dessen in demselben enthaltene Angaben seitens einer vom Präsidenten Roosevelt   eingesetzten Kommission nicht nur als wahrheitsgemäß, sondern wahrscheinlich nochschenß- licher" befunden worden sind. Letzteres läßt sich daraus schließen, daß die Vertreter der Fleischbarone im Bundeslongreß baten, den Bericht der Kommission nicht zu veröffentlichen, wo- gegen sie der Gesetzesvorlage nicht opponieren wollen. Sie moti- vierten ihr Verlangen damit, daß durch die Veröffentlichung die Interessen einer großen Masseunschuldiger" Personen, wie Vieh- züchter, Zwischenhändler usw., aufs schwerste geschädigt würden. (Dabei hat sich bei der Untersuchung ergeben, daß von ersteren regel- mäßig und massenhaft krankes Vieh, weil es krank war, an die Schlächterfirmen verkauft worden ist.) Es heißt, die Opposition der letzteren richte sich besonders gegen die Bestimmung der Vorlage, daß die JnspektionSkosten von ihnen getragen werden sollen. Dies ist aber unzweifelhaft nur ein Scheinmanöver; denn es ist in Chicago  «offenes Geheimnis", daß die dortigen eingesetzten unteren Fleischinspektoren vom Fleischtrust eine regelmäßigeGehaltszulage" von 50 Dollar monatlich erhalten, wofür sie ein. eventuell beide Augen zuzudrücken haben.(Auf welche Weise die oberen Beamten der Fleischinspektionremuneriert" werden, läßt sich nur vermuten. Festgestellt ist, daß in bestimmten Fällen, in denen krankes Vieh von einzelnen Unterinspektoren beanstandet worden war, jene es wieder freigaben.) Nach den Aussagen einer Anzahl in den Schlachthäusern undWurstfabriken" der New Dorker Trustfirmcn angestellt gewesenen Personen herrschen in denselben die gleichen Zustände imd werden dieselbenMethoden" angewendet, wie in Chicago  . Das Oberhaupt der Gesundheitsbehörde hat indessen erklärt, daß er bei einerinkognito" als Reporter gemachten Jnspektionstour allesin bester Ordnung" gefunden habe. Elftere Angabe harmoniert übrigens nicht mit deni Umstände, daß es wirklichen Reportern, die doch in solchen Dingen einige Uebung besitzen, nicht gelungen ist, in die Schlachthäuser zu gelangen. Sinclair hat erklärt, daß die Bevcridgesche Gesetzesvorlage den angeblich beabsichtigten Zweck nicht erfüllen könne, sondern daß andere Maßregeln getroffen werden müßten, um der Schweinerei und Betrügerei ein Ende zu machen. Sein in Novellenform gehaltenes Buch erscheint, nebenbei bemerkt, jetzt im HearstschenJournal". Es ist hier am Platze, daran zu erinnern, daß in: Bundes- kongrcß auch ein Gesetzentwurf gegen die Verfälschung von Nahrungsmitteln vorgelegen hat, aber aufdie lange Bank ge- schoben" worden ist. In der Verhandlung über denselben ward aus den Berichten von Experten konstatiert, daß so ziemlich alles, was zur menschlichen Nahrung dient, mehr oder weniger der Verfälschung unterliegt, und zwar zum großen Teil in einer direkt gesundheits- schädlichen Weise. Wie weiter berichtet wird, will Präsident Roosevelt   seine Kam- pagne gegen die Trusts, namentlich gegen den Chicagoer Fleischtrust mtt aller Energie, unbekümmert um die Angriffe, denen er dieserhalb ausgesetzt ist, fortsetzen. BcrsicherungSpräsidenten unter Anklage. Die mit der Unter- suchung über die Geschäftsgebarung der Versicherungsgesellschaften betraute besondere Anklaaejury hat gegen die ftüheren Vizepräsidenten der Mutual Lebensverftcherungsgesellschaft, Gillette und Granniß, die Anklage wegen Fälschung erhoben.. Gerichte-Zeitung. Ein Nebakteur gegen Preßfrcihrit. Der Herausgeber derKritik der Kritik", Schriftsteller Horwitz, war zum Kadi gelaufen, weil er sich durch den Redakteur Schneidt derZeit am Montag" beleidigt fühlte. Gegen Schneidt war in erster Instanz vom Vertreter des Klägers, wie wir seinerzeit mit- teilten. Gefängnisstrafe beantragt. Vom Schöffengericht war dann Schneidt zu 500 M. Geldstrafe verurteilt worden, weil er in einer Polemik, die wegen eines in derKritik der Kritik" enthaltenen Ausfalls gegen den Theaterkritiker Schlaikjer entstanden war, Herr Schneidt den Privatkläger heftig angegriffen hatte. Gegen seine Verurteilung hatte Herr Schneidt Berufung eingelegt und die Wider- klage erhoben. In der gestrigen Verhaiidlung vor der 8. Straf- kammer kam es zum Vergleich zwischen den Parteien, nachdem Herr Schneidt erklärt hatte, daß seine Behauptung. Herr Horwitz habe sich seinerzeit um den Kritiierposten bei derZeit am Montag" be- warben, auf einem Irrtum beruhen könne. Zivilrcchtliche Verurteilung der Eiscnbahiidirektion wegen fahrlässiger Körperverletzung. Zu der Haltestelle Kunersdorf an der Bahnstrecke Frank- furt a. O. Neppen zweigt von der Landstraße ein Zugangswcg ab, der von dem Fohrdamm durch eine Reihe geweihter 4050 Zenti- meter hoher Prcllpfähle getrennt wird. Des Abends wird der Weg durch zwei Laternen erleuchtet. Als ein Bürger am 14. August 1904 diesen Zugangsweg benutzen wollte, um noch den abends 9 Uhr 40 Minuten von Kunersdorf abfahrenden Zug benutzen zu können, kam er über einen der Prellpfähle zu Fall und zog sich dabei er- hebliche Verletzungen zu. Für die Folgen des Unfalles macht er den Eiscnbahufiskus und den betreffenden Stationsvorsteher Haft- bar. Er führt in seiner Klage aus, die Pfähle seien viel zu niedrig und auch schlecht gekalkt gewesen, so daß man sie nur schlecht sehen könnte, auch habe eine Laterne nickt gebrannt. ES seien auch, wie unter Beweis gestellt, über die Pfähle schon mehrfach Personen zu Fall gekommen, und seien die niedrigen Pfähle Ortsgespräch ge- wesen. Landgericht und Kammergericht Berlin erkannten die Ansprüche gegen den Fiskus dem Grunde nach für g e- rechtfertigt an, dagegen wurde die Klage abgewiesen, soweit sie gegen den Stationsvoisteher gerichtet war. Während das Land« gericht davon ausgeht, daß die mangelhafte Weißung des ersten Pfahles den Unfall verursacht habe, gründet das Kammergericht die Verurteilung allein auf die niedrigen Prellpfähle, dazu komme das gleichmäßig ebene Gelände und die Lichtblendung vom Bahnhofe her, was alles dazu angetan sei, die Pfähle zu übersehen. Ein Mitverschulden des Klägers könne somit nicht in Betracht kommen. Es sei Erfahrungstatsache, daß derjenige, der es eilig zum Zuge habe, nicht so genau auf die Umgebung achte. Damit hätte die Eisenbahndirektion rechnen muffen, als sie die Pfähle anbringen ließ. Wenn sie aber an einer Stelle, die sich von der Umgebung nicht besonders abhebt, Pfähle von so geringer Höhe anbringen und stehen ließ, die übersehen werden konnten, so habe sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und der FiskuS habe daher für die Folgen auszukommen. Die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Revision machte geltend, daß es sich um eine Anlage von durchaus ländlichem Charakter handle, auf den ländlichen Wegen aber seien die Leute an und für sich darauf angewiesen, mit mehr Sorgfalt auf ihren Weg zu achten und müsse somit auch§ 254 B. G-B. zur An- Wendung kommen, da den Kläger unbedingt ein Mitverschulden wegen Außerachtlassung der nötigen Sorgfalt treffe. Der fünftl Zivilsenat des Reichsgerichts erkannte auf Zurückweisung der Revision._ Dir UnPünktlichkeit des Verkäufers. Sein ständiges unpünktliches Erscheinen im Geschäft bildete den Anlaß zur sofortigen Entlassung des Verkäufers Hermann P. aus dem Dienstverhältnis mit dem Teppichhändler Bernhard Hurwitz. P. fühlte sich indessen zu Unrecht entlassen und klagte gestern gegen H. vor der ersten Kammer des KaufmannsgerichtS wegen des Rest- gehaltes von 460 M. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Der Kläger   bestritt zwar nicht, öfter erst um'/O Uhr den Laden betreten zu haben, ivährend um 8 Uhr das Geschäft geöffnet wurde, er sei jedoch nur einmal ernstlich verwarnt worden und sei nach dieser Verwarnung nicht mehr zu spät gekommen. Der Beklagte be- hauptete demgegenüber, daß der Kläger   es mit der Unpiinktlichkeit so weit getrieben habe, daß sich der Geschäftsführer bei ihm, dem Beklagten, darüber beschwerte und ihn bat, Remedur zu schaffen. Der als Zeuge vernommene Geschäftsführer mußte allerdings zugeben, daß ihm die Unpünttlichkeit des Klägers Anlaß bot, nnt dem Chef darüber zu sprechen, bestätigte aber die Angaben des Klägers, daß er nach dem 16. Februar, dem Tage der letzten Verwarnung, nicht mehr zu spät gekommen sei. DaS Kaufmannsgericht ver­urteilte den Beklagten zur Zahlung der eingeklagten Summe. Es sei zwar erwiesen, daß der Kläger durch häufiges Zuspätkommen seine Pflichten stark vernachlässigt habe, es stehe aber ebenso fest, daß der Kläger   nach der letzten Verwarnung noch volle acht Tage beschäftigt wurde und sich während dieser Zeit eines pünktlichen Erscheinens befleißigte. Damit war aber anzunehmen, daß der Beklagte dem Kläger seine frühere Un- Pünktlichkeit verziehen habe, und er konnte nach einer Woche ordnungsmäßiger Führung die zurückliegende Verfehlung nicht mehr als Grund zu sofortiger Entlassung nehmen. Schamloser Erpressungsversuch. Der 31jährige Hausdiener Paul B l e n k hatte sich gestern vor der 2. Strafkammer des Landgerichts I   zu verantworten. Eines Tages im IWärz d. I. erschien der Angeklagte bei der Ehefrau des Kausmarms B., welche als Nebenbeschäftigung auf Empfehlung von Bekannten hin das Gewerbe einer Masseuse betreibt. Er gab an, Rekonvaleszent zu sein und ließ sich von Frau B. massieren. Einige Tage später erhielt diese zu ihrem größten Erstaunen einen Brief, in dem ihr der Angeklagte folgendes mitteilte: Er sei Kriminal- beamter und habe von seiner vorgesetzten Behörde den Auftrag er- halten, bei ihr zu recherchieren. Hierbei habe er in Erfahrung ge- bracht, daß Frau B. ihr Gewerbe nur als Deckmantel für ein ge- Wistes unsittliches Treiben benutze. Es sei nun seine Pflicht, dies zur Anzeige zu bringen; er wolle jedoch einmal Gnade vor Recht er- gehen lasten, wenn Frau B. ihm aus einer augenblicklichen Ver- lcgenheit helfe und ihm 100 M. an eine bestimmte Chiffte einsende. Dieser Erpresserbrief wurde von dem Ehemann B., der in einem hiesigen Bankgeschäft angestellt ist, der Kriminalpolizei übergeben. Diese veranlaßte ein Schreiben, durch welches der schamlose Erpresser in eine Falle gelockt wurde. Als Blen! Ahnungslos auf dem Post- amt ersefrien, wurde er von zwei Kriminalbeamten verhastet. Vor Gericht hatte'der Angeklagte noch die Dreistigkeit, seine Beschuldi- gungen gegenüber der Frau B. aufrecht zu erhalten und außerdem den Antrag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit zu stellen. Der Staatsanwalt beantragte mit Rücksicht auf das dreiste Vor- gehen des Angeklagten 6 Monate Gefängnis. Das Ge- richt erkannte auf 3 Monate Gefängnjis. Kritik der sübwestafrikanischen Siebclungsgesellschaft. Um dieSüdwestafrikanische SiedelungSgesellschaft" handelt eS sich wiederum bei einer vom Konsul Ernst Vohsen   angestrengten Privatflage, die gestern das hiesige Schöffengericht beschäftigte. An- geflagt waren der Kreisassessor Gerstenhauer aus Sachsen  - Mciningen und der Redakteur E i ch l e r von derDeutschen Zeitung" wegen der in den Nummern 137 und 138 derDeutschen Zeittmg" veröffentlichten Artikel unter der UeberschriftDie Ssj.d» westasrikanische SiedelungSgesellschaft des Herrn Vohsen". Die Ar- tikel bilden zum Teil eine Abwehr auf eine Veröffentlichung deS Privatklägers in derNationalzeitung" und beschäftigen sich in polemischer Weise mit den inneren Verhältnissen der Siedelungs- gesellschaft, der n. a. vorgeworfen wurde, daß die in die Bilanz eingesetzten Werte nicht stimmen, daß der Gewinn verschleiert werde usw. usw. Nach längerer Verhandlung erkannte das Schöffengericht auf Freisprechung, indem eS den Angeklagten den Schutz des§ 103 St.-G.-B. zusprach._, Fort mit der Liebe! Die Lex Heinze-Männer beschäftigten am Montag abermals das Reichsgericht. Das Landgericht Köln   hat am 6. Februar den Buchhändler Otto Müller   von der Anklage der Verbreitung einer unzüchtigen Schrift freigesprochen. Gegen dieses Urteil hatte der Staatsanwalt Revision eingelegt. Müller hatte in seinem Laden eine größere Anzahl Exemplare des vomSimplicijsimuS" herausgegebenen FlugblattesFort mit der Liebe I Ein Notschrei" auf Lager und einen Teil davon bereits in Verkehr gebracht, als die Polizei danach suchen kam und den Rest beschlagnahmte. Dieses mit Illustrationen ver- sehene Gedicht sollte nach Ansicht der LexHeinze-Männer, in deren Augen der Kampf gegen Heuchelei als Unsittlichkeit oder Unzüchtigkeit erscheint. eine unzüchtige Schrift sein, weil darin über Priester, Liebe und Sittlichkeitskongreß derb losgezogen wurde. Das Landgericht hat aber festgestellt, daß weder Text noch Bilder die Merkmale der Unznchttgkeit tragen. Es genügt nicht zur Annahme der Unzüchtigkeit, so heißt es im Urteile, daß einzelne Sätze das Scham- und Sitt- lichkeitsgcfühl verletzen können; vielmehr kommt es darauf an, ob die Schrift im ganzen den Charakter der Unzüchtigkeit trägt, was hier nicht.der Fall ist. Es darf auch nicht die leich. erreg- bare Phantasie der Jugend als Norm angesehen werden. Der Zweck d'es Flugblattes ist zweifellos, ge- wissen Sittenposteln vorzuhalten, daß ihre Kundaebuoaen eine gewisse Heuchelei enthalt«