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heit verglichen wird, in dem die Mädchen den Erziehungsanstalten zugeführt werden. 2. Die sittliche Verkommenheit der Zöglinge hat meist in der Verderbtheit aller sittlichen Anschauungen ihren Grund und tritt in dem lügenhaften, heuchlerischen, trägen und ungehorsamen Wesen der Zöglinge zutage. S. Grosie Schwierigkeit für die Erziehung bieten die Verderb- lichen Einflüsse, die von sittlich verkommenen Familienangehörigen auf die Zöglinge ausgehen. Auch können diese unter sich einen Verderblichen Emflufz auf einander ausüben. 4. Sofern die Fehler der Zöglinge nicht auf krankhafter Natur- anläge beruhen, ist eine Besserung durch Erziehungsanstalten mög- lich und erfahrungsgemäß bei der größeren Zahl der Zöglinge eingetreten. Mit den üblichen Danlesreden wurde der Erziehungstag ge- schlössen. Der nächste im Jahre 1908 abzuhaltende Fürsorgeerziehungstag soll in Südwestdeutschland stattfinden. Verbaudstag der Schuhmacher. Nürnberg , 13. Juni. Dritter Verhandlungstag. Der erste Vorsitzende Simon teilt mit, daß ein sehr tätiges und fleißiges Mitglied der Zahlstelle Nürnberg , der Kollege Philipp, im städtischen Krankenhause verstorben ist. Der Vorstand wird bc- auftragt, bei der Beerdigung einen Kranz im Namen der General- Versammlung am Grabe niederzulegen. Zu Ehren des Verstorbenen erheben sich die Versammelten von den Sitzen. Dann erhält der Vertreter der Gencralkommission, K n o l l, das Wort. Er bemerkt, die gestrigen Auseinandersetzungen zwischen Ausschutz und Vorstand hätten ihm bewiesen, daß das Verhältnis zwischen den beiden wichtigen Körperschaften nicht ein solches sei, wie es erforderlich wäre, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken im Interesse der Gewerkschaft zustande kommen solle. Wenn man Reibungen in Zukunft vermeiden wolle, so müsse man sich'dazu ent- schließen, an dem Statut eine organische Operation vorzunehmen in der Weise, daß der Ausschuß nicht als Kontrollorgan für den Vor- stand, sondern als Bcschwcrdeinstanz eingesetzt wird. Darauf erhalten die Berichterstatter das Schlußwort. Der erste Vorsitzende Simon geht aus die verschiedenen Bemängelungen, die in bezug auf Maßnahmen des Vorstandes vorgebracht wurden, ein und sucht dessen Haltung in verschiedenen Angelegenheiten zu rechtfertigen. Schließlich verwahrt sich Redner nochmals dagegen, daß der Vorstand bei Anstellung von Gaubeamten nicht von fach- lichen Gründen, sondern von persönlichen Gefühlen geleitet worden sei. Endlich weist er die Bemerkung Haupts zurück, daß er, Simon, in der Sache Schaumburg den Kollegen Göller als Sprachrohr benützt habe. Er habe mit Göller über den Fall Schaumburg über- Haupt nicht gesprochen. Haupt- Magdeburg verteidigt in seinem Schlußwort zum Ausschuhbericht die Entscheidungen des Ausschusses. Er habe nichts dagegen, wenn in Zukunft der Ausschuß bei Anstellungen nicht mehr mitreden dürfe. Gegenüber den Ausführungen Knolls bemerkt er, es sei tatsächlich richtig, daß Reibungsflächen zwischen Vorstand und Ausschuß vorhanden sind, aber es sei nicht richtig, den Ausschutz bloß als Beschwerdeinstanz bestehen zu lassen. Er müsse als Kontrollinstanz schon in Rücksicht auf die Revisionen der Kasse be- stehen bleiben. Daß das Verhältnis zum Fachblatt bleibt, wie cS jetzt ist, so lange Bock an der Spitze desselben steht, dagegen habe er nichts, zu der Anregung, daß verschiedene Punkte vertraglich festgesetzt werden, sei er nur durch verschiedene Umstände gekommen, da die Ausgaben für Expedition plötzlich gestiegen seien usw. Zum Schluß erklärt er, wenn er den Verlauf der Verhandlungen an sich vorüberziehen lasse, so müsse er sagen, er sei herzlich froh, daß der Ausschuß seine Entscheidungen so getroffen hat, wie geschehen. Bock- Gotha bemerkt nochmals, daß ein Vertrag wegen des Fachblatts schon existiert. Mit dem Verband werde über alle Aus- gaben genau abgerechnet. Die Erhöhung der Ausgaben für die Expedition rühre daher, daß früher die Expedition des Fachblatts von der Expedition des GothaerVolksblattcs" mit versehen wurde. Als die Auflage noch klein war, zahlte der Verband einen kleinen Teil des Gehalts des Expedienten; die Auflage sei aber inzwischen so gestiegen, daß zur Expedition eine Arbeitskraft vollständig ab- sorbiert wird, deshalb habe der Verlag desVolksblatt" gefordert, daß der Verband das volle Gehalt des Expedienten zu bezahlen habe. Nach einer kurzen Diskussion entscheidet sich die Versammlung für die Anstellung eines zweiten Kassierers. Dem Vorstand und Ausschuß wird Entlastung erteilt. Alsdann erfolgt die Spezialdiskussion und Abstimmung über die allgemeinen Anträge. ES wird zunächst der Antrag angenommen, wonach der Vorstand die Rückzahlungen nicht untersonstige Einnahmen", sondern als Rückzahlungen zu buchen hat. Hammacher- Berlin tritt für Anstellung eines Gau- bcamten für die Provinzen Ost- und Westpreußen ein, welcher der polnischen Sprache mächtig sein soll. Das Gleiche befürwortet F r o h n- Stettin. Ebenso tritt Knoll-Berlin als Vertreter der Generalkommission für Anstellung eines polnisch sprechenden Be- amten ein. Es handle sich darum, der großpolnischen Agitation in diesen Gegenden wirksam entgegenzutreten. Simon- Nürnberg weist auf die Schwierigkeiten der Agitation in diesen Gegenden hin. Die Schuhindustrie habe in letzter Zeit dort sehr an Ausdehnung gewonnen. Er empfiehlt ebenfalls die Anstellung eines Beamten für diese Gegend. Der Antrag, aus Berlin und seinen Vororten einen eigenen Gau zu bilden, wird abgelehnt. K u r f e ß- Tuttlingen tritt für Anstellung eines Ortsbeamten für Tuttlingen ein. Haupt- Magdeburg macht den Vorschlag, die Zahlstellen, in denen Ortsbcamte notwendig sind, sollen für Vcr- waltungs- und Agitationszwecke einen Lokalzuschlag von 5 Pf. pro Mitglied und Woche einführen. Unter dieser Voraussetzung wird die Anstellung eines Ortsbeamten für Tuttlingen gutgeheißen. Ucber die Anträge, gegen den übermäßigen Alkoholgenuß eine bc- sondere Agitation zu entfalten, wird zur Tagesordnung über- gegangen. Diese Bekämpfung wird für selbstverständlich erachtet. Tie Anträge,»die auf Errichtung und Förderung von Arbeitsnach. weisen hinzielen, werden dem Vorstand zur Berücksichtigung über» wiesen. Weilers- Erfurt tritt für die Anstellung eines Gau- beamten in Thüringen und Provinz Sachsen ein mit dem Sitz in Erfurt . Unter den heutigen Verhältnissen könne von einer plan- mäßigen Agitation nicht die Rede sein. Für diesen großen Gau sei ein selbständiger Gaubeamtcr notwendig. Schilling- Magdeburg und Haupt- Magdeburg unterstutzen den Antrag, beide erklären sich icdoch dafür, daß der Sitz der Gauvcrwaltung nach Halle verlegt werde. Dietrich-Erfurt wünscht, daß der Sitz der Gauleitung in Erfurt belassen werde. Die Anstellung eines Gäubeamten für Thüringen und Provinz Sachsen wird beschlossen, doch kommt der Sitz nach Halle. XV. GtNtrlllvtrsammlnng des Verbandes der Vrauerei- Arbeiter. tli. Köln , den 13. Juni 1906. (Erster Verhandlungstag.) Nach Eröffnung der Sitzung durch H o d a p p- Berlin werden zunächst geschäftliche Angelegenheiten erledigt. Den Bericht des Hauptvorstandes erstattet Bauer. Die Kämpfe der letzten zwei Jahre haben viel Arbeit gebracht. Allein 22 Angriffstreiks seien notwendig gewesen. Die Aussperrungen und Matzregelungen haben 62 Abwchrstreiks erfordert. In 679 Be- trieben mit 27 000 Arbeitern sind bessere Lohn- und Arbeits- bedingungcn errungen. Bei der Massenarbeit habe leider der Vor- stand nicht immer genügend Unterstützung gefunden. Die Anstellung pon Gaubeamten sei ein sehr glücklicher Beschlutz gewesen. Ohne- dem hätte man den vielen Angriffen der Unternehmer nicht stand» halten können, noch viel weniger eine genügende Agitation treiben können. Zwar seien nicht alle Erfolge auf die Tätigkeit der Gau- bcamten zu setzen, aber immerhin hätten sie sich bezahlt gemacht. Seit 1904 ist die Zahl der Zahlstellen von 163 auf 224 und die Mitgliedcrzahl von 18 000 auf 26 000 gewachsen. Die vom letzten Verbandstage beschlossene Statistik über Sonntagsarbeiten habe nicht ausgeführt werden können, weil nur zirka 20 Zahlstellen die Frage- bogen ausgefüllt haben. Der Aufruf des Vorstandes zu dem Protest gegen die Braustcuer sei nicht genügend beachtet. Die starke Fluk- tuation der Mitglieder beweise, daß immer noch mehr zur Erhal- tung des Mitgliederbestandes getan werden müsse. Die Bestimmung über die Gewährung von Sterbegeld werde vielfach mißbraucht. Die Rechtsschutzansprüche sind von 90 auf 246 Fälle gewachsen und die dafür verwandten Ausgaben von 3520 M. auf 10 791 M. Redner kritisiert es ferner, daß sich einzelne Zahlstellen nicht dem neuen Wahlmodus unterworfen haben und daß einzelne Delegierte mit gebundenen Mandaten kommen. Da das Fundament einer Organi- sation eine gute Kasse sei, möge die General-Bersammlung für Stärkung des Kriegsfonds Sorge tragen. Auch weist der Redner darauf hin, daß sich die weitere Anstellung von Gaubeamten not- wendig mache. In mancher Hinsicht seien dem Vorstand zu sehr die Hände gebunden. Kager! gibt den Kassenbericht. Die Ein- nähmen sind auf mehr als das Doppelte gestiegen, aber auch die Unterstützungsansprüche sind erheblich gewachsen. Zu beklagen sei die saumselige Abrechnung vieler Zahlstellen. Die erhebliche Mehr- arbeit erfordere eine Reformierung des Kastenwesens. Die Bilanz am Jahresschluß weist eine Einnahme von 436 278,04 M. und eine Ausgabe von 426 411,81 M. auf. Der Bestand beträgt zurzeit 142 000 M. Krieg gibt einen kurzen Bericht über die Re- daktionstätigkeit des Fachorgans. K a st n e r- Berlin ist mit der Haltung des Fachorgans zum 1. Mai nicht einverstanden. Ein Gedicht von vier Strophen sei keine Propagierung der Forderungen, wie sie am 1. Mai von der gesamten klassenbewußten Arbeiterschaft vertreten würden. Wenn eine Fachzeitung noch so klein sei, ein Leitartikel für die Klassen- forderungen am 1. Mai müsse von jeder Arbeiterzeitung gefordert werden.(Sehr richtig I) Die weitere Diskussion dreht sich fast immer um dieselbe Materie. Teilweise sollen die Leistungen der Beamten den Erwartungen nicht entsprechen; von der großen Mehr- heit der Delegierten wird jedoch die Tätigkeit der Gaubeamten an- erkannt und eine Vermehrung der Gau- und Lokalbeamten ge- fordert. Seitens des Kassierers Kager! wird gefordert, daß die Gaubcamten für eine pünktliche Abrechnung der ihnen unter- stellten Zahlstellen verpflichtet werden sollen, auch wünscht Redner, daß den Zahlstellen ein bestimmter Satz von etwa 20 Proz. am Orte verbleibt. Bezüglich der statistischen Berichte verweist Redner auf die Berichte der Generalkommission. A m b o r n- Erfurt macht u. a. den Delegierten des Verbandes zum Kölner Gewerkschaftskongreß Vorwürfe, weil sie nicht für die Resolution Glocke eingetreten sind. In seinem Schlußwort reka» pituliert Bauer nochmals die Stellung des Hauptvorstandes. Auch Kager! vertritt nochmals die Reformvorschläge bezüglich der Kassenführung. K r i eg sucht ebenfalls die gegen die Re- daktion des Fachorgans erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Redner wundert sich, daß man ihm erst jetzt Vorwürfe macht wegen des Fehlens von Maifeierartikeln im Fachorgan, er habe schon seit fünf Jahren dieselbe Praxis geübt und befinde sich dabei in guter Ge- scllschast, nämlich in der desCorrespondenzblatt" der General- kommission. Es scheine wohl, als ob die jetzige Strömung auch auf die Verbandskollegen eingewirkt habe. Erst wenn offiziell der Gewerkschaftskongreß eine andere Haltung einnehme wie bisher, sei diese Frage spruchreif. Wenn dieBraucr-Zeitung" für die Propagierung der Arbeitsruhe am 1. Mai eintrete, könnten durch Ruhenlassen der Arbeit Kosten entstehen, die dann vielleicht an anderer Stelle sehr fehlen würden.(Ohorufel) DieBrauer- Zeitung" solle mehr Politik treiben was denn für Politik? In bezug auf die Vertretung von Arbeiterschutz habe das Fachorgan mindestens dasselbe geleistet wie andere Gewerkschaftsblätter. In» deß werde er dennoch dem Wunsche nach einem Mai-Leitartikel in Zukunft gerecht werden. Bezüglich des gewünschten Ausbaues der Braucr-Zeitung" müsse von vornherein mit der Anstellung eines zweiten Redakteurs oder mit einer Entlastung seiner(Kriegs) Person in anderer Hinsicht gerechnet werden. Es wird darauf dem Hauptvorstande Decharge erteilt. Jakob- München be­richtet für die Mandats-Prüfungskommifiion, daß alle Mandate ein- wandsfrei und daß auch die beiden Proteste hinfällig seien. Die Mandate werden anerkannt, und die Beschwerden gegen den Aus- schluß mehrerer Mitglieder einer fünfgliederigen Beschwerdekommis- sion überwiesen. Richter. Berlin erstattet hierauf den Bericht des Ausschusses, woraus zu ersehen, daß Vorstand und Ausschuß mehrfach ver- schiedener Meinung gewesen sind. Die strittigen Punkte werden auf Antrag Tröger-Amborn einer fünfgliederigen Kommission zur Vorheratung überwiesen. Soziales* Bon der gesicherten Stellung der Forparbeiter in Lychen . Für die selbstherrliche Stellung der Polizeigewaltigen, die fast rechtlose Stellung der Arbeiter und die soziale Rückständigkeit der Verhältnisse auf dem platten Lande und in den kleinen Städten Ost- elbienS ist folgender Bericht kennzeichnend, der uns aus Lychen , einem kleinen Städtchen im Kreise Templin (Provinz Brandenburg ) zugeht. Der 63 Jahre alte städtische Arbeiter Fritz Hoffmann in Lychen war 25 Jahre lang Forstarbeiter, in den letzten fiinf Jahren Vor- arbeiter. Seine Arbeit hat er zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Das besagt nachfolgendes ihm vom Stadtförster über die letzten acht Jahre im Oktober 1905 ausgestellte Attest: Hiermit bescheinige ich dem Fritz Hoffmann auS Lychen , daß derselbe unter mir in der Zeit vom Oktober 1892 bis 9. Oktober 1905 als Waldarbeiter in der Stadtforst Lychen beschäftigt war, und zwar in den ersten drei Jahren als Arbeiter, in den letzten fiinf Jahren als Vorarbeiter. Der Fritz Hoffmann hat sich in dieser Zeit stets als ein nüchterner, be- scheidener. fleißiger, zuverlässiger, ehrlicher Mensch gezeigt." Hoffmann ist jetzt obdach- und beschäftigungslos. Weshalb? Weil er eine vom Bürgermeister Bachhuber gegen seinen Sohn ge- richtete Beleidigung(Du grüner 16 jähriger Junge") nicht ruhigem« stecken wollte. Der Fall liegt wie folgt. Hoffmann bewohnt seit 18 Jahren in Lychen gegen einen viertel- jährlichen Mietszins von 13,50 M. eine Wohnung im städtischen Armenhause zu Lychen . Im Oktober 1905 wurde bei seinem Sohn von dem Bürgermeister Bachhuber und dem Polizeidiener Stimm eine Haussuchung abgehalten. Hierbei fiel die oben wiedergegebene Apostrophierung des Sohnes durch den Bürgermeister. Gegen diese wendete sich begreiflicherweise der Vater. Der wegen dieser Be- leidigung angestellte Sühneversuch blieb erfolglos. Das zwecks An- strengung der Beleidigungsklage gegen den Bürgermeister und Polizeiverwaltcr erbetene Armenattcst wurde von der Polizei- Verwaltung in Lychen verweigert. Eine Beschwerde beim Landrat deS Templiner Kreises wutde mit der Begründung zurückgewiesen, daß Hoffmann bei einem Verdienst von 2 M. bis 2,25 täglich sehr wohl in der Lage sei, die durch Inanspruchnahme der Rechts- hülfe erwachsenden Kosten zu tragen" I Nach der Beleidigung deS 16jährigen Sohnes de? Hoffmann durch den Bürgermeister wurde dem Hoffmann die Wohnung zum 1. Januar 1906 gekündigt. Ferner setzte der Bürgermeister durch. daß dem alten Manne, der einBierteljahrhundert laug vorwurfsfrei für die Stadt seine Arbeits- kraft verwendet hatte, feine Stellung als Forst« arbeiter gekündigt wurde. Aber damit nicht genug. Hoffmann erhielt am 1. Januar keine Wohnung. Er blieb des- halb m feiner Mietswohnung im Armenhause wohnen. Die Stadt- gemeinde zog auch in der ersten Hälfte des Januar die Vierteljahrs« miete ein. Kurz darauf wurde dem Hoffmann die Miete zurück- gezahlt, weil die Einziehung versehentlich erfolgt sei und der Bürgermeister strengte gegen Hoffnmnn die Exmissionsklage an. Im Verhandlungstermin machte ihn der Richter darauf auf- merksam. daß die Klage wohl abgewiesen werden müsse. Daraus schloß er mit Hoffmann vor Gericht einen Vergleich dahin, daß der Bürgermeister sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten übernehme, während Hoffmann sich verpflichtete, die Wohnung am 1. April zu räumen. Der durch die plötzliche Entlassung aus städtischen Diensten arbeitslos gewordene Hoffmann vermochte auch zum 1. April keine Wohnung zu finden. Bereits am Mittag deS 2. April wurde Hoff- mann aus dem Armenhause auf Grund des erwähnten Vergleichs ernüttiert. seine Habseligkeiten wurden auf die Straße gesetzt, zwei Schinken stör die im Januar gezahlte und zurückgezahlte Miete retiniert. Die Sachen wurden schließlich in der Cholerabaracke und auf dem Hospitalhof untergebracht. Hoff- mann war es unmöglich. eine Wohnung zu erhalten. Auf sein dringendes Ersuchen um Obdach wurde ihm und seiner Familie eine kleine Arrestzelle angewiesen, deren Fenster mit schwarzem Kasten abgedeckt ist. In dieser Verbrecherzelle blieb Hoffmann nicht. Seine Frau ging auswärts zu Verwandten, er selbst nächttgte mal bei einem seiner Schwiegersöhne, mal im Freien. Die bescheidene Wohnung im Armenhause, aus der Hoffmann nach 18 jährigem Mietsverhältnis so hartherzig exmittiert ivurde. ist jetzt an einen siebenmal wegen Diebstahls vorbestraften Mann ver» mietet. Alle Gesuche Hoffmanns an die Stadtverordneten- Ver- samnilung sind erfolglos geblieben. Nach 28 jähriger Arbeit aufs Pflaster geworfen, exmittiert, ohne Besitz seiner Habseligkeiten das ist das LoS eines Forstarbelters in dem Lande, in dem nach bekanntem Ausspruch für den Arbeiter bis an sein Lebensende gesorgt sein soll. Dies für ostelbische Verhältnisse typische Vorgehen des Burger- Meisters und des Landrats hat in Lychen und Umgegend recht re- volutionierend gewirkt. Möge es auch darüber hinaus in derselben Weise wirken. Mit Worten loird die.Sozialreform" Deutschlands gepriesen, in der Tat steht Ostelbien voran in bornierter absolu- listischer und antisozialer Betätigung. Wer nicht selbst durch Eintritt in die politischen Vereine der Sozialdemokratie gegen diese Wirtschaft einttitt, macht sich zum Mitschuldigen solcher Zustände._ Unsere Ge­nossen im Templiner Kreise können den Behörden für ihre un- bewußte rastlose Agitation zur Unzufriedenheit und damit zum Nachdenken und zum Anschluß an die sozialdemokratischen Organi- sationen dankbar sein. Bei der nächsten Reichstagswahl soll dieser Dank urkundliche Bestättgung in Form sozialdemokratischer Stimm- zettel finden._ Warnung an Landarbeiter! Die Landivirtschaftskammer der Provinz Brandenburg benutzt den amtlichen Teil der Kreisblätter, um die Landwirte zu ersuchen, möglichst bald wegen Besorgung von Wanderarbeitern für dieses Jahr sich an da? Arbeitsamt in der Koppenstraße und an die in der Provinz befindlichen Arbeitsamtsnebenstellen zu wenden. An einer anderen Stelle des amtlichen Teils macht die Landivirtschaftskammer bekannt, welche.Kontraktbruchsfälle" in den Monaten März und April 1906 zu ihrer Kenntnis gelangt sind. Sie teilt unter Anführung des Standes und Namens, Alters und Geschlechts dann die Namen von 33 landwirffchastlichen Arbeitern mit, gibt den jetzigen Auf- enthalt der Kontraktbrüchigen, soweit dies der Kammer möglich ist (das ist in 4 Fällen), bekannt und veröffentlicht, daß in 2 Fällen eine Bestrafung(zu 5 bezw. 15 M.) erfolgte, in 2 weiteren Fällen die Strafverfolgung eingeleitet ist. Zum Schluß ersucht die Land- wirtschaftSkamnier,geeignete Maßnahmen zur Ermittelung der 29 Personen mit unbekanntem Aufenthalt zu tteffen" und richtet an die Landwirte die Bitte, fernere Fälle des KonttaktbrucheS ihm mit- teilen zu wollen. Diese steckbriefähnliche Verfolgung wird von der Landwirffchafts- kammer ständig getrieben. Sie maßt sich damit eine Verrufserklärung von Arbeitern an, zu der weder sie, noch die Arbeitgeber berechtigt sürd, die sie mit Mitteilungen versorgt haben. Bon den vielen, teilweise ge- richtlich festgestellten Fällen des KonttaktbrucheS durch Arbeit g e b e r teilt die Landwirtschaftskannner wohlweislich keinen mit. Sie unter- läßt es auch, die Gründe anzugeben, weshalb die Arbeiter- von den 33 nainentlich Aufgeführten sind 23 Ausländer (14 Galizier, 8 Russen, 1 Ungar) ihre Arbeitsstätte verlassen haben. Man ist Ivohl berechtigt anzunehmen, daß gute Be- Handlung, hoher Lohn und Mangel an Arbeit die Arbeiter zum Verlassen des Dienstes nicht veranlaßt haben. Die Steckbriefe der Landwirtschaftskammer find ein beredtes Zeugnis ftir die jammervolle Lage der Landarbeiter. Leider wird bei den Steck- bliesen weder der Name der Arbeitgeber noch durchweg das Gut namhaft gemacht. AlsOrt, an welchem Kontraktbmch verübt wurde" wird angegeben: aus dem Kreise Ober-Barnim: Kersten- bruch in 4 Fällen. Herrenwiese in 1 Falle, Wölstckendorf in 4, Wegendorf in 2 Fällen, aus dem Kreise Teltow : Stangenhagen und NotziS in je 2 Fällen, auS BeeSkow-Storkow: Klein Eichholz in 1 Falle, aus Ost Havelland: Lobeofsund in 2 Fällen, aus dem Kreise L e b u s: Heinersdorf in 1 Fall, JakobS- dorf in 4 Fällen, aus dem Kreise Nieder-Barnim : Mahlsdorf in 4, Blumberg in 3, Nieder-Schönhausen in 2 Fällen. Aus nur einigen dieser Ortsangaben ergibt sich der Name des Gutes. Nur in diesen wenigen Fällen können ländliche Arbeiter die gegen ihre Arbeitskollegen gerichteten Steckbriefe als Warnungen auffassen. in den genannten Gütern in Arbeit zu treten. Ebenso mögen sie nach dem Vorstehenden von der Arbeitsvermittelungsstelle m der Koppenstraße sich fernhalten. Ein durchgreifendes Vorgehen gegen die Achterklärungen der Landwirtschaftskammer wird freilich erst durch eine Organisatton der ländlichen Arbeiter ermöglicht werden. Sie zu einer starken zu machen, ist jeder ländliche Arbeiter in der Lage. Sie sind für den Besitzer vielfach unentbehrlicher als er für sie. Mögen die Steckbriefe der Landwirtschaftskammer die ländlichen Arbeiter zu noch engerem Anschluß an die polittschen und gewerk- schaftlichen Vereine treiben. Gerichts-Leitung. Verpflichtung zur Aushändigung der Papiere bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Als der Kassenbote L. aus seiner Beschäftigung bei der Berliner Filiale der Kyffhäuserhütte austrat, konnten seine Jnvalidenversiche- rungskarte und sein Krankenkassenbuch ihm nicht ausgehändigt werden, weil der Expedient, der sie verwahrte, abwesend war. Er hatte beides gefordert. Er kam nicht wieder und der Filialchef vergaß die Angelegenheit. Erst nach Wochen erhielt L. Ver- sicherungSkarte und Buch, nachdem er bei der Zentrale in Artern schriftlich vorstellig geworden. Durch Klage beim Gewerbe- gericht verlangte L. eine Lohnentschädigung, weil er mangels der Karte und des Buches keine andre Stellung habe antreten können. Die Kammer 5 des Gewerbegerichts verttat gegenüber den Einwänden des Filialinhabers den Standpunkt, daß Beklagter dem Kläger die Papiere hätte zusenden müssen und wegen der Ver- säumung dieser Pflicht für den daraus dem Kläger entstandenen Schaden haftbar sei. ES wäre der Arbeiter, der bei Beendigung der Vertragszeit seine Papiere nicht erhalte, nicht verpflichtet, wieder zu kommen, um sie sich abzuholen. Daß der Kläger ohne die Papiere anderweit keine Stellung bekommen habe, wäre anzunehmen. Auf die Belehrung durch den Gerichtshof zahlte Beklagter im Vergleichswege 85 Mark an den Kläger. Die vom Gewerbegericht dargelegte Ansicht stimmt mit dem Gesetz und der überiviegenden Rechtsprechung des Gewerbegerichts überein. Im Gegensatz hierzu wurde kürzlich von dem Ge» Werbegericht in Lichtenberg in der Klagesache deS Maurers Kubanz auS Lichterfelde wider den Bauunternehmer Wagenknecht in Lichtenberg (unter Vorsitz des Gerichtsassessors Arter und Beisitz des Direktors Steinhardt, Bäckermeisters Werkmeister. Schriftsetzers Welk