Nr. 137.

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Berliner Volksblatt.

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Zelegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonnabend, den 16. Juni 1906.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.

Der Rigaer Prozeß der Sechsunddreißig.

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Um sieben Todesurteile hat das Rigaer Kriegsgericht| Rigaer Kirche vorgeführt zu werden. Das„ Kriegsgericht" spricht| heute blind vor den Greueln von Riga , die zu Nutz und am 11. Juni die furchtbare Liste seiner Henkerarbeit vermehrt. ihm und den von ihm auf der Folter verratenen", oft gänzlich Frommen ihrer lieben baltischen Edelinge geschehen! Von den 36 angeklagten Mitgliedern der angeblichen Kampfes- unschuldigen Kameraden das Urteil: und zwar zumeist die Todes- Wo sind die wahrhaft Liberalen" Deutschlands , wenn organisation sind, wie wir schon meldeten, sieben zum Tode, strafe. feine bürgerliche Stimme sich wider die Schinder und Blut­20, darunter zwei siebzehnjährige Mädchen, zu Zwangsarbeit Aber nicht immer erreichen die Henkersknechte das gewünschte richter zu Riga erhebt? von drei bis zu fünfzehn Jahren verurteilt worden; neun haben Resultat. Oft ermüden fie früher als ihr Opfer. Eben gerade vor Es sind Sozialdemokraten, die man zu Niga folterte, trotz aller Skrupellosigkeit der Blutrichter freigesprochen werden 14 Tagen geschah ein solcher Fall: Die Henter stießen ihr blut- mordete und noch morden will! Es find Feinde der heutigen müssen. überströmtes Opfer nach erfolglosen Torturen in einen nassen, Gesellschaftsordnung. Wir verlangen nicht, daß das Bürger­Das angebliche Beweismaterial, das für diese Urteile als falten Kerter. Nach sechsunddreißig Stunden wurde ihm tum ihr Schicksal mit leidenschaftlicher Anteilnahme verfolge. Vorwand dienen mußte, haben unser Rigaer Korrespondent in mitgeteilt, daß man ihn, wenn er jetzt nicht bekenne, Und wir stellen selbstverständlich nicht die lächerliche Forderung, seinem Artikel„ Die baltischen Barone an der Henterarbeit" nochmals zum Verhör führen" werde!- Der Unglückliche, zu edel, daß Revolutionäre, die im vollen Bewußtsein der Kon­( Nr. 133) und Genosse Plechanow in seinem Briefe an das um jemand zu verraten, konnte den Gedanken an erneute Qualen sequenzen ihrer Tat die Geseze des Staates durchbrechen, von Internationale fozialistische Bureau noch vor dem Bekanntwerden nicht ertragen und beschloß, zu sterben, ehe man ihn zum Verhör" den Hütern dieser Geseze als Rührmichnichtan behandelt des Richterspruches gebrandmarkt als einen Haufen von Lügen führte. Nun ist der russische Kerker für einen Selbstmord absolut werden. Wenn ihnen im ordentlichen Gerichtsverfahren die und Verleumdungen. Das Zitat aus einem bürgerlichen nicht eingerichtet. Aber zum Glück" für den Armen steckte in der nach dem Geseze bestimmte Strafe wird, und wäre es die russischen Blatte, das Genosse Plechanow zur Illustrierung Wand ein starker Haten, der aber in einer Entfernung von kaum Todesstrafe, wir werden es beklagen, aber wir werden nicht der polizeilichen Verleumdungsarbeit seinem Briefe beifügte, einem Meter vom Boden eingeschlagen war. Halb auf dem Boden protestieren noch die öffentliche Meinung dagegen aufrufen! beschuldigt die Angeklagten teils ausgeführter, teils versuchter tauernd steckte der Unglückliche den Kopf in die Schlinge, die er aus Da der Henker den Richter des Blutfürsten Sergius tötete, Ermordung verschiedener Polizeibeamten und der Beraubung seinen Hemdärmeln gemacht hatte. Der Tod war langsam haben wir getrauert, aber nicht zum Proteft gerufen. Aber von Kornbranntweinhandlungen, Bierbuden und Geschäften. und qualvoll; denn die Schlinge zog die Luftröhre nur schwach zu Grund zum leidenschaftlichen Protest haben wir, wenn der Sie haben diese Taten nach dem Zeugnis unserer russischen sammen. Aber der Wille war start, und als die Wache den gefangene Revolutionär gefoltert wird, und wenn man ihm Genossen nicht begangen. Aber sie sind ihretwegen verurteilt Schwebenden in dieser unglaublichen Position erblickte, war er be- das Urteil spricht auf Grund von Geständnissen, die mit worden. Man hat sie ihnen also bewiesen? reits eine Leiche. In ihrer Angst rief die Wache den benachbarten gräßlichen Foltern erpreßt wurden. Und solchem Protest Gefangenen und zeigte ihm das wie durch Krämpfe furchtbar müßte sich jeder anständige Mensch, müßte sich vor allem verzerrte Gesicht des Toten. Bald erschien die höhere Gefängnis- ein ehrlicher Liberalismus mit voller Wucht anschließen. administration, darunter auch der Polizeifonumissar, der den Unglüd- Will das, was in Deutschland von Liberalismus noch vor­lichen in den Tod getrieben hatte. Man stellte ein Protokoll aus handen ist, diese Pflicht verleugnen, will es der Schändung und damit war die Sache zu Ende. der Menschentvürde ruhig zusehen, will es uns zeigen, daß es der Slajsengegenfaz selbst das elementarste Gebot der Menschlichkeit vergessen läßt?

Man hat sie ihnen bewiesen! Und wie das gemacht worden ist, das ist das Entsetzlichste, das Grauenvollste an diesem Prozeß!

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Die Greuel der Inquisition und der Herenprozesse haben auf dem blutgetränkten Boden der Ostseeprovinzen, unter den Augen der deutschen Kulturträger", der baltischen Edelleute", Im Prozesse der 36, der soeben beendet ist, genügte gräßliche Auferstehung gefeiert! diese Art der Erlangung des Beweismaterials", der„ reuigen Ge­Folgende furchtbare Schilderung der Praris des Rigaer ständnisse" natürlich nicht. Man mußte mit dem Tode drohen, Wir werden es sehen. Wir werden hören, ob dem lauten Kriegsgerichts, entnommen den Blättern unserer russischen ja sogar- töten! So wurden denn vier Gefangene in der Schrei des Protestes, den wir, den das deutsche Proletariat Genossen, wird uns gegeben: Nacht durch den Wald in ein anderes Gefängnis transportiert. gegen die Greuel von Riga , gegen die auf Lüge und Ver­In Riga hält das„ Kriegsgericht" seit Januar dieses Jahres fast Unterwegs blieb der Zug stehen, und der eskortierende Offizier leumdung, auf erfolterte„ reuige Geständnisse" aufgebauten ununterbrochen seine Sigungen ab. Dieses Kriegsgericht" hat es Kapitän Bavlowskyforderte die Gefangenen auf, sich zu dem Todesurteile von Riga erhebt, ob ihm ein Echo aus den bis jetzt( vor dem Urteil gegen die 36) auf etwa 18 Todesurteile ge- falls würde er sie alle vier erschießen lassen! Die Gefangenen be Raubanfall auf das Kontor des„ Nadeschda" zu bekennen anderen bürgerlichen Reihen antwortet! Die Vollstreckung der Rigaer Todesurteile wäre schänd­bracht. Unter den zum Tode Verurteilten befinden sich sechs Un- falls würde er sie alle vier erschießen lassen! Die Gefangenen be­mündige, ferner viele, deren Unschuld durch ein Alibi bewiesen ist. teuerten ihre Unschuld. Darauf wurden sie einzeln aufgefordert. licher Mord! Wäre die gräßliche Strönung eines gräßlichen Der Ort der Verhandlungen des Kriegsgerichts" ist die Regiments- Der Angeklagte Jodnis tam zuerst an die Reihe. Die wieder Gebäudes von Blut und Greueln! Die Urteile dürften, könnten holte Bedrohung mit dem Tode machte aber feinen Eindruck auf nicht vollstreckt werden, wenn es noch ein Tribunal der tirche, vor deren Altar die Richter Plazz genommen haben. Um das Deforum zu wahren, sind einige ikony"( Heiligenbilder) ihn. Von sechs Kugeln durchbohrt, fiel er tot zu Boden. Nun Menschheit in Europa gäbe, wenn eine einheitliche öffentliche das Dekorum zu wahren, sind einige ikony"( Heiligenbilder) herausgeschafft worden. Dafür ist das Porträt des Kaisers auffam ein gewisser Buschman an die Reihe. Wieder dieselbe Szene, Meinung Europas der protestierenden Duma. Rußlands zur gehängt. Im übrigen scheint es die Richter nicht im geringsten zu und bald lag auch er, von einer Kugel getroffen, am Boden. Der Seite träte! Es muß sich zeigen, ob alle Gefühle der Mensch. genieren, daß sie die heiligsten Gefühle gerade der Frömmsten im tapfere" Kapitän führte ein brennendes Streichholz an seinen Mund, lichkeit, ob alles Empfinden für Menschenpflicht im Bürgertum Bolle verlegen, indem sie die Kirche zum Schauplatz ihrer gesetz- und nachdem er sich so überzeugt hatte, daß Buschman nicht mehr erwürgt wird von Sozialisten- und Nationalitätenhaß und atme, wandte er sich an die beiden anderen Gefangenen und fragte, Furcht! Um nun diesem Blut- Tribunal das Beweismaterial zu liefern, ob sie das Los ihrer Kameraden teilen wollten. Die beiden aber sind drei regelrechte Folterkammern eingerichtet, und zwar eine warfen sich auf die Stnie und versprachen, alles zu gestehen, wenn Noch eines ist den deutschen Liberalen zu sagen. Wenn im Untersuchungsgefängnis und zwei in Polizeirevieren. Das Wort man sie nur am Leben lasse. fie die Folterungen von Männern kalt lassen, vielleicht wallt Glüdlicherweise war Buschman nicht tot. Er wurde am nächsten ihr Blut noch auf bei der Marterung von Frauen! Wir müssen " Folterkammer" muß sogar einen russischen Bürger stutig machen, der doch gewiß an Ungeheuerlichkeiten gewöhnt ist. Aber bis jetzt Tage schwer verwundet auf der Landstraße gefunden und ins freilich auch daran fast zweifeln, denn schon seit langem Hospital gebracht. Von ihm erfuhr man auch den wahren Hergang wird aus Rußland , wird aus den Ostseeprovinzen von der war das Foltern wie z. B. im Falle der Maria Spiridonowa als llebergriff der betreffenden Polizeibestien anzusehen, und der Dinge. Aber was nugte das? Die„ reuigen Geständnisse Beitschung von Frauen berichtet! Von Frauen, denen es wurde laut die Bestrafung der Folterknechte verlangt. Jetzt aber jener beiden waren nun in die Akten aufgenommen, und als der keine andere Schuld nachzuweisen ist, als daß sie die Ideen kann sich das russische Bublikum beruhigen: in Riga ist die Folter Anwalt den Kapitän fragte, weshalb er denn eigentlich den Jodnis der Sozialdemokratie propagiert haben, daß sie zum Stamps erschossen und Buschman verwundet habe, erzählte der, sich zuerst gegen den Barismus und die baltischen Barone angefeuert

lichen" Morde machen.

sozusagen gefeßlich geschützt.

den Hals tosten. Die Behandlung"

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In den Folterlammern dort werden die„ reuigen Geständnisse häufig widersprechend, eine ganz unzusammenhängende Geschichte haben, oder deren ganzes Verbrechen darin besteht, daß ihre gesammelt, die dann als Hauptanklagematerial figurieren und den von einem Fluchtberfuch der beiden. Dann behauptete er, gar nicht Angehörigen, ihre Brüder und Väter, Revolutionäre sind! „ Reuigen" sowie den durch sie unwillkürlich verratenen Stameraden an der Eskorte teilgenommen zu haben! Der Befehl, die beiden zu Das dauert fort bis heute, und in dem Untersuchungsverfahren Die„ Behandlung" in diesen Folter- erschießen, sei von einem Feldwebel ergangen, auf dessen Namen des Rigaer Kriegsgerichts ist die Folterung von Frauen ebenso tammern geht nach folgendem System vor sich: Nach An- und Regiment er sich nicht mehr besinnen könne!! Der Anwalt gebräuchliches Mittel, wie die der Männer! Von derselben funft im Untersuchungsgefängnis wird der Angeklagte als wollte eine genaue Untersuchung einleiten, aber der Vorsitzende Seite, der wir die obigen Enthüllungen verdanken, wird uns schnitt ihm das Wort ab, indem er ihm verbot, diesen Gegenstand darüber geschrieben: bald in die zweite Etage, die Kanzlei des Polizeikommissars, ge- überhaupt weiter zu berühren!!! Auch für Frauen gibt es teine besonderen Rücksichten. führt, die sich dicht über den Gefängniszellen befindet. Der An­Im Hospital empfing der schwerverwundete Buschman den Be Bei einem Rigaer Rechtsanwalt befindet sich u. a. die Photo­geschuldigte wird zunächst einem gründlichen Verhör unterworfen. Macht er feine Anstalten, geständig zu werden, so verlassen die fuch eines Polizeikommissars, der ihm drohte: falls er nicht geständig graphie eines furchtbar zerschundenen Rückens, der einer höheren Beamten das Zimmer und überlassen den Unglücklichen den fei, ihn nochmals an den Ort zu führen, wo er seine Wunde politischen„ Verbrecherin" gehört. Bei den verhafteten Frauen Polizeischergen zur weiteren„ Behandlung". Die Bestien werfen sich empfangen habe. Doch Buschman blieb stark und ließ sich kein kommt zu allem übrigen hinzu, daß sie fortwährend in der mun mit Hülfe der Kofalen auf ihr Opfer und schlagen es bis zur falsches Geständnis entreißen. Gefahr der Vergewaltigung durch die Kosaken schweben. Man Besinnungslosigkeit, wobei nicht nur die traditionelle Ragaita, Sein Opfer war umsonst. Die den Schwächeren durch braucht hier wieder nur an die unglückliche Spiridonowa zu sondern auch extra für den gwed vorbereitete Gummistöde mit Martern und Todesdrohungen erpreßten ,, reuigen Geständnisse" denten." Drahtgeflecht angewandt werden. Sinkt der Unglückliche unter den genügten für die Fällung der Bluturteile. Als 1849 bei der Niederwerfung der ungarischen Re­Schlägen bewußtlos zusammen, so wird er so lange mit faltem Seit den Greueln von Montjuich, der spanischen Folter volution der Bluthund Haynau Frauen peitschen ließ, lief ein Wasser bearbeitet, bis er wieder sprechen kann. Dann wird er noch feste, wo spanische Polizeibestien von Anarchisten und solchen, allgemeiner Aufschrei des Entsetzens durch Europa . Haynau mals zum Verhör geführt. Wenn auch dieses zweite Verhör die es sein sollten, mit gräßlichen Martern Geständnisse der blieb als unauslöschliches Brandmal der Name Frauen­nicht den gewünschten Zweck erreicht, und der Angeklagte Mitschuld am Barcelonaer Bombenattentat vom 11. November peitscher", und als er 1850 nach London tam und die große störrisch" bleibt, fo tommen nach neue Torturen der 1898 zu erpressen suchten, hat die Welt nichts so Entfeßliches Brauerei von Barclay u. Perkins besuchte, da fielen empörte Methode des seligen Schinders der Spiridonowa, des Scheusals gehört, als diese Enthüllungen über die Praris des Rigaer englische Brauer über ihn her und prügelten den Schänder Abramoff, an die Reihe: Haareauszupfen, Einreiben der Wunden Kriegsgerichts. Damals erhob wenigstens ein Teil der bürger- der Frauen windelweich. Der englische Richter, der dies mit Salz usw. Ja sogar mit Elektrizität wird gearbeitet"! lichen deutschen Presse Protest gegen die Greuel, und die auf- ,, Verbrechen" zu fühnen hatte, verurteilte zur großen But der Gewöhnlich ist das unglückliche Opfer dieser Torturen bald in gescheuchte öffentliche Meinung zwang die Regierung, wenig. europäischen Reaktionäre die Brauer zu der zulässig niedrigsten einem Stadium angelangt, daß es zu allen Fragen, die es selber stens von einigen der Opfer zu lassen. Heute ist alles still Strafe von einem Schilling, und der europäische Liberalismus flatschte ihm begeistert Beifall! Und was sagt der europäische und seine Kameraden betreffen," Ja" und„ Amen“ sagt. Mit diesem im bürgerlichen Blätterwalde.

reuigen Geständnis" schließt die Prozedur. Der Unglückliche wird Die Frankfurter Zeitung " selbst, die sich damals Ver- Liberalismus, der deutsche Liberalismus heute zu den Frauen­abgeführt, um nach etwa zwei Monaten dem Tribunal in der dienste um die Aufdeckung der Montjuich- Greuel erwarb, ist peitschungen in Rußland ? Nichts? Gar nichts?