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politifcbe üebcrlicbt. Berlin , den 15. Juni. Das Herrenhaus, die preußische Verfassung und die Schulverpsaffung. Am Freitag ist das Herrenhaus zusammengetreten, um sich über die geschäftliche Behandlung des Schulunterhaltungs gesetzes Kar zu werden.Beschlußfassung über die geschäftliche Behandlung" ist für die Edelsten der Nation das, was ge wöhnliche Sterbliche unter einer ersten Lesung verstehen. Nachdem der Kultusminister S t u d t zur Einleitung des 'großen Tages" eine seiner langatmigen und nichtssagenden Reden verlesen hatte, ereignete sich ein charakteristischer Zwischenfall: Ein Mitglied des Hauses, der einst bei Hofe so gern gesehene, jetzt aber durch die Polenpolitik der Regierung in die Opposition gedrängte Herr v. Koscielski, kam au den tollen Einfall, die Mitglieder des Hauses, die die Ber "Esting beschworen haben, seien verpflichtet, sie auch zu halten! Er beantragte daher die Absetzung der Vorlage von der Tages ordnung und ihre Verabschiedung in der durch die Verfassung vorgeschriebenen Form. Nach der Verfassungsurkunde soll nämlich das gesamte Gebiet des Volksschulwesens durch ein einheitliches Gesetz gc- regelt werden. Da nun das Schulunterhaltungsgesetz sich nur auf einen Teil dieser Materie bezieht, so involviert es zweifellos eine Verfassungsänderung. DaS Abgeordnetenhaus hätte also frühestens 21 Tage nach der dritten Lesung eine nochmalige Abstimmung vornehmen müssen, und erst dann hätte der Entwurf an die Erste Kammer gelangen dürfen. Die nochmalige Abstimmung ist nun aber vom Abgeordnetenhause unterlassen worden, weil es dieser Mühe durch den bekannten Antrag Schiffer auf Abänderung der Verfassung überhoben zu sein glaubte. Das Abgeordnetenhaus wäre im Recht gewesen, wenn der Antrag Schiffer bereits Gesetzeskraft erlangt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Die Verfassuugsurkunde ist in den in Frage kommenden Bestimmungen noch nicht geändert, und es ist daher durchaus logisch, wenn Herr v. Koscielski erklärte, daß das Herrenhaus erst dann in die Beratung der Vorlage eintreten könne, wenn das Abgeordnetenhaus die Schlußabstimmung vorgenommen habe. Aber was gilt den preußischen Hcrrenhäuslcrn die Vev fassung? Ihr Wille ist für sie entscheidend, ihr Wille ist ihnen das höchste Gesetz; mag Vernunft, Logik oder selbst die Verfassung dem auch entgegenstehen. Ohne Herrn v. Koscielski auch nur einer Antwort zu würdigen, lehnten dieHerren" seinen Antrag mit allen gegen zwei Stimmen ab und traten in die Beratung der Vorlage ein. Ja, Herr von Manteuffel kanzelte sogar im weiteren Vev laufe der Sitzung unter lebhaftem Beifall des Hauses den tapferen Polen wie einen Schulbuben ab. Einzig und allein Minister Studt raffte sich zu einer Ent gegnung auf, ohne indessen auf den Kern der Koscielskischen Ausführungen einzugehen, ob aus Mangel an-Verständnis oder aus anderen Gründen bleibe dahingestellt. Die von Herrn v. Koscielski angeregte Frage ist übrigens staatsrechtlich von hoher Bedeutung. Unseres Erachteus ist ein Gesetz, das nicht in der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Form verabschiedet ist, nicht vorhanden, kein Preuße ist verpflichtet, ein solches Gesetz zu befolgen. Die Beratung selbst bewies, daß eigentlich keine Partei von dem Gesetze befriedigt ist. Die Hochkonservativen um Manteuffel haben gegen verschiedene Bestimmungen schwere Bedenken; sie wollen aber mit Rücksicht darauf, daß sie in der Konfessionsschule das beste Mittel zur Bekämpfung der Sozial­demokratie erblicken, ihre Bedenken schwinden lassen und in der Kommission am Zustandekommen des Gesetzes arbeiten. Ja, sie wollen nicht nurarbeiten", sondern sogar fleißig arbeiten, damit die Presse ihnen nicht mehr Unfähigkeit und Faulheit vorwirft. Die Oberbürgermeister protestieren gegen die Beschränkung der Rechte der Städte, aber auch sie werden schließlich für die Vorlage zu haben sein. Ueber das kon- fessionelle Prinzip äußerte sich besonders eingehend der Fürst- bischof Kardinal Kopp . Für ihn bedeutet der Entwurf einen Sieg der Anhänger der Simultanschule über die Anhänger der Konfessionsschule, er sieht die Macht der Kirche durch den Entwurf geschwächt eine ganz unbegründete Befürchtung. Im Gegenteil, die kirchlichen Dunkelniänner dürfen mit dem Gesetze sehr zuftieden sein. Selbst wenn die Kirche nicht zu ihrem Recht käme was wir übrigens entschieden bestreiten würden die Studt, Schwartzkopff und Konsorten schon dafür sorgen, daß durch Verwaltungsmaßnahmen das Verpfaffungswerk vollendet und die Schule der Kirche völlig ausgeliefert würde. Am Sonnabend soll die Beratung zu Ende geführt und der Entwurf einer Kommission überwiesen werden. Zur Nachwahl in Beuthen -Taruowitz. Aus dem Wahlkreise selbst wird uns noch geschrieben: Das gleiche Bild wie bei der vorjährigen Nachwahl im benachbarten Kattowitzer Wahlkreise zeigt die jetzt erfolgte Nachwahl im Wahlkreise Beuthen -Tarnowitz : Glänzenden Sieg des Polen , Entstehen einer nicht unbedeutenden hakatisti- schen Partei, furchtbare Niederlage des bisher herrschenden Zentrunis und starken Rückgang der sozialdemokratischen Stimmen. Wie in Kattowitz so hat in Beuthen das Zentrum nur noch etwa ein Viertel der 1903 erzielten Stimnien erhalten, die Sozialdemokratte etwa 40 Proz.(in Kattowitz über 50 Proz.) ihrer Stimmen verloren, während der polnische Kandidat seine Stimmenzahl mehr wie verdreifachte und der hakatistische Kandidat des großen Grubenkapitals, in beiden Kreisen ein Neuling, hier wie dort etwa 15 Proz. der ab- gegebenen Stimmen gewann. Die genaue Wiederholung des Kattowitzer Wahlresultates bei der jetzigen Beuthener Nachwahl zeigt deutlich, daß diejenigen irren, die den damaligen Kattowitzer Sieg den persönlichen Eigenschaften des Siegers, Pan Korfantys, zuschrieben, ebenso wie diejenigen Partei- blätter im Irrtum waren, welche den Kattowitzer Rückgang der sozialdemokratischen Stimmen rein lokalen Ursachen, taktischen Fehlern der dortigen Parteigenoffen, der vermeint- lichen Uneinigkeit der beiden sozialisttschen Gruppen, der polnischen und der deutschen usw. zuschreiben wollten. Es .wird nunmehr jedermann klar sein, daß die über- raschenden oberschlesischen Wahlresultate das Produkt ganz bestimmter politischer Verhältnisse sind, auf welche kleine persönliche oder lokale Einflüsse keine Wirkung ausüben. Ohne weiteres darf man aus diesen beiden gleicharttgen Nachwahlresultatcn den Schluß ziehen, daß bei den nächsten allgemeinen Wahlen das Zentrum in Oberschlesien schwere Einbuße an Mandaten erleiden wird. Zeigt doch das Beuthener Wahlresultat auch, daß nicht nur in den Jndustrieorten, sondern mehr noch in den rein ländlichen Gegenden des Äreffes- Tarnowitz die Wähler slch m Massen vom Zentrum ab und dem Polen zugewendet haben. Danach wird das Zentrum bei den Wahlen des Jahres 1908 ganz zweifellos noch die Wahlkreise Gleiwitz-Lublinitz und Pleß-Rybnik , sehr wahr- scheinlich aber auch noch Ratibor , Groß-Strehlitz-Kosel vielleicht auch Oppeln verlieren, so daß von den 11 oberschlesischen Zentrumsmandaten, von welchen 1903 eines an die Polen abgegeben werden mußte, im Jahre 1908 vier höchstens fünf im Besitze des Zentrums bleiben werden. Allerdings verliert das Zentrum diese Mandate nur rein äußerlich, denn ihre polnischen Inhaber werden treue Söhne der katholischen Kirche bleiben und in allen wichtigen Fragen mit dem Zentrum stimmen. Herr Napieralski, der Sieger von Beuthen , fordert in der neuesten Nummer seines Organs, des Katolik ", in seinem Siegcsartikcl die oberschlesischen Geist- lichen, soweit sie polnischer Abstammung sind, auf, sich nunmehr dem Spruche des polnischen Volkes zu fügen und gemeinsam mit diesem für die polnische Sache zu wirken. Sie könnten das tun, ohne den poli- tischen Grundsätzen des Zentrums entgegenzuwirken. Hütte der Rückgang der sozialdemokratischen Stimmen schon jetzt bewiesen, daß das polnische Volk imstande sei, auch ohne Hülfe seiner Geistlichkeit verderblichen antinationalen Ideen und Bestrebungen Einhalt zu tun, so werde es dem polnischen Volke zusammen mit seinen geistlichen Führern gelingen, solche Ideen in Oberschlesien gänzlich auszurotten. Nach der Kattowitzer Nachwahl brachte sich der dortige Sieger, Herr Korfanty , in noch aufdringlicherer Weise dem Zentrum als erfolgreichster bester Vertilger des sozialdemokratischen Unkrauts in empfehlende Erinnerung. Sehr viele Geistliche haben denn auch in der festen Neberzeugung, besonders in Herrn Napieralski eine gute Zentrumsnummer, wenn auch mit Polnischem Etikett, zu haben, schon im Wahlkampfe wohlwollende Neutralität geübt, manche haben auch ihre Untergebenen, Glöckner, Kirchendiener usw., eifrig mit polnischen Wahlflugblättern und Stimmzetteln bei den Wählern ihres Sprengels umhergehen lassen, in der richtigen Ueberzeugung, daß das fast ebenso gut wirken werde, als wenn Hochwürden selbst in die Wahlagitation zugunsten des Polen steige. In der Tatsache, daß die polnischen Abgeordneten Partei- gängcr des Zentrums sind und bleiben werden, liegt denn auch die Sicherheit, daß der Rückgang der sozialdemokratischen Stimmen in Oberschlesicn nur ein vorübergehender sein wird. Das obcrschlesischeVolkistmitdemZentrum unzufrieden, nicht nur weil es in der Vertretung der polnisch-nationalen Interessen viel zu wünschen läßt, sondern auch weil es die Hauptschuld an der Erhaltung und Verschlechterung der ganzen gegenwärtigen Politischen und sozialen Verhältnisse trägt. Wenn das ober- schlesische Volk einmal erkannt haben wird, daß in dieser Be- ziehung seine polnischen Vertreter um nichts besser sind, wie es die Zentrumsvertreter waren, wird es sich auch von diesen ab und in Massen der Sozialdemokratie zuwenden. Diese Erkenntnis möglichst bald der oberschlesischen Arbeiterschaft zu bringen, das muß in den nächsten Jahren unsere wichtigste Aufgabe sein. *" Deutfcbes Reich« Uebcr die Meutereien in Südwestnfrika schweigt die»Nord« deutsche Allgemeine Zeitung" weiter. Ueber den Aufstand in Dentsch-Ostafrika bringt die konservative, aus Regierungskreisen sonst gut unterrichteteSchles. Ztg." die auf- sehenerregende Mitteilung, daß der Aufstand solche Ausdehnung an- genommen, daß man die Entsendung von Truppen nach Deutsch-Ostafrika in Erwägung ziehe. Dagegen verbreitet das offiziöse Wolffsche Depeschenbureau ein Dementi, daß man mit den im Schutzgebiet stationierten Polizei- Mannschaften de? Aufstandes Herr zu werden gedenke. Wer recht hat, wird sich ja wohl bald zeigen. Wie dem aber auch sei, die R e g i e r u n g hat die verdammte Pflicht, der Oeffentlichkeit über Ursache und Umfang des Auf« standes sofort und eingehend Bericht zu geben. Daran fehlt eS völlig 1 Das beliebte Vertuschungssystem, das man bekanntlich auch bei den ersten aufständischen Bewegungen in S ü d w e st a f r i k a an- wandte, die dem deutschen Volke demnächst eine halbe Milliarde Mark und wer weiß wie viel Tote und Verwundete kosten, könnte sich er« neut bitter rächen. Kommunalpolitik und Geschäft. In der Dresdener Stadt- verordnetenversammlung wurde der Antrag, daß in Zukunft Mitglieder des Rates und des Stadtverordnetenkollegiums von Lieferungen für die Stadt ausgeschlossen sein sollen, mit 85 gegen 20 Stimmen abgelehnt. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten stimmten natürlich geschlossen für den Antrag, den sie in der Debatte auch lebhaft befürwortet hatten. DieFreisinnige Zeitung" ist wieder erstanden. DieFreie Deutsche Presse" hat wieder den alten Titel angenommen. Verlag und Redaktion teilen mit, daß die Namensänderung seinerzeit auf Wunsch Eugen Richters erfolgt sei, um seinen RückWitt von der Leitung des Blattes deutlich zu markieren. Nach dem Tode Richters sei dieser Grund gefallen, weshalb die Wieder­annahme des früheren Titels als Ehrenpflicht erscheine. Der gegenwärtige Zeitpunkt sei für die Aenderung um so günstiger, als man auf Wunsch der großen Mehrzahl der Leser demnächst das Blatt wieder einmal täglich, wie früher, unter Beibehaltung der in- zwischen vorgenommenen' Erweiterungen erscheinen lassen wolle. Diese letztere Ankündigung scheint eine Verschleierung des Zu- leständnisses zu sein, daß man sparen mutz. Die neueFreisinrnge Zeitung" wird, wir zwetfeln nicht, der alten würdig sein, die be- anntlich den Ruf genoß, das unanständigste politische Blatt Deutsch - landS zu sein._ NeuePost".Lagen. Am 10. Juni legten wir dar, wie der polizeiliche Gönner der �Post" sucht, die Spuren der im Reichstage enthüllten Verbrechen Schöne-v. Brockhusen in der tölpelhaftesten Art zu verwischen. Wir schloffen unsere Darlegungen mit folgenden Worten: Wir resümieren: Der polizeiliche Einbläser derPost" hat bewußt über die Genossin Luxemburg und über ihren angeblichen Sekretär usw. Lügen in die Welt gesetzt, um die Aufmerksamkeit von der Tatsache abzu- lenken, daß der Polizeimann, der die Verbrechen wiederholter Urkunden- fälschung und versuchter Bestechung zum Landesverrat gegen Rußland in der zynilchstenWeise unternommenjhat. noch ohne Anklage und�auf freiem Fuß sich befindet, wiewohl er versucht hat, Zeugen zu einer falschen Aus- age in dieser Angelegeoheit zu bewegen. DtePost" hat ihre Spalten bereitwilligst zu diesem Zwecke geöffnet. Von Tag zu Tag deutlicher wird das verbrecherische Spiel ihre» polizeilichen Hintermannes durch seine Erfindungen aufgedeckt. DiePost" spielt eine noch elendere Rolle, als dieKreuz-Zeitung " und ähnliche Organe zu der Zeit spielten, als sie Kanaillen wie Ohm, Gödsche, Tierfisch. Lindenberg oder Gentlemen wie Tausch und Konsorten ihre Spalten zur Verbreitung erdichteter Verbrechen öffneten. Mag nun diePost" neS edele Gewerbe weiter fortsetzen. Unsere Leser werden eS ver- tehen, wenn wir es nicht fiir nötig halten, auf jede neue Erfindung des Polizeigesindels. dem die Spalten der.Post" offen stehen, oder der.Post" zu antwortend Seitdem hat diePost" beinahe in jeder Nummer ihr Spiel fortgesetzt. Täglich serviert sie Erfindungen, Lügen, Verleumdungen alsEnthüllungen" aus der sozialdemokratischen Partei. Wir haben aus den oben angeführten Gründen derPost" nicht den Gefallen getan, täglich ausdrücküch hervorzuheben, daß das von ihr Mitgeteilte eitel Wind, Schwindel und bewußter Humbng ist, lediglich zu dem offensichtlichen Zweck erfunden und in die Welt gesetzt, um die Aus- merksamkeit von der Tatsache abzulenken, daß der Polizeimann, dessen Verbrechen int Reichstag aufgedeckt sind, noch immer ohne Anklage und auf freiem Fuß sich besiudet. Es erübrigt sich eine Antwort auf dieEnthüllungen" derPost", deren alberne Er- findungen, wie selbst dieMärkische Volkszeitung" andeutet, von keinem ernsthaften, anständigen Blatt für wahr gehalten werden. DiePost" ist darüber erbost, daß wir auf ihren Quatsch, der selbst fürPost'esel deutlich den Stempel der Erfindung trägt, nicht antworten. Zum Ergötzen unserer Leser registrieren wir, was die edle Post" ihren Lesern zu servieren wagt. Am 12. Juni verkündet sie ihren Lesern die Mär, ein sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter habe eineamerikanische " Notiz inspiriert, die den Hauptmann Schöne als den schlausten Polizeiagenten des Kaisers bezeichnet, und den Schöne als das arme Opferlamm»des Geheimdienstes sozialdemokratischer Organisation" hinstellt. Am 13. Juni wieder- holt sie ihre Lüge, Genossin Rosa Luxemburg habe einen Sekretär gehabt, der habe sie nach Nußland begleitet, habe einen russischen Namen getragen, aber in einem Paß sich einen deutschen Namen beigelegt. Außerdem gibt sie einem schaurigen Brief eines Studenten Engelmann Raum, dem vor l'/.z Jahren ein Paletot gestohlen sein soll.-Am 14. Juni läßt der Polizeihalunke, dem diePost" ihre Spalten öffnet, einen Haufen gemeiner Verleumdungen gegen Genossin Luxemburg los. Wieder taucht auch der von ihm erfundene Sekretär der Genossin Luxemburg auf. Der Polizeischust läßt ihn sogar zum Korrespondenten derLeipziger Volkszeitung" avaneieren. DieL. V." stellt ausdrücklich fest, daß die Behauptungen derPost" hintmelblaner Blödsinn und vom ersten bis zum letzten Worte er- logen sind". Neben den unverschämten Verleumdungen gegen Genossin Luxemburg und dem blödsinnigen Geschwafel über den erfundenen Sekretär tischt diePost" ihren Lesern noch eine gruselige Mär über denGeheimdienst" der sozialdemokratischen Organisation auf. In der gestrigen Nummer bringt die ehrbarePost" zur Verwischung der Spur des im Reichstage enthüllten Ver« brechens folgenden Aufsatz mit der Ueberschrtst:Der Geheimdienst bei der Arbeit": Ein Briefträger vom hiesigen Postamt 25, der die Brief- -bestellung im königlichen Polizeipräsidium zu besorgen hat, ist ver- haftet worden, weil er eine Reihe von Briefen dem von uns in den letzten Tagen näher beleuchteten Geheimdienst der sozialdemokra- tischen Partei ausgeliefert hat. Eine hiesige Lokal-Korrespondenz berichtet über diese Verhaftung folgendes: Wegen Unterschlagung zahlreicher amtlicher Papiere ist ein Postbeamter vom Amt 2S in Untersuchungshaft genommen worden. Der Beamte genoß das vollste Vertrauen seiner Behörde, denn ihm lag die Briefbestellung im hiesigen königlichen Polizei- Präsidium ob. Die Affäre wird allem Anschein nach interessante Einzelheiten aus dem sozialdemokratischen Geheimdienst zutage fördern, auch soll eine Reihe von Personen aus der Redaktion desVorwärts" darin verwickelt sein. Wie wir hören, ist der jetzt Inhaftierte überzeugter Anhänger der sozialdemokratischen Partei gewesen, auch gilt als bereits sicher erwiesen, daß er Handlanger des Geheimdienstes der Sozialdemokratie war. Durch die Verhaftung dürfte auch Licht in eine mysteriöse Angelegenheit gebracht werden. Es wird wohl noch erinnerlich sein, daß der Vorwärts" vor einigen Monaten in der Lage war, allerlei Mit, teilungen über die Entlarvung eines Berliner Polizeibeamten in Brüssel zu veröffentlichen. Er konnte sogar zwei Berichte diesesSpitzels" an seine hiesige Dienststelle wörtlich zum Abdruck bringen. DerVorwärts" behauptete damals, daß derSpitzeN diese Berichte in dem Zustande der Betrunkenheit verloren hätte und daß sie so demVorwärts"zugeflogen" seien. Tatsächlich kann aber von einemVerlieren, undFinden" der Berichte in Brüssel keine Rede sein. Die Berichte wurden vielmehr nach Berlin gesandt; sie kamen auch in Berlin an, verschwanden aber hier auf geheimnisvolle Weise und gelangten in den Besitz deS sozialdemokratischen Geheimdienstes. Der verhaftete Briefträger scheint mit der ominösen Berichtgeschichte in Verbindung zu stehen, Wir können., diese Mitteilungen als richtig bestätigen und hin- zufügen, daß der pflichtvergessene Briefträger, der sich durch den Lockspitzckdienst der Sozialdemokratie hat ins Unglück stürzen lassen» schon seit längerer Zeit in Untersuchungshaft fitzt. Der Verteidiger des Verhafteten, Rechts« an w alt Dr. Liebknecht, hat merkwürdigerweise bisher einen Antrag auf Haftentlassung nicht gestellt." Entsetzlich, schrecklich I fürchterlich 1 Was ist daran wahres? Von Anfang bis zu Ende wiederum erfunden. Die von uns veröffentlichten schölten Briefe des Krtininalschutzmanns Hemker Nr. 3844 stammen au» Brüssel; mit irgend einem Briefträger haben wir selbstverständlich nach der von derPost" und der Polizeikorrespondenz angegebenen Richtung hin keinerlei Verbindung. Aber die von dem polizeilichen Hinter- mann bedientePost" und hiesige Lokalkorrespoitdenz berichten doch von einer Verteidigung durch Dr. Liebknecht I Oh ja. und daS war recht dumm von dem ,Post"-EseI. Denn da­durch wird es leicht gemacht, den Schwindel klarzustellen. Genosse Liebknecht hat einen Briefträger als Klienten, und zwar, wie er so freundlich war festzustellen, seit einem halben Jahr nur einen Briefträger. Dieser Briefttäger ist Ende März des Jahres auch in Untersuchungshaft genommen, und zwar weil man ihn im Verdacht hatte, demVorwärts" Briefe oder Drucksachen «bemtittelt zu haben. Die Untersuchung hat die völlige Unschuld des Postboten und di« Haltlosigkeit der Anschuldigung er- geben. Darauf ist der Postbote am 29. Mai aus der Untersuchungshaft entlassen. Vor wenigen Tagen ist Anklage gegen ihn erhoben. Er ist lediglich beschuldigt, ein paar Geschäfts- drucksachen nicht bestellt und dadurch sich eines Vergehens schuldig gemacht zu haben. S o ist der Tatbestand. Und nun vergleiche man mit diesem Tatbestand die verbrecherische Darstellung des Polizeigesindels in derPost". Es gehört der freche EymsmuS eines polizeilichen Verbrechers zu so unverschämter Ablagerung elender Lügen und Verleumdungen in diePost". Aber der Polizeibandit vennag trotz aller elender Lüge die Aufmerksamkeit nicht davon abzulenken: Weshalb werden die im Reichstag enthüllten Verbrechen Schöne- v. Brockhusen nicht verfolgt? Welcher Grund liegt vor, die offenbaren Verbrechen der Urkundenfälschung und der Bestechung zum Landesverrat nicht zu vcrfolgen? Die Beantwortung dieser Fragen ist von Wichtigkeit. Der polizeiliche Einflüstere! derPost" mag nun weiter lügen und ver- leumden. Seine Erbärmlichkeit wird vielleicht noch von der Dummheit der.Post" übertroffen._ Kriegsteilnehmer und Militärpensionäre. Die neuen Mili penstonsgesetze treten am 1. Juli in Kraft. Um den vielen Anfta- an. Abgeordnete, Arbeitersekretäre usw. in allgemeiner Form zu Worten, sei an dieser Stelle nochmals darauf aufmerksam gen.. daß die Gesetze auf sämtliche Kriegsteilnehmer, pensiontl Offiziere, Unteroffiziere und rentenberechtigte Angehörige HeereS, der Marine und der Schutztruppen rückwtrkende Jkri vom 1. April 1Ö05 ab haben. Aber für die Zeit vom 1. April 1905 bis zum 1. Juli 1906 werden keinerlei Nachzahlungen geleistet. Etwa zu beziehende höhere Rentenbettäge werden viel« mehr ohne Ausnahme erst vom 1. Juli d. I. ab gezahlt. Eine« besonderen Antrages auf Gewährung eines höheren Rentenbetrages vom Juli ab bedarf eS nicht; die Militärbehörden Prüfen vielmehr von Amiöwegen, in welchen Fällen die höheren Pensionsbezüge, Verstümmelungszulagen usw. zu gewähren sind. Bei der Gelegenheit wollen wir darauf hinweisen, daß in kürzester Frist im Verlage der Buchhandlung Bor«