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Kammer hake et natürlich nicht geredet, das wäre ein Unding, sondern er habe vielleicht gesagt:»Ich kenne die Kammer und ihre Anschauung, ich warne Sie." Dr. Heim blieb demgegenüber bei seiner Mitteilung stehen und teilte noch mit, daß seine Informationen von Herren stammten, die der liberalen Partei angehörten. Namens der liberalen Partei erklärte Dr. Müller- Meiningen  , in einem solchen Falle sollte man unter allen Umständen Klarheit schaffen, selbst unter Anrufung de? Gerichts. Die Doppelzüngigkeit müsse auf alle Fälle zurückgewiesen werden und er müsse sagen, unvorsichtiger habe sich wohl noch kein Minister über daß Parlament geäußert. Auch Genosse Timm verlangte vollständige Aufklärung über diesen Vorgang. Es müsse zu unhaltbaren Zuständen führen, wenn sich der Minister erlauben könne, die Tätigkeit der Abgeordnetenkammer und die Charaktereigenschaften einzelner Abgeordneten in einer der- artigen Weise herabzusetzen. Wie man erfährt, hat Abgeordneter Dr. H ei m von seinem Bor- gehen gegen den Minister seiner Fraktion vorher nichts niitgeteilt. Er beabsichtigt, wie er auch in einem Zuruf bestätigte, am Dienstag- abend in einer öffentlichen Versammlung seinen Vorwurf gegen den Minister zu wiederholen, um diesen zur Klage zu zwingen.-__ Der heilige Paasche auf dem Rückzüge. Wir hatten Herrn Paasche neulich doch zu viel Erkenntnis zu» getraut, als wir nach dem Bericht derNational-Zeitung" meldeten, er habe in Kiel   gesagt, unsere Kolonien seienAbladestellen für verkrachte adelige Existenzen". Das will er nun nicht gesagt haben, nachdem er sieht, wie diese richtige Erkenntnis ihm in der Presse der Linken gutgeschrieben wird. Er will jetzt nur gesagt haben, ..daß man die besten Kräfte, die Deutschland   unter seinen Beamten habe, hinausschicken solle, um den Verdächtigungen der Kolonialgcgncr den Boden zu entziehen, als ob die Kolonien die Abladestelle für verkrachte adelige Existenzen seien". DaS ist also so ziemlich das Gegenteil von dem, was ihn die ihm doch gewiß sehr nahestehendeNational-Zeitung" zuerst sagen ließ. Wir nehmen von der Erklärung übrigens um so lieber Notiz, als es unS sehr peinlich wäre, Herrn Paasche so ganz ohne Grund mehr Er- kenntnis und Einsicht zugetraut zu haben, als er selbst ein- gestandenermatzen besitzen will. Ein halbes Entgegenkommen. Aus Bremen   wird telegraphiert: Die Schuldeputation der bremischen Bürgerschaft sprach sich in einem Bericht an den Senat gegen die von den bremischen Bolksschullehrern angeregte Abschaffung des Religionsunterrichts in den Schulen aus, da dies eine schwere Schädigung der Kinder sowohl für die geistige Bildung, als auch in erzieherischer Hinsicht zur Folge haben würde. Der Senat erklärte sich mit der in dem Bericht vertretenen Auf- fassung sowie mit der darin kundgegebenen Absicht einverstanden, baldigst eine Revision der für den Religions- Unterricht in den bremischen Schulen geltenden Lehrpläne herbeizuführen, die sich auch auf eine Prüfung der im Unterricht benutzten Lehrbücher zu erstrecken haben wird. Also statt Abschaffung des Religionsunterrichts wird eine Reform dieses Unterrichts versprochen. Es bleibt abzuwarten, wie sie aussehen wird. Sie kann auf keinen Fall das Uebel beseitigen. Zentrumsarbeiter und ZentrumSkapitalistcn. Zu einem bösen Konflikt ist es im Dortmunder  Zentrum aus Anlaß des(inzwischen erfolglos beendigten) Straßenbahner st reiks gekommen, und zwar platzten in der Stadtverordnetensitzung die Geister wuchtig auseinander. DaS brutal., ablehnende Verhalten der Stadtverwaltung hatte unserem Parteiorgan, derArbeiter- Zeitung  ", zu heftigen Angriffen Anlaß gegeben, deshalb hielt eS der Zentrums- stadtverordnete Lambert Lensing  , der in Dortmund  die erste Geige spielt, im Interesse seiner Partei für geboten, den Magistrat über sein Verhalten gegen die Streikenden zu interpellieren. Aber Lensing war ein sonderbarer Interpellant. Er hatte sich sehr baldüberzeugt". daß die Hauptbeschwerden der Straßenbahner der Begrün- dung entbehrten, daß die Forderungen der Streikenden zwar materiell berechtigt feien, daß sie aber trotzdem unrecht daran getan hätten, in ven Ausstand zu treten. Zu verurteilen sei ja auch der Inspektor Bianchi, der den Leuten gesagt:Nehmen Sie die Knochen zusammenl" Wenn so etwas passiere, brauche man sich bei der fortgesetzten Hetzarbeit der Sozialdemo- kratie nicht zu wundern, daß es zum Streik gekommen sei. Tat- sächlich habe die Sozialdemokratie einen großen Teil Schuld an dem Streik. Die streikenden Leute seien zwar keine Sozialdemo- kraten, aber zwei Genossen seien doch darunter. und wenn die richtig hetzten, könnten sie tausend Leute verführen. So redete der braveArbeiterfreund" Lensing den Straßenbahnern niehr zum Schaden, als zum Nutzen. Noch bösartiger geberdete sich der Zentrumsabgeordnete Rechts- anwalt Mehlhoff, der erklärte, man müsse auch den Mut haben, nach untenhin die Wahrheit zu sagen. Der Streik der Straßenbahner sei geradezu eine Erpressung. Wenn schon die arbeiterfeundlichen Zentrumsgrößen einen solchen Ton anschlugen, dann kann man sich denken, wie der Magistrat antwortete. Oberbürgermeister Schmieding, der be- kannte Aufsichtsrat der Harpener Bergbaugesellschaft erklärte, m i t den Streikenden zu verhandeln, führe doch zu nichts, es sei unwahr, daß die Leute aus Not streikten, s i e hätten einen durchaus auskömmlichen Lohn ge. habt. Der Direktor Petersen der Straßenbahn drückt sich ähnlich aus; der Inspektor Bianchi habe auch durchaus recht ge- habt, wenn er den Mitgliedern der Deputation zugerufen habe, sie sollten die Knochen zusammennehmen, er selb st würde genau so gehandelt haben! In der Deputation sähe ein Mann, der die S ch w i n d s u ch t habe und der nur aus Gnade bisher mit durchgeschleppt worden sei. Der Mann lohne Wohlwollen mit Undank und könne nicht wieder eingestellt werden. Ebenso werde ein anderes Mitglied der Deputation nicht wieder eingestellt, weil es schon vordem wegen Ungebühr gegen einen Vorgesetzten bestraft worden sei. Die Hetzer würden überhaupt nicht wieder eingestellt, die Disziplin müsse gewahrt werden. Im Interesse oer Dis- ziplin sollten eigentlich nurgediente" Leute eingestellt werden. Schuld an dem Streik habe auch der tentrumsabgeordnete Gronowski, der als Mitglied der städtischen itraßenbahnkommission den Straßenbahnern in einer Versamm- lung erzählt habe, was in der Kommission über die Straßenbahner beschlossen worden sei. Gronowski, ein noch verhältnismäßig recht junger Mann, hat auf der Jesuitenschule in M.-Gladbach seine Ausbildung er- balten, wurde von Lensing protegiert und in Dortmund   alschrist- sicher Arbeitersekretär"(lies Zentrumsagitator) angestellt. Bei diesem jungen Manne scheint der Ehrgeiz zu erwachen. besonders seitdem er als Kompromißkandidat des Zentrums und der Nationalliberalen zum Stadtverordneten gewählt worden ist. Ein stillschweigendes Unterordnen gibt es nicht mehr, und auf das gute Einvernehmen" scheint er zu pfeifen. AIS   richtiger Dema- goge griff er. im Gegensatz zu seinen Fraktionsgenossen, in heftiger Weise den Magistrat an. Der Streik sei durchaus berechtigt, möchten die Leute auch formell nicht richtig gehandelt haben, so seien sie doch zu entschuldigen, weil sie daran gehindert worden seien, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Man müsse sich s ch ä m e n, daß es um solcher Forderungen halber zum Streik kommen mußte. Oberbürgermeister Schmieding sei gar Vicht   kompetent zu beurteilen, ob der Lohn der Straßenbahner ein auslömwlicher fei; niemals in feinem LebkN habe er sich mik einem solchen Lohn van 80 oder 90 M. im Monat behelfen müssen. Wenn gesagt werde, die Hetzer sollten hinausgeworfen werden, bann sollte man auch die Inspektoren Bianchi und Lembke entfernen, denn diese seien die schlimm. st e n Hetzer. Man solle auch nicht so viel reden von der Gefähr- lichkeit der Sozialdemokratie, mit der er wohl fertig werden wolle. Als während dieser Rede, die Gronowski zweiOrdnungS« rufe einbrachte, ihm vom Vorsitzenden untersagt wurde, dieper- sönlichen Verhältmsse Schmiedings zu erörtern, erwiderte er: Wenn den Herrschaften die Erörterung dieser Dinge unangenehm ist, dann lasse ich sie sein." Die Rede rief einen wahren Sturm der Entrüstung herbor, seine ZentrumSkollegen waren rot bis hinter die Ohren ge- worden. Der ultramontane Führer Lensing bezeichnete die Rede seines Parteigenossen als tief bedauerlich. Gronowski sei noch viel zu jung, um über alle Sachen mitreden zu können. Fast noch brutaler war der Angriff des ultramontanen Stadtverordneten Rechtsanwalt Westhaff auf Gronowski. Er bezeichnete dessen Rede als eine grobe Ungehörigkeit. Aus dieser Rede erkannte der Vor- sitzende, daß er dem Granowski eigentlich noch hätte«inen dritten Ordnungsruf erteilen müssen. Gronowski blieb dabei, daß er recht habe. Seine Jugend sei ein Fehler, der mit jedem Tage abnehme; zudem habe sich doch auch Lambert Lensing   als junger Mann zum Führer in Dortmund   aufgeworfen. Er beantrage, daß am folgende Tage sämtliche Streikenden wieder eingestellt und die Forderungen bewilligt würden. Derfreisinnige" Stadtverordnete Suhrmann erklärte den Streik für unberechtigt und fügte hinzu, daß er au« der städtischen Straßenbahnkoknmission austreten werde, wenn Gronowski noch fern er ihr Mitglied bleibe. Der Antrag Gronowski, sämtliche Streikenden wieder einzustellen, wurde dann mit allen gegen zwei Stimmen abgelehnt. Sämtliche Zentrums- Mitglieder stimmten gegen den Antrag ihres Fraktionskollegen. Das Resultat dieser Stodtberordnetensitzung ist nicht bloß eine unsägliche Blamage der Stadtverwaltung, sondern mehr noch der Zentrumspartei  . Man darf übrigens mit Bestimmtheit erwarten, daß dieser Zusammenstoß der Führer noch ein Nachspiel in der Zentrumspartei   haben wird._ Stöckerklatsch. Die Stöckerschen OrganeDaZ Reich" und dieStaatsbürger- Zeitung" verzapfen in ihrer Sonntagsnummer folgenden Hahne- vüchenen Unsinn: Bor   einigen Jahren tauchte die Behauptung auf, Genosse Stadthagen  , bekanntlich zur Zeit der Zolltarifkämpfe einer der widerlichsten.Brotwucher"schreier. habe sich fortgesetzt an den ge- wagtesten Terminspelulationen in Getreide beteiligt. Die Tat- fache wurde Stadthagen   in Volksversammlungen, wie im Reichs- tage vorgehalten Stadthagen   mußte die Getreide-Termin- spekulation zugeben." Vielleicht macht der ehrenwerte Pastor a. D. Stöcker das Maß seiner christlichen Nächstenliebe dadurch voll, daß er die Daten dieser erfundenen Vorhaltungen und Zugeständnisse, insbesondere daS Datum der stenographffchen Reichstagsberichte angibt, auf die die Stöckerblätter hinweisen und läßt die ReichStagsverichte auch dahin fälschen: Stadthagen   gab zu, daß er silberne Löffel gestohlen habe und daß Herr Stocker ein wahrheitsliebender Mann sei.--- Huöland, Oesterreich. Der Entscheidungskampf für die Wahlreform" fo lautete der Titel des Vortrages, der am Sonntag Tausende und Abertausende von Arbeitern und Arbeiterinnen zur Massenversammlung in die Volkshalle des neuen Wiener  Rathauses zog. Um 9 Uhr morgens begann die Riesendemon- stration, bei der die Genossen Adler, Daszynski  , Ellenbogen, Resel, Rieger, Schumeier und Seitz das Wort ergriffen. Wir geben den Bericht wieder, den dieVoss. Zeitung" über die gewaltige Demonstration veröffentlicht: Wien  , 18. Juni.  (Eig. Drahtber.) Mit der Tagesordnung Der Entscheidungskampf für die Wahlreform" veranstaltete gestern die sozialdemokratische Partei in und vor der Volkshalle des Rathauses eine Massenversammlung, wie sie gleich groß in Wien   bisher kaum gesehen wurde. Mehr als 50 000 Personen füllten die Halle und den Rathausplatz. Alle Redner wandten sich in heftigsten Ausdrücken gegen jene parlamentarischen Parteien, welche die Wahlreform zu verschleppen suchen. Abg. Schumeier wies auf den bekannten Ausspruch deS Kaisers hin, daß eine Neuwahl des Parlaments auf Grund des alten Wahlrechts undenkbar sei, und fügte hinzu:Die Arbeiterschaft von ganz Oesterreich   ist zum Generalstreik bereit. Abg. Dr. Adler, der im Wahlreformausschuß sitzt, braucht nur an das Fenster zu treten, vor dem wir. warten, und der Streik bricht loS." Abg. DaSzynski sagte:Sie sollen eS wagen, nach einer Wahl nach dem alten Rechte sich zur Beratung zu setzen: nicht fünf Minuten wird ein Parlament beraten, das nach dem alten Wahlrecht zusmnmengeschwindelt wäre. DaS moralische Recht ist stärker, als selbst die bewaffnete Macht, und sollen um jeden Preis Opfer fallen, das versprechen wir, dann nicht nur auS unseren Reihen!" Das Schlußwort hatte Dr. Adler. Vom Kaiser bis zum Proletarier", rief er aus,sieht jeder in dem Mißlingen der Reform den Untergang des Staates. In diesen drei Monaten des Sommers kann allerhand passieren. Deshalb dürfen diese Herren nicht nach Ischl  und Karlsbad   gehen, ehe sie ihre Pflicht er- f ü l l t h a b e n. In Galizien   wird es keine ruhige Ernte geben, wenn die ruthenischcn Bauern ihre Wahlreform nicht haben. Die Industrien werden die günstigen Konjunkturen nicht ausnutzen können, wenn man uns unser Recht nicht gibt. Ich hoffe noch immer, daß das Aeusterste vermieden wird, aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Die Versammlung faßte folgende Entschließung: Das arbeitende Volk Wiens erklärt, daß eS die Ver- schleppung der Wahlreform nicht ruhig mitansehen werde, sondern diesem Verbrechen gegen Volk und Staat mit allen Mitteln und unter allen Opfern einen Kampf entgegensetzen werde, dessen erster Schritt der dreitägige Massenstreik in Wien   sein wird." DemBerliner Tageblatt" drahtet ein geistreicher Korrespondent unter anderem: Von dem dreitägigen Wiener   Streik und dem öfter- reichischen Generalstreik als Pressionsmittel war aber heute keine Rede- Dies scheint ausgegeben zu sein." Der gute Mann scheint auf den Ohren gesessen zu haben, falls er überhaupt der Versammlung, über die er hier be- richtet, beigewont hat. Im übrigen ist er gerecht genug, anzu- erkennen, daß die Demonstrationtrotz massenhafter Beteili- gung in größter Ordnung verlief, im Gegensatz zu den beiden letzten Massenversammlungen der christlich-sozialen Partei, in- dem bei der ersten die Rampe des Reichstagsgebäudes ge- stürmt und bei der zweiten vor der ungarischen Delegation exzediert worden war. Die Arbeiter kamen morgens in großen Zügen aus allen Stadtbezirken zum Rathaus, per- mieden aber die Hauptstraßen, da in denselben heute die katholische Fronleichnamsprozession in allen Bezirken statt- fand, um nicht mit dLO Geistlichkeit oder den Christlich. sozialen in Konflikt zu kommen. Jeder Bezirksorganisation wurde eine rote Fahne mit der InschriftHoch das allgemeine Wahrecht!" vorangetragen. Auf dem Rathausplatz wurden zwei koloffale breite Standarten ausgestellt mit den In, schrisienHeraus mit Bern   allgemeinen Wahl, recht!" undWir verlangen unser Recht!" Der Reichsrat war rings von einer Polizeiwache zu Fuß und zu Pferde eingeschlossen. Sonst sah man auf dem ganzen Platze keine Polizei. Die sozialdemokratischen Parteiführer sprachen zuerst in der Volkshalle, dann auf der Freitreppe vor dem Rathaus. Sie betonten die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Durchführung der Wahlreform ohne Verzögerung und kündigten die Kampfbereitschaft ihrer Partei a n." Schweiz  . Russische   Spitzel in Zürich  ? Zürich  , 16. Juni.  (Eig. Ber.) Der Polizeioberleutnant Lochner und der Bundesanwalt Kronauer-Bern sind wahre Zierden der schweizerischen Eid- genossenschaft. Dieser Tage veranstalteten sie in Zürich  morgens 3 Uhr unter Massenaufgebot von etwa 56 Geheim- Polizisten bei hier wohnenden Russen eine Razzia nach Bomben und anderen Revolutionswerkzeugen, weil irgend ein ver- lumptes Subjekt verborgene Anzeige erstattet und geschwindelt hatte, da und dort würden Bomben fabriziert. In ihrem blinden Eifer und mit der altbewäbrten Dummheit fielen Bundesanwaltschaft und Züricher   Polizei hinein. Sie rissen nach russischem Muster zahlreiche Russen, darunter ganze Familien, aus ihrer Nachtruhe und arretierten 9 Personen, von denen sie einige zurückbehielten, um so den Schein zu er- wecken, sie hätten wirklich richtige Funde gemacht und den Zarismus wie die Eidgenossenschaft vor Bombenanschlägen gerettet. In Wirklichkeit haben sie ein schmähliches Fiasko erlebt, ja es wird sogar angenommen, ein boshafter Mensch habe nicht den Russen Ungelegenheiten, sondern her Polizei einen ordentlichen Reinfall bereiten wollen. Es liegt aber doch die Annahme nahe, daß es sich hierbei um das Werk russischer Spitzel handelt. Sei dem jedoch wie immer, es muß gegen eine derartige freche Verhöhnung und Verletzung des Haus- rechtes und der persönlichen Freiheit in der demokratischen Republik   auf das nachdrücklichste protestiert werden. Ver- schiedene Raub- und Lustmörder, die die ganze Bevölkerung aufs höchste erregten, laufen noch in der Freiheit herum; sie zu entdecken, ist die Polizei nicht klug genug. Zum nächtlichen Ueberfall auf ehrliche Leute dagegen besitzt sie die nötige Schlauheit und Energie. Krankreich. DreyfuS. Paris  , 18. Juni.  (Kassationshof.) Die Revisionsvcrhandlung deS Prozesses DreyfuS beginnt um IL Uhr 5 Minuten. Der Präsident Ballot-Beaupre   führt den Vorsitz. DreyfuS wohnt der Verhandlung nicht bei. Der Berichterstatter Moras verliest den Eröffnungsbeschluß; er betont, daß die Angelegenheit jetzt das Gebiet der Politik verlassen habe und zu einer reinen Sache der Rechtspflege geworden sei. Moras wirft dann einen Rückblick auf den Verlauf der Angelegenheit bis zur Stellung des RevisionS» antrages. Er hebt die Punkte hervor, auf die der Justizminister den Kassationshof aufmerksam gemacht hat; dieselben stellten, führt er aus, drei neue Tatsachen dar; er glaube, diese hätten, wenn sie damals bekannt gewesen wären, die Meinung der Richter von RenneS   ändern können. Berichterstatter MoraS bespricht sodann die von Dreyfus' Ver- teidiger, Mornard, eingereichte Revisionsschrift, welche Kassierung deS früheren Urteils ohne RückVerweisung fordert, und bemerkt dazu, der schriftliche Antrag deS Generalstaatsanwalts halte von den 13 Revisionspunkten der Verteidigung nur S aufrecht, die übrigen Punkte stellten nur eine Bestätigung dessen dar, waS dem Gericht zu Rennes   schon bekannt war. Die sechs aufrecht erhaltenen Revisionspunlte sind folgende: 1. Auffindung eines am 5. Januar 1805 von Guerin an daS Gouvernement von Paris   gerichteten Telegramms, in welchem der angeblichen Geständnisse DreyfuS' in keiner Weise Erwähnung getan wird. S. Im KricgSministerium ist das Konzept des Kam- Mandanten Bayle über die Verwendung der schweren Artillerie aufgefunden worden, von dem im Prozesse zu Rennes   behauptet worden war, daß Dreyfus es an daS Ausland ausgeliefert habe. 3. und 4. Die die Aussagen CernuskyS und ValcarloS   betreffenden Zwischenfälle. 5. und 6. Die Fälschung der Dokumente Nr. 28 und 871 des geheimen Dossiers. Der Berichterstatter stellt dann fest, daß der Staatsanwalt Aufhebung des Urteils von RenneS  , und zwar ohne daß Berufung zulässig sein soll, beantragt. Der Berichterstatter gibt dann einen Rückblick auf die in RenneÄ stattgehabten Prozcßverhandlungen und kommt zu dem Schlüsse, daß die ganze DreyfuS-Affäre eine Mystifikation ist! Hierauf wird die Sitzung aufgehoben. Bus der Partei. Zu einer FrauenkonfcrAiz im Anschluß an den Mannheimer  Parteitag ruft in derGleichheit" die Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands  , Genossin Ottilie Baabe»Berlin   auf. Die Kouferenz soll Sonnabend, den 22. Sep« tember, morgens 9 Uhr. zusammentreten und nötigenfalls noch Sonntag nachmittag tagen. Als provisorische Tagesordnung wird vorgeschlagen: t. Bericht der Zentralvertrauensperson; a) Agitation, d) Presse; 2. Frauenstimmrecht; 8. Agitation unter den Landarbeiterinnen: 4. Die Dienstbotenbewegung; 5. Fürsorge für Schwangere und Wöchnerinnen. Als Referentinnen sind Genossinnen in Aussicht genommen, die sich mit den betreffenden Fragen eingehend beschäftigt haben: so für Punkt 2. Frauenstimmrecht, Genossin Zetkin  ; für Punkt 3 Ge» nossin Zietz; für Punkt 4 Genossin Grünberg; für Punkt 6 Genossin Duncker. Das Lokal ist noch nicht bestimmt. Anträge sollen bis zum 20. Juli an Genossin Baader eingesandt werden. Eine Ehrung gefallener Freiheitskämpfer fand am Sonntag in Kirchheinlbolanden(Pfalz  ) statt. Eine Anzahl Genossen aus Rheinhessen   und der Pfalz   fanden sich zusammen, um das Andenken der am 14. Juni 1849 Gefallenen zu ehren. Der süddeutsche Liberalismus in seinen verschiedenen Färbungen hat diese Toten vergessen oder schämt sich ihrer und ihrer Taten; die Sozialdemo« kratie hat auch hier die Aufgabe übemommen, die der Liberalismus verraten hat. UDie Zwistigkeiten im ReichötagSwahlkreise Sorau  -Forft. Die Parteiversammlung, die am Freitag in F o r st stattfand, war von 700 Genossen besucht. Entgegen den Borschlägen des Vorsitzenden wurde nicht erst der Bericht der Preßkommission entgegengenommen über die Gründe, die sie zur Kündigung deS Genossen Marckwald geführt hatten, sondern sofort die Diskusston über einen Antrag eröffnet. Marckwald zum ReichStagSkandidaten zu machen. Es lvurde nur einem Redner für und emem gegen die Kandidatur Marckwald für je zehn Minuten das Wort gegeben. Der Genosse Perner, der gegen die Kandidawr redete, wurde häufig durch Lärm und Schlußrufe unterbrochen. Dann wurden die Stimmzettel auS» geteilt und ausgefüllt, und während nun eine Kommission die Stimmen zählte, wurde der Bericht der Preßkommission über die Kündigung Marckwalds erstattet. Die Forster KommisstonSmitalieder scheinen nach dem Bericht derMärkischen Volksstimme" auf dem Standpunkt zu stehen, daß die Kündigung zu Unrecht erfolgt sei, daß mir persönliche Animosität gegen Marckwald vorliege. Einer von ihnen beantragte eine Kommission einzusetzen, die die gegen Marckwald erhobenen Beschuldigungen prüfen solle.