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KtMökWWudeur Major a. D. v. Jandet v. Etttosselt vor Geslhworellen. Breslau  , IS. Juni. Schon lange vor Beginn der Verhandlung drängt ein ungemein zahlreiches Publikum nach dem Zuhörermum des Schwurgerichts- saalcS. Weit über 200 Zeugen, zumeist Kaufleute und Grotz- mdustrielle aus Nord» und Süddeutschland   sind geladen. Angellagt sind der Bezirtskemmandeur Major a. D. v. Zander nebst Gattin. Sie werden beide des Betruges in etwa 70 Fällen, deS wissentlichen Meineides, der falschen eidesstattlichen Versicherung, des einfachen und betrügerischen Bankrotts, Major v. Zander autzerdem der Untere schlagung und der Untreue beschuldigt. Als dritter muh Ritter  - gutSbesifeer Lüttig wegen Beihülfe zum betrügerischen Bankrott auf der Anklagebank Platz nehmen. Major v. Zander war Bezirks- kommandeur des 6. Hommerschen Infanterieregiments v. Dönhoff in Gnesen  , zuletzt Bezirkskommandcur in Wohlau. DaS v. Zander. sehe Ehepaar soll weit über seine Verhältnisse gelebt und, da die Mittel hierzu nicht reichten, Waren aller Art in großen Mengen in den verschiedensten Städten Deutschlands   unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf Borg entnommen, außerdem sich gegen Wechsel große Summen geliehen haben. Für Beschaffung des erblichen Adels- titels an einen Amtsrat erhielt v. Zander 300 000 M. Dieses Geld verwandte er nicht zur Bezahlung seiner Schulden, sondern kaufte sich das im Kreise Wohlau belegene Rittergut Schmogerle, in der Absieht, ein Majorat für seinen Sohn zu errichten. Da die Gläubi- ger drängten und Pfändung beantragten, soll er zum Schein das Rittergut an den Rittergutsbesitzer Lüttig mit dem Recht deS Rüek kaufs verkauft haben. In diesem Verkauf erblickt die Staatsanwalt� schaft den betrügerischen Bankrott, v. Zander hat beschworen, daß der Kaufvertrag kein Schcinvertrag war? dadurch und bei Leistung mehrerer Offenbarungseide soll er und seine Gattin sich des wissent- lichen Meineides schuldig gemacht haben. Nachdem er seine» Ab- schied genommen, war er AufsichtSratsmitglied mehrerer Industrie- gesellschasten. In dieser Eigenschaft soll er sich der Untreue und der Unterschlagung schuldig gemacht haben. v. Zander ist am 30. Januar 18S3 als Sohn eines Regierungs» assesiors in Königsberg   in Preußen geboren. Er hat das Abiturienten- examen bestanden und dann Jura studiert. Er ist Ritter zahlreicher hoher Orden. Frau Mari« v. Zander ist am 25. Oktober 1862 zu Pees«, Kreis Gifhorn   geboren. Lüttig im am 12. Dezember 18S1 geboren. Er ist Hauptmann der Landwehr und ebenfalls Inhaber mehrerer Orden. Er macht den Eindruck eines ehrbaren Land- Pastors. Vernehmung des Angeklagten. Der Angeklagte v. Zander, der einen krankhaften Eindruck macht, bemerkt auf Befragen des Vorsitzenden mit sehr leiser Stimme, so daß man ihn am Berichterstattertisehe kaum verstehen kann: er sei bereit, Rede und Antwort zu stehen, bitte aber Rücksicht zu nehmen. Er habe durch die dreizehnmonatliche Untersuchungshaft geistig und körperlich gelitten, so daß ihm das Reden schwer falle. ES werde ihm auch kaum möglich sein, die einzelnen Tatsaehen aus- einander zu halten, daher werde er möglicherweise in einzelnem etwas konfuse Angaben maehen. Er werde sich aber bemühen, klar und er- schöpfend zu sprechen. Es falle ihm schwer, etwas gegen seine eigene Frau sagen zu müssen. Er habe es als Offizier stets als seine Pflicht angesehen, gegen Damen große Nachsicht zu üben, und er habe kaum noeh notwendig, zu versichern, daß esihmbesondersschwer falle, seine eigene Frau zu belasten. Aber wenn er nicht blind gewesen wäre, dann hätte er schon in den ersten Jahren nach seiner Vermählung sehen müssen, daß seine Fau g?istig nicht normal sei. Kurz vor der Hoehzeit habe er erfahren, daß seine Frau noch eine große Rechnung in Genf   zu begleichen habe. Dies wäre beinahe die Ursache gewesen, daß die Heirat überhaupt nicht zustande kam. Nach der Verheiratung habe er erfahren, daß seine Frau noch eine ganze Reihe weiterer Schulden habe. Schlecht« Behandlung durch den Untersuchungsrichter. (Mit erhobener Stimme): Ich muß von vornherein bemerken, daß ich von dem Untersuchungsrichter in ganz furchtbarer Weise be- handelt worden bin. Der Untersuchungsrichter hat mich mit Hohn überschüttet. Ich bin 33 Jahre Offizier und habe mir niemals das geringste zuschulden kommen lassen. Ich bin aber vom Unter- suchungsrichter nicht wie ein anständiger Mann, dem die Schuld erst bewiesen werden muß, behandelt worden, sondern wie ein des Mordes Verdächtigter. Sobald ich eine Einwendung maehen wollte, sagte er: Führen Sie oder ich das Protokoll? Recht Sie, ich habe zu be- stimmen, waS da hineinkommt." Ich bin aus tiefstem Herzen Deut- scher, ich habe einige 30 Jahre die Uniform meine« Königs in voller Ehre getragen, ich hätte es nie für möglich gehalten, dast ein Unter- fuchungsgefangener in Preußen so behandelt werden könnte. Ich bin von dem Untersuchungsrichter geradezu mit grinsendem Hohn be- handelt worden. Alle meine Entlastungsanträge wurden mit grinsendem Hohn zurückgewiesen. Erst in den letzten drei Tagen konnte ich etwas für meine Entlastung tun. Verteidiger Justizrat Mamroth: Ich muß be- merken, daß mir als Verteidiger der Einblick in die Akten sieben Monate lang verweigert worden ist. Ich habe ferner den An- geklagten nur in Gegenwart deS Untersuchungsrichters, des Herrn Landgerichtsdirektor» Firle, sprechen können. Ich werde deshalb genötigt sein, noch in der Hauvtverhandlung Anträge zu stellen. Der Angeklagte v. Zander erklärt weiter: Als Leutnant habe ich zehn Jahre ohne Zuschuß gelebt. Ich habe keine Schulden gemacht, ich habe keine Bedürfnisse und bin an eine spartanische Lebensweise gewöhnt. Da aber entdeckte ich, daß meine Frau un- sinnige Schulden hatte. Nach der Geburt des ersten Kinde« bestellte sie für 3200 M. Erstlingswäsche. Als ich die« dem Untersuchungs- richter sagte mit dem Bemerken, daß ich an der geistigen Zu- rechnungsifähigkeit meiner Frau zweifle, sprach er von falscher Erziehung oder moralischer Minderwertigkeit. Sie können sich denken, daß eine solche Bemerkung über meine Frau, die ich über alles liebe, mich furchtbar erregte. Vors.: Herr v. Zander, so kommen wir nicht weiter. Die geistige Zurechnungsfähigkcit Ihrer Frau wird später Gegenstand der Verhandlung sein. Ich muß Sie bitten, mir jetzt Rede und Antwort zu stehen, anderenfalls muß ich die Verhandlungen mit Ihnen abbrechen. Angekl.: Ich muß doch zunächst die Behandlung schildern, die mir vom Unter- suchungsrichter zuteil wurde. Ich werde kaum noch in der Lage sein, meine Verteidigung zu führen, ich bin vollständig fertig. Vors.: Wünschen Sie, daß aus diesem Grunde die Verhandlung vertagt wird? Angekl.: DaS wünsche ich nicht, ich habe an der langmonatigen Untersuchungshaft vollauf genug. Vors.: ES sollte mir leid tun. wenn ich gegen Sie Maßnahmen treffen müßte, aber wenn wir weiter kommen wollen, müssen Sie mir schon Rede und Antwort stehen. Nach einer kurzen Pause hält der Vorsitzende dem Angeklagten vor, daß er sich im Jahre 1897 von einem Freunde 6000 M. ge- liehen, sie aber nicht zurückgezahlt habe. Angekl.: Ich muß bemerken, daß ich mich damals tatsächlich von meiner Frau getrennt hatte. Meine Frau war ein halbes Jahr in England. Ich habe ernstlich erwogen, ob ich mich von ihr scheiden lassen soll. Die 6000 M., die ich von meinem Freunde Bändel für eine Gefälligkeit erhielt, habe ich zur Bezahlung,von Schulden meiner Frau ver- wandt. Ich habe, während me,ne Frau in England war, sehr sparsam gelebt und nicht einmal im Kasino gegessen. Der Bursche mußte Mir ein paar Kartoffeln kochen. Einen Dienstboten habe ich mir nicht gehalten. Der Angeklagte erzählt weiter in sehr um- ständlicher Weise, sein Freund habe durch ihn Unsummen an Kali- werten verdient, dafür habe er ihm die 6000 M. geliehen. Jedes Jahr 6000 Mark Zulage. Im weiteren Verlaufe der Verhandlung hält der Vorsitzende dem Angeklagten vor, er sei 1894 als Kompagniechef in das Magde  - burgische Infanterieregiment Nr. 66 versetzt worden. Er hatte in Magdeburg   in der Nähe der Jnfanteriekaserne eine Wohnung zum MictSprcise von 1300 M. und versteuerte ein Einkommen von jährlich 3981 M. A n g e k l.: Ich hatte dSNÄS Mi iöMej xige jZulq« von MkLA MV W» J Die Schulden beb Angeklagten. Der Vorsitzende hält dem Angeklagten bor  , daß er im fahre 1897 laut Tagebuch eine Schuldenlast von 10 000 M. hatte. r habe vielfach sogar seinen Feldwebel angeborgt. Auf ferneres Vorhalten der Tagebuchaufzeichnungen bemerkt der Angeklagte, er sei ein paarmal vom Pferde gestürzt und habe eine starke Gehirn- erschütterung davongetragen. Er habe sogar öffentlich erklärt, er sei gar nicht verheiratet. Die Beschaffung des Abelstitels. Auf Befragen des Vorsitzenden erzählt der Angeklagte, er sei eines Tages nach Wilhelmshöhe   eingeladen worden. Bändel habe den Wunsch geäußert, im Interesse seiner Söhne den erblichen Adel sich zu erwerben. Er sei darauf nach Berlin   gefahren und habe auf dem Heroldsamte gehört, daß jährlich mindestens 1000 folcher Gesuche eingingen, von denen im Durchschnitt sechs entsprochen würde. Von irgend einer Beeinflussung könne keine Rede sein. denn die letzte Entscheidung hänge von Sr. Majestät dem Kaiser ab. Er sei dann von Freunden an einen hervorragenden Schrift- steller empfohlen worden, der sich gegen ein sehr hohes Honorar bereit erklärt habe, die Erledigung der notwendigen Formalien zu übernehmen. Der Vorsitzende hält dem Angeklagten dann noch vor, daß er 2000 M., die seiner damals zweijährigen Tochter auS einem Vermächtnis zugefallen waren, zur Bezahlung seiner Schulden verwandt habe. Der Angeklagte erklärt, er habe die 2000 M. zur Erziehung seiner Kinder erhalten. Darauf wird die Verhandlung auf Dienstag, vormittag 9 Uhr, vertagt._ Soziales* Der Zwickaucr Polizeiukas gegen das Koalitionsrecht aufgehoben. Die KreiShanpt», annschaft hat die wunderliche Auflösung deS Streikkomitees der Maurer seitens des Polizeiamtes aufgehoben. Am Sonnabend vormittag»st dem Maurer Z i t t e l, dem Vorsitzenden des Streikkomitees folgende Verfügung der Kreishauptmannschaft zu- gestellt worden: Zwickau  , am 14. Juni 1906. Die königliche Kreishauptmannschaft, in kollegialer Zusammen- setzung, hat dem Rekurse, welcher von dem Maurer Hermann Zettel und Genossen in Zwickau   gegen die Verfügung des Polizeiamtes vom S. dieses Monats, betreffend die Auflösung deS Maurer- streikkomitees in Zwickau  , Bl. 12 fg. der Polizeiakten Nr. 2401, XIV, am 7. dieses Monats erhoben worden ist, Beachtung nicht zu ver- sagen vermocht. Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob bet dem gegen» wältigen Stande d e r G e s e tz g e b u n g dieBehörden überhaupt berechtigt sind, ein Streikkomitee deshalb polizeilich aufzulösen, beziehungsweise die Auflösung durch Zwangsmaßregeln zu er- zwingen, weil der Streik beendet sei. Jedenfalls kann der angefochtene» Verfügung schon deshalb weitere Folge nicht gegeben werden, weil die tatsächliche VoranSsetzung, auf der sie beruht, nach Ansicht der Kreishaiiptmannschaft nicht zutrifft. DaS Polizeiaint geht von der Annahme aus, daß der Streik erloschen sei. Diese Annahme ist irrig. Denn, wie aus den Akten des Polizeiamtes selbst zu ersehen ist, hat eine Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehinern hinsichtlich der Höhe veS Stueiden« lohnes und der Dauer der täglichen Arbeitszeit noch nicht herbeigeführt werden können, vielmehr sind die Verhandlungen hierwegcil noch im Gange. So lange aber eine Einigung nicht erfolgt ist, auch die Mehrzahl der in den Ausstand getretenen Ge- wcrbetreibenden in ihr früheres Arbeitsverhältnis noch nicht wieder zurückgekehrt ist, kann von einer Beendigung oder einem Erlöschen leS Streiks nicht die Rede sein. Auch auf dem platten Lande, auf welches sich der Streik mit erstreckt, dauert derselbe, wie die Er- örterungen»ach Gehör der hiesigen AmtShauptmannschast ergeben haben, noch fort. Demgegenüber kann dein Umstände allein, daß ein großer Teil der bei hiesigen BaugeschäftSinhabern beschäftigt gewoenen Maurer abgereist ist, worauf daS Polizeiamt seine Maß- nähme hauptsächlich stützt, ausschlaggebende Bedeutung nicht bei­gemessen werden. Die Rekurrenten sind entsprechend zu bescheiden. Königliche Kreishauptmannschaft. (gez.) Dr. Forker-Schubauer. Die an den Genossen Julius Seifert  , den Wirt vom Belvedere  ", erlassene Verfügung betr. Ueberlassung von Räumlich- keiten, ist ebenfalls am gleichen Tage, als der kreishauptmannschaft- liche Entscheid erging, zurückgezogen worden. Der Bescheid ist von lakonischer Kürze. Er lautet: Es wird Ihnen hierdurch eröffnet, daß die an Sie am ö. d. Mts. ergangene Verfügung wegen Ueberlassung von Räum- lichkeiten für das Maurerstreikkomitee zurückgezogen wird. DaS Polizeiamt der Stadt Zwickau  . Die Kreishauptmamischast läßt in ihrem Bescheidedahingestellt". ob die polizeiliche Auflösung eines Streikkomitees zulässig ist. Nach Lage der Gesetzgebung ist eine solche Auflösung zweifelsohne rechts- widrig. Es wäre angebracht, daß das Zwickauer   Polizeiamt zivil- rechtlich und strafrechtlich wegen des rechtswidrigen Erlasses in Anspruch genommen würde. Hat das bisherige Verfahren gezeigt, daß die Hüterin der Gesetze rechtswidrige Erlasse ergehen läßt, die lediglich dem Interesse der Unternehmer zu dienen geeignet find, so mag das weitere Verfahren zur Aufklärung der Frage dienen, ob polizeiliche Eingriffe in gesetzlich gewährleistete Reckte der Arbeiter- llasse in Sachsen   so sehr an der Tagesordnung sind, daß eine Ver- antwortlichkeit für rechtswidrige Polizeiukase undurchführbar wäre. Eine schnurrige Rechtsordnung, in der den einfachsten Bürger Un- kenntnis der Gesetze nicht schützt und Beamte, die der besonderen Beachtung der Gesetze ihre Aufmerksamkeit zu schenken verpflichtet iind, ohne jegliche tatsächliche Verantwortung gegen Gesetze fehlen können._ Ein Beitrag zum Bureaukratismus der Fürsorgeerziehung. AuS einem Dorf bei Königsberg   wird uns von zuverlässiger Seite folgender kaum glaubliche Fall berichtet: Eine im Landkreise Königsberg   wohnende Familie, zu der sechs unerzogene Kinder gehörten, hatte ein acht Jahre altes Kind, das etwas schwach im Kopfe war. In der Schule kam es mit den anderen Kindern nicht recht mit. Eines Tages, als die Frau krank war. kam der Ortspfarrer zu Bestach und redete der Frau zu, das schwach- eistige Kind in eine Anstalt zu geben. Anfangs sträubte sich die Ikutter. Denn die Leute sind nicht ganz arm und glaubten ihr Kind. trotzdem es etwas zurückgeblieben, m der Familie gut aufgehoben. Als aber be» späteren Besuchen )er Pfarrer immer wieder darauf drang, das Kind in die Anstalt zu geben, willigte die Mutter schließlich ein. AIS   dann auf Ver- anlasiung desOst preußischen Provinzialvereinü für innere Mission" später daS Kind fortgeholt werden sollte. weigerten sich die Eltern nun doch, ihr Kind fortzugeben, da sie in- zwischen gehört hatten, daß die Kinder in der Anstalt eS nicht gut �aben sollten. Nun wandte man aber das Recht der Zwangserziehung an. Der Gendarm kam hin und drohte mitGewalt. Schließlich kam eineSTageS der Exekutor und holte daSKind gewaltsam aus der Wohnung der Eltern, um es in die Jdiotenanstalt nach Rastenburg   zu bringen. Die Eltern setzten nun alles mögliche dran, um ihr Kind wieder aus der Anstalt heraus zu bekommen. Aber erst nach einem halben Jahre wurde hierzu die Genehmigung erteilt. Das Kind konnte nun ins Elternhaus zurückkehren, aber nicht, wie es dasselbe unfreiwillig verlassen hatte, als leibliches Kind seiner Eltern, sondern als ein den..... scheu Eheleuten vom Ostpreußischen Verein für innere Mission" überaebenen Fürsorge- zögling. DaS wurde den Leuten urkundlich in folgendem Schreiben mitgeteilt: Nachdem der Herr Landeshauptmann genehmigt hat, daß Ihr Kind zu Ihnen in Erziehung und Pflege gegeben werde, übersenden wir Ihnen beifolgend den abzuschließende» Vertrag mit dem Sr» suchen, nachdem Sie den Vertrag unterschrieben haben uns denselben zurückzusenden zur Bestätigung durch den Herrn LaiideShauptmann." Nach einigen Wochen folgte dann der unterschriebene Vertrag mit einem Schreiben des Vereins für innere Mission, daß nun die Unterbringung deS FllrsorgezöglingS... bei den... schen Ehe­leuten die Bestätigung des Herrn Landeshauptmanns gefunden habe. Der Z 2 des oben genannten Vertrages lautet:..Der...... verpflichtet sich, den Fürsorgezögling in religiös-sittlichem Sinne zu erziehen und ihn in seine Familie aufzunehmen. Die folgenden Paragraphen enthalten Vorschriften über die Kleidung, Beköstigung und Schlafstätte des Fürsorgezöglings. Der 8 7 schreibt vor, daß die Pflegeeltern denselben zu regelmäßigem Besuch der Kirche an- zuhalten und zum Konfirmationsunterricht zu schicken haben. Zur Ueberwachung der Erziehung und Pflege des bei dieser Familie untergebrachten Zöglings wird vom Landeshauptmann ein Fürsorger bestellt. So der Bericht. An und für sich ist cS möglich, daß ein Für- sorgezögling den eigenen Eltern zur Fürsorge(unter Ueberwachung eines Fürsorgers) übergeben wird. Aber nach der Schilderung des Falles liegt nicht der geringste Grund zur Einleitung des Fürsorge- Verfahrens vor. Das Fürsorgeverfahren kann nur eintreten: 1. Wenn das geistige oder leibliche Wohl des Minderjährigen gefährdet ist und die Gefährdung auf Mißbrauch des Rechts der Sorge für das Kind, ans Vernachlässigung des Kindes oder auf ehrlosem oder unsittlichem Verhalten der Eltern beruht. Das ist der Fall zum Beispiel bei Verleitung zu strafbaren Handlungen, bei Mißhandlungen, bei übermäßigen Anstrengungen, bei Mangel an Sorgfalt in der Beköstigung, Bekleidung, Erziehung. 2. Wenn das Kind in noch nicht strafmündigem Alter eine strafbare Handlung begeht und eine Zwangserziehung zur Ver- hütung weiterer sittlicher Verwahrlosung erforderlich ist, oder 3. Wenn die Fürsorgeerziehung wegen Unzulänglichkeit der erziehlichen Einwirkung der Eltern oder sonstigen Erzieher oder der Schule zur Berhütlmg des völligen sittlichen Verderbs der Minder- jährigen notwendig ist. Von diesen Fällen könnte lediglich die unter 3 angeführte Boraussetzuna in Betracht kommen. Auch tu diesem Falle hat aber daS Gericht zu entscheiden. Die betroffene Familie wird fich voraussichtlich nun an das Gericht zur Aufhebung der Zwangserziehung wenden. Bei dieser Gelegenheit mag aus Anlaß vieler nachtraglicher Klagen von Eltern über die mit ihrer Zustimmung erfolgten Zwangserziehung dringend gewarnt werden, ohne ganz eindring- tichste Kenntnis der Fürsorgeanstalt in Zwangserziehung zu willigen. Leider führt die Zwangserziehung in sehr vielen Fällen zu dauernder Schädigung des geistigen und körperlichen Wohls der Kinder. Em Industrie und Handel Ein Urteil über die Konjunktur. Die von der Großindustrie ge- speiste und für erfolgreiche Bekämpfung" der Sozialdemokratie von den Stummlingen ausgehaltenePost" schreibt über die Kon- junktur folgendes: Es mehren sich jedoch die Anzeichen von Tag zu Tag, daß die gegenwärtige gute Geschäftslage in fast allen Gewerben ihren Höhepunkt überschritten hat. Es war eine der sogenannten kleinen Konjunkturkurven, die mit dem Jahre 1904 einsetzte und aller Voraussicht nach mit Ablauf dieses Jahres zu Ende sein wird." Allerdings steht das nicht im Handelsteil des Blattes, sondern nur in seinem politischen Teile. in einer Hetznotiz gegen den Buch- drucker-Berband, als Argument gegen Lohnausbesserung. Aber das Argument paßt doch so schlecht zu dem vor einigen Tagen vom Stahlwerksverband in die Welt gesandten Konjunkturbild, daß die Post"- Intelligenzen sich für diese Leistung wohl einen Nasenstüber holen werden. Jedenfalls haben sie selbst die Aussicht auf Lohn- zulage verwirkt und man hatte es doch so gut gemeint für den Geldsack I Vom Holzmarkt berichtet die.Arbeitsm.-Korresp": Nechtunbesttmmt war in letzter Zeit die Preistendenz am Holzmarkt. Während noch Ende Mai sowohl am nordwestdeutschen als auch am rheinischen Holzmarkt der Berkehr rege war und demgemäß ziemlich leicht höhere Preise erzielt werden konnten, ließ im Juni diese Lebhastig- keit nach, so daß auch die Preise als unbefriedigend bezeichnet wurden. Die sinkende Preistendenz übte auf die Sägemühlen, die bisher dem Rundholzmarkt starke Posten entnahmen, eine zurück- haltende Wirkung aus, da sie auf weitere Preisnachlässe rechnen. Trotz der regen Tätigkeit, die die einheimische Sägemüllerei in den letzten Monaten aufwies, nahm doch noch der Bezug ausländischen Bau- und Nutzholzes zu. Nachdem schon im März eine kräftige Mehrversorgung stattgefunden hatte, war auch im Aprit wieder die Einfuhr bedeutend höher als in den Vorjahren. Seit 1903 betrug nämlich die April» einfuhr von Bau- und Nutzholz in Doppelzentnern: 1903 1904 1905 1906 1555579 2 969 681 2 699 725 8 389 410 Eine Regelung der Preisverhältnisie herbeizufiihren. ist auch der Zweck einer Vereinigung der Sägewerksbcsitzer und Holzverarbeitungs- werke für das gesamte Harzgebiet, die Anfang Ju»» aus einer ve- trächtlichen Anzahl größerer Sägemühlenbesitzer und Holzindustriellen gebildet worden ist. r Löhne werden im rheinisch-tvestsälischen Industriegebiet So behauptet die bürgerliche Presse. Und wer das nicht unbesehen glaubt, ist natürlich ein Hetzer, ein Staatsfeind usw. Selbstverständlich werden in einzelnen Branchen zurzeit etwas höhere Löhne gezahlt und das Ueberzeitarbeiten steigert das Einkommen, Was man aber selbst in dem rheinisch-westfälischen Eldorado heute noch Facharbeitern zu bieten wagt, das illustriert ein Lohnangebot der Gute Hoffnungshütte-Oberhausen  . Diese sucht für ihre Ab- teilung Brückenbau, Austreichergehülfen und bietet gesunden, arbeits» fähigen Gehitlfen einen Stundenlohn von 30 bis 32 Pf. Das sind horrende Löhne im Königreich der Jndustriemagnaten. Hohe Kohlenpreise. Aus dem Ruhrrevier berichtet eine Kor- respondenz: Da die Kohlenknappheit im Ruhrkohlengebiet anhält, nehmen die Preise seit einiger Zeit eine steigende Tendenz an. Falls nicht feste Verträge vorliegen und namentlich wenn es sich um eilige Lieferung handelt, erzielen die Händler und Großhändler höhere Preise. Auch beim Absatz im Landdebit gelingt es den Zechen, gegenüber den bisher üblichen Preisen einen merklichen Aufschlag durchzuführen. Das rheinisch-westfälische Kohlensyndikat erzielt für Lieferung von Kohlen und Koks, soweit sie die vertraglich ab- geschlossenen Mengen überschreiten, höhere Preise als die im Früh- jähr festgesetzten Richtpreise. Jedoch kann das Syndikat diesen Mehr- verbrauch gar nicht oder doch nur im geringen Umfange behändigen, da es schon mit seinen vertraglich festgelegten Lieferungen im Rück- stände ist. Der Kohlenmangel macht sich immer mehr fühlbar, und täglich laufen beim Syndikat Mahnungen der Verbraucher ein, denen dasselbe nicht nachkommen kann. Wenn daS Syndikat über die vertraglich verpflichteten Mengen hinaus auch nur kleine Posten abgeben kann, dann stimmt es nicht mit der Behauptung, es bleibe mit seinen Lieferungen im Rückstände, weil die Zechen nicht genug lieferten, oder aber es werden einige Abnehmer zugunsten anderer benachteiligt, das heißt, das Syndikat wird kontraktbrüchig, um höhere Preise zu erlangen. Die Fleischtnist-Angelegenheit scheint sich zu einem erbitterten Kampf bis aufs Messer zwischen dem Präsidenten Roosevelt   und den Beefbaronen ausgestalten zu»vollen. Präsident Roosevelt  . so nimmt man allgemein an, wird, wenn nötig, eine Sondersitzung des Kongresses einberufen, um den Kampf gegen den Fleischtrust erfolgreich durchzuführen. Der Präsident des Senates Cannon, der beim Präsidenten war, versuchte vergeblich, diesen zur Annahme eines Kompromisses zu belvegcn. Dazu schreibt dieNetv Aork World":Ein republikanischer Führer, der durch seine amtliche Stellung maßgebenden Einfluß' auf die Sefetzgebung hat, erklärt:»Der Präsident ist von Ohren-