Nr. 250.
Erscheint täglich außer Montags. Brets pränumerando: Bierteljährlich) 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. fret in's Saus. Einzelne. Nummer 5 Pig. Sonntags- Nummer mit ilujte. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30 mt.pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DefterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.
Vorwärts
9. Jayrg.
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Gernrpret anschlug Amt 1, v. 4186.
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Der Thurm
Dienstag, den 25. Oktober 1892.
Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
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Die neue Militärvorlage. Die Kölnische Zeitung " bringt folgende Mittheilungen über die Militärvorlage:
hat die Bergarbeiter Bewegung gezeigt, daß der ultra- weigerten. Die Unzufriedenheit, ja Erbitterung dringt in montane Einfluß nicht mehr allein maßgebend ist. Die immer weitere Kreise, und es empfiehlt sich, das Eisen zu des Bentrums wackelt. Wahl in Kehlheim , einem echt ultramontanen Wahlkreis, schmieden, so lange es glüht. Was die„ Kölnische hat in diesen Tagen gezeigt, wie der Widerstand gegen die Beitung" über den Inhalt der Militärvorlage mittheilt, Der Kulturkampf hat das Zentrum erst zusammen Führer des Zentrums im eigenen Schooße dieser Partei wächst. folgt weiter unten. Wir erfahren, daß Herr von Caprivi gelittet und es zu der geschlossenen Macht werden lassen, Mit nur wenigen Stimmen hat der offizielle Zentrums- 2 Stunden lang zu reden hatte, als er dem Bundesrath die den Schein der Unerschütterlichkeit und Festigkeit er kandidat, dem das ganze ultramontane Pfaffenforps zur Seite die Vorlage unterbreitete, er muß also selbst hier viele regte. Die Art des gegen die Katholiten geführten Kampfes steht, den Dr. Sigl, früher eine Stüße des Zentrums, aus Einwürfe vorausgesehen haben. Charakteristisch ist, daß erleichterte ihnen das einheitliche Zusammenfassen der ver- dem Felde geschlagen. Dr. Sigl ist ein eingefleischter ultra- man jezt für die Vorlage durch die Drohung zu wirken schiedenartigsten Elemente. Indem man Ausnahmegeseze montaner, bayerischer Partitularist und unverfälschter sucht, im Fall der Nichtannahme würde Waldersee , als gegen sie schmiedete und sie in den unveräußerlichen Preußenhasser. Wie man über Dr. Sigl auch denken mag, er Mann Bismarck's , an Stelle Caprivi's treten und den Menschenrechten angriff, gewann ihre Opposition einen ist jedenfalls ein Feind der junkerlichagrarisch- diplomatischen genialen Herbert mitbringen. Der Säfularmensch als Vogelfreiheitlichen und volksthümlichen Anstrich. Die Opposition Heuchelei. Der Schlag, den er gegen das Zentrum führte, scheuche-die Nemesis ist wahrhaftig grausam.- gegen das Bismarc'sche Regiment einte preußische trifft vor allem das preußische Junkerthum in demselben, Unitarier mit mit süddeutschen Partikularisten, Ritter sowie die mit demselben verbündeten bayerischen„ Patrioten". und Grafen mit demokratisch angehauchten Kaplänen Der in Kelheim geführte Schlag wird nicht ohne Folge und Arbeiteragitatoren, sie ließ die Unterschiede der Lebens- sein. Er ist zunächst eine Mahnung, daß das Zentrum stellung, der politischen und sozialen Anschauungen ver- nicht so unerschütterlich fest auf seine Wähler rechnen kann, schwinden. Diese Einheitlichkeit mußte mit dem Kultur- gleichviel welche Richtung es einschlägt. Den Führern des tampfe aufhören, und so sehen wir denn auch die Stellung Bentrums wird die Stellung als Regierungspartei einen großen des Bentrums im letzten Jahrzehnt immer schwankender Theil ihres volksthümlichen Einflusses kosten. In Rheinlandwerden. Mühselig wurde, dank der geschickten Führung Westfalen schloß es seinen Frieden mit Baare, indem es FusWindthorst's, der Zusammenhang der Partei aufrecht gehalten, angel fallen ließ und ihm Schweigen gebot. Jezt ist es in aber wir sehen in den wichtigsten Fragen die Partei auseinander der Lage, mit den neuen Militär- und Steuerbelastungen gehen. Das Syftent der Abkommandirungen beginnt; ein Theil der Regierung hilfreiche Hand anzubieten. Eine Reihe an des Zentrums wahrt den freiheitlichen Schein, während ein derer reaktionärer Gesetze sind nur im Vertrauen auf die andrer fich müht, der Regierung unliebsame Abstimmungen Unterstüßung des Zentrums eingebracht. Glaubt das Zenzu verhüten. Das Sozialistengesetz wird wiederholt mit trum, daß es allein mit dem Einfluß der Kirche noch die fe eines Theils des Zentrums verlängert; mit Hilfe des große Wasse seiner bisherigen Wähler au sich fesseln wird? Bentrums werden die agrarischen Anmaßungen durchgesetzt; Wenn es diesen Glauben haben sollte, dann wäre es ein in der sogenannten Sozialreform wird vollends ein schnödes Beichen mehr, daß es mit dem Zentrum bergab geht, denn Doppelspiel getrieben. War es mit der Beilegung des es würde damit bekunden, daß es auch bereits von jener Kulturkampfs auch schwer, die lavirende Politik beizu Klugheit, die es in langem Kampfe bewiesen, verlassen ist. behalten, so war dem Zentrum doch immer von Zeit zu Die Wahl in Kelheim ist eine deutliche Mahnung! Mit Zeit noch eine scheinbare oppositionelle Haltung geboten; ihr hat, wie Dr. Sigl mit Recht sagen kann, das Zentrum Sie wurde immer dann eingenommen, wenn die Regierung in einem der sichersten Wahlkreise eine wohlverdiente mit Zugeständnissen an die katholische Kirche zögerte, oder wenn Lektion" in reichlichem Maße erhalten.
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fie Miene machte, sich auf eine zentrumsfeindliche Partei
zu stützen. Je mehr aber das Zentrum in die Lage gefommen ist, felbft Regierungspartei zu werden, je unangenehmer wird seinen Führern die oppositionelle Stellung. Was unterscheidet gegenwärtig noch den Grafen Ballestrem,
den Freiherrn von Huene oder den Herrn von Schalcha Politische Meberlicht. von den Hammerstein's, Helldorff's und Kardorf's und den anderen agrarischen und junkerlichen Herren? Die Herren Biehl und Mezner sind vortreffliche Schildknappen des
Berlin , den 24. Oftober 1892. Gegen die Militärvorlage wendet sich immer mehr Herrn Ackermann und zu jedem Zugeständniß bereit, wenn die öffentliche Meinung und Stimmung. In zahlreichen ihren zünstlerischen Bestrebungen Vorschub geleistet wird. Versammlungen ist schon nachdrücklicher Protest erhoben Mit der Stellung der agrarischen Junker und der zünstlerischen worden, und die Vorgänge in Großenhain und Kelheim beArbeiterfeindlichkeit verträgt sich schwer die Agitation bei den weisen, daß auch in denjenigen Kreisen, die bisher den Massen und der Schein der Arbeiterfreundlichkeit. Dieser reaktionären Führerit unbedingt Secrfolge leisteten, die Schein läßt sich von Tage zu Tage schwerer aufrecht halten, Wählerschaft sich gegen die Neuforderungen der Regierung und selbst die Arbeiter der katholischen Arbeitervereine sind zu wenden beginnt. In Großenhain , waren es die konsernicht mehr durch bloße Anweisungen auf das Jenseits zu vativen, in Kelheim die Zentrumswähler, die aus Abscheu beschwichtigen. In Schlesien wie in Rheinland Westfalen vor der Militärvorlage den Führern die Heerfolge ver
Feuilleton.
Nadbrud verboten.]
weichen.
Die Waffen nieder!
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ihr schon mehrere Male und sie kommt nicht... So be diene ich mich lieber selber-"
" Du verdirbst Deine Leute," sagte mein Vater auf gebracht, und er gab einem anwesenden Diener Befehl, das Mädchen überall zu suchen und augenblicklich hierher zu führen.
Nach einer Weile kam der Ausgesandte zurück- mit verstörter Miene. Die Netti liegt in ihrem Bimmer... sie ist... sie hat... sie ist..
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Rannst Du nicht sprechen?" donnerte ihn mein Vater Was ist sie-?" Schon ganz schwarz."
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Der Gefeßentwurf setzt die Friedens- Präsensstärke des deutschen Heeres an Genteinen, Gefreiten und Obergefreiten für die Zeit vom 1. Oftober 1898 bis zum 31. März 1899 auf 492 068 Mann als Jahres- Durchschnittsstärke fest. Die Infanterie wird in 711 Bataillone, die Kavallerie in 477 Gstadrons, die Feldartillerie in 494 Batterien, die Fußartillerie in 37 Bataillone, die Pioniere in 24 Bataillone, die Eisenbahntruppen in 7 Bataillone, der Train in 21 Bataillone formirt. Der Durchschnittsstärke liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß die Mannschaften der Fußtruppen im allgemeinen zu einem zweijährigen attiven Dienst bei der Fahne herangezogen werden. Die Unteroffizierstellen und die hierzu erforderlich werdenden Aenderungen unterliegen in gleicher Weise wie die der Offiziere, Aerzte und Beamten der Feststellung durch den Reichshaushalts- Etat. In offenen Unteroffizierſtellen fönnen über die obige Friedens präsenzstärte hinaus Gemeine verpflegt werden. Die Einjährig freiwilligen kommen nicht in Anrechnung.
Begründet wird die Vorlage mit dem Hinweis auf die Militärorganisationen in Frankreich und Rußland . Unsere Sicherheit und Unabhängigkeit zu bewahren, set„ die volle Ausnutzung unserer nationalen Wehrkraft" nothwendig:
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Es muß eine Organisation geschaffen werden, welche alle wirklich Diensttauglichen aufnimmt, dann erst kann in der Erwartung, daß es gelingt, die Armee in ihrer Züchtigkeit zu erhalten, Deutschland einem Angriff mit Ruhe entgegensehen. Voraussetzung hierfür ist, daß wir die bisherige fchrittweise Weiterentwidelung unserer Dr ganisation aufgeben und den großen, gerechten, patriotischen Grundgedanken unserer Wehrverfassung soweit durchführen, als es die personellen, wirthschaftlichen und finanziellen Kräfte des Deutschen Reichs gestatten. Das einfachste Mittel dazu bestände darin, neue Verbände in entsprechendem Umfange zu schaffen, aber die Kosten, die dafür beansprucht werden müßten, würden zu der finanziellen Leistungsfähig feit des Reiches in teinem Verhältniß stehen. Es bleibt daher nur die Lösung übrig, den bisherigen Rahmen möglichst zu erhalten, aber innerhalb desselben entsprechend mehr Wehrfähige auszubilden. Zu erreichen ist dies nur durch Verkürzung der aktiven Dienstzeit."
Wir sprangen ihr bei:
Was hast Du?... Sei nicht thöricht... das ist die Angst.
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Aber es war nicht die Angst, es war kein Zweifel: wir mußten die Unglückliche auf ihr Zimmer bringen, wo sie sogleich von heftigen Erbrechungen und den übrigen Symptomen ergriffen wurde es war an diesem Tage der zweite Cholevafall im Schloffe.
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Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner . Fliehen? Diese Jdee war mir auch gekommen Entsetzlich war es anzusehen, was die arme Schwester fonders, meinen kleinen Rudolf in Sicherheit zu bringen... litt. Und fein Doktor da! Friedrich war der einzige, der, Mein Vater, trotz allem Fatalismus, bestand auf der so gut es ging, das Amt eines solchen versah. Er orduete Flucht der anderen. Am kommenden Tage sollte die ganze das Nöthige an: warme Umschläge, Senfteig auf den Familie fort. Nur er wollte bleiben, um seine Hausleute Magen und an die Beine Eisstückchen- Champagner. und die Einwohnerschaft des Dorfes in der Gefahr nicht Ein Schrei fam aus unser aller Munde: Und so war Nichts half. Diese für leichte Cholera- Anfälle ausreichenden zu verlassen. Friedrich erklärte auf das bestimmteste, auch es denn da das grause Gespenst in unserem Hause Mittel, hier konnten sie nicht retten. Wenigstens gaben sie bleiben zu wollen, und da war mein Entschluß gleichfalls selber... der Kranken und den Umstehenden den Trost, daß etwas gefaßt: von des Gatten Seite würde ich freiwillig nimmer" Was nun thun? Konnte man das unglückliche Mädchen geschah. Nachdem die Anfälle nachgelassen, kamen die hilflos sterben lassen? Aber wer sich ihr nahte, holte Krämpfe an die Reihe- ein Zucken und Zerren in der Tante Marie mit den beiden Mädchen und mit Otto sich fast sicher den Tod und nicht nur sich-er gab ihn ganzen Gestalt, daß die Knochen krachten. Die Un und Rudolf sollten schleunigst abreisen. Wohin? das dann wieder den anderen weiter. Ach, so ein Haus, in felige wollte jammern: fie fonnte nicht, denn die Stimme Toar noch nicht bestimmt bestimmt vorläufig nach Ungarn , welches die Seuche eingezogen, das ist, als wäre es von versagte.... die Haut wurde bläulich und kalt- der so weit wie möglich. Die Bräute widersetzten sich durchaus Räubern umzingelt, oder als stände es in Flammen Athem stockte-- nicht, sondern halfen emsig packen... Sterben Sterben wenn in überall, an allen Ecken und Enden auf jedem Schritt aher Zukunft die Erfüllung heißer Liebessehnsucht, das und Tritt- grinst der Tod. heißt verzehnfachte Lebenswonne winkt, das hieße ja zehn Hole augenblicklich den Arzt," befahl mein Vater jach sterben. zunächst. Und Jhr, Kinder, beschleunigt Eure AbDie Koffer wurden in den Speisesaal gebracht, damit, fahrt unter der Beihilfe aller; die Arbeit schneller von statten Der Herr Doktor ist seit einer Stunde nach der Stadt gehe. Ich brachte einen Back von Rudolfs Kleidern auf zurückgefahren," antwortete der Diener auf meines Vaters dem Arm herbei. Weisung.
„ Warum thut das nicht Deine Jungfer?" fragte der Bater.
" Ich weiß nicht, wo die Netti steckt... ich klingelte
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Weh... mir wird übel!" kam es jetzt von Lilli, welche bis in die Lippen erbleichte und sich an eine Seffellehne antlammerte.
Mein Bater rannte händeringend auf und nieder. Ein mal stellte ich mich ihm in den Weg:
Das ist der Krieg, Vater!" sagte ich.„ Willst Du den Krieg nicht verfluchen?" Er schüttelte mich ab und gab keine Antwort. Nach zehu Stunden war Lillt todt. Netti, das Stubenmädchen war schon früher gestorben allein auf ihrem Zimmer; wir Alle waren um Lilli beschäftigt ge wesen und von der Dienerschaft hatte sich niemand in die Nähe der schon ganz Schwarzen" gewagt
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