fielt erstelle. Er betone: er habe nicht gesagt, Lüttich habe cirtkN schlechten Ruf, sondern, Lüttich erfreue sich nicht deS RufeS eines normalen Menschen. In zwei Fällen sei er der Brandstiftung ber- dächtigt worden. Es sei ihm auch mitgeteilt worden, daß Lüttich zweimal wegen vorsätzlicher Kürperverletzung und Beleidigung und vielfach wegen Uebertretungen bestraft worden sei. Zur Eni- lastung des Angeklagten werde gesagt, dah er ein schlauer aber unklarer Kopf sei. Man nenne ihn ferner einen gutmütigen Menschen, der namentlich gegen Beamte sehr zuvorkommend sei. Er gelte auch als guter<sohn seiner Mutter. Diese Züge könnten aber die Auskunft in der Hauptsache nicht ändern.— Bert. LSwisohn: Die erwähnten Brandfälle liegen zehn Jahre auriick. Jetzt taucht auf einmal der Verdacht auf, datz Lüttich den Brand angelegt haben könnte.— Der Verteidiger beantragt die Ladung einer grotzen Zahl neuer Zeugen auS der Heimat des Angeklagten Lüttich , so des Reichstagsabgeordneten v. Kaufmann, des JustizratS Rudolf-Stettin u. a. Er werde den Nachweis führen, daß Lültich im Jahre 1893 ein Vermögen von einer Million Mark besessen �abe, also keine Veranlassung hatte, sein Besitztum in Brand zu stecken.— A n g e k l. öutttch, über die angeblichen Mitzhand- lungen befragt, erklärt, er beschäftige etwa 170 Arbeiter, dar» unter 1L0 Polen. Er komme aber mit den Arbeitern fast gar nicht zusammen.— Landrat v. Brott: Es handele sich nicht um Arbeiter, sondern um Dienstboten, also um Leute, die in festem Brot und Lohn stehen. Lüttich ist wegen Mißhandlung seiner Dienstboten schon bestraft.— Angekl. Lüttich : Die Dienstboten beschweren sich ja bei jedem Vorkommnis, und die Land- täte geben den Dienstboten fast immer Recht und den Herrschaften Unrecht, sl)— San brat v. Brott: Das mutz ich entschieden zurückweisen. Ich prüfe in ganz sachlicher Weise die Angaben der Dienstboten und Herrschaften und bin selbstverständlich kein Freund von einseitiger Parteinahme.— Auf weiteres Befragen des Ver» teidigerS Löwifohn bemerkt der Zeuge, er habe nicht den Verdacht der Brandstiftung gegen Lüttich geäußert, sondern nur gesagt, daß man in der Heimat des Angeklagten diesen verbrecherischer Hand- lungen für fähig halte, da er in zwei Fällen der Brandstiftung verdächtig gewesen sei.— Angekl. Lüttich : Ich werde den Nachweis führen, daß ich infolge dieser Brände großen Schaden erlitten habe.— ES wird hierauf Abgeordneter Horn (Zentrum) alS Zeuge vernommen. Er bekundet: Er sei mit Luttich mehrfach auf der Jagd gewesen. Er halte ihn für einen Ehrenmann und einer unehrenhaften Handlung nicht für fähig. — Auf Befragen deS Staatsanwalts bekundet der Zeuge: 1994 oder 190ö habe er von Zander einen Brief des Herzogs Wilhelm von Braunschweig mit der Bitte erhalten, den Brief an einen Autographenliebhaber zu verkaufen. Der Brief enthielt eine Tratulation de» Herzogs an die Prinzessin Friederike Henriette von Hannover.— Angekl. Frau v. Zander bemerkt auf Be- fragen des Vorsitzenden, der Brief stamme aus dem Nachlaß ihres Vaters. Sie habe den Brief verkaufen wollen, da sie sich zur Zeit in Geldnöten befunden habe.— Oberwachtmeister Engler- Goslar und Direktor B Ü u m l e r- Sesenheim bezeichnen den An- geklagten Lüttich als ehrenhaften Mann.— Lehrer Gerberding auS Weddingen schließt sich dem an. Sein Pastor habe ihm aller- dings schon vor einiger Zeit gesagt, er halte Lüttich für einen schlechten Menschen, er könne dem aber nicht zustimmen.— Polizeiwachtmeister Moellet und Landwirt Bermann ver- mögen nichts Nachteiliges über den Angeklagten auszusagen.— Der Hofinspektor und mehrere Aufseher des Angeklagten Lüttich bekunden, daß derselbe seine Dienstboten keineswegs schlecht be- handelt habe. II ig 4 Uhr wird die Verhandlung auf Donnerstag vertagt. Eue der Partei. I« Sachen der Meerfahrt der Genossi« Lily Braun erhielten wir vis folgende angebliche.Richtigstellung': Berlin , M. Juni 1996. An die Redaktion des»Vorwärts". Gegenüber der Darstellung, die Tie im„Vorwärts' vom 29. d. Mts. in der Rubrik: Aus der Partei, über die England- reise deutscher Redakteure und die Beteiligung meiner Frau an dieser Fahrt geben, ersuche ich um die folgende Richtigstellung im .Vorwärts'! „ES ist unwahr, und da Ihnen die offiziellen Schriftstücke vorliegen, ein« bewußte Unwahrheit, daß ein„Haufen gut- bürgerlicher englischer Journalisten die Idee bekommen(habe), ein Rendezvous englischer und deutscher Zeitungsschreiber zu ver- anstalten...* Wahr ist vielmehr, daß in England ein„Englisch -DeutscheS Freundschaftskomitee' sich gebildet hat, das aus etwa 1V9 ver hervorragendsten Persönlichkeiten aus den verschiedenen Partei- lagern Englands, darunter 40 Mitgliedern de» Parlaments, iinter ihnen auch Parteigenossen, wie K e t r H a r d i e u. a., besteht. DteseS Komitee hat die Einladung erlassen und die England- reise veranstaltet, nicht.ein Haufen gutbürgerlicher Jour- nalisten'. Es ist ferner unwahr, und da Ihnen das offizielle Sin- labunaSschreiben vorlag, eine bewußte Unwahrheit, wenn Sie als Absicht jener Veranstaltung bezeichnen, später„die Erörterung politischer Fragen mit weniger Bitterkeit zu führen'. Die von Ihnen unter Anführungszeichen zitierten Worte haben Sie dem Wortlaut und Sinn nach gefälscht. In Wirklichkeit findet sich ganz im Gegensatz zu Ihrer Darstellung der als allgemeine Sentenz ausgesprochene Satz:„Die Erörterung politischer Fragen würde weit weniger leicht zu Bitterkeiten führen, wenn die Gegner einander als Menschen kennen.. und um ieden Zweifel auSzu- schließen, heißt es einige Zeilen später:„DerBesuchsoll Ihnen keinerleiVerpslichtungirgendwelcher Arft auferlegen, und e» soll die Annahme der Einladung keine politisch« Bedeutung haben...' In einem anderen offiziellen Schriftstück deS Komitees heißt e« wörtlich: „Es kann nicht zu oft wiederholt werden, daß auf feiten der englischen Gastgeber nicht die geringste Absicht besteht, diesen freundschaft- ltchen und geselligen Besuch für politische Zwecke auszubeuten...' Ferner ist es u n w a h t. und da Ihnen die Liste deriemgen vorlag, die die Einladung erhielten, respektive annahmen, eine bewußte Unwahrheit, wenn Sie behaupten, daß die„ver- brecherischesten Scharfmacher und die gemeinsten Verleumder der Sozialdemokratie die Hauptflöte spielen'. Wahr ist dagegen. daß zirka 60 Redakteure aus allen Parteien eingeladen worden sind, und so verkehrt eS gewesen wäre, die sozialdemokratische» Blätter nicht zu berücksichtigen, ebenso verkehrt wäre e» bei dem vorlieaenden Anlaß gewesen, der Sozialdemokratie gehässige Blätter auszuschließen....„, Die von mir und memer Frau herausgegebene„Neue Gesell- schaff hat eine Einladung erhalten und wir haben sie gern an- genommen, weil sowohl Zweck wie Art der Veranstaltung unseren Betfall hat, umso mehr al» jedem auch in bezug auf die Einzel- heiten des Programms vom Komitee freigestellt worden ist, nach Belieben daran teilzunehmen oder nicht. Mit dieser Richtigstellung soll nicht gesagt sein, daß man über die Englandreise, ihren Wert und die Beteiligung daran nicht verschiedener Meinimg sein könne. Aber ein Journalist, der die Ehre hat, in einem Parteiorgan zu schreiben, hat die Pflicht, die Genossen redlich zu unterrichten, und ich protestiere als Partei- genösse gegen die irreführende und lügnerische Darstellung des„Bor- wärtS'. der sich in diesem Fall die polemischen Sitten der Liman und Kronsbein zum Muster genommen hat. Indessen will ich den Genannten nicht unrecht tun: So erbärmlich die Art ihres journalistischen Kampfes ist, das wäre vermutlich doch noch unter dem Niveau der Liman und Kronsbein, was Sie in Ihrem Angriff gegen meine Frau und mich leisten, daß Di«, durch beifällige Er- umemng daran, Verleumdungen eine»„hämischen und ge- hässigen' Gegners gegen den eigenen Parteigenossen auszuspielen suchen. Der„Vorwärts' macht sich angesichts der Festesten in London auch Sorge um den Magen meiner Frau. Hoffentlich wird es ihr nicht schlechter gehen als den Parteigenoffen, die sich von den „verbrecherischesten Scharfmachern und den gemeinsten Verleumdern der Sozialdemokratie' vor kurzem im Reichstage mit Elsasfer Wein reichlich traktieren ließen. Dr. Heinrich Braun. Auf diesen ganzen Wulst von Wortklaubereien können wir kurz erwidem: 1. Braun leugnet, daß der ganze Klimbim von gutbürgerlichen, englischen Journalisten ausgehe, das Unternehmen werde vielmehr „veranstaltet'(er hätte auch sagen können— finanziert) von einem sog.„englisch-deutschen Freundschaftskomitee', dem auch„Partei- genoffen wie Keir Hardie u. a. angehörten'. Braun denkt, wenn er den Managern der Sache einen anderen Namen gibt, werde sie selbst ander?. Zu diesem Komitee gehören eben vorwiegend die erwähnten englischen Preßleute, Vertreter von Blättern wie„Dailh Telegraph",„Daily News", die mit Arbeiterfreundlichkeit etwa so viel zu tun haben wie— Herrn Hördens„Zukunft'. Was Keir Hardie u. a.(?) betrifft, so wird eine Dummheit oder noch schlimmeres bei uns nicht damit entschuldigt, daß sie auch noch ein anderer mit« macht. 2. Was die Vorurteilslosigkeit und keusche AbsichtSlostgkeit der ganzen Veranstaltung betrifft, so beneiden wir den Parteigenossen Braun nicht um das weite Herz, mit dem er jetzt, wie seiner- zeit bei Herrn Harden, den schönen billigen Worten, überdies noch nach seiner Zurechtlegung, Glauben schenkt. Es lohnt sich nicht, darüber mit ihm zu streiten. 8. Braun gibt zu, worauf es schließlich allein ankommt, daß seine Frau die Verbrüderungs- und Piknikpartie mit den be- rüchtigten Liman, Kronebein und Konsorten mitmache, gern mitmache, mit Leuten, die, wir wiederholen, zu den verbrecherischesten Scharf- machern und Verleumdern der Partei gehören. AuS der französischen Partei. AuS den Berichten, die in der letzten Versammlung des Nationalrats vorgelegt worden sind, ist zu melden: Der Bericht über die Kammerwahlen stihrt an, daß die 69 Föderationen der Partei im ganzen 346 Kandidaten auf- gestellt haben, 194 Wahlkreise konnten wegen mangelnder Mittel nicht besetzt werden. Interessant ist der Vergleich zwischen der Zahl der organisierten Parteimitglieder in den verschiedenen Föde- rationen und den von diesen aufgebrachten Wahlstimmen. Hier steht das Norddepartement obenan, wo von 13 sozialistischen Wählern einer organisiert ist. Im Geinedepartement beträgt das Verhältnis 1: 28. Die Gesamtzahl der organisierten Partei- Mitglieder beträgt 46 699, waS immerhin einen beträchtlichen Fort, schritt bedeutet.— Der Finanzbericht lautet ziemlich günstig. DaS Wochenblatt der Partei„ S o e t a l i st e' ist feit dem Kongreß von Chalon aktiv geworden. Unter den Berichten der ein- zelnen Föderationen ist der des Departements Aard zu er- wähnen, das dem Abgeordneten P a st r e da? Recht abspricht, als Angehöriger der geeinigten Partei zu gelten, da er die ihm von einem bürgerlich-radikalen Kongreß gestellten Be- dingnngen angenommen hat. Desgleichen ist das Verhältnis des Deputierten Ca m u z e tjstDep. Cbte-d'or) zur geinigten Partei noch nicht geklärt.— Der Nationalrat beschloß, die Zahl der besoldeten permanenten Delegierten, die fich der Propaganda zu widmen haben, von zwei auf drei zu erhöhen. Da JuleS Guesde zurückgetreten war, wurden zwei Delegierte neu gewählt, die das Amt bis zur Bestätigung durch den Parteitag provisorisch verwalten sollen. Die Wahl traf die Genossen C a ch i n und Maxenee RoldeS. Drei neue Föderationen wurden aufgenommen: V e n d ö e, SDteuse, Eure-et-Loire . Die Streitigkeiten, die im Zu- sammenhange mit Briand » Eintritt ins Ministerium in der Loire « Föderation ausgebrochen sind und dazu geführt haben, daß bei den Wahlen dort keine Parteikandidaten aufgestellt wurden, sollen durch zwei Delegierte geschlichtet werden, die die Föderation auf Basis der nationalen und internationalen Kongreßbeschlüffe neu konstituieren sollen._ AuS der italienischen Partei. Rom , den 17. Juni. Die neugewahlt« sozialistische Parlamentsfraktion hat dieser Tage ihre erste Beratung abgehalten, um, ohne jede Diskussion, da keine MeimingS« Verschiedenheit bestand, eine energische Opposition gegen das Kabinett Giolitti zu beschließen. Zu einer ziemlich lebhaften Diskussion kam es dagegen bei der Frage über die Stellung der Abgeordneten, die nicht ihr Mandat niedergelegt haben, innerhalb der Fraktion. Genosse Giaeomo Ferri beantragte den Ausschluß der beiden in Betracht kommenden Ab- geordneten( A n t o l i s e i und B o r c i a n i) wegen Disziplin« losigkeit, Borciani wies darauf hin, daß er nach Befragung der Organisationen seines Wahlkreises von der Mandatsnieverlegung abgesehen habe. Antolisei versuchte sein Verhalten dadurch zu recht- fertigen, daß er erklärte, die Disziplin fei nur in nebensächlichen Fragen verbindlich; in wesentlichen Fragen müsse jeder nach eigenem Dafürhalten entscheiden. Obwohl diese eigenartige Theorie nicht die Zustimmung der Fraktion fand, beschloß diese doch mit allen gegen die Stimme Giaeomo FerriS das Verhalten der Abgeordneten dem Urteil des nächsten Parteitages zu Unterbreiten und einstweilen keine AuSschliehnngen vorzunehmen. Schließlich beauftragte die Fraktion V i s s o l a t i damit, sie im Parteivorstand zu vertreten. Dieser Beschluß ist insofern be- fremdend, als Bifiolatt zurzeit keiner Parteiorganisation angehört, da er aus der hiesigen Sektion wegen Disziplinlosigkeit bei den letzten Kommunalwahlen ausgeschlossen wurde. Daraufhin legte er sein Amt als von der Fraktion delegiertes Mitglied des Partei- vorstände» nieder und die Fraktion ersetzte ihn dura, Monte- martini. Warum sie jetzt zu Bissolatt zurückkehrt, ist nicht recht einzusehen, Die Fraktion zählt augenblicklich vier Mitglieder, die nicht organisterle Parteigenosse» sind, nämlich T u r a t i»md T r e v e S, die dem Mailänder antonouiistischeu Zirkel angehören, de F e l i e e, der 1800 miS der Partei ausgeschlossen Ivurde und ihr nicht wieder beitrat, sowie Bis s o l a t i. Auch zu dieser Frage, die eng mit der Autonomie der ParlnmcntSfrakiioii verknüpft ist, wird der nächste Parteitag Stellung nehmen müssen. Soziake* Fronleichnamötag, Berggesetz und Uutrrnehmertum. Am 14. Juni feierte das katholische Deutschland den Fron- leichnamstag. Der Tag ist kein eigentlicher gesetzlich nnd von StaatS- wegen vorgeschriebener Feiertag. Im rheinisch-westfälischen Kohlen- gebiete, für die Oberbergämtcr D o r t m u n d mit Über 279999 Manu Gesamtbelegschaft und Bonn mit 199 3öO Mann, also annähernd 499 999 Arbeitern, ist der Tag auf allen Zechen als Feiertag proklamiert. Trotzdem auf den Werken ein Konglomerat der verschiedensten Völker und Glaubensbekenntnisse arbeitet, wird allen gleichmäßig ein Feiertag aufgehalst I Dagegen ließe sich wenig sagen, wenn es die Zechenverwaltungen nicht verständen, den Ausfall an der Förderung, also der Produktion, durch Einlegen von Ueber« und Neben« schichten wieder zudecken. Sehr lehrreich ist dabei, zu be- obachten, wie dem Gesetz, der— de— rühmten Berggesetznovelle vom 14. Juli 1396 ein Schnippchen geschlagen wird. Jenes„Schutzgesetz schreibt eine ununterbrochene Ruhezeit von acht Stunden für zeden in der Grube beschäftigten Arbeiter vor. Um mm das Gesetz nicht zu übertreten und trotzdem Ueber- und Nebenschichten verfahren lassen zu können, läßt man die Frühschicht an Tagen vor solchen Festen eine Stunde früher anfahren. Während die Schicht sonst um 6 Uhr beginnt, fängt sie dann um 6 an. Sie dauert dann bis nach- mittags 1— IVa Uhr und dieselbe Schicht kann, nachdem sie die gesetzlichen acht Stunden Pause hinter sich hat, abends Vz19 bis 19 Uhr wieder anfahren und arbeitet dann bis in den Feiertag hinein. Die Nachmittngsschicht holt das Versäumte auf dieselbe Weise ein, nur daß sie nicht nachmittags, sondern früh einfährt, nachdem auf die oben geschilderte Weise die gesetzlich vor- geschriebene achtstündige Ruhezeit heransgcdeixelt worden ist. Man sieht, die Errungenschaften des Ruhrstreiks, die verwässerte, verschandelte, vom Geldsacksparlamente in einen Schutthaufen verwandelte Berggesetznovelle wird zur höheren Ehre des Profits noch so interpretiert, daß ber Arbeiter nach wie vor schrankenlos ausgebeutet werden kann.— Obendrein umgibt man sich mit dem Nimbus besonderer Frömmigkeit, weil man die so.freigestellten' Arbeitermassen den Pfaffen zu Dekorationszwecken überläßt. Der Kampf gegen das Koalitionsrecht der Feldarbeiter in Ungarn . Das Kesseltreiben gegen den Feldarbeiterverband wird fort« gesetzt. Nur scheint mau die Taktik geändert zu haben. Die Buda- pester Zentrale und damit den ganzen Verband mit einem Federstrich aufzulösen, wagt man nicht, der Wahlspruch scheint vielmehr zu sein die Verfolgung und Peinigung einzelner Ortsgruppen und deren Führer. Man will die Feldarbeiter dadurch zur Verzweiflung treiben, in den Streik will man sie Hetzen, um dann Blutbäder unter ihnen anrichten zu können. Alle Nachrichten, die auS dem Lande ein- laufen, deuten darauf hin, daß die Stuhlrichter auf höheren Befehl handeln und systematisch gegen den Verband vorgehen. Bis jetzt find schon 3 Ortsgruppen des Feldarbeitervcrbandes aufgelöst und ihre Leiter verhaftet worden. Wie halbamtlich mitgeteilt wird, sind bereits 29 990 russische und rumänische Arbeiter angeworben worden, um von Staats wegen auf die von Lohnforderungen bedrohten Groß- guter in Ungarn transportiert zu werden. Trotz all dieser Schikanen wird eS aber nicht gelingen, die Bewegung der Feldarbeit«: gänzlich zu vernichten. Selbst wenn die Organisation, die heute nahezu 160 Ortsgruppen und mehr denn 20 009 Mitglieder zählt, aufgelöst würde, könnte daS erwachende Streben des unganschen Landproletariats nach besseren DasrinSbedingungen nicht mehr unter- drückt werden. Arbeiter und Arbeiterinnen, die Taschen zu! Gelegentlich einer Verhandlung vor dem KaufmannSgericht in München wurde das Inkognito eineö Schwindelunternchmens gelüftet, ÄaZ in allen größeren Städten seine Leimruten auslegt. Das Unternehmen befaßt sich mit der Berfickxrung gegen Stellcn- losigkeit und trägt den Titel: Bayerischer VersichrruiipSverein auf Gegenseitigkeit in München . Wie in der Verhandlung vor dem Kaufmaynsßerichte konstatiert wurde, wurden die„Inspektoren" und Agenten dahin instruiert, daß sie daS Feld ihrer Tätigkeit in der Hauptsache unter den weiblichen Angestellten zu beginnen haben, da Arbeiterinnen, Filialleiterinnen, Verkäuferinnen und Charkutierladnermnen sich weniger an die Versicherungsparagraphen stoßen und eher auf den Leim kriechen! Das DirektionSburcau soll in Feldkirchen bei München sein, dorthin adrchsierte Briefe kommen aber als unbestellbar an den Absender zurück. Direktion, Ober- insvektor und Inspektor in einer Person ist ein Herr Müller. München , Karlstraße 16/4. Bei Reklamationen beruft sich Herr Müller auf den Inspektor, wendet man sich an den Inspektor, dann wird man an den„Oberinspektor" und von diesem wieder an den Direktor verwiesen. Alle diese Schriftstücke werden jedoch von dem . Müller beantwortet, der sich einer verschiedenen Schreibweise be» ient. ES sollen 6 Genoffenschafter sein, von denen jeder 19 999 Mark Betriebskapital eingelegt haben soll. Erkundigungen bei der Poltzeidirektion ergaben aber, daß dort weder der Direktor noch Genossenschafter angemeldet oder bekannt sind. Es ist also größte Vorsicht am Platze, man weise jedem Agenten oder Inspektor die Türe. Kontraktbruch von Kassenärzten. Die Koniraktbrllchtgkeit von Krankcnkassenärzten ist bekanntlich trotz der geifernden Schmähungen, mit denen im Reichstage und in der bürgerlichen Presse die Kassen v e r wa l t u n g e n vddacht nnd die Sachlage zugunsten der Aerzte entstellt wurde, von mehreren Gerichten anerkannt. In Köln hat jetzt auch das Oberlaudesgericht das den Kontraktbruch der Aerzte feststellende Erkenntnis des Land, gerichts bestätigt. Die Kölner OrtSkrankenkassr hatte im Jahre 1893 eine Anzahl Aerzte als Kassenärzte bis Ende deS Jahres 1396 an- gestellt. Als bei Gelegenheit des Aerzte st reiks im Jahre 19 93 eine Verminderung der Aerztezahl von 40 auf 19 eintrat, kündigten verschiedene der angestellten Kassenärzte vorzeitig ihren Dienstvertrag, nämlich am 19. September 1993 zum 1. Januar 1994. Die Ortskrankenkasse erhob hierauf gegen die be» treffenden Aerzte Feststellungsklage, dahingehend, daß die Beklagten nicht berechtigt seien, den mit ihr abgeschlossenen Dienstvertrag vor Ablauf der festgesetzten Kündigungsfrist zu kündigen, also mit anderen Worten, daß die Beklagten kontrakt -, brüchig seien. DaS Urteil des Kölner Landgerichts. welche» vem Klageantrage entsprochen hatte, wurde dieser Tags durch Entscheid des Kölner OverlandeSgerichtS mit folgender Begründung bestätigt: Von einem Vertragsbruch der Klägerin wegen Verminderung der Aerztewahl, wie Beklagte be- haupten, kann nicht die Rede sein. Richtig ist, daß durch die am 1. Januar 1994 eingetretene starke Verminderung der Aerztezahl den Beklagten aller Voraussicht nach erhebliche Mehrarbeit erwuchs. ES mag auch richtig sein, daß die Beklagten damit rechnen mußten. daß gerade sie alS in Köln bekannte Aerzte besonders in Anspruch genommen würden. Dies alles stellt jedoch keinen wichtigen Grund zur vorzeitigen Aiiflösnng des Dienstvertrages gemäߧ 626 B. G.-B. dar.— Als Bertragsgenoffen der Klägerin mußte» sie bei der überaus schwierigen Lage, tn die die Ktägeriu! durch die Kündigung der übrigen Kölner Aerzte versetzt war, eine gegen früher erhöhte Tätigkeit auf sich nehmen und daher nicht durch die ganz plötzlich erfolgende Einstellung der Arbeit den Notstand der Klägerin noch erhöhen. Hierzu halten sie um so mehr Veranlassung, als sie sich sagen mußten, daß der Notstand nur ein vorübergehender sei, da offenbar Vinnen kurzer Zeit entweder die Klägerin oder die Auf» sichtSbehörde für Herstellung ordentlicher Verhältnisse Sorge tragen würde. Es war den Beklagten unbenommen, falls ihnen in Zu- kunft Mehrleistungen angcsonncn würden, welche sie unter Berück- sichtigung ihrer Körpcrkräfte nicht leisten konnten, oder welche sich mit der lVerantwortlichkeit ihres Berufes nicht vertrugen, solche Mehrleistungen abzulehnen. Aber sie durften nicht ohne Versuch. in den veränderten Verhältnissen ihrer Vertragspflicht gerecht zu werden, am 39. September 1993 zum 1. Januar 1994 kündigen. Auch wenn daS dem Aerztestrcik vorausgehende Verhalten der Klägerin den Beklagten begründeten Anlaß zur Unzufriedenheit bot, so mußsen sie doch der von ihnen übernommenen Vertrags- Pflicht nachkommen und hierbei der durch die Kündigung der Aerzte geschaffenen außerordentlichen Sachlage Rechnung tragen. Warnung an ausländische Arbeiter! Vor mehreren Jahren warnten russische, österreichische und italienische Behörden ihre Landtleutc dringend, in Deutschland auf dem Lande Arbeit zu nehmen, weil sie insbesondere in Ost- elbien schlecht dehandelt, elend gelohnt, überdies belogen und be- trogen werden und Recht vergeben? suchen würden. Die Warnung hatten wir seinerzeit niedriger gehängt. Sie ist auch im Reichstage besprochen worden. Leider entsprach sie durchweg der Wirklichkeit. Heute suchen Menschenvcrkäufer schon im Ausland durch falsche Vorspiegelungen ihre Landsleute nach Deutschlaich ins Elend zu verlocken. DaS ruthenische AuswanderungSkomitee in Ostgalizten erläßt — wie wir neulich schon kurz mitteilten—, folgenden Aufruf: „Statt bei den polnischen Gutsherren für einen elenden Lohn zu fronden, möge jeder Rüthens, der Arbeit sucht, nach Deutschland gehen, wo er gut bezahlt und als freier Mensch behandelt wird(II). Das Komitee kann 199 999 Ruthenen Arbeit in Deutschland ver» schaffen, und wer kein Reisegeld hat, wird auf Kosten des Komitees
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