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bis zum Arbeitsort befördert. Wer nur über Sommer in Deutsch - lnnd arbeitet, bringt sicherlich einige Hundert Kronen als Er- fparnis»ach Haufe." Dieses ruthenische Auswanderungskomitee muh aus gewissen- losen Schwindlern bestehen, die mit der deutschen Ausbcutersippe, den Agrariern, Hand in Hand arbeiten. ES kann einem ehrlichen Ruthenen nicht unbekannt sein, daß seine armen Landsleute hier in Deutschland in der brutalsten Weise behandelt, schamlos aus- gebeutet und um einen erheblichen Teil des Lohnes, der sehr gering ist. durch Einbehalten von Kautionen betrogen werden. Wer wirklich das Glück gehabt hat, auf einem Gut Sommer über aus- zuhalten, der kann nur dann einige Mark erspart haben, indem er bei schwerer Arbeit auf Kosten seiner Gesundheit gedarbt, von Kartoffeln und Hering und saurer Schlcudermilch gelebt hat. Es scheint denn auch so, als wenn die ruthcmschcn Arbeiter weit besser davon unterrichtet sind, was ihrer auf den deutschen Gütern wartet, als das Auswanderungskomitee. Denn es sind für Ostpreußen keine»uthenischen Arbeiter mehr zu bekommen, so daß das Komitee darin wohl ehrlich ist, wenn es seinen Lands- leuten verspricht, 100 000 Arbeitern in Deutschland Arbeit ver» schaffen zu können. So macht denn die Ostpreußische Landwirtschaftskammer in den Kreisblättern bekannt, daß die fortgesetzt einlaufenden Be° stellungen auf die so beliebt gewordenen ruthenischcn Landarbeiter leider nicht erledigt werden können, da die zum Frühjahr begehrte Nachfrage kaum erledigt werden konnte und auch andere Land- Wirtschaftskammern und Arbeitsnachioeise mit Vorliebe ruthenische Arbeiter suchen. Freilich auch mit wenigem Erfolg. Die Ost- preußische Landwirtschaftskammer empfiehlt daher den Besitzern, doch mit gewöhnlichen russisch -polnischen Arbeitern sich in diesem Sommer zu begnügen. In Ostelbicn laufen täglich die polnischen und galizischen Arbeiter von den Gütern, weil sie niederträchtig ausgebeutet werden und obendrein hungern müssen. Nicht selten erhalten sie Prügel und müssen sich oft lebensgefährliche Mißhandlungen gefallen lassen. Fast in jedem Kreisblatt liest man hinter polnische Arbeiter erlassene Steckbriefe. So waren am 10. Juni von einem Gut in Stcinberg. im Kreise Arnswalde , eine Anzahl Galizier dcS Nachts geflüchtet, weil ste nicht mehr länger hungern wollten. Sic wurden aber ergriffen, mächtig durchgeprügelt es soll dabei tüchtig Blut geflossen sein und dann am Montag über ArnSwaldc im kranken Zustande nach ihrer Heimat Galizien geschafft. Es soll bei der Berliner Land- wirtschäftskammer Anzeige erstattet sein. Einer der gemiß- handelten Galizier soll ganz verschwunden sein. Die ruthenische» Landarbeiter können gar nicht genug davor gewarnt werden, den Verlockungen des ruthenischen Auswanderer- komiteeS zu folgen. Sie werden hier mindestens ebenso, wenn nicht noch schlimmer ausgebeutet und brutal behandelt wie dort von den polnischen Gutsherren und sind in Preußen fast schlimmer als rechtlos, da, wie wir wiederholt meldeten, ohne jedes gerichtliche Verfahren, lediglich auf die Anzeige des GiutShcrrn hin, die be. kannten Steckbriefe in den Amtsblättern' gegen ländliche Arbeiter erlassen werden, von denen der Gutsherr behauptet, sie hätten den Vertrag gebrochen. Ausländische Arbeiter, meidet Preußen, wenn Ihr«iAt bittere Enttäuschungen erleben wollt! Huö Induftric und ffendcl Der Versand des Stahlverbandes. Die Stimmung auf dem Wirtschaftsmarkt ist zurzeit so, daß man sie mit der der Segclschiffer bei scharf einsetzendem Winde ver» gleichen kann. Auf offener See wird ein gutes, festes, sicher« geleitetes Schiff unter stärkerem Luftdruck schneller dahin gleiten, die für ihn nicht große Gefahr überstehen, während die kleinen, schwachen, nicht von kundiger Hand geleiteten, in der Nähe der Küste auf den Wellen tanzenden Schiffe bereits durch eine leichte Brise in die Gefahr der Vernichtung geraten. In der Eisenindustrie sind es die kombinierten Werke, die jetzt mit gesteigerter Geschwindigkeit in der Produktton vorwärts kommen. Das ergeben wieder die letzten Ausweise des StahlverbandeS. Der Versand an Halbzeug ist zurück- gegangen. Nicht wegen Produktionsrückgang, sondern weil die ge- mischten Werke in gesteigertem Matze selbst weiter verarbeiteten. Der Versand an Eisenbahnmaterial und Formeisen hat sich merklich gehoben. Die nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Verschiebung m den Versandziffern. Es betrug der Versand in Tonnen: Jan. Febr. März April Mai Halbzeug... 1S0S 127 081 121 905 175 898 157 758 189 539 1908 175 962 156 512 178 062 153 891 168 947 Eisenbahnmaterial 1905 119 804 118 701 147 844 120 803 152159 1908 154 859 155 671 172 698 147 000 179 190 Formeisen.. 1905 137 079 80 284 147 884 150 822 171952 1908 129 012 125 376 177 107 183 863 184 434 Sa. 1905 378 984 820 890 470 924 492 789 493 183 1906 459 833 487 559 527 787 484 659 622 571 In den drei ersten Monaten 1906 war der Halbzeugversand größer als in der Veraleichszeit in 1906, aber auch die Ziffern in den anderen Gruppen stehen höher, wie ja auch die Gesamtsumme in 1906 dem Vorjahre gegenüber um 258 381 Tonnen gesttegen ist. Von April ab läßt der Halbzeugversand erheblich nach, bei Eisenbahn- material sehen wir im April ebenfalls ein Fallen der Versand- ziffern das kann mit den Lieferterminen zusammenhängen, dann aber im Mai ein sprunghaftes Emporschnellen. Ebenso ging die Versandziffer bei Formeise» gewaltig in die Höhe. Nach der Gestaltung der Versandziffern müssen sich die gemischten Werke des besten Wohlbefindens erfreuen, den reinen Werken wird es bei dem Sturm der steigenden Rohstoffpreise aber schon etlvaS schwül und bei ihnen mutz der Grad der Beschäftigung schon nachgelassen haben, denn der verminderte Versand an Halbzeug bedingt auch eine BeschäftigungSabschwächung bei den Halbzeug verarbeitenden reinen Werken. Der Versand an Cisenbahnmaterial stieg im April d. I. um 28197 Tonnen gegenüber April 1905, während der Gesamtversaud um 28 230 Tonnen gestiegen lvar, fast das ganze Mehr also auf die gemischten Werke entfällt, welche aNein Eiseubahnmaterial herstellen. Im Mai d. I. ging dann der Versand an Eisenbahnmaterial weiter in die Höhe, gegen April d. I. um 32 190 Tonnen, und der Versand an Formeisen stieg um 20 768 Tonnen, während die Zunahme des Gesamtversandes 57 952 Tonnen beträgt! gegenüber Mai v. I. ist das Quantum des zum Versand gelangten Eisenbahnmaterials um 27 031 Tonnen gestiegen, während die Gesamtvcrsandmenge nur um 29 383 Tonnen gewachsen ist, gleichzeitig aber auch der Formeisen- Versand eine Steigerung um 12 489 Tonnen aufweist. Der herrschende Wind ist den gemischten Werken günstig, aber er kann vielleicht auch diesen bald gefährlich werden. Berkaufsvereinignug» Syndikat und Fusionen in der Getreidemüllerei. Ueber dieses Thema führte Herr T h i e m« Greifenhagen auf dem in Nürnberg tagenden Kongreß deutscher Miihlenbesitzer folgendes aus: Seit mehr als 15 Jahren führen die Klein», üllcr einen fast aussichtslosen Kampf um ihre Existenz. Von rund 39 000 Mühlen in Deutschland find innerhalb 10 Jahren 8400 eingegangen beziehungsweise sie kommen alS Mühlen für die Statistik nicht niehr in Betracht, weitere Tausende fristen ei» kümmer- licheS Dasein, um dann schlietzlich doch zu verbluten, im Konkurrenz- kämpf zu unterliegen. Nicht der gesteigerte Konsum in den. letzten zwanzig Jahren habe die Riesenbetriebe in der Müllerei entstehen lassen, sondern lediglich die Sucht nach Profit. Die großen Mühlen seien eine Gefahr für das Vaterland in Krieg«- und FriedcnSzeiten. Redner ist der ganz erheblichen Erhöhung der llmsatzsieuer für Groß- mtthlen nicht abhold, er emstehlt aber, die ciaeneKraft nicht aus dem Auge zu lasten und entweder Einkaufs- und Verkaufsvereinigungen, d. h. Syndikate zu gründen, die nach und nach zu einem großen deutschen Mühleiisyndikat sich culswachsen sollen oder direkt zur Fusion(Z u- s a m m e n l e g u u g) der Mühlen überzugehen. Ein Herr Krune aus Sachsen sieht die Aufgaben deS zu schaffenden Syndikats deutscher Mühlen darin, daß man die Mehl- preise in die Höhe treibt. Auch die Bäckermeister sollen durch einesogenannte schwarze Liste' gefügig gemacht werden. Den Mehlhändlern sollen die Preise vom Syndikat diktiert und ihnen vorgeschrieben werden, bis zu welchem Quantum sie ausländisches Mehl beziehen dürfen. Durch Konventionalstrafen oder Boykott soll diesen Bestimmungen der nötige Nachdruck verliehen werden. Fürs Ganze verlangt man die Hülfe des Staatesl Sonst hatte dieser biedere Müller aus Sachsen keine Wünsche. Ein Herr Vestenmark aus Gnaut-Kleeberg in Sachsen will, daß mit den Bäckerinnungen zusammengegangen wird, um gemein- sam mit diesen die Konsumenten zu schröpfen. Professor Ruhland will nicht mit der Sozialdemokratie die Verstaatlichung aller Produktion, sondern einen goldenen Mittel- weg: ein MittelstandSshndikat I Vom Staat müßten die Müller ein Gesetz verlangen, wodurch die Unternehmer von Grohmühlen ge- zwungcn werden sollen, bei Errichtung eines kapitalistischen Groß- betricbes zuerst sämtliche Kleinbetriebe aufzukaufen, soweit solche im zukünftigen Wirkungskreise des zu schaffenden Riesenbetriebes liegen. Der Mittelstand habe ein Recht auf Arbeit. Die Situation im wirtschaftlichen Leben sei heute die: Organisation gegen Organi- sation, Syndikat gegen Syndikat, Ring gegen Ring und Trust gegen Trust I Nach weiterer Diskussion beschloß der Kongreß, vorläufig die Gründung von Einkaufsvereinigungen in die Wege zu leiten, nam- hafte Summen hierzu sind bereits vorhanden. AuS der kapitalistischen Eutwickelung gibt es kein Entrinnen. Was die kleinen Mühlenbesitzer fordern: die Unterstützung des Staates für ihre kraß egoisttscheil Sondcrintereffcn, kollidiert so sehr mit dem VolkSintrresse. datz die Durchsetzung der Forderungen einfach aus- geschlossen ist. Die Mühlenbesitzer verurteilen die Gewinnsucht der Großbetriebe, sie selbst aber präsentieren den Koiisumcnten einen Wunschzettel, der noch viel unangenehmer aufftvßt alS daS letzte Reichssteuerbukctt und das will doch schon was heißen. Gegen die Fleischpacker. Aus Washington wird berichtet: Das Gesetzprojekt, einen Agrarausschuh der Kammer einzusetzen, ist von der Kammer angenonimen worden. Sein hauptsächlichster Zweck ist die Inspektion der Schlachthäuser, um dem Skandal ein Ende zu machen, welcher durch den Verkauf verdorbener Fleischkonserven hervorgerufen worden war._ Spiritussyndikat und Ostdeutsche Spritfabrik. Der Verband deutscher Spiritus- und Spirituoseninteressenten, E. V. schreibt uns, daß eine in den letzten Tagen in der Presse ver- breitete Mitteilung, nach welcher trotz der ablehnenden Antwort der Ostdeutschen Spritfabrik auf die an sie ergangene Aufforderung, dem Spiritussyndikat beizutreten, die Verhandlungen mit der Ostdeutschen Spritfabrik nicht aufgegeben sind, sondern weiter fortgesetzt werden, nicht den Tatsachen cutspricht. Die genannte Firma sei strikte kartest- feindlich. Ena der frauenbewegunet. Frauenlöhne schlechte Löhne. Man schreibt uns: Zu Ihrem Artikel in der Nummer vom 16. Juni unter der Rubrik:AuS der Frauenbewegung", betitelt Fraucnlöhne schlechte Löhne, gestatten Sie mir, auf einen Umstand in den Arbeitsverhältnissen der weiblichen Handels- angestellten noch besonders aufmerksam zu machen. Sie führen an, daß«in großer Prozentsatz solcher Arbeitskräfte zu Löhnen arbeitet (von Gehalt hierbei zu reden, sträubt sich meine Feder, ebenso wie ich die Bezeichnung Löhne nicht am Platze finde: Almosen resp. Trinkgeld wäre hierfür der geeignete Ausdruck), welche die Hunger- löhne mancher Heimarbeiterinnen teilweise nicht erreichen. Wie es möglich ist, baß Waren- oder Kaufhäuser für monatlich 25 bis 30 M. weibliche Arbeitskräfte erhalten, dürste bis jetzt noch wenig in der Oeffentlichkeit bekannt sein. Ich bin erbötig, für meine nach« stehenden Behauptungen jederzeit Beweise zu erbringen. Erstens wird unter der Bezeichnung.Lehrdame" oder.Lehr- fräulein" dahin gestrebt, für 20 bis 25 M. monatlich(oftmals noch weniger) Arbeitslräste zu bekommen auf bestimmte Zeit, von drei Monaten an bis zu zwei Jahren. In der vertragsmäßigen Zeit soll dasLehrfräulein" pp. zur Verkäuferin ausge bildet werden. Die durchschnittliche Lehrzeit beträgt gewöhnlich ein Jahr. Der- artige Lehrfräulein werden in den ersten Monaten ihrer Lehrzeit gewöhnlich mehr mit Wegelaufen, Staubwischen, Frühstückholcn. Lagersortieren usw. usw., als mit Unterweisungen im Fach be- schäftigt, so daß sich die Lehrzeit für den Unternehmer recht lohnend gestaltet. Hat solch Lehrfräulein die Lehrzeit absolviert und ist nun der Meinung, daß von da anbessere Zeiten" in Gestalt von höherer Entlöhnung eintreten, so geht jetzt nicht nur für dieausgclernte" Dame, sondern in den meisten Fällen auch für deren Eltern die Enttäuschung erst recht los. Nachdem bielleicht 20 bis 39 mal ver- sucht wurde, mit und ohne besondere Empfehlung dem Töchterlein eine Stelle als Verkäuferin in irgend einem Geschäft gleicher Branche gegen angemessene Bezahlung zu verschaffen und die Abweisungen nach kürzeren oder längeren Verhandlungen mündlich oder brieflich sich ebenso regelmäßig unter ziemlich gleichlautenden Gründen ein- stellen, wird man gewahr, daß es also vorläufig mit demVer- dienen" noch nichts ist. Doch wurde ja so ziemlich in acht Zehnteln der Abweisungen derwohlgemeinte" Vorschlag gemacht, dasliebe Fräulein Tochter" zur weiteren Ausbildung nochmals auf drei oder sechs Monate in die Lehre zu geben, da das eigene Geschäft doch wesentlich anders läge, als dasjenige der Lehrstelle l Auch hierzu werden sich die Fräulein resp. die Eltern entschließen, da ja dochaus dem Kinde etwaS Tüchtiges Iverden soll!" Die Monate der Nach-Lehrzeit gehen vorüber, so trösten sich die Be- teiligten. Wenn nun aber gehofft wird, damit ist die Lehrzeit be- endet, so folgt hierauf wiederum arge Enttäuschung. Dieselbe Ge- schichte wiederholt sich noch vier- bis fünfmal, bis endlich dem einen oder anderen die Geduld reißt und auf diese ganze Laufbahn der- zschtet wird. Einigen glückt es mit Hängen und Würgen, einen Gehalt" von etwa 45 bis 80 M. monatlich zu erringen. Nun wird man mir entgegnen, daß es sich empfiehlt, um höhere Entlohnung zu erreichen, im Lehrgcschäft auSzuhalten. Damit hat es aber auch seinen Haken. Nach Beendigung der Lehrzeit erfolgt meistenteils eineGehaltserhöhung" von 5 M> pro Monat I Nach weiteren sechs Monaten abermals 6 M., und wenn das Glück hold ist, erhält solche Verkäuferin nach dreijähriger Tätigkeit im gleichen Geschäft das übliche Höchstgehalt von 40 M. oder, falls ste hiermit nicht recht zufrieden,prinzipiell" die Kündigung I Ein arger Mißstand ist das Prämiensysiem. Ich betrachte dieses als arge Uebervorteilung des Publikums. Waren, welche fehlerhaft sind oder sonstwie an Wert verloren haben, soll die Verkäuferin recht energisch anbieten, alle erdenklichen und teilweise nicht zutreffenden guten Eigenschaften werden solchen Verkaufsobjckten angedichtet, und zwar lediglich nur deshalb, um einen möglichst hohen Preis heraus« zuschlagen. An dieser Uebervorteilung wird der Verkäuferin ein ge- wisser Prozentsatz alsPrämie" garantiert, und liegt es in der Natur der Sache, datz solches Ansinnen um so eher von der Ver- käuferin willkommen geheißen wird, je niedriger ihre Bezahlung ist natürlich zum Sck?aden des konsumierenden Publikums. Den Löwenanteil am Profit steckt wiederum der Unternehmer ein. Meines ErachtenS wird vom Publikum sowohl alS auch von den be- treffenden Eltern zur Abstellung derartiger ungesunder Verhältnisse noch viel zu wenig getan und würde es sich empfehlen, wenn hier endlich einmal gründlich der Hebel zur Besserung der Lage der kauf- männischen Angestellten angesetzt und in bezug auf da? betrügerische .Priimiensyswn Bemedur geschaffen würde. Im Kampfe um daS Frauenwahlrecht. i Mit welcher Energie die Frauen in England das Ziel der Er- ringung des Frauenwahlrechts verfolgen, das belegt erneut nach-, folgende Meldung: London , 20. Juni. Eine Gruppe von Frauen begab sich gestern abend vor daS Hotel des Finanzministers, um für das Wahlrecht der Frauen zu manifestieren. Der Finanzminister entkam den Frauen, die ihn unbedingt sprechen wollten, durch eine Hintertür. Gerichts-Zeitung* Jagdreviere der verschiedenen Konfessionen. Fräulein Z. hatte, obgleich sie katholisch war, ihr uneheliches Kind in eine evangelische Volksschule gehen lassen. Als sie verzog, meldete sie das Kind bei der 14. Volksschule, die ebenfalls evangelisch ist, an. ES wurde auch aufgenommen, nach einiger Zeit aber von der Schulkommission vom Besuch in dieser Schule ausgeschlossen. Es sollte die katholische Volksschule besuchen. Beschwerden der Mutter, die das Kind nicht in die katholische Schule schicken wollte, blieben ohne Erfolg. Der Kultusminister beschied sie ebenfalls abschlägig. Fräulein Z. schickte daS Kind eine Zeitlang überhaupt nicht zur Schule, davon aus- gehend, daß sie das 5And nicht in eine katholische Schule hinein- zwänge» lassen brauche. So gut es ging, unterrichtete sie mit Hülfe eines Privatiers das Kind selbst. Eine Dispensation vom Schul- besuch fand aber nicht statt. Die Behörde fand den Unterricht nicht ausreichend. Fräulein Z. trat schließlich, als fortwährend Straf- Verfügungen einliefen, zum evangelischen Glauben formell über, worauf das Kind in der evangelischen Volksschule wieder Aufnahme fand. DaS Landgericht als Berufungsinstanz verurteilte Fräulein Z. wegen der Schulversäumnisse, welche in die Zeit zwischen dem Bescheid des Kultusministers und der Erledigung ihres Uebertritts zum evangelischen Glauben fallen, zu einer Geldstrafe, indem es eine fortgesetzte Handlung annahm. Das Gericht berief sich darauf, daß nach dem Allgemeinen Landrecht uneheliche Kinder in der Re- ligion der Mutter zu erziehen seien. Für Berlin , wo es katholische und evangelische Schulbezirke gebe, sei die Anordnung getroffen, daß katholische Kinder in den katholischen Bezirken und evangelische Kinder in den evangelischen Bezirken einzuschulen seien. Angeklagte hätte das Kind in die katholische Schule schicken müssen, als die Schulbehörde es dorthin verwies, weil sie katholisch war. Der private Unterricht könne sie nicht entschuldigen, da der Nachweis fehlte, daß dieser Unterricht ausreichend sei. Das Kammergericht verwarf dieser Tage die hiergegen eingelegte Revision. _ Vorcuthaltung des Lohnes lag einer Anklage zugrunde, die gestern das Schöffengericht Berlin- Wedding beschäftigte. Wegen Körperverletzung mittels gefährlichen Werkzeuges war der Drahtzaunfabrikant B u tz i g e r aus Mahlsdorf angellagt, während sich die Arbeiter Zimmermann und Scholz wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruches verantworten mußten. Die beiden Letztgenannten standen bei Butziger in Arbeit. Anfang Januar dieses Jahres kam es zu einer Auseinandersetzung wegen des von Butziger angeblich zu niedrig festgesetzten Akkordlohnes für das Aufsetzen eines DrahtzauneS. Als B. sich weigerte zu zahlen, nahmen die beiden Arbeiter eine drohende Haltung an� und drangen schließlich auf ihren Arbeitgeber ein. Dieser flüchtete in die Werkstatt in der Hoffnung, seine Verfolger loszuwerden. Die beiden Mitangeklagten sprengten jedoch die Tür und drangen auf B. ein. Dieser ergriff eine dicke Eisen st ange und versetzte dem p. Zimmermann einen wuchtigen Schlag über den Kogf, so daß Z. sofort blutüberströmt zusammenbrach. Butziger verbarg sich nunmehr in seiner Privatwohnung. Nachdem sich Z. wieder etwas erholt hatte, drangen beide Arbeiter in die Wohnung des B. ein, um Rache wegen der ihnen zugefügten Mißhandlungen zu nehmen. Vor Gericht erhob der Verteidiger des Butziger den Einwand, daß B. nach dem Er» gebnis der Beweisaufnahme sich nur in der schlimmsten Notwehr zu dem Schlage mit der Eisenstange habe hinreißen lassen. Da es sich aber um eine in der Furcht und Bestürzung begangene Ueber- schreitung der Notwehr handelt, müsse auf Freisprechung erkannt werden. Das Gericht erkannte gegen Zimmermann und Scholz auf je zwei Wochen Gefängnis und sprach den An- geklagten Butziger. bei dem Notwehr angenommen wurde. kostenlos frei._ Erziehung zum Polonismus. Die strafrechtliche Verfolgung der Polen hat nicht wenig zum Anwachsen der polnisch-radikalen Richtung beigetragen. Am Dienstag verhandelte das Reichsgericht wiederum über drei Fälle von Germa- nisierungsversuchen durch Strafgesetzparagraphen. Derartige An- klagen müssen das entgegengesetzte Resultat erreichen, als die Gemmnisierungsfreunde erreichen wollen. Der erste vor dem Reichsgericht behandelte Fall betraf eine eigenartige Konstruktion einer versuchten Nötigung. Wegen versuchter Nöttgnng ist am 4. Januar vom Landgericht Posen der Verleger und Redakteur einer polnischen Zeitschrift, Sigismund b. Slupski, zu einer Geldstrafe von 300 M. verurteilt worden. Er hatte in einem ArtikelVerräterische Verkäufer' sich gegen den Landverkauf an Deutsche gewendet und empfohlen, die Namen solcher Polen , welche Land an' Deutsche verkaufen, durch öffentliche Nennung an den Pranger zu stellen. Der Artikel bezweckte nach der Ueberzeugung des Gerichts, mindestens drei mit Namen genannte Eigentümer von Güten: zu nötigen, den beabsichtigten Gürerverkauf aufzuheben. Auf die Revision des Angeklagten hob das Reichsgericht das Urteil aus und verwies die Sache an das Landgericht zurück, weil rechtsirrtümlich angenommen worden ist, baß es dahingestellt bleiben könne, ob der Angeklagte, wie er behauptet hat,»n Wahr­nehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Ferner stand vor dem Reichsgericht eine Auflage aus§ 130 Str.-G.-B. zur Verhandlung. Wegen Aufreizung der Polen zu Gewalttätigkeiten gegen die Deutschen ist am 15. Dezember v. I. vom Landgerichte Gleiwitz der Redakteur der ZeitungGlos SlaSki', Stanislaus Rozanowicz, zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht hat den straf- baren Tatbestand in einem ArtikelPolen " erblickt, welcher das polnische Nattonalgefühl stärker und, wie das Urteil meint, zur gewaltsamen WiedereinfttHning eines selbständigen Polenreichcs an- feuern sollte. Die Revision deS Angeklagten wurde vom Reichs- gerichte verworfen. Dritter Fall. Wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Sprachenverordnung ist am 3. Februar vom Landgerichte Beuthen (O.-Schl.) der Redakteur desKatolik" Wiktor NowakowSki zu 500 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Er hat in einem Arttkel die Eltern polnisch sprechender Kinder aufgefordert, dahin zu wirken, daß diese, mindestens beim KonsirmationSunterricht, die polnische Sprache gebrauchen und die deutsche verabscheuen. Auch hier wurde die R e v i s i o n des Angeklagten vom Reichsgerichte Ver- worfen._ Die Heilkraft des Weihwassers. Wie erinnerlich, wirbelte ausgangs der achtziger Jahre«ine Teufelsaustreibung in der ultramontanen Presse viel Staub auf. Danach soll ein damals Ojähriger Knabe vom Teufel besessen gewesen sein. Die klerikale Presse war über den Erfolg der Teufelsaustreibung derart entzückt, oaß sie dem Weihwasser eine wunderbare Wirkung zu- schob. Gelegentlich der letzten schwurgerichtlichen Verhandlung gegen den Ingenieur Aug. Richter vor dem oberbayerischcn Schwurgerichte wegen eines Vergehens wider die Religion wurde auch die TcufclSaustreibung in Wcmding wieder aufgewärmt. Und wenn es noch Leute geben sollte, die an der Heilkraft des Weih- Wassers zweifeln sollten, denen wollen wir verraten, daß au» dem ehemaligen fsts leibhaftigen TeufelSbuben ein Schutzengel geworden ist, allerdings ein Schutzengel nicht mit Flügeln und Glorienschein, sondern mit der Pickelhaube, denn der che- malige Satanas ist heute wohlbestallter Schutzmann in München . Wer wagt es nun noch, an der Heilkraft de» Weih, Wasser» zu zweifelo?.