Daraufhin wurde gegen W.. der inzwischen nach Chemnitz«Übergesiedelt ist, das Verfahren eingeleitet, das am MittwochWieder t'or der„Bccker-Kammer", die Genosse W. vergeblichwegen-Befangenheit abgelehnt hatte, zum Austrag kam. GenosseWendel bekannte sich als Verfasser, bestritt aber entschieden, daßer mit seiner novellistischen Skizze etwas anderes habe geben wollenals Eindrücke, die er als kranker Soldat im Garnisonlazarett zuStraßburg empfangen hatte. Es habe ihm fern gelegen, den Eindruck zu erwecken: die von ihm geschilderten Zustände beständen imEarnisonlazarett zu Dresden.Der Sachverständige, Professor Dr. Schumann, er-klärte, er habe in der Skizze keine Spitze gegen die DresdenerGarnisonverwaltung erblickt, es sei vielmehr eine allgemeingehaltene, künstlerisch aufgebaute Schilderung, in der Wahrheitund Dichtung wie in vielen Novellen zu einem eindrucksvollen Bildeverwoben seien. Es sei nicht anzunehmen, daß die Leser der„Arbeiterzeitung" etwas anderes, etwa eine Schilderung von Zu-ständen im Dresdener Garnisonlazarett, darin erblickt hätten.Da der Vorsitzende bezweifelte, daß die Leser der„Arbeiter-zeitung" für künstlerische Zwecke besonders empfänglich seien, er-klärte der Sachverständige auf Befragen: die Tatsache, daß dieArbeiterzeitungen ihren Lesern durchweg guteund bessere Romane bieten als die bürgerlichePresse, beweise, daß die sozialdemokratische Presse großeAnforderungen an daS. künstlerische Verständnisihrer Leser stelle.Nach einer vorzüglichen Verteidigungsrede deS Genossen Rechts-änwalts Heine-Berlin wurde Genosse Wendel zu 3 00 M. Geld-strafe verurteilt.—Wie schon erwähnt, erhielt derselben Sache wegen GenosseRiem, der die betreffende Nummer der„Sächsischen Arbeiterzeitung"verantwortlich gezeichnet hatte, 6 Monate Gefängnis, obwohl erbetont hatte, daß er die Notiz versehentlich vor der Drucklegunggar nicht zu Gesicht bekommen und sie erst gelesen habe, als dieZeitung schon verbreitet war. Genosse Riem wird nach dem Aus-gange dieses Prozesses das Wiederaufnahmeverfahren anstrengen.M.-Gladbach. Auf der Kreiskonferenz der Parteigenossen desM.-Gladbacher Wahlkreises wurde an Stelle des gegenwärtig imWahlkreis Altena-Jserlohn aufgestellten Genossen Haberland derGenosse Dr. H. Laufcnberg-Düsscldorf zum Reichstagskandidatennominiert.Bezüglich der Parteipresse nahm die Konferenz nachstehendeResolution an:„Die am 24. Juni in M.-Gladbach tagende Kreiskonferenz desWahlkreises M.-Gladbach erblickt in einer Verschmelzung der„Niederrheinischen Volkstribüne" mit der„Volkszeitung" einen fürdie gesamte Arbeiterbewegung am Niederrhcin notwendigen Fortschritt, und zwar aus folgenden Gründen:1. Eine an Umfang und Auflage große Zeitung ist besser inder Lage, ihre Leser durch wissenschaftliche und aufklärende Artikelzu klassenbewußten Kämpfern zu erziehen.2. Nur eine große Parteizeitung am Niederrhein ist imstande,der von der Zentrale M.-Gladbach aus betriebenen systematischenBekämpfung der Partei- und Gewerkschaftsbewegung nachdrücklichund ausgiebig entgegenzutreten.3. Ferner sind die kleineren Jndustrieorte mit schwacherArbeiterbewegung kampfesfähiger zu erziehen, wenn sie dieAgitationsform der großen Städte mit guter Bewegung lesen undstudieren können.4. Durch die spärlichen Raumberhältnisse eines Kopfblattesist die Vertretung der Gewerkschafisinteressen nicht in ausgiebigerWeise möglich. Wir fordern deshalb alle politischen Organisationendes Leserkreises der„Volkstribüne" auf, in den VersammlungenStellung zur Verschmelzung zu nehmen."Die Beschickung des diesjährigen deutschen Parteitages wurdeabgelehnt.Ein finnländischer sozialdemokratischer Pressekongreß findetam 8. und 9. Juli dieses Jahres in Abo statt. In der Einladung,die von den Genossen Valpas, Taino, Rissancn und Leppanen unter-zeichnet ist, werden folgende Fragen zur Behandlung vorgeschlagen:Das Verhältnis zwischen unseren Zeitungsorgancn und unsererPartei; die'ökonomischen Verhältnisse unserer Zeitungen;Gründung eines Presseverbandes, dessen Statut und Programm.Jeder sozialdemokratischen Zeitung wird anheimgegeben, einenVertreter zum Kongreß zu senden; auch der Vorstand der sozialdemokratischen Partei wird vertreten sein.Soziales.Künstliche Vermehrung der Leutenot durch den Bund der Landwirte.Einen interessanten Beleg dafür, wie Schlot- und KrautbaronArm in Arm gehen und wie insbesondere der Bund der Landwirteauf Vermehrung der Leutenot bedacht ist. geben folgende, vonunserem Rostocker Bruderorgan veröffentlichte Schriftstücke:Schwerin i. M., den 25. Juni 1006.Aufruf 1An die Herren Arbeitgeber in den Landwirtschaftsbetriebenin Mecklenburg-Schwerin.•In Schwerin streiken seit acht Wochen die Bauarbeiter in einerZahl von etwa 400 Mann, weil ihnen der geforderte Lohn von43 Pf. pro Stunde von den hiesigen Bauarbeitgebern nicht bewilligtwurde....Nach umlaufenden Gerüchten suchen jetzt die hiesigen streikendenBquarbciter Beschäftigung auf dem Lande in der Umgegend vonSchwerin. ES ist wohl erklärlich, daß bei der bevorstehenden Erntejeder Sandmann gerne hülfreiche Hände willkommen heißt, anderer-seits wird aber dadurch, daß auf diese Weise die streikenden Bau-arbeiter willig aufgenommen werden, der Streik verlängert und—der Lohn höher getrieben.Die Bitte des unterzeichneten Vereins geht nun dahin, d i Je r r e n Arbeitgeber in den L a n d w i rt s ch a fts-etrieben wollen die hiesigen Bauarbeitgeberin diesem Lohnkampfe unterstütze» dadurch, daß die hiesigenstreikenden Leute in den Landwirtschaftsbetriebenk e i n U n t e r k o m nr e n finden.HochachtungsvollArbeitgeber-Verband für daS Bangewerbe imGroßherzogtum Mecklenburg-Schwerin.Eingetragener Verein.Gez.: L. Clewe, Vorsitzender..»Vorstehende Bitte des Arbeitgeber-Verbandes der Baugewerks-meister in Mecklenburg unterstützen wir auf das wärmste und bittendaher alle Herren Gutsbesitzer, Pächter und Erbpächterin ritterschaftlichen und Domanialämtern Schwerins, keine derstreikenden Bauarbeiter Schwerins diesen Somnier in Arbeit zunehmen. Auch wir stehen auf dem Standpunkte, daß alle Arbeit«geber, den überhandnehmenden Streiks gegenüber, fest zusamineustehen müssen.Bund der Landwirte.Gez.: H. C. Bock-Gr.-Brütz. Schubart-Gallentin.Der Bund der Landwirte wird selbstredend ebenso wie derArbeitgeberverband demnächst über den Terrorismuö der— Arbeiterund über Leutenot wehklagen. Solche Vorkommnisse zeigen, wienotwendig der von der fozialdemokratischen Fraktion wiederholt«er-laiigte Schutz der Arbeitskraft ist. Wir möchten, trotzdem Schwerinin Mecklenburg liegt, den durch die Boykottierungeir getroffenenArbeitern raten, auf diese Aechtuug ihrer Arbeitskraft mit einen»Schadenersatzprozeß gegen den Arbeitgeberverband und den Bundder Landwirte zu klagen.Bilder aus dem BergmattilZleben. Die ebenso heimtückische wieansteckende Wurmkrankheit ist bekanntlich durch ausländische Arbeiterin die Kohlenbecken Westfalens und Schlesiens eingeschleppt worden.Unternehmertum und staatliche Organe leugneten zunächst die Ein-schleppung und die Gefahr einer'Einschleppung trotz aller lebhaftenRemonstrationen der Arbeiter. Nie hätte die Seuche in Deutschlandden Umfang angenommen, den sie angenommen hat, wenn dieWarnungen und Hülserufe der Arbeiter um ihre Gesundheit dieerforderliche Beachtung sofort gefunden hätten. Wie wenig rücksichts-voll trotz aller in der Presse und im Parlament erhobenen Klagendie Untersuchungen auf Wurm auch jetzt noch vorgenommen werden,und wie auch hier dem Arbeiter Lasten aufgebürdet werden, zeigtdie nachstehende aus Bergmannskreisen uns zugehende Schilderung:Nach den bergpolizeilichen Vorschriften ist die Untersuchung aufWurm obligatorisch; d. h. jeder, der beabsichtigt, Grubenarbeit zuverrichten, muß ohne Ausnahme sich der vorgeschriebenen Unter-suchung unterwerfen. Gleichviel in welchem Berufe und an welchemOrte er früher tätig gewesen ist. Da der Wurm hauptsächlich im" nnern der Eingeweide, der Gedärme sich vorfindet, so ist seiniorhandensein nur durch Untersuchung der Ejkremente, des Kotesfestzustellen. Der neuangeworbene Bergarbeuer mutz nun zunächstauf die Wurmstation, auf den„Pott", wie die Westfalen fo schönsagen. Was ist nun eine Wurmstation?Ein ganz ordinärer Lokus. Eine„Leimrute", auf der jedermannmänniglich seine Notdurft verrichtet I Nur mit dem Unterschiede,daß hier jeder Ein- und Ausgang gewissenhaft registriert wird. Inder Latrine mit dem euphemistischen Namen Wurmstation befindetich im Vorräume des„Allerheiligsten" eben jener Leimrute eingroßes Gestelle nach Art der Warenregale in Kaufhäusern. Aufdiesem Regale stehen Töpfe mit Deckeln; zirka 1 Liter fassend. DieseTöpfe nun haben die Bestimmung— halten Sie sich bitte die Nafezu—, die menschlichen Exkremente, den Kot,„wann und frisch" in sichaufzunehmen.Die Bude, in der sich diese sekreten Wichtigkeiten befinden, istzu der Zeit des Tages, in welcher sie geöffnet ist, ständig umlagertund„besetzt". Nach berggesetzlicher Vorschrift müssen die in ArbeitGehenden Bergleute sich alle Vierteljahre erneut einer Unter-u ch u n g unterziehen. Daraus erklärt sich die starke Frequenzdes Ortes. Jeder hat an drei möglichst aufeinander-olgenden Tagen zu erscheinen. Ein Schreiberbürschchenbesorgt mit unnachahmlicher Grandezza und Würde dieKontrolle. Der„Patient" wird zunächst nach Namen und Alter be-fragt, seine Angaben schreibt der Jüngling auf einen Zettel, verinerktdarauf auch, das wievielte Mal der betreffende Mann erscheint,durchbohrt den also beschriebenen Zettel mit seinem Bleistift undhändigt ihn mit hoheitsvoller Geberde dem Jnquirierten ein.Dieser nimmt nun einen der dastehenden emaillierten Litertöpfe mitDeckel, heftet den Zettel daran, begibt sich ins Allerheiligste, setzt sichneben die anderen auf die Leimrute und verrichtet— so gut oderso schlecht es eben geht— seine Notdurft. Etwas davon in denTopf. Nachdem die„anziehende" Tätigkeit beendet, der Topf mitangeheftetem Zettel und obligatem Inhalt in das Regal zurückgestellt ist, verläßt der Mann„erleichtert"— in zwiefacher Be�ziehung— die Anstalt, um anderen TageS wieder zu kommen.Man verzeihe mir; die Schilderung des Obigen mitallen Einzelheiten war aber notwendig, weil siezeigt, wie Profitsucht und brutale Rücksichts-losigkeit dem sittlichen und ethischen Enrpfin dender Arbeiter einen vernichtenden Schlag ver-s e tz t I Man vergegenwärtige sich: Jung und Alt, ergrauteMänner und kaum dein Knabenalter entloachsene Jüng-linge nebeneinander auf der„Leimrute" den ominösenTopf hinter sich haltend. Bei einer Beschäftigung, die der Durch-schnittsmensch in stiller Abgeschiedenheit, ohne darüber zu reden, vor-nimmt. Daß die Untersuchung im sanitären Interesse ungezählterTausende von Volksgenossen eme Notwendigkeit ist, soll nicht be-stritten werden. Aber die brutale, rücksichtslose Art,>v i e man sievornimmt; wie man dadurch jedes feinere Empfinden ertötet, dieBolksmassen verroht und sie abstumpft, das fordert zu schärfftemProtest heraus. Um so mehr, als es einen lächerlich geringen Kosten-aufwand für die Zechen, in deren Gebäulichkeiten sich die Wurm-stationen befinden, bedeutet, die Wurmstationcn so einzurichten, daßjeder einzelne unbeobachtet von anderen eine Probe seines Darm-inhaltes abgeben kann.Die staatlich angestellten Berginspektionsbeamten haben, soweitmir bekannt, in ihren Berichten für diese Art Untersuchung aufWurmkrankheit kein Wort des Tadels geftinden. Ein Beweis, wiehoch deren Tätigkeit in bezug auf die soziale Lage der in ihrenBezirken arbeitenden Bevölkerung einzuschätzen ist. Man glaube janicht, daß die Bcrgproletarier das Unwürdige und Gemeine aus derSituation nicht herausfühlen; aber sie sind zu abgestumpft geworden,um ihrer Empörung über das geschilderte entwürdigende VerfahrenAusdruck zu geben.Nun zu einer anderen Seite der Frage. Das Kohlengebiet mitseiner sich gigantisch steigernden Produktivität benötigt täglich mehrArbeitskräfte. Sie holt die Leute aus. allen Richtungen der Winchrose zusammen. Wenn sie nur Kräfte haben und durch die wirdschaftliche Misere gezwungen sind, diese für den Kapitalismus zuopfern. Die Leute kommen meist fast gänzlich mittellosan. Nach ihrer Annahme haben sie die dreitägige WurmUntersuchung über sich ergehen zu lassen, u n b e k ü nr in e r tdarum, ob sie jemals Bergarbeit verrichtet habenoder aus welcher Gegend sie kommen. Erst nach-dem die Leute das drittemal auf dem„Pott" gewesen sind, fordertder dienstbare Geist der Wurmstation die Neuangeworbenen auf,mit zum Arzt zu kommen. Die Töpfe mit dem Inhalt der letztenProbe werden mitgenominen.In dem vom Schreiber dieses mitgemachten Fall waren es fünfMann, die auf das Resultat der ärztlichen Untersuchung warteten.10 Uhr 40 Min. kam der Arzt zur Untersuchung des KoteS— und10 Uhr 50 Minuten ließ er alle fünf Mann zu sichherein, präsentierte jedem einen soeben aus-gefüllten Schein und der kostet zlvei Mark!Ohne die sofortige Erlegung des Honorarsgibt's keinen Schein. Das Dokument lautet nun im wesent-lichen so:»Allgemeiner Knappschaftsverein zu BochumDer... geboren... usw.ist von mir auf das Vorhandensein deS Anchhlostoma-Wurms, d. h.der Wnnueier im Kot, mikroskopisch untersucht worden.Ergebnis der Untersuchung am... negativ(positiv).(DasErstere ist fast immer der Fall. Der Verf.)Demnach darf mit Rücksicht auf die Frage nach vorhandenererfolgen.Dr..... Arzt.Beim Arzt zu leistende Unter>überstanden ist, die Anfahrt erfolgen kann, steht der Mann mittel«los da und ist seinem Unternehmer auf Gnade und Ungnade aus-geliefert.Der Arzt hat pro Kopf drei Mark„verdient". Das solcherartdem Utzternehmertnme ausgelieferte Ausbeutungsobjekt kostet dieseskeinen Pfennig. Die Organe des Staates aber können sich in denStrahlen väterlicher Fürsorge und weiser Voraussicht sonnen. Habensie dock durch das verfügte Obligatorium der Wurmuntersuchungenein Radikalmittel gefunden, welches die Seuche ein für allemalbannen— soll. Die Arbeiter aber zahlen die Kosten IDie Schilderung läßt klar erkennen, wie das Unternehmertumund der preußische Staat für die durch das Unternehmertum erfolgteEinschleppung der so gefährlichen Seuche den Arbeitern Unbequem-lichkeiten und Kosten aufhalst. In einem nicht vom rohesten Kapi-talismus beherrschten Gemeinwesen würde man diesem oder demUnternehmertum, das durch seine Anwerbung kranker Ausländer dieSeuche nach Preußen gebracht hat, die Kosten der Prophylaxe undHeilung auferlegen.Huö Induftne und Kandel.Mensche» und Volksvermöge» in Gefahr!Auf allen Zechen des rheinisch-westfälischen Industriegebiets wirdseit Monaten mit Hochdruck gearbeitet. Die Produktion steigt rapidund die Organe des Syndikats sind voll des Jubels über die er-höhten Werksüberschüsse. Freilich meinen sie, es könne die Pro-duklion noch mehr gesteigert werden, wenn die Belegschaften nicht— paniv streikten! Daran glaubt natürlich kein Mensch, aberAnchylostomiasiS die Annahme..., den... 06.Auf der Zeche zu leistende Unterschrift deS zu Untersuchendenschrift deS zu UntersuchendenWie man sieht, erhäld das Dokument durch die dreifache Unter-chrift der Behörde und gegebenenfalls auch der Oeffentlichkeitgegenüber einen immensen Wert. In dem beobachteten Falle warennun in genau 10 Minuten die fünf Scheine seitens des Arztesausgefüllt. aber auch die mikroskopische fachmännischeUntersuchung des Kotes abgeschlossen!!DaS läßt doch ohne weiteres den Schluß zu, daß die wirklichemikroskopische" Untersuchung fiir den Arzt mehr Formsache, daß sie—gelinde gefagt— höchst oberflächlich ausgeführt wird(in zehnMinuten fünf mikroskopische Untersuchungen und die Ausfüllung derScheine I), daß endlich nur in Ausführung einmal erlassener gesetz-licher Vorschriften die Form gewahrt wird. Weiter nichts. Denn esist bisher kein Fall zu beobachten gewesen, wonach Leute ausGegenden, die denen man die Wurmseuche nicht einmal den Namennach kannte, plötzlich mit der Krankheit behaftet gewesen wären. DaSwissen auch die Aerztc, deshalb die laxe Ausübung der Untersuchung.Diese kostet nun aber den Arbeiter zwei Mark, drei Tage ist erobendrein ohne Verdienst, die in zwei Minuten beendigte allgemeineärztliche Untersuchung kostet auch noch eine Mark und wenn alleseS scheint System in dem Schwindel zu liegen.Der Import von Arbeitskräften nach dem Ruhrgebiet aus allerHerren Länder nimmt geradezu beängstigende Dimensionen an. Wiedie Ruhrpresse zu melden weiß, sind augenblicklich wieder Agentenin Schlesien und Posen tätig, um dem Arbeitermangel abzuhelfen.Zunächst liegt die Frage nahe: wohin mit den ungeheuerenMenschenmassen, wenn eine plötzliche Stockung eintritt, die zu Be-triebSeinschränkungen und Arbeiterentlassungen führt? Und nochetwas anderes kommt in Betracht: die Frage der öffentlichen Ge-sundheitspflege.Aus der Masseneinwanderung erlvachsen die schwersten Schädenund Gefahren in sanitärer Beziehung. Beweis hierfür bietet jetztschon das Auftreten der Genickstarre. Im ganzen Ruhrgebiet trittdie Seuche auf und fordert ihre Opfer. So sind in der Bürger-meisterei Hamborn bis jetzt allein über 180 Fälle an Genickstarregemeldet, wovon über 100 tödlich verlaufen sind.So ziemlich das ganze Gelände gehört mit seinen ungeheurenIndustrieanlagen, Kohlenbahnen und Werkskolonien der Magnaten-familie Thyssen. Thyssen hat vermöge günstiger- Geld- undKreditverhältnisse seine Besitztümer und Kohlenzechen derart erweitertund vermehrt, daß er heute bereits dem Riesenetablissement Kruppüberlegen ist.Die Arbeiterhäuser schießen wie Pilze aus der Erde. Straßen-fluchten, Häuserkomplexe, Stadtteile, ja förmliche Städte entstehengleichsam über Nacht. Kaum sind die Häuser unter Dach gebracht,dann werden sie auch schon bezogen!— Noch ist keine Tür ein-gehängt, keine Fenster in den Höhlen, noch fehlt der Putz, die Ver-schalung, die Treppe, das Nebengebäude, aber die Kolonie-Villa istfchon bewohnt.Ganze Straßenfronten stehen auf sumpfigem» morastigemGelände, die Keller stehen bis oben an voll Wasser, keineStraße ist fertig ausgebaut. Die Häuser gleichen in ihrermonotonen Einförmigkeit� riesigen Kasenren— hat man doch schondazu übergehen müssen, den Häusern einen verschiedenartigen An-strich zu geben, um ein„Verlaufen" seiner Bewohner zu verhindern!Kurz, der Zustand in den Kolonien in und um Hamborn, Marxlohund Umgegend spottet jeder Beschreibung, ist geradezu ein Skandalallerersten Ranges! Was soll man z. B. dazu sagen, wenn dieBewohner einer neugebauten Kolonie, einige tausend Menschen,sich ein Bierteljahr laug ohne Abort haben behelfcn müssen? DieKolonie gehört zu der 10 000 Mann Belegschaft zählenden Zeche„Deutscher Kaiser", welche Eigentum des Herrn Thyssen ist und sieliegt in unmittelbarer Nähe des Seuchenherdes der Genickstarre.Von einer Kanalisation ist nirgends die Rede. Die Abwässer ausden Häusern gießt man auf die Straße, in den Rinnstein I Dadurchentstehen bei jetziger Jahreszeit Zustände, die geradezu zum Himmelstinken. Schon der aufsteigende Gestank kann Menschen krankmachen.Aber es regt sich keine Stadtvertretung, keine Kommunal-Verwaltung, keine Polizei schreitet ein. kein Staatsanwalt erhebtAnklage. Selbst die Aerzte scheinen die„ambrosischen" Düfte, diegroßen offenen Kloaken, die Brutstätten giftiger, Tod bringenderBakterien vollständig zu übersehen und zu über— riechen.Warum wohl?Weil die Zechenbesitzer die ganze Umgebung beherrschen, weilsie mit ihren Leuten die Verwaltungen der Städte und Dörfer be»herrschen. Sämtliche Verwaltungen sind dadurch mehr oder wenigerder Zeche, dem Eisen- oder Hüttenwerk Untertan. Alles öffentlicheLeben wird beeinflußt unS beherrscht von den Organen der Zechen-gewaltigen.Darum sind die skandalösen Zustände möglich und werden durchdie rapide EntWickelung immer schlimmer, bis dann schließlich eineverheerende Epidemie ausbricht, die Hekatomben von Opfern fordert,das öffentliche Gewissen aufpeitscht, die Regierung endlich zu Tatendrängt. Taten? Kaum zu Ankündigungen solcher I Es sei nur anein Ereignis erinnert. Ungeheueres Aufsehen erregte vor zweiJahren der Gelsenkirchener Wasserwerksprozeß. Im Verlauf diesesProzesses wies Professor Pettenkofer schon auf die oben geschildertenVerhältnisse hin. die speziell in den Einscherniederungen außerordent-liche Maßnahmen erforderten, weil die Niederungen teilweise unterdem Niveau des Flußbettes liegen und daher die Rückflut staut, beiHochwasser die Aborte und Kloaken übertreten, die Wässer in denoffenen Gräben faulig werden, die ganze Gegend verpesten. Wieman solche Warnmigen beherzigt, zeigt die behördliche Passivitätgegenüber den geschilderten»paradiesischen" Verhältnissen im Reicheder Thyssen und Genossen.Wenn nicht bald etwas geschieht, dann wird möglicherweise einehereinbrechende Epidemie Massenerkrankungen, Masiensterbefälle unddamit auch wirklichen Arbeitennangel herbeiführen. Die An-gelegenheit ist von so weittragender sanitärer und Volkswirtschaft-licher Bedeutung, daß ein energisches Eingreifen der Regierung un-erläßlich ist. Mit jeder Stunde des SäumenS wächst ihre Schuldan dem Verbrechen wider Gesundheit und Leben vieler Tausende vonMenschen und der Schäden, die der ganzen Volkswirtschaft durchdie skandalösen Zustände erwachsen können.Divideudcn. Die Generalversammlung der Deutsch-UeberseeischenElektrizitätsgesellschast genehmigte eine Erhöhung des Aktienkapitalsum 36 Millionen Mark auf 72 Millionen Mark. Die Direktion versicherte. daß auf das erhöhte Kapital Dividenden in bisheriger Höhezu erwarten seien. Für das letzte Jahr gelangen 9 Proz. zur Ver-eilung.— Die Dividenden der Rheinischen Stahlwerke sollen diesmal12 Proz. betragen gegen 9 Proz. iii� Vorjahre.— Die Aktionäre derDeutschen Spitzcnfabrik Aktiengesellschaft Leipzig erhalten wieder18 Prozent.Kapitalistische Unverschämtheit. Den Aktionären von Courriöretzgenügt es nicht, daß ihrer Profitsucht Hunderte von MenschkiiV