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trifäen, als oB ihrer Stellungnahme eine in übertriebenem Egoismus wurzelnde Halsstarrigkeit zugrunde läge. In einer Reihe von Differenzpunkten kommt die Erste Kammer der Zweiten entgegen. So gesteht sie vor allem die 17 Proporzabgeordneten zu, durch welche die aus der Zweiten Kammer ausscheidenden Privilegierten ersetzt werden sollen. Nur wünscht die Erste Kammer, daß das Land bei dieser Wahl nicht einen einzigen Wahlkreis bilden, sondern in zwei annähernd gleich große Kreise geteilt werden solle. Ebenso konzediert die Erste Kammer die Vorschrift, daß die S t a n d e S h e r r e n. um ihr Gesetzgeberprivileg ausüben zu dürfen, einen Wohnsitz in Deutschland   haben müssen. Des weiteren erklärt die Erste Kammer jetzt ihr Einverständnis mit dem Beschluß der Zweiten, wonach das passive Wahlrecht nicht erst mit dem 30. sondern bereits mit dem LS. Lebensjahr be- ginnen sollte. In bezug auf die Zusammensetzung der Ersten Kammer will sie nur je zwei Vertreter der Handels« und Landwirtschafts- kammern und einen der Handwerkskammern zugestehen, während das andere Haus den beiden ersten Kategorien je drei Vertreter bewilligt wissen wollte. Auf daS erst mit Emphase geforderte königliche Ernennungsrecht weiterer erblicher Mitglieder der Ersten Kammer aus dem standes- herrlichen oder ritterschaftlichen Adel, soweit derselbe über schuldenfreien Fideiiomnns mit mindestens 20000 Mark jährlicher Rente verfügt, hat die Erste Kammer ver- z i ch t e t. Dagegen verlangt sie das Recht der königlichen Er- nennung weiterer lebenslänglicher Mitglieder, soweit die Sitze der Standesherren durch Aussterben einzelner Familien eine Verminde- ruug erfahren. So unberechtigt auch diese Forderung ist, so fehlt ihr doch der widerwärtig egoistische Charakter der früheren, die un- verhüllt erkennen ließ, daß die Standesherren ihr Gesetzgebcrprivileg ausschließlich zur Wahrung der materiellen Interessen des feudalen Großgrundbesitzes ausnutzen wollten. Da dieLebens- länglichen" nicht aus den Kreisen des Hochadels, sondern aus den höheren Verwaltungsbeamtcn des Landes ge- nommen zu werden Pflegen. so hastet der jetzigen Forderung nicht mehr ein so metallener Beigeschmack an wie der zuerst formulierten. Die wichtigste Differenz zwischen beiden Kammern liegt wie bisher in der Abgrenzung des Budgetrechts der beiden Kammern. Die Erste Kammer lehnt den Beschluß der Zweiten ab. wonach die Erhebung einer Steuer mit festen Sätzen für eine Finanzperiode auf Beschluß der Zweiten Kammer und ohne Zu- stimmung der Ersten Kammer unterbleiben kann, wenn auch ohne diese Steuer und die Erhöhung anderer Steuern sowie unter Zugrundelegung der von der Regierung vorgeschlagenen Erträge der Steuern und des Kammerguts die etatsmäßigcn Ausgaben ihre Deckung finden. Dagegen verlangt sie, daß das bei der Verabschiedung der Steuerreform ihr zugestandene Recht der gleichberechtigten Mitwirkung bei der Festsetzung der Einkommen« steuersätze jetzt auch ausdrücklich in der Versassungsurkunde festgelegt werden soll. Dafür verzichtet sie auf den zuerst gleichfalls er- hobenen Anspruch, bei einer zukünftig etwa zu beschließenden Ver- mögenssteuer in gleicher Weife wie bei der Einkommensteuer mit- wirken zu dürfen. Das sieht bescheidener auS, als eS ist. Wird daS auf die Ein- kommensteuer bezügliche Recht der Ersten Kammer in die Verfassung aufgenommen, dann bedarf eS zu einer etwaigen Beseitigung oder Abänderung dieser Bestimmungen stets einer Dreiviertel-Majorität in beiden Häusern des Landtages, während jetzt nur eine einfache Majorität dazu erforderlich ist. Außer in der Berfassungsreform schweben noch Differenzen zwischen den beiden Kammern wegen der noch immer nicht ver« abschiedeten Gemeindereform. Die Kammer der Standes- Herren hat die Novelle nunmehr abermals erledigt. Den Haupt- streitpunkt bilden immer noch die Anstellungsverhältnisse der Ortsvorsteher. Der Abschaffung der Lebensläuglichkeit der Schultheißen  , jenes württeinbergischen Erbübels, das den Fall Hegelmaier und so diele andere Mißstände in den Gemeinde- Verwaltungen gezeitigt hat, will die.Erste Kammer nicht mehr widersprechen. Dagegen lehnt sie es ab, dem Beschluß der Zweiten Kammer zuzustimmen, wonach die Abschaffung der Lebens- länglichkeit irgend eine rückwirkende Kraft in bezug auf die bereits amtierenden Ortsvorsteher haben solle. Trotz dieser und noch einiger anderer Differenzen dürfte aber das Zustandekommen der Reform kaum mehr in Zweifel stehen. Die dritte landcspolitische Angelegenheit von größerer Be- deutung ist die Auseinandersetzung zwischen Landtag und Regierung über die bevorstehenden Portoerhöhungen für Postkarten im Orts- Verkehr. Wenn Württemberg   ebenso wie das Reich das Porto der Postkarte im Ortsverkehr von 2 auf 5 Pfennig erhöht, dann wird die Karte teurer als der Brief, der im Ortsverkehr nur 3 Pf. kostet. Wiedas vermieden werden soll, ließ der Minister V.Weizsäcker noch offen. Vielleicht erhöht man den Preis der Postkarte nur von 2 auf 3 Pf. Aber das würde wieder nicht das gewünschte finanzielle Ergebnis zeitigen. Die Auseinandersetzung gestaltete sich zu einer scharfen Polemik der linken Parteien mit dem Zentrum und den Nationalliberalen. Die Angelegenheit wurde schließlich der Finanzkommission über« wiesen, die einen Ausweg suchen soll. Die Eiscnbahngemeinschaft in der vadische» Volkskammer. Karlsruhe  , den 28. Juni.  (Eig. Ber.) Die badische Volkskammer hat die Eisenbahntarif-Gemeinschaft am Donnerstag genehmigt. Der Minister des Verkehrs, v. Marschall« Bieberstein, gab die Erklärung, die ihm am Sonnabend nicht über die Lippen kam, nachträglich schriftlich ab. Die Regierung erklärte sich damit einverstanden, daß die Main  -Neckarbahn keine andere Be- Handlung im Tarif erfährt, als die übrigen noch nicht der preußischen Betriebsgemeinschaft unterstehenden badischen Bahnen. Nun fiel der Alb von den Herzen der beiden wetteifemden Regierungsparteien. Nationalliberale wie Ultramontane bekannten sich in der nament- lichcn Abstimmung zu dem die Tarifgemeinschaft billigenden Antrage der Budgetkommission, der mit b0 gegen 17 sozialdemokratische und dsmokratische Stimmen angenommen wurde. Mit demselben Stimmenverhältnis lehnte die Kammer den Antrag der Linken ab, der zugunsten deS ZweipfennigtarifeS auf der badischen StaatSbahn spricht._ Wie in Hannover   vom Reichsverband gearbeitet wurde. Die Korrespondenz desReichsverbandes" erzählt in ihrer letzten Nummer, in welcher Weise der Reichsverband bei der letzten Aachwahl in Hannover   den Kampf gegen unsere Partei organisiert hat. Sie schreibt: Auch in Hannover   zeigte sich, wie noch stets bisher, wenn der Reichsoebband" eingriff, daß Organisationen der bürgerlichen Parteien entweder nicht oder in unzureichendem Maße vorhanden sind oder wo sie da sind, schlecht oder gar nicht funktionieren, jedenfalls die Wahltechnik nur ganz mangelhaft beherrschen. Während also die Organisation der Sozialdemokratie bereits fix und fertig zu sein pslegt. muß derReiäisverband" die Gegen- Organisation der bürgerlichen Parteien immer erst wenige Wochen vor der Wahl zuweilen aus dem Nichts heraus schaffen. In einer kurzen Spanne Zeit aber war es gelungen, einen bedeutenden Nahlfonds zu sammein und eine mustergültige Vertrauens- männerorganisation ins Leben zu rufen. JnHannoverund Linden waren nicht weniger als 104 fliegende Wahlbureaus eingerichtet, etwa 1000 national gesinnte und opferbereite Männer hatten'sich zusammengefunden, die sich in nicht hoch genug anzu- erkennender Selbstlosigkeit den fliegenden Wahlbureaus als Ob- mann, Schlepper usw. zur Verfügung stellten. Im Hauptwahl- bureau selbst waren etwa 100 Angestellte tätig, um alles bis aufs Kleinste für die Wahlschlacht vorzubereiten. Tag und Nacht wurde gearbeitet, die Beamten desReichsverbandes" waren bis zum Umsinken unermüdlich auf den Beinen, in den letzten Tagen kaum zwei Stunden Schlaf finoendl" Trotz alledem war bekanntlich der Erfolg der Anstrengungen recht mäßig. Bei einer allgemeinen Reichstagswahl lassen sich aber überdies derartige Maßnahmen nur in wenigen Wahlkreisen durch- führen. Ueberall die Sozialdemokratie in dieser Weise zu be- kämpfen, wird dem Reichsverband unmöglich sein, selbst wenn er seinen Beamtenstab verzehnfachen wollte.- Bezirkstags- und LandeSauSschusswahlen in Elsaß-Lothringen  . AuS Straßburg   wird uns geschrieben: Am 1. August läuft das Mandat eines Drittels der auf neun Jahre gewählten Bezirkstagsmitglieder ab, so daß in kurzem für 12 Kantone im Bezirk Unterelsaß  , für 8 Kantone im Bezirk Ober- elsaß und für 11 Kantone im Bezirk Lothringen   Neuwahlen stattfinden werden. Von sozialistischen   Mitgliedern scheidet Genosse B ö h l e in Straßburg  -Ost aus, während im Oberelsaß das Mandat von Markirch   erledigt ist. dessen bis- heriger Inhaber der 1900 auS der Partei ausgeschlossene Ex-ReichstagSabgeodnete B u e b war. In Markirch  , dessen Eroberung außer Zweifel steht, wird Genosse E m m e l« Mülhausen   kandidieren. Außer diesen beiden Wahlkantonen kommen noch mehrere für unsere Partei in Betracht, wenn auch die Aussichten nicht allzu günstig sind. Es ist leider außerordentlich schwer, bei den Wahlen zu den Bezirks- tagen die politischen Gesichtspunkte an die erste Stelle treten zu lassen, obgleich doch die Bezirkstage allein über die Hälfte der LandeSauSschußmandate aus ihrer Mitte besetzen. An und für sich ist die Sachlage ja günstig, da daS Gemeinde­wahlrecht gilt, das abgesehen von einigen auf die Ansässigkeitsdauer u. dergl. bezüglichen Beschränkungen allgemein, gleich, geheim und direkt ist. Viel schlechter steht die Sache bei den Wahlen zum LandeSaußschuß, soweit eS sich nicht um die von den Gemeinderäten der vier großen Städte vorgenommenen handelt. Dabei sehen wir noch von den 34 von den Bezirkstagen zu wählenden Abgeordneten ab. Aber auch in den 20 Landkreisen ist jede Agitation unmöglich. Hier wählen die Gemeinderäte je nach der Bevölkerung die Wahlmänner, die dann die Wahl der Ab- geordneten vornehmen. Zur Wahl stehen in den vier Städten die Abgeordneten Riff(lib.), Blumenthal(Dem.), E m m e l(Soz.) und Heister(lib.). In den Landkreisen sind zu erwähnen die Ab- geordneten H a u ß(kler.), Höffe!(kons.), Götz(lib.), W e t t e r l e (klerikal) und W i n t e r e r(kler.). Zweifelhaft ist die Wiederwahl der Abgeordneten Riff(gegen den sozialdemokratischen Kandidaten) und Hauß(gegen den liberalen Kandidaten). Aber das Muster- Parlament selbst wird kein anderes Gesicht erhalten, so lange nicht ein anderes Wahlrech t�gilt. Eindemokratisches Parteiführer. Mülhausen   i. Elf., 24. Juni. Am 8. d. M. standen vor dem Schöffengericht die beiden Redakteure derMülhauser Volks- zeitimg", Genossen Jean Martin und August Wicky, als Angeklagte in einem Privatllageverfabren, das der Vorsitzende derDemo- kratischen Partei Mülhausens" und Führer der demokrati  - schen Fraktion des Gemeinderats, Geometer Georg Simonet, gegen sie augestrengt hatte. In einein Artikel derVolks- zeitung" war dem demokratischen Parteichef der Vorwurf des Amtsmißbrauches zu seinem privaten Vorteil gemacht. Herr Simonet erhielt gegen Ende 1904 von der zweiten Kommission des Gemeinderates den Auftrag zur Erwerbung eines großen Boden- komplexes außerhalb der Stadt. Simonet nahm diesen Auftrag an, teilte später mit. daß der Eigentümer an die Stadt nicht verkaufe, und erwarb dann einen nach dem neuen, der Oeffentlichkeit noch nicht bekannten Bebauungspläne besonders wichtigen und wertvollen Teil jenes Terrains für sich. Für das Blatt zeichnet seit etwa Jahresfrist Ge- nosse Wicky verantwortlich, der Demokratenhof swengte aber die Klage auch gegen den leitenden Redakteur Martin an, der der Verfasser des Artikels sein sollte. Zur Erhärtung hatte er drei Personen aus dem Betriebe derMülh. VolkSztg." als Zeugen vor Gericht laden lassen. Die drei Zeugen, darunter der Metteur(!) des Blattes, lehnten jedoch die Auskunft in der Sache ab, und Genosse Martin wurde freigesprochen. Da der Wahrheitsbeweis nicht in vollem Umfange gelang(es waren in dem Artikel einige formelle Irrtümer unterlaufen) verurteilte das Gericht nach ein- gehender Beweisaufnahme den verantwortlichen Redakteur Wicky zu einer Geldstrafe von 100 M. In der Urteilsbegründung über das Strafmaß, die nun schriftlich vorliegt, wird der demokratische Parteiführer jedoch derart mitgenommen, daß er mit dem Ausgange des Prozesses nichts weniger als zuftieden ist und gegen das Urteil auch Berufung eingelegt hat. Es heißt nämlich darin, daß die Handlungsweise des Privallägers,wenn sie auch keinen Miß- brauch seinen Amtes darstellt, doch als undelikat und unfair zu de- zeichnen" ist. Das Verfahren zweiter Instanz, das dieser demokratischeFührer" in dem Bewußtsein herbeiführt, daß seine politische Rolle ohnehin schon mit diesem Urteil ausgespielt wäre, so daß er nichts mehr zu verlieren hat, wird unseren Parteigenossen Gelegenheit geben, die Beweisführung über das gemeinschädliche Treiben eines Parteiführers der Demokratie, die dieFrankfurter Zeitung  " vertritt, noch zu erweitern. Weder dieses Blatt noch dieMülh. Bürger- zeitung", noch dieElsaß-Lothringische Volkspartei" des Reichs- und LandeSausschuß-Abgeordneten Blumenthal haben leider kein Wort der Mißbilligung für das Gebaren des Parteivorsitzenden   in Mül- Hausen gehabt! Eine seltsame Campagne soll, wie wir vernehmen, die Berliner  Polizei planen. Der ehemalige Redakteur derKönigsb. Volks- zeitung", Genosse Julian Borchardt  , hat seit Anfang April in Treptow   bei Berlin   Wohnung genommen. Wie sich daS von selbst versteht, hat er bei seiner Tätigkeit als Redakteur auch verschiedene Bestrafungen erlitten. Dieser Tage erhielt nun Genosse Borchardt eine Vorladung zum Polizeiamt«zwecks Feststellung seiner Be- strasungen". Auf dem Ann wurde ihm eröffnet, daß er als be- strafter Mensch seine Ausweisung auS Berlin   und Umgegend zu gewärtigen habe I Das Berliner Polizeipräsidium habe deshalb die Feststellung seiner Strafen eingefordert.«Er wisse zwar nicht' so meinte der ihn vernehmende Beamteob die Ausweisung erfolgen werde, er glaube es aber; die Entscheidung liege beim Berliner   Polizeipräsidium". Die Nachricht erscheint so seltsam, daß wir bis auf weiteres an- nehmen möchten, der Amtsvorsteher zu Treptow   habe die Absichten des Berliner   Polizeipräsidiums nutzverstanden. Der Trauring des Baptisten. Weil er von seinem Trauring nicht lassen wollte, wurde, wie dasBerl. Tgbl." berichtet, der See- soldat der Reserve Czopitzky gestern in Kiel   kriegsgerichtlich zu 43 Togen GMngnls verurteilt,.Czopitzky ist Japfift, Der SWervijt hatte im Kieler   Arrestgebaude einsÄ Tag Mittelarrest zu berbüßeff. In üblicher Weise forderte der Auffeher, ein Feldwebel, den Einge« lieferten auf, den Tascheninhalt abzugeben. Czopitzky tat dies. Als aber die. Forderung an ihn gestellt wurde, auch den Trauring aus- zulicfern, weigerte sich der Baptist entschieden und erklärte, er sei kirchlich getraut, und seine Frau liege krank danieder. Der Feld- webel machte ihn auf die Folgen seiner Handlungsweise aufmerk» sam. Der Baptist beharrte auf seiner Weigerung. DasKriegs- gericht verurteilte ihn wegen ausdrücklicher G e» horsamsverweigerung zu 43 Tagen Gefängnis. Höher noch als Religion und Kirche steht selbstverständlich im preußisch-deutschen   Militärstaat die heilige militärische Disziplin.- Prof. Dr. Kropatscheck, der frühers Chefredakteur der..Kreuz« Ztg.", ist in vergangener Nacht gestorben. Am 11. Februar 1847 zu Nahhausen bei Königsberg i. d. N. geboren, studierte er seit 1866 auf der Universität Halle Geschichte und Philologie. 1873 wurde er Lehrer am Gymnasium zu Wismar  , 1878 in Branden- bu>rg, 1883 trat er in die Redaktion derKreuz-Ztg.", deren Chef- redakteur er seit 1. April 1896 war. 1879 wurde er für Branden- burg-Westhavelland-Zauch-Belzig in das preußische Abgeordneten- Haus, 1884 in den Reichstag  , dem er bis 1903 angehörte, gewählt.- Fahrkartensteuer. Der Bundesrat hat betreffs der am 1. August in Kraft tretenden Fahrkartensteuer Ausführungsbestimmungen erlassen. Danach gelten zusammengestellte Fahrscheinhefte, Buch- karten und ähnliche Fahrtausweise, bei denen die einzelnen Scheine über Teilstrecken einer Reise lauten, als eine Fahrkarte. Dasselbe gilt für die Kilometerhcfte, Monats- und Zeitkarten, nicht aber für zusammengestellte Fahrscheinhefte von Reise-Unternehmern, wenn ihnen die einzelnen Scheine ohne Preisermäßigung von den Eisenbahnen überwiesen sind. Betreffen die zur Fahrt in einer höheren Wagenklasse berechtigten Scheine nur ausländische Strecken, so findet lediglich der Steuersatz für die niedrigere Wagenklasse Anwendung. Wenn die zu einem Heft, Block oder in sonstiger Weise vereinigten Einzelfahrscheine alle auf dieselbe Strecke lauten, so ist von jedem Schein die Stempelabgabe dann besonders zu entrichten, wenn die Scheine vom Käufer selbst aus der Verbindung gelöst und die einzelnen Scheine ohne Vorzeigung des Umschlages verwendet werden dürfen. Fahrkarten zum halben Preise sind auch dann steuerpflichtig, wenn nur der ganze Fahrpreis 60 Pf. betragen würde. Stempelpflichtig sind also Kinderkarten zu 30 Pf. Zu- schlagskarten zu 1 und 2 M. sind nicht stempelpflichtig. Zuschlags- karten, die neben der Eisenbahnsahrkarte gelöst werden, um statt der Eisenbahn das Dampfschiff benutzen zu können oder umgekehrt, werden nicht als Zusatz-, sondern als stempelpflichtige Hauptkarten angesehen. Es ist unzulässig, an Reisende bei der Abfertigung an Stelle einer Fahrkarte höherer Klasse zwei Fahrkarten niedriger Fahrklassen auszugeben. Vom Stempel befreit sind u. a. Frei- karten und Freifahrscheine, Militärfahrscheine, Schülerkarten, Ar- beitetkarten, Beförderungsscheine für Begleiter von Tieren oder Gütern. Zusammengestellte Fahrscheinhefte unterliegen der Be- steuerung vom 1. August 1906 an auch dann, wenn sie im Ausland ausgegeben werden oder Scheine über Strecken vog inländischen nach ausländischen Orten enthalten., Hueland« Frankreich  . Zur Lösung des DreyfusgeheimnisseS. Paris  , 28. Juni.  (Eig. Be*.)' Der. Wert der Verhandlung, die sich jetzt vor dem Kassation?» Hof abspielt, liegt nicht in der Absicht, dem Opfer eines Justiz« mordes moralische und materielle Genugtuung zuteil werden zu lassen denn das Schicksal des ehemaligen Hauptmanns hat seit der Begnadigung stark an Interesse verloren und mag vornehmlich als Deckmantel nationaler Interessen der jüdischen Bourgeoisie dienen, sondern in der Aufdeckung der Zustände, die im General, stab herrschten und unter denen sich dank dem Zusammenwirken von Schurkerei, Fanatismus und Gewissenlosigkeit die Affäre entwickelt hat, die der Ausgangspunkt einer politischen Krise ge- worden ist. Der Wert der nunmehrigen Feststellung wird durch die für Moralisten sicher nicht erbauliche Erkenntnis nicht ber- mindert, daß in diesem Falle der Gerechtigkeit der Sieg nur darum gelungen ist, weil sie zufällig einen Rückhalt an Geld« mächten fand. Die Drehfusaffäre hat den gegen den Militarismus wirkenden Kräften einen solchen Antrieb gegeben, daß ihre Folgen! den besonderen Fall des jüdischen Hauptmanns weit überdauern werden. Sie war auch nicht das Werk einer vereinzelt dastehenden. allein aus Rassenhaß angezettelten Jntrigue, sondern die Frucht eines Systems, das seine Wurzeln im militärischen Kastentum selbst hat. Außergewöhnliche Umstände haben bewirkt, daß diesmal der Schleier von Dingen gehoben wurde, die sonst profanen Augen streng verborgen gehalten werden, und daß die Bürger das heilige Gut des Kriegsheeres einmal von innen besehen dürfen. Darum ist der jetzige Prozeß der Aufmerksamkeit durchaus wert. Es ist nicht nötig, den spitzfindigen Ausführungen, die der Berichterstatter, der Staatsanwalt und der Verteidiger machen, in ihre Winkel zu folgen und auf die prozessualen Feinheiten ein» zugehen, mit denen sie aus den gleichen Voraussetzungen ver, schkedene Anträge ableiten und identische Anträge ver, schieden begründen. Um so interessanter ist eS. das wahre! Wesen der Vorgänge zu betrachten, die die Drehfusaffäre in ihren! mannigfaltigen Stadien beherrscht haben. Man weiß heute nicht nur, daß Drehfus unschuldig verurteilt worden ist, sondern man kennt auch die verbrecherischen Mittel, die dazu geholfen haben und die Methoden ihrer Anwendung. Zu den Dokumenten, die in Rennes   alsBeweise" gegen den Angeklagten gedient haben, gehört vor allem der berühmte Brief:Diese Kanaille D...." Der Brief ist echt, aber der Buchstabe D. ist gefälscht! Die Untersuchung, die Andre auf Betreiben JaureS  hat anstellen lassen, führte zur Auffindung von zwei Abschriften in den Archiven, die den Buchstaben P. statt des D. aufwiesen, Die Fälschung hat der Oberst Henry im Jahre 1896 begangen, zurzeit, da derMatin" seine Kampagne für Drehfus begann, Anstifter war der Oberst Sandherp, ein halb verrückter Fanatiker, der wohl an die Schuld Drehfus' geglaubt hat und darum nicht zögerte um den Angeschuldigten nicht entschlüpfen zu lassen, ein falsches Zeugnis gegen ihn auszuspielen. ES ist auch kein Geheimnis mehr, wer dieKanaille P." gewesen ist. Der Spion war ein rumänischer Offizier, der der hiesigen Gesandtschaft seines Staates zugeteilt war und die Er, laubnis erwirkt hatte, den Artillerieversuchen, die man damals an» stellte, beizuwohnen. Die Rolle dieses Menschen war der General» stabsclique vor allem dem General Mercier nicht un- bekannt. Nicht genug damit General Mercier ist auch für die Vorlegung des geheimen Dossiers verantwortlich, das dem ersten Kriegsgericht ohne Wissen des Angeklagten vorgelegt worden ist. Diesen Geheimakten, die tatsächlich ohne Bedeutung waren und sich gar nicht auf den Angeklagten bezogen, war ein Kommentar beigefügt: das Werk D u Paty de Clams. Mercier war sich der Ungesetzlichkeit seines Vorgehens so gut bewußt, daß er hernach alles tat, um die Spüren dieses Aktes zu verwischen. ja daß er sogar den Kommentar vernichten ließ! Der Staatsanwalt B a u d o u i n hat vorgestern erklärt, daß diese Vernichtung eines Gerichtsakts unter denjenigen Paragraphen falle, der Zwangs, arbeit verhänge! Nicht besser kommen in der Rede des Staats- anwalts General Ganse, Archivar G r i b e l i n, Oberst G u e r i n weg, die mit ihren Zeugenaussagen noch in Rennes   defl Betrug gedeckt haben-