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Dr. 149. 23. Mgülig, 2. Stil« Ks Jotiüiirlü" Scrlim lolMIttt. Zonmbeüd, 30. Inni 1906. Füvtzkhll Illhre Kampf nnd Sieg der Manrerbemegang. Der Zentralderband der Maurer Deutsch- I a n d s kann am 1. Juli d. I. auf ein ISjähriges Bestehen zurück- blicken. Freilich die ganze Geschichte der deutschen Maurer- bewegung beschränkt sich weder auf diese fünfzehn Jahre, noch auf den Zentralverband. Er hat seine Vorgänger gehabt. Der All- gemeine deutsche   Maurervercin, der Allgemeine deutsche   Maurer- und Steinhaucrbund, die Fachvereine der achtziger Jahre haben vor ihm bestanden und haben vor ihm gewirkt. Aber diese Organi- sationcn haben es nie auch nur annähernd zu der Bedeutung des heutigen Maurerverbandes bringen können. Wer die Geschichte der Arbeiterbewegung kennt, weitz, daß das kein Vorwurf sein soll und kein Vorwurf sein kann. Was der Maurerverband heute ist, das ist er geworden als Glied der gesamten deutschen Arbeiter- bewegung: ein Produkt der allgemeinen wirtschaftlichen Eni- Wickelung und ein Erfolg der Aufklärungs- und Aufrüttelungs- arbeit, die von und in der Arbeiterschaft allgemein geleistet worden ist. Als die Zeit erfüllet war", als das Ausnahmegesetz gefallen war, da traten in den Pfingsttagen des Jahres 1891 die Delegierten der Fachvereine in Gotha   zusammen, um den alten Geist in neue, festere und bessere Formen zu gießen, um den Zusammenschluß aller Maurerfachvereine in einem Zentralverband der Maurer Deutschlands   zu bewirken. Auch die Fachvereinsbewegung hatte schon ganz ansehnliche Mitgliederzahlen aufgebracht, auf dem Kongreß zu Gotha   waren rund 84 000 organisierte Maurer ver­treten, während die Gesamtmitgliederzahl nach einer von der da- maligenGcschäftskommission" veranstalteten Umfrage 33 447 be- tragen sollte. Der Gothaer Kongreß ward seiner Aufgabe gerecht, er beschloß am 12. Mai mit 94 gegen 6 Stimmen die Gründung des heutigen Zentralverbandes. Ende Mai erließ der Vorstand einen Aufruf zur Bildung von örtlichen Verwaltungsstellen und fab bekannt, daß der Anschluß an den Verband am 1. Juli er- olgen könne. An diesem Tage ist denn auch die Konstituierung des Verbandes mit zirka 50 örtlichen Verwaltungsstellen erfolgt. Die Kämpfe, die damals innerhalb der Maurerbcwegung um das ZentralisationSprinzip ausgefochten wurden, sind heute längst ver- gessen, der Streit ist längst zugunsten der zentralisierten Form entschieden. Aber in den ersten Jahren deS Verbandes hatte er eine große Bedeutung; er stellte an vielen Orten der Organisation manches Hindernis entgegen. Die ersten Jahre des Verbandes waren nicht nur für die Maurer, sondern für die gesamte Bauarbeitcrschaft schwierige Zeiten. Handel und Wandel lag danieder, die Arbeitslosigkeit war bei den baugewerblichen Arbeitern eine chronische Massen- erscheinung. So kann es nicht wundernehmen, wenn wir in diesen Jahren absolut keinen Fortschritt in der Organisation sehen. Am Schlüsse des ersten Geschäftsjahres zählte der Verband in 153 ort- lichen Mitgliedschaften 13 515 Mitglieder, in den folgenden Jahren sank sie sogar auf 10 600 herab. ES hatten sich bei weitem nicht alle Fachvereine dem Verbände angeschlossen; so traten z. B. von den 33 Vereinen der Provinz Brandenburg   im ersten Jahre nur 10 zum Verbände über. Auch mit finanziellen Schtckierigkeiten hatte der Verband arg zu kämpfen. Der Beitrag betrug in jenen Jahren 10 Pf. pro Woche und in den sechs Sommermonaten noch geringfügige Extrabeiträge, aber trotzdem war die Klage über diehohen Beiträge" das Haupthindernis in der Agitation� Nur langsam überwand der Verband diese Schwierigkeiten. Vom Jahre 1895 an machte sich die Besserung bemerkbar: im Hoch- sommer zählte er 17 800 Mitglieder.daS Jahr 1896 schloß bereits mit 28 600 Mitgliedern ab. Nun ging eS in raschem Tempo auf. wärt?. In demselben Maße wie die Zahl der Mitglieder wuchs, besserten stch auch die Finanzen und erhöhte fich damit die Kampf- "raft der Organisation. Die folgende Tabelle gibt Wachstum und Airken des Verbandes in gedrängter Kürze wieder: In dieser Zeit hat der Verband dem Unternehmertum viele und oft ungeheuer hartnäckige Kämpfe geliefert. AuS den früheren Jahren ist besonders der Kampf der Leipziger   Maurer zu erwähnen, der im Jahre 1897 vom 15. Juni bis zum 10. Oktober dauerte. Die Maurer vertagten darauf den Streit und im Dezember des- selben Jahre? boten die Unternehmer von selbst Verhandlungen an. und die Forderungen wurden bewilligt. Zwei Jahre später war die Aussperrung in Berlin  , die 14 Tage dauerte und mit dem Abschluß eines Tarifvertrages endigte, der in hervorragender Weise werbend für die Tarifsache wirkte. Im Jahre 1902 handelte es sich um die Niederzwingung deS Hamburgischen Bauprotzentums, da? zur Aussperrung gegriffen hatte. Nacht achtwöchigem Kampfe waren die Innungen matt gesetzt. Im folgenden Jahre waren be- sonders Hannover   und Kassel   der Sckiauplatz harter Zusammenstöße; beide Kämpfe endeten nach langer Dauer mit dem Siege der Arbeiter. DaS Jahr 1904 brachte außer den heftigen Konflikten in Bremen   und in den Unterweserorten die Aussperrung im Maingau, die mit der Niederlage der Unternehmer nnd Abschluß von Verträgen endete. Im letztvergangenen Jahre traten besonders die Aussperrungen in München   und>m rheinisch-westfälischen Industriegebiet hervor. In beiden Fällen mußten die Unternehmer, die ausgezogen waren, um die Organisation zu vernichten, wesentliche Konzessionen machen. Das find natürlich nur die wichtigsten, die am meisten hervor- getretenen Kämpfe. Was im ganzen während der 15 Jahre auf dem Gebiet der Lohnbewegungen erreicht ward, ist in dem Rahmen diese? Artikel« auch nicht im entferntesten wiederzugeben. Eine An- deutung findet e» in den folgenden Angaben: Der Durchschnitts- lohn für die Maurer im gesamten Deutschen Reich betrug pro Stunde in, Jahre 1890... 33«/. Pf. 1900... 41'/. Pst 1905... 4« Pf. Wa? in dieser Beziehung im Jahre 1905 geleistet wurde, geht aus einer Publikation des Verbandsvorstandes in der Nr. 26 des Grundstein" hervor. Danach kamen bei der Lohnbewegung ins- gesamt 583 Lohnbezirke in Betracht. Die nachgesuchten VerHand- lungen wurden in 407 Fällen von den Unternehmern gewährt, in 176 Fällen abgelehnt. Bon den Verhandlungen hotten 152 keinen, gl nur teilweiien Erfolg. Diese 349 Fälle von Differenzen wurden folgendermaßen erledigt: Ja 67 Fällen wurden eine Verbeflerung der Lohn- und bedingunge» gewährt ohne Unterbandlungen und Streik: i 41 Fällen wurde die Forderung in Rücksicht auf un­günstige Verhältnisse zurückgezogen; 67 Fällen kam eS zur Aussperrung; : 161 Fällen kam es zum allgemeinen Streik und 23 Fällen zum partiellen Streik. Die Lohnbewegung wurde demnach erledigt in: 301 Lohnbezirken durch Entgegenkommen der Unternehmer; 41 Lohnbezirken durch Zurückziehen der Forderung; 241 Lohnbezirlen durch allgemeinen resp. partiellen Streik oder Aussperrung. Von 241 allgemeinen resp. partiellen Streiks resp. Aussperrungen hatten 212 vollen resp. teilwcisen Erfolg. Somit endete die Be- wegung in 513 Wohnbezirken mit Erfolg, und zwar in 206 mit vollem und in 317 mir teilweisem Erfolg. In 70 Lohnbezirken war ein Erfolg nicht zu verzeichnen. Erreicht wurde in: 310 Lohnbezirken eine Erhöhung deS Stundenlohnes; 197 Lohnbezirlen eine Erhöhung des Stundenlohnes in Verbindung mit Verkürzung der Arbeitszeit; 1 Lohnbezirk Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnerhöhung; 5 Lohnbezirken andere Verbefierungen der Arbeitsbedingungen; Tarifverträge wurden 139 abgeschlossen. Dieselben umfassen 269 Lohnbezirke. Die Verkürzung der Arbeitszeit in den 198 Lohnbezirken erstreckt sich auf 975 Orte mit zirka 32571 Maurern. Daran sind beteiligt: 16 300 Maurer mit Ve Stunde pro Tag 16271,1.. Für die Lohnerhöhung kommen in den 507 Lohnbezirken 3589 Orte mit zirka 106 761 Maurer   in Betracht. Ist nun auch nicht jede« Jahr so fruchtbringend gewesen wie das Jahr 1905, so geht doch aber aus den oben mitgeteilten Durch- schnittSziffern hervor, daß die Bemühungen des Verbandes in dieser Beziehung immer von gutem Erfolge begleitet gewesen sind. Von den Genossen, die bei der Gründung deS Verbandes schon an leitender Stelle standen, sind gegenwärtig nur noch drei im Der- bände tätig. Nämlich I o h. S t a n i n g k, der Verleger deS Grundstein"; er ist schon in den siebziger Jahren im Allgemeinen Deutschen   Maurerverein und im Maurer- und Steinhauerbund agitatorisch hervorgetreten und kann somit auf eine mehr als dreißig- jährige Tätigkeit in der Arbeiterbewegung zurückblicken. Dieselbe Ehre dürfen für sich in Anspruch nehmen Genosse August D a e h n e- Verlin, der ununterbrochen Borsitzender des Verbands- ausschusseS ist, und I o h. K ö ft e r. der auf dem ersten ordentlichen Verbandstag, Kassel   1892, als Verbandskassierer gewählt wurde und seit dieser Zeit dem Vorstand angehört. « Am Tage deS fünfzehnjährigen Bestehens deS Verbandes kann fein OrganDer Grundstein" eine andere frohe Kunde ins Land tragen: seine Auflage hat die 200 000 überschritten! Er feiert dies Ereignis in einem schwungvollen Leitgcdicht Empor!" von Karl Frohme   und in einem Artikel, der die 13 Jahre Verbandsarbeit würdigt. Mit den Maurern freut sich die ganze organisierte Arbeiterschaft des Erfolges und Wünscht ihnen weitere Erfolge und Siege hinzu! Sericlrts- Leitung. Starke Fühlung mit der Sozialdemokratie." Diese schwereBeleidigung" wurde dem loyalen und hoch patriotischen Verein deutscher Kapitäne und Offiziere der Handel? marine Hamburgs abfeiten der Woermann-Linie gemacht, weil er es gewagt hat, eine Enquete über die Wohnungseinrichtungen an Bord der Hamburger Schiffe für Kapitäne und Offiziere zu veranstalten. Das paßte der Woermann-Linie nicht, die folgenden UkaS erließ: An unsere Kapitäne und Offiziere I Die Richtung des Vereins deutscher Kapitäne und Offiziere der Handelsmarine Hamburgs zeigt in letzter Zeit starke Fühlung mit der Sozialdemokratie. Wir halten eine derartige Tendenz dieses Vereins mit der Würde unserer Kapi täne und Offiziere unvereinbar und können auch unsererseits keinerlei Einmischung in interne Angelegenheiten unserer Reederei dulden. Wir sind daher gezwungen, wenn der Verein seine jetzige Haltung nicht aufgibt, unseren Kapitänen und Offizieren die Mitgliedschaft in diesem Verein zu untersagen, was wir hiermit zur Kenntnis bringen, gez. Die Woermann-Linie." Ein zweiterBefehl" untersagt den Kapitänen und Offizieren die Beantwortung der Fragebogen. Etwaige Wünsche unserer Kapitäne und Offiziere sind stets direkt an uns zu richten und werden wir niemals eine Einmischung des Vereins anerkennen." Eine solche Sprache belieben ja kaum die Oberscharfmacher(jegcn ihre Arbeiter, deren Koalitionsrecht sie»üt süßsaurer Miene nicht anzutasten wagen. Aber den bisher in Demut und Loyalität ersterbendenhöheren Kulis" gegenüber glauben sie solche Töne anschlagen zu können. Um eine Aussprache über die schweren Mißverständnisse und falschen Gerüchte" herbeizuführen, wandte sich der Verein der K. u. O. durch seinen Vorsitzenden. Kapitän Freyer, Reserveoffizier der Marine, an die W.-L., die antwortete: Wir haben keinen Anlaß, mit Ihnen über die innere Einrichtung unseres Dienstes zu verhandeln." Der Verein derKapitäne und Offiziere beschritt gegen die W.-L.(Kommanditisten: Adolf und Eduard Woermann, R. F. Peltzer und A. H. Amsinck  ) den Klageweg und zwar beantragte er, der Beklagten unter Festsetzung einer an- gemessenen Geldstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu der« bieten, die Behauptungen:»Die Richtung des qu. Vereins zeigt in letzter Zeit starke Fühlung mit der Sozialdemokratie" und wir halten eine derartige Tendenz dieses Vereins mit der Würde unserer Kapitäne und Lffizicre unvereinbar' uslv." aufzustellen und zu verbreiten. Diese Klage gelangt vor der Zivilkammer IV des Landgerichts Hamburg   zur Verhandlung. In der Klagebegründung weist der Verein der K. und O. die ihm unterschobeneTendenz" weit zurück, hebt seine Beteiligung und Mitarbeit bei der Prüfung und Beratung von Entwürfen auf dem Gebiete der Seegesetzgcbnng und von nautischen Einrichtungen her- vor und schildert die Notwendigkeit deS korporativen Zn- sammenschlusscs der Kapitäne und Offiziere.Der Verein hat zu leiner Zeit parteipolitischen Bestrebungen nachgegeben, seine Leitung und seine Mitglieder haben in der Betätigung ihrer un- erschütterlichen Treue für Kaiser und Reich ihr politisches Glaubens- bekenntnis zum Ausdruck gebracht". Und solche guten Leute werden sozialdemokratischer Gcsimmng verdächtigt, die an anderer Stelle ausführen:Selbstverständlich will der Kläger   nicht der Beklagten das Recht bestreiten, ihre» Kapitänen und Oifizicren die Auskunft- erteilung an den Verein zu untersagen." Diese geradezu klägliche Anschauung wird in demselben Atemzuge unter Hinweis auf das sozialpolitische Interesse der Enquete abzuschwächen gesucht, worauf in längeren juristischen Ausführungen betont wird, daß die Be- hanptung. der Verein unterhalte in letzter Zeit eine starke Fühlung mit der Sozialdemokratie, beleidigend sei und den Mitglieoerstand de» Vereins gefährde. Als ein Verstoß gegeu die guten Sitten wird die Drohmrg der W.- L. bezeichnet, eventuell ihren Kapitänen und Offizieren die fernere Mitgliedichaft w dem Verein der Kapitäne und Offiziere untersagen zu wollen. Wie aus der Klagebegründung hervorgeht, spiegelt sich m de» Köpfen derKapitäne und Offiziere die Welt kaleidoskopartig wieder. Die Herren fühlen wohl die Schmach der ihnen abseilen bei protzigen ReedertumS zu teil gewordene Behandlung, aber ihrStandesbewußtsein" recto Standesdünkel läßt es nicht zu, die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Deshalb glauben sie. durch Hervorhebung ihrer loyalen Gesinimug und durch weites Abrücken von der Sozial- demokratie um gut Wetter blasen zu sollen. Eine solche Gesellschaft wird von ihren Arbeitgebern nicht gefürchtet. Kühl wies die W.-L. jeden BergleichSvorschlag zurück, indem sie einfach sagte:In unsere Matznahmen lassen wir unS von unseren Angestellten nicht hineinreden." Vielleicht sührte diele Behandlung dazu, daß die Herren Kapitäne und Offiziere einmal ernsthast über das Ver- hältnis zwischen Kapital und Arbeit nachdenken. Das Gericht fällte folgendes Erkenntnis: Die Bellagtcn werden bei Meidung einer Geldstrafe von 500 M. für jeden Fall der Zuwiderhandlung verurteilt, die Aufstellung und Verbreitung der Be- hanptung, die Richtung des Vereins deutscherKapitäne und Offiziere usw. zeige in letzter Zeit starke Fühlung mit der Sozialdemokratie, zu unterlassen. Den Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auf- erlegt. Die Woermann-Linie bleibt trotz alledem derHerr", dem die Kapitäne und Osfiziere gerade durch diese Klage bewiesen haben, wie weit von wirklicher politischer Selbständigkeit sie entfernt sind. Ein innerlich freier Mensch strengt wegen der Behauptung, daß er eine Gesinnung habe, keinen Prozeß an. Oesfentliche Angelegenheiten. In einer Versammlung von Metallarbeitern der ZecheRhein- baben" hatte der Referent Hirziefer vom christlichen Verband aus Grund des ihm schriftlich unterbreiteten Materials über die Arbeits, Verhältnisse der Metallarbeiter jener Zeche gesprochen und zum Schluß den Eintritt in den Verband empfohlen, damit eS besser werde. Der Einbcrufer und Leiter Watenphul  , der wegen Nicht- anmeldung einer zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten be- stimmten Versammlung angeklagt worden war, wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Das Landgericht meinte, daß es sich hier um keine Versammlung im Sinne des Z 1 des Vercins- gesetzeS handele. Das Kammergericht hob am 23. Juni das Urteil auf und verwies die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Es wäre ein Rechts- irrtum, wenn das Landgericht. davon ausgehe, daß niemals durch eine Erörterung der Arbeitsverhältnisse in einem bestimmten Be­triebe öffentliche Angelegenheiten erörtert, würden. Der Fall sei sehr wohl denkbar, daß eine Erörterung lokaler Verhältnisse die Oeffentlichkeit berühre. Dann sage das Landgericht, die Erörterung allgemeiner Verbandsangelegenheiten beziehungsweise öffentlicher Angelegenheiten wäre jedenfalls nicht von vornherein beab- sichtigt gewesen und schon deshalb könne der Einbcruser und Leiter nickst bestraft werden. Auch daS wäre bezüglich des Leiters nicht richtig. Allerdings sei eine Versammlung nach § 1 des Vereinsgesetzes nur anuieldepflichtig, wenn in ihr öffent- liche Angelegenheiten erörtert oder beraten werden sollten. In- dessen könne eine an sich nicht anmeldepflichtige Versammlung in ihrem Verlaufe durch ungehinderte Erörterung öffentlicher Angelegenheiten den Charakter einer zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten bestimmten Versammlung annehmen, das heißt zu einer anmeldepflichtigen Versammlung werden. Der Leiter einer zuerst nicht anmeldepflichtigen Versammlung, der jenes nicht verhindere(im Notfalle durch Schließung), mache fich strafbar nach§§ 1 und 12 des Vereinsgesetzes, falls eben die Ver-. sammlung nicht angemeldet sei. Bei der nochmaligen VerHand- lung soll das Landgericht diese Rechtsauffassung berücksichtigen. Nach diesem Urteil müßten die Kammergerichtsräte selbst angeklagt Werden, wenn sie in einer juristischen Gesellschaft soupierten und beim Souper über dieArbeitsverhältnisse" der Richter sich unter- hielten, falls dies Gespräch auf die Erörterung der Notwendigkeit sich erstreckt, den Landtag oder die Justizverwaltung zwecks Minde- rung derArbeitslast" oder zwecks Erhöhung der Gehälter anzu- gehen. Zu solch unsinnigen vermeintlichen Folgen der Gefetze ge- langt der Richter, der nach dem Schema arbeitet:Gibt es keine Möglichkeit, in diesem Falle zu strafen?" und dem zur Grundlage seiner sogenannten Gründe und Erwägungen Schattenbegriffe an Stella dem wirklichen Leben entnommener Vorstellungen macht. Bon einer kaum glaublichen fllesühlSroheit zeugt die Tat. welche gestern den Möbelpolicrer Alfred B a r t e l d t unter der Anklage des Rückfalldiebstahls vor die 2. Strafkammer des Landgerichts I   führte. Der 24jährige Angeklagte lernte am 1. November v. I. den Tischler Otto Noah kennen, der ihn zu einem Glase Bier einlud. Beide be- gaben sich in ein Schanklokal in der Straußbergerstrahe, in welchem eifrig gezecht wurde. Mitten in der Unterhaltung begriffen zog Nc  -ah, der Gewohnheitstrinker war, vermutlich von einer plötzlichen Geistesumnachiung befallen, einen Revolver hervor und schoß sich, ehe eS jemand verhindern konnte, eine Kugel in den Kopf. Es ent- stand in dem Lokal ein großer Tumult, alles schrie nach einem Arzt und nach der Polizei, während der Angeklagte sich um Noah. den der Schutz sofort getötet hatte, als barmherziger Samariter be- mühte. Seine Handlung war jedoch nicht etwa die Sorge um den Unglücklichen, der blutend am Boden lag, sondern stellt sich als eine unglaubliche Habgier und GeflihlSroheit dar. Der Angeklagte benutzte nämlich die Gelegenheit, um dem Toten das Portemonnaie auS der Tasche zu ziehen. Dies war jedoch beobachtet worden. Der Angeklagte wurde festgehalten und der Polizei übergeben, die sofort feststellte, daß er noch ein größeres Schuldkonto zu begleichen hatte. Aus der Strafanstalt Plötzensee vorgeführt, stand Barteldt nunmehr gestern vor dem Strafrichter. Der Staatsanwalt beantragte neun Monate Gefängnis. DaS Gericht erkannte auf eine Zu- satzstrafe von 6 Monaten Gefängnis. Wegen zweier Knabcnmorde zum Tode verurteilt. DaS Kottbuser Schwurgericht sprach vorgestern abend nach vier» tägiger Verhandlung den Bergarbeiter Max Koblitz aus Höditzer Flur bei S e n f t e n b e r g schuldig des Mordes begangen an zwei Knaben. Das Gericht verurteilte den leugnenden An- geklagten darauf zum Tode. Die Verhandlungen entrollten ein entsetzliches Bild eines homosexuellen, aber nach dem übereinstimmenden Gutachten der Aerzte nicht geisteskranken Mannes, der ein sehr bewegtes Loben hinler sich hat. Zur Last ist dem Angeklagten gelegt, daß er am 1. Mai vergangenen Jahres im Drachower Walde den 12 jährigen Sckmlknaben Max Zilinski und am 17. Juni dieses JahrcS den 14 jährigen Schulknaben Paul L o h m a n n aus Meura   er- mordet hat. Im Lauf« der Verhandlungen stellte sich heraus, daß der Angeklagte auch eines dritten noch unaufgeklärten Mordes, begangen an dem 15jährigen Arbeitsburschen Stab ock verdächtig ist. Beide ermordeten Knaben hat der Angeklagte, der viel mit Knaben sich abgab, an sich gelockt nnd scheint vor der durch Erwürgen vorgenommenen Ermordung Sittlichleitsverbrechen an seinen Opfern begangen zu haben. Vorlebe» des Angeklagten. Der Angeklagte ist im Jahre 1873 in Hundsfeld   bei Breslau  geboren. Vom Schulbesuch ist er als Junge von seiner Mutter ab- gehalten worden, die ihn zum Schnapsholen gebraucht hat. Eben- falls war der Vater dem Trünke ergeben und sehr oft mit dein Strafgesetz in Konflikt geraten. Der Angeklagte kam dann in eine Erziehungsanstalt in Gr.-Rosen. Er erlernte darauf das Schmiede- Handwerk. Sein Lchrberr, her auch dem Trünke ergeben war, ver- brannte dem Zungen die Bücher, durch welche sich dieser weiterbilde» wollte, und weil er ihn schlug, ist der Junge ausgerückt. Er kam »ach Frankreich  , Algier  , Balavia und Sumatra  , wo er die Malaria« krankheit durchmachte. Mit einem Küstenschiff rückte er aus. Durch die Trunksucht der Eltern ist er. wie der Oberarzt Dr. Wörnlcin lSorau) begutachtete, erblich hysterisch belastet. Unterstützt durch einen Unfall in Algier   ist längere Zeit eine Lähmung eingetreten, wohei er etliche Tage die Sprache verloren hatte. Ansang der 90er Jahre kam er nach Deutschland   zurück und wurde 1 8 9 3 wegen schwerer Diebstähle und Betruges zu fünf- jähriger Zuchthausstrafe verurteilt. Nach Bervllßung der Strafe kam er in die Senitenberger Gegend, wo er anfangs als Bergmann, später in einem Abraunigeschäjt arbeitete und zuletzt ein uuftätes Leben führte.