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Von der Lehrerschaft sollte erwartet werden, daß sie Einsicht und Rückgrat genug besäße, diese unerhörten Zu- mutungen einmütig mit allem Nachdruck zurückzuweisen. Wenn das gesetzliche Verbot besteht, daß Schüler und Lehrlinge an politischen Versammlungen nicht teilnehmen dürfen, so sollte man doch konsequent genug sein, sich gegen das Ansinnen zu verwahren, die Schule zu weltpolitischer Propaganda zu mißbrauchen! Husland, Schweiz . Handelsvertriige. Das Provisorium mit Oesterreich- Ungarn ist bis 1. August verlängert worden, weil die Ungarn bis zetzt den Bertrag noch nicht behandelt haben. Man erwartet, es werde dies bis t. August geschehen, so daß von diesem Dawm an der neue Handelsvertrag in Kraft treten könnte. Schwieriger gestaltet sich die Sachlage mit Frankreich . Namentlich die Clique der Lyoner Seidenindustriellen befolgt Hoch- schutzzolltendenzen. Schweizerischerseils kommen namentlich Seiden- bänder und-Gewebe. Käse und Uhren in Betracht. Die Waren- bilanz der Schweiz mit Frankreich ist stark passiv. Letzteres müßte bei einem Zollkriege mehr verlieren als die Schweiz . Diese zeigt aber festes Rückgrat. Die Entscheidung dürfte erst Mitte Juli er- folgen, wenn die französische Kammer und der Senat gesprochen haben; dessen Zollkommissionen beraten gegenwärtig den Minimal- tarif._ Zollkrieg der Schweiz mit Spanien . Was wir voraussagten, ist zur Tatsache geworden. Die Schweiz ist mit dem 1. Juli mit Spanien in den wirtschaftlichen Krieg ge- treten. Tic Positionen des neuen schweizerischen Gcncraltarifs sind sehr gesalzen, und namentlich den Wcinzoll von 30 Frank werden die Spanier, die jährlich für 17 Millionen Frank Wein in die Schweiz einführen, sehr zu spüren bekommen. Im General- tarif sind nur 20 Frank Weinzoll vorgesehen, aber der Bundesrat hat einzelne Positionen noch über den Generaltarif hinaus erhöht. Die Schweiz �führt nur für TVt Millionen nach Spanien aus (Stickereien. Seide. Käse, Uhren usw.), Spanien dagegen führt für 30 Millionen ein. ftfrnnkreich. Die Reformregicrung bei Tagesbcleuchtung. Paris , 30. Juni. (Eig. Ber.) Neulich, beim großen oratorischen Feuerwerk zur Kammer- eröffnung, hat der Minister des Innern sein Bekenntnis zum sozialistischen Minimalprogramm abgelegt. Wie es scheint, ist die Arbeitsteilung im jetzigen Kabinett derart organisiert, daß es Minister für angenehme und Minister für unangenehme Botschaften gibt. In diesem Falle ist Herrn Poincare, dem Finanzminister, die Vaterschaft der schlechten Botschaften zugeteilt. Sein Budget- cntwurf ist die peinlichste Ueberraschung für die Steuerzahler, denen man vor den Wahlen die verführerische Weise:Keine An- leihe, keine neuen Steuern" vorgesungen hat. Noch am Vorabend der Wahlen bekamen die Bürger einen Hymnus über den Wohl- stand der Republik zu hören. Auf einmal aber wird ihnen ein Budget vorgelegt, das eine'schlimme Zerrüttung des Staatshaus- Halts offenbart. Bei einem Erfordernis von 4010 Millionen sind 377 Millionen ungedeckt. Davon entfallen 193 Millionen auf mili- tärische Ausgaben, die im kritischen Augenblick der Marokkoaffäre ohne Zustimmung des Parlaments gemacht wurden. Im ganzen sind 244 Millionen als zeitweilige Ausgaben ein- gestellt, die der Finanzminister'durch eine Anleihe aufbringen will. Die 199 Millionen dauernde Ausgaben aber sollen durch neue Steuerreformen gedeckt werden. Vor allem soll die Abgabe für Erbschaftsanteile über 19 999 Frank um 39 Proz. erhöht werden. Eine gleiche Bestimmung ist für Schenkungen zwischen Lebenden vorgesehen. Dazu kommen Erhöhungen der Taxen für Jnhaberpapiere und Efscttenumsatz, eine Besteuerung der söge- nannten Aperitivgetränke, wie Absinth, Wermut, Bitter, merk- würdigerweise aber auch eine Auflage von ä Centimes für jede Flasche Mineralwasser I Das französische Budget hat also die vierte Milliarde über- schritten. Seit 1899 ist es um nicht weniger als 1299 Millionen gestiegen. Aber gegen diese Vermehrung wäre am Ende wenig einzuwenden, wenn die erhöhten Ausgaben sozial und kulturell nützlichen Zwecken zugute kämen. Aber der größte Teil ist dem Militarismus geopfert worden, dessen Gefräßigkeit von den wechselnden politischen Aushängeschildern der Bourgeoisregierungen nicht berührt wird. Seit der Errichtung der dritten Republik hat der Militarismus nicht weniger als 42 Milliarden verschlungen. Auf die Dauer verträgt auch ein so reiche» Land wie Frankreich diese Wirtschaft nicht. Noch bleibt allerdings eine ergiebige Quelle von Staatseinnahmen zu erschließen: die Einkommensteuer aber es ist nur allzu wahrscheinlich, daß diese Steuer, wenn sie jetzt wirklich beschlossen wird, die Kapitalisten möglichst schonen und in- folgedessen auch nicht viel einbringen wird. Immerhin hat schon die durch das Budget eröffnete Aussicht auf die Einkommen- fteuer die wohl hauptsächlich durch die russischen Ereignisse in Un- ruhe versetzte Pariser Börse in eine noch größere Aufregung ge- bracht. Daß die reaktionäre Presse diese Situation politisch zu ver» werten sucht, ist begreiflich. In jedem Fall« aber trägt die R e> ?ierung daran die Hauptschuld, da sie der ihren Verzweiflung». ampf kämpfenden zarischen Reaktion den Rückhalt an dem von französischer Arbeit aufgestapelten Kapital geboten hat. Wer als erster die Folgen dieser schlimmen Finanzlage zu tragen haben wird, da« ist wenigsten« nach den Plänen der regierenden BourgcoiSdcmokratie- die arbeitende Klasse. Vor allem steht die Sache der Altersversicherung recht übel. War e» schon von Anfang an wenig wahrscheinlich, daß der Senat daS Gesetz in der von der Deputiertcnkammcr in Vorwahlstimmung beschlossenen Fassung annehmen würde, so muß man heute damit rechnen, daß die radikale Majorität der Deputiertenkammer die Verschleppung des Gesetzes nicht ungern sehen wird. Das ge- mäßigteJournal des DebatS " hat gestern zynisch erklärt, daß es überhaupt am besten wäre, die ganze Altersversorgung in den Papierkorb zu werfen I Die Regierung muß natürlich in einer anderen Tonart sprechen, aber sie denkt nicht viel anders: Herr Poincare hat in der SenatSkommission erklärt, die Regierung sei wohl für die obligatorische Versicherung, aber gegen da» von der Deputiertenkammer beschlossen« garantierte Maximum von 369 Frank. Auch meinte er, der Rentcnbezug müsse auf die- jenigen beschränkt werden, die durch ihre Beiträge den Anspruch darauf erworben hätte». Die übrigen seien der Altrrsfürsorge zu überweisen. Das bedeutet den Wegfall der Uebergangsbestnn- , nungen. die schon jetzt den alten Arbeitern eine Rente von 129 Frank als Mindestbetrag sicherten. Ohne eine solch« Ueber« gangSbejiimmung jedoch ist da« Gesetz überhaupt für die Sozialisten unannehmbar. Der Minister aber hat auch erklärt, daß dem Gesetze die Sicherung der zu seiner Durchsührung notwendigen Mittel vorangehen müsse. Mit Recht bemerkt Jauräs in derHumanite" dazu:Das scheint theoretisch ganz plausibel praktisch bedeutet es die Verhinderung jeder Reform." Der Minister hat da dem Senat die Waff« in dt« Hand gedrückt, mit der dieser das Gesetz wird umbringen wollen. Bei den Riesenausgaben für den Mili- tarismus hat man nie vorher gefragt, wie man die nötigen Mittel aufbringen werde. Die buchhalterische AengstlichkeU fängt bei der dringendsten Forderung der arbeitenden Klasse an. Die neue Aera des reformistischen, die soziale Frage ohne Klaffen- kämpf lösenden Radikalismus läßt sich gar hoffnungsvoll an: mit der Auslieferung der alten Arbeiter an das Elend und an die Arnienversorgung-_ Pnris, 2. Juli. KassalienShof. Ter Generalstaatsanwalt unterzieht im weiteren Verlause seiner Ausführungen daS Schrift- stück Nr. 26 des geheimen Dossiers einer Prüfung, in dem L dem A ankündigt, daß er den EisenbahnorganisationSplan erhalten verde, und lodann daS dem Deutschen Kaiser zugeschrieben« Doku- ment, in dem der Name Drehfus mit vollen Buchstaben enthalten ist. Drehfus habe in seinem Gesuch an den Justizministcr gegen dieses Schriftstück protestiert, das zu seiner Verurteilung führte. Serbien . Die Skuptschina ist durch die Nachwahlen vom Sonntag um 3 Altradikale, 2 Nationalisten und einen Fortschrittlerbereichert" worden. Demnach haben im ganz«» die Altradikalen 99, die Jung- radikalen 48, die Nationalisten 16, die Fortschrittler 9 und die So- zialisten ein Mandat erhalten. Wodurch die Grundlagen der Republik Hamburg jus Wanken gerateu. Als das Gericht am Montag in dem Prozeß gegen Genossin Luise Zieh das Urteil verkünden wollte, stellte der Verteidiger noch zwei Beweisanträge: 1. den Landgerichtsdirektor Dr. Ewald, den Vorsitzenden der Schwur- und Landgerichtsprozesse gegen die Schopcnstchler", als Zeugen darüber zu vernehmen, daß ein Zu- sammcnhang zwischen der Tätigkeit der sozialdemokratischen Parteileitung und den Krawallen am Schopenstehl nicht festgestellt worden ist; 2. Profeffor Dr. Sombart als Sachverständigen zu vernehmen, daß die äußere Gewalt in der Theorie und Praxi? der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung nicht als Mittel zur Erobe- rung der politischen Macht angesehen, sondern als ein reaktionärer Faktor bezeichnet wird. Diese Anträge begründete Dr. Herz unter Hinweis auf die Annahme des Staatsanwalts, daß die Sozial- demokratie die Anwendung gewaltsamer Mittel propagiere. Die in so ungerechter Weise angegriffene Angeklagte wolle ferner im Parteiintereffe verhindern, daß dieser Prozeß von gewissen Ele- menten politisch fruktifiziert werde. Staatsanwalt Knorr , der den etwas später eintreffenden Staatsanwalt Dr. Echoen vertrat, be- stritt, daß sein Kollege behauptet habe, es bestehe ein Zusammen- hang zwischen der sozialdemokratischen Parteileitung und der Schopenstehlaffäre, wie er auch bestritt, daß Theorie und Praxis der Sozialdemokratie in diesem Prozeß eine Nolle spielen. Hier habe man es nur mit den Reden der Angeklagten zu tun. Der Staats- anwalt ersuchte um Ablehnung der Anträge, was auch geschah, mit der Motivierung, daß die Anträge, auch wenn die Zeugen im Sinne der in den Anträgen niedergelegten Ansichten aussagen würden, für die Beurteilung der Sachlage nicht von Bedeutung seien. Die Angeklagte weist die Unterstellung des Staatsanwalts Dr. Schoen, der inzwischen seinen Platz eingenommen hat, energisch zurück, daß sie eine unehrliche, skrupellose Person sei; in ihrer agitatorischen Tätigkeit bringe sie stets ihre ehrliche Uebcrzeugung zum Ausdruck. Das Gericht spricht die Angeklagte von der Anklage aus Z III Aufforderung zu strafbaren Handlungen frei, verurteilt sie aber wegen Anreizung zu Gewalttätigkeiten in drei Fällen zu drei Monaten Gefängnis. In diesen drei Fällen habe die Angeklagte bei Besprechung der Flotten-, Steuer- und Wahlrechtsvorlage Dinge erörtert, die wohl passiert sein mögen. Aber sie habe diese Tinge, wie Soldatenmißhandlungen, Kolonial- fragen usw., nicht objektiv und unparteiisch beleuchtet, sondern nur die Schattenseiten hervorgehoben, denen doch auch viele Lichtseiten gegenüberstehen. Die Angeklagte habe nur schwarz in schwarz gemalt; nach ihrer Ansicht liege in Deutschland alles auf das denkbar traurigste. Alle Lasten würden dem Volke auferlegt, für dieses gebe es keine Freuden, keine Genüsse. Die Kinder des Volkes sollen nach ihrer Darstellung mißhandelt und schikaniert werden usw. Wenn solche Reden sortgesetzt einem urteilslosen Publikum gehalten werden, wenn immer nur gesagt wird: Ihr seid die Unterdrückten und Ausgebeuteten, dann werde dadurch eine schlechte Stimmung bei den Hörern erzeugt, werde bei ihnen der Keim zu Gewalttätigkeiten gelegt, würden sie zu der Ansicht ge- bracht, daß nur die Anwendung der Gewalt zum Ziele führe. Da- mit habe die Angeklagte objektiv gegen H 139 des Strafgesetzbuches verstoßen. Diese Stimmung brauche nicht gleich in Gewalttätig- leiten umzuschlagen, sie könne aber früher oder später zu Gewalt- tätigkeiten führen. Ein- solches Vorgehen störe den öffentlichen Frieden. Das Gericht habe festgestellt, daß die Angeklagte ver- schiedene Klassen gegeneinander angereizt habe, denn sie sei nicht allein dabei geblieben, die Gegensätze der verschiedenen Klassen und die Mißstände in Deutschland zu schildern, sondern sie habe in ihren Reden wiederholt auf Rußland verwiesen, auf ein Land, wo mit blutigen Mitteln gekämpft werde, um bestimmte Klassen zum Ziele zu bringen. Wenn das urteilslosen Leuten fortgesetzt gesagt werde, dann sagen sich diese: Nun, dann machen wir das hier ebenso. In der ersten Rede werden die sächsischen und russischen Vorgänge als Muster hingestellt; k�e Rednerin habe gesagt, in Rußland nähmen die Frauen teil am Kampf, griffen zu Revolvern usw. und bestiegen die Barrikaden. Den abschwächenden Zusatz:Wir haben in Deutschland gesetzlichen Boden, wir brauchen solche Mittel nicht anzuwenden," habe die Angeklagte nach Ansicht des Gerichts nicht gemacht. In der zweiten Rede habe die Angeklagte gesagt:Spannt den Bogen nicht zu straff", und in der dritten habe sie wieder auf Rußland und die dort zur Anwendung gelangten Mittel verwiesen. Damit seien die Tatbestandsmerkmale des§ 139 erfüllt. Wenn nun die Angeklagte behaupte, sie mahne stets zu Gesetzlichkeiten, so müsse sie sich doch sagen, daß solche hetzerischen Reden auf frucht» baren Boden fallen können. Da könne von einer Revolutionicrung der Geister keine Rede mehr sein, daS sei eine Revolutionierung im Sinne der Fäuste. Die Angeklagte habe sich in subjektiver Hin- ficht vergangen. Die Meinung der Angeklagten, das Gericht ver- stehe ihre Anschauungen nicht, sei eine irrige: da» Gericht wisse sehr wohl, daß die Angeklagte für eine neue Weltanschauung kämpfe. wa» man ihr durchaus nicht übel nehme. Bei diesem Kampfe komme e» aber auf da» Wie an ein Kampf dürfe nicht mit vergifteten Waffen geführt werden. DaS Gericht habe deshalb nicht auf«ine höhere Strafe erkannt, weil es sich um einen politischen Kampf handele._ Hua Induftm und ftandel Der 1. Juli ein kritischer Tag. In den letzten Wochen hatte anscheinend da» fieberhaft« Stteben, die Preise zu steigern, etwas nachgelassen, es hat sich aber an- scheinend nur um ein« Unterbrechung gehandelt. Fast von allen Gebieten der verarbeitungSindustrte werden jetzt wieder Preis- erhöhungen gemeldet. Meist kommt hierbei daS Streben zur Geltung, die Verteuerung ber Produktion infolge der Preis- fteigerungen der Rohprodukte durch Heraufsetzung der Preise für fertige Erzeugnisse wieder auszugleichen und wo«» geht, die Verteuerung des Rohmaterials noch zu überholen. Wenn beispielsweise die Preise für Kohlen um 12 M.. die Er- werbungskosten für Koks um 34 M. und die Preise für Rohspat und Rostspat im letzten Jahre um 24 M. resp. um SS M. hinauf- gingen, dann folgen natürlich auch die Preise für Roheisen, Halv- zeug. Walzprodukte usw. In den letzten Tagen wurden Preisausschläge vorgenommen u. a. für Gußlvaren, Kupferrohr«. verschiedene Arten Meten und Kleineisenzeug. Teilweis« müssen'diese Preissteigerungen als Nach- wehen vorausgegangener Materialverteuerung betrachtet werden, nur in geringerem Umfange sind sie als Ausgleich der mit dem 1. Juli in Kraft getretenen erhöhten Rohmaterial- und Halbzeugpreise anzusehen. Infolge der großen Bedürfnisse für Neuanlagen und Betriebs- erweiterungen auf fast allen Werken der Montanindustrie ist oller- dingS die Nachfrage zurzeit noch recht rege. Die Werke setzten sich eben zu einem guten Teile gegenseitig selbst in Nahrung. Die vielen Aufträg» der Zeche» an die Siseuindustrie steigern den Brennmaterialienverbrauch dieser, und die starke Kohlen- abnahm« reizt zu Neuanschaffungen und Betriebserweite- rungen bei den Zechen. Aber die Frage ist berechtigt» wie lange wird daS dauern? Die jetzt in Kraft tretenden höhere« Materialpreise können den Anstoß zu einer rückläufigen Bewegung geben. Gewiß, die Werke sind noch auf Monate reichlich mit Auf­trägen versehen, andererseits läßt sich aber auch nicht leugnen, daß die Unternehmungslust, die trotz aller Schönmalereien doch in erheblichem Umfange die augenblickliche Konjunktur beeinflußte, seit einigen Wochen stark abgeflaut ist. Der so viel betonte starke Konsum resultiert eben in erheblichem Umfange aus dem Eigenverbrauch der industriellen Unternehmungen, aus der Ver» mehrung der Produktionsmittel. Er ist mithin spekulativer Natur und die Abschreckung der Spekulation ist der Zusammenbruch der Hauptstütze, auf welcher der glänzende Konjunkurtbau ruht. Eine neue Alpenbahn. Der Große Rat des Kantons Bern hat nach dreitägigen Ver« Handlungen die Vorlage de« Regierungsrates betreffend die Lötschbergbahn angenommen. Gegen die Vorlage stimmten die sozialdemokratische Fraktion und einige Konservative und zwar deshalb, weil es sich herausgestellt hat, daß das Projekt des Alpen « durchstichs nicht mit der nötigen Umsicht und Gewissenhaftigkeit studiert worden ist. Fachleute haben ausgerechnet, daß die Fahrt von Bern nach Brig (die neue Bahn soll eine Zufahrtslinie zum Simplon werden) durch den Lötschberg mit dem vorgesehenen Steil« rampenprojekt ill2 Stunden länger dauern wird, als wenn der Wildstrubelberg als Schienenweg benutzt würde. Merkwürdigerweise haben aber mcht die für das Wildstrubelprojekt sich aussprechenden internationalen Experten den Ausschlag gegeben, sondern die ganze Angelegenheit wurde zu einer politischen Aktion gestempelt! Im Initiativkomitee saßen nämlich fast lauter Häupter der gouvernementalen, der freisinnig-demokratischen Partei, an der Spitze der gegenwärtige Nationalratspräsident Hirter. Dieses Komitee ließ Pläne, Kosten« Voranschläge ausarbeiten, trat zwecks Finanzierung dieses Projektes mit Finanzsyndikaten in Verbindung und schloß schließlich mit dem Pariser Bankhause I. Loste u. Co. einen Vertrag ab, nach welchem dieses Institut den Bau übernimmt und ein Anlagekapital von 89 Millionen Frank zur Verfügung stellt. Dieser Vertrag wurde provisorisch unterzeichnet(immer vom privaten Komitee) und als alles fix und fertig war, wurden Großer Rat und Regierungsrat des Kantons Bern vor ein ka.it accompli gestellt. Die Bahn soll elektrischen Betrieb erhalten. Der Kanton Bern leistet 17Vz Millionen Frank, die interessierten Gemeinden 21 Millionen Frank SubventionS- kapital. Im Großen Rate warnten umsonst der Sprecher der Sozial« demokraten, Genosse Finanzdirektor Müller- Bern und der konservative Nationalrat Ulrich Dürrenmatt vor einer über» eillen Beschlußfassung. Umsonst wurde auch darauf hingewiesen, daß die Offerte von Loste u. Co. um mindestens zehn Millionen Frank zu hoch sei. Die Freisinnigen gaben nicht nach, weil die Befikr« worter anderer Projekte in anderen Parteien saßen und man den Ruhm, den Berner Alpendurchstich ausgeführt zu haben, voll und ganz der freisinnigen Partei zukommen lassen wollte. Bis 1914 soll der Bau vollendet sein. Mit den nachträglichen Krediten werden die Kosten des Bahnbaues wohl auf 199 Millionen Frank zu stehen kommen, wovon 33 Millionen allein der Tunnel verschlingt._ Italienische Rentenkonversion. Italien konvertiert seine 4 prozentige Rente. Das gesamte zur Umwandlung kommende Rentenkapital be- läuft sich auf 8191 Millionen Lire , wovon 4721 Millionen Lire auf den Namen und der Rest auf Inhaber lauten. Nach dem Konversions- plan bleiben bis zum 1. Januar 1997 die Besitzer in dem bisherigen ZinSgenuß von 4 Proz., alsdann erhalten sie bis 1. Januar 1912, also für einen Zeitraum von S Jahren S'/« Proz. Zinsen, und nach Ablauf dieser Periode soll der Zinsfuß automatisch auf 3'/, Proz. sinken. Ausdrücklich wird zugesichert, daß die Rente von jeder gegen- wärtigen oder künftigen Steuer befreit sein soll. Auf eine weitere Zinsherabsetzung verzichtet die Regierung bis Ende 1920. DaS italienische Parlament hat noch am 29. Juni, kurz vor dem Beginn der Ferien, den Konversionsvorschlag der Regierung an- genommen; und darauf ist sofort das die Ausführungs« bestimmungen enthaltende königliche Dekret erschienen. Daß die Maßregel in diesem U», fange vorgenommen werden kann, beweist. wie sehr die wirtschaftliche Lage Italiens in den letzten zwei Jahrzehnten sich gebessert hat. Für das nichtitalienische Kapital hat die Konvertierung nur ver- hältnismäßig geringe Bedeutung, denn der größte Teil des aus« ländischen Besitzes an italienischer Rente ist längst nach Italien zurückgewandert. Ueber neun Zehntel des Rentenbesitzes ist in italienischen Händen. Der AnteU des Auslandes dürfte sich nur aus etwa 799 Millionen Lire stellen. OewefKseKaMicKes. Solidarität. Einen praktischen und nachahmenswerten SolidaritätS- beweis für die ausgesperrten Buchbinder. Lithographen und Steindrucker haben die Leipziger Buchdrucker ge- liefert. In ihrer Freitagversammlung beschlossen sie. au2 ihrem Lokalfondd 5000 M. sofort und pro Woche und Mit- alied einen Extrabeitrag von 30 Pf. den Ausgesperrten zu übermitteln. Berlin und dmgegtnd. Achtung! Bauhandwerker! Wegen Nichtbewilligung der Forderung auf Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung de» Stundenlohnes sind am Montagfrüh sämtliche bei Berliner Ftnnep arbeitende Backofen maurer in den Streik getreten. Etwa die Arbeit aufnehmende Maurer er» suchen wir, auf obige» aufmerksam zu machen und der Verband»- leitung der Maurer. Engclufer IS, gefl. von solchen Fällen Mit- teilung zu aeben. VerbandSleitung der Maurer Berlin» und Umgegend- Zur Aussperrung her Glaser. Wie am gestrigen Montag im Kontrolldureau des Glaservex, bandes festgestellt wurde, hat d,e Aussperrung«inen größeren Um- fang als den bereit»«meldeten bisher nicht angenommen. Es schemt auch, als sei die Mehrzahl der Meister nicht gewillt, den Tarif» bruch der JnmingSscharftnacher mitzumachen. Eine Anzahl kleinerer Finnen hat die Aussperrung bereits wieder rückgängig gemacht. Sie gaben an. geglaubt zu haben, daß d« Gesellen noch vor Ablgus des Tarifvertrags höhere Löhne verlangen wollten. Nachdem sie aber ihren Irrtum eingesehen, erklärten sie, dgjj zur Aussperrung ihrer Arbeitskräfte kein Anlaß mehr vorliege. Auch mehrere größere Firmen ließen den Verbandsvertretern sagen, sie würden sich hüten, ihre Leute mitauSznsperren. weil sie nicht die mindeste Luft hätten. den Hauptakteuren des Untcrnehmerverhandes die Kästgmen aus dem Feuer zu holen. Ausgesperrt haben folgende Firmen: I. Schmidt(Bleistein)', Salomonis, Schneider u. Sohn, Zielk«. Bern . Hardt«. Zielke, Spinn». Co..Schulze, Jost. Kar« funkel V- W o l f f, Gregoleit, 6. E. Hoffmann(M, p. Ottowicz). E. Schmidt(Brandenburg ). Souchard. Heinersdorf u. Co., Röhlich(Vorsitzender der Unter« nehimr-Tarifkommission). Pilatz, MannS. Rogge, Becker» Kutzinskr, Kautel, Markus, Ehrmann, Höhne, Novotnh, Tarius und Grasenak. Der Ok�rmeister Köppen von der Charlottenburger Innung, der sich ebenfalls, wenn auch vergeblich für die Aussperrung ins Zeug legte, hatte das Pech, daß ihm sein einziger Gehülfe, den er beschafigt, davongegangen ist. Er hätte aus Grund des in der Berliner Arbeitgeberversamm» lung gefaßten Beschlusses diesen Miann gar nichtauszusperren- brauchen, weil derselbe unorganisiert war, deshalb würbe