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Nr. 252.
Erfcheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: BiertelJährlich 3,30 Mart, monatlich
1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. fret. in's Saus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pig. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr. Monat. Eingetr. In der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.
Vorwärts
9. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Donnerstag, den 27. Oktober 1892. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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„ Vorwärts"
Berliner Volksblatt
mit der illuftrirten Sonntagsbeilage
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Neue Welt“.
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unter Nr. 6652.)
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Wenn jemals das alte Römerwort, das den höchsten Armee der Eidgenossenschaft 201 828 Mann( Auszug" und Aberwig bezeichnen sollte: propter vitam vivendi perdere Landwehr", ersterer die Männer von 20-32, letterer die causas um des Lebens willen des Lebens Quellen zer von 33-44 umfassend) und der Landsturm 295 600 Mann. Wahrheit geworden ist, dann hier: der Militarismus Die kleine Schweiz mit ihren drei Millionen Einwohnern behauptet nothwendig zu sein zur Erhaltung des nationalen stellt also eine Armee von einer halben Million, Lebens, und in Wirklichkeit zerstört er es. Er erdrückt das die für die Vertheidigung des Laudes sicherlich vollauf so Volt, als dessen Schutzengel er sich hinstellt. gut ist, wie die gleiche Zahl stehender Truppen. Da DeutschRein Zweifel, wir stehen am Scheideweg; folgen wir land 17 mal so viel Einwohner hat, so würde es beim dem Herrn Caprivi, nehmen wir die Militärvorlage an, Milizsystem nach Analogie der Schweiz das 17 fache an und mit ihr im Prinzip die weiteren Militärvorlagen, die Truppenzahl, d. i. a cht und eine halbe Million in ihren Falten verborgen sind, so ist der Bankrott sicher, Truppen stellen, und zwar, wie wir in unserem gestrigen der wirthschaftliche, der politische, der geistige- Deutschland Artikel sahen, mit einer Ausgabe von nur 340 Millionen hat kein Bolt mehr, es ist blos noch eine Kaserne, in der Mart- 87 Millionen weniger als wir jetzt für ein Drittel für die Künste des Friedens kein Raum. Die Barbarei der gleichen Truppenstärke zahlen, und 160 Millionen weniger, herrscht, die Zivilisation hat sich in die Ecke zu stellen und als wir nach Caprivi's Zumuthung in Zukunft für die das Haupt zu verhüllen. Hälfte bezahlen sollen.
Romme man nicht mit dem Einwand, die Soldaten der stehenden Heere seien den Milizsoldaten überlegen. Die Geschichte hat das Gegentheil bewiesen.
Das darf nicht sein! Das soll nicht sein! Der Selbsterhaltungstrieb bäumt sich auf gegen ein solches Beginnen. Das Leben sträubt sich gegen den Tod; und die Dinge haben sich jetzt zur Zwangswahl zugespitzt: Deutsch - Die technisch geschulten Armeen sind stets schließlich den land oder der Militarismus. Bolksarmeen erlegen die Armeen der österreichischen die von dem Militarismus lebt, hat ein Lebensinteresse, mit Armee Friedrichs des Großen den franzöſiſchen Freiwilligen, Deutschland , mit Ausnahme der winzigen Minderheit, Ritter und der Burgunder den schweizer Bauern, die dem Militarismus zu brechen, sich ihn vom Hals zu schaffen. Die Armee Napoleons der preußischen Landwehr. Und das Nationale Verkümmerung und schließlich der Tod- oder weg schweizerische Milizsystem läßt sich noch sehr vervollkommnen, mit dem Meergreis des Militarismins! Der furchtbare wenn die förperliche Wolfserziehung entsprechend ausgebildet Schwamm, der dem Baum deutschen Volksthums den Saft würde. Jedenfalls ist es im Rahmen des Milizsystems entzieht, ihn verdorren läßt, muß mit fräftiger, entschlosse möglich, die breiten Massen zu tüchtigeren, namentlich im ner Hand abgeschnitten werden, auf daß der Baum wieder Marschiren und Schießen ciel leistungsfähigeren eyes
Die Redaktion und Expedition des Vorwärts" Berliner Volksblatt. gvfine und blühe. Abgeschnitten bis auf den letzten, männern zu machen, als dies bei dem System der stehenden
Gegen
Die Militärvorlage.
fleinsten Rest. Denn der Stumpf tann nachwachsen. Und Heere möglich ist.
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aus ihnen
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den Militarismus muß man mit Stumpf und Stil aus In die Einzelheiten der Caprivi'schen Militärvorlage rotten. Er ist seinem ganzen Wesen nach volksfeindlich. einzugehen, ist nach vorstehend Gefagtem überflüssig. Er will obgleich er den Lockruf vom„ Volk in Waffen" Bemerkt sei nur noch, daß die ganze politische Voraus ertönen läßt- er will nichts gemein haben mit dem fegung, auf welche die Caprivi'schen Pläne sic stützen, irrig Volt; er will die Soldaten loslösen vom Volk; und hinfällig ist die Voraussetzung, daß Deutschland eine besondere, höhere Kaste errichten, zum Kampf gegen Frankreich und Rußland sich rüften, Wie ein Sturmwind braust es durch die deutschen deren Fußschemel die andere Kafte" das Zivil" und darum die gleiche Militärmacht haben müsse, wie Lande. Von Süd und Nord, von Ost und West erschallt ist. Drum kann er auch nicht in die Verkürzung Frankreich und Rußland zusammengenommen. aus allen Theilen des Reichs der Ruf:" Das ist zu der Dienstzeit willigen. Die Züchtung des militärischen Das ist so falsch, daß selbst die National- Zeitung", trob arg! Was diese neue Militärvorlage fordert, das kann Geistes" erheischt längere Zeit, und sie gilt dem Militarismus ihrer staatsmännischen Schachergelüfte, sich dagegen ausfein Volk gewähren, ohne sich selbst zu Grunde zu richten." tausendmal mehr, als die Vertheidigung des Vaterlandes. Sprechen muß. Wir haben vom realpolitischen StandZum ersten Mal, seit das deutsche Soldatenreich gegründet Der militärische Geist aber heischt blinden Gehorsam, Ent- punkt aus betrachtet- bloß mit Frankreich zu ward, sehen wir, daß zwar nicht alle Parteien die bürgerlichung, Bereitschaft zum Dienft" gegen das rechnen. Rußland ist außerhalb der Rechnung, weil sein Führer haben meist ihre durch Sonderinteressen streng bor eigene Bolk. Eintreten in die Aktion andere Mächte zum Hangefchriebene Bahn aber die Masse der Mitglieder aller Bar- Hier liegt der einzige Grund, den die Männer des deln zwänge, die Rußland über und über gewachsen teien einig sind in einem Gedanken, in dem Gedanken: Militarismus dem von uns geforderten System der all- find. Wir denken da nicht an den unglücklichen DreiDiese Militärvorlage ist unannehmbar! Der Militarismus gemeinen Volksbewaffnung, dem Milizsystem entgegen zu bund", dem die Regierung in der Begründung ihrer ist zu einer Gefahr für das Gemeinwohl geworden. Bis jetzen haben. Für den Zweck der Landesvertheidigung Bis jeten haben. Für den Zweck der Landesvertheidigung Militärvorlage das vernichtendste Beugniß ausstellt, indem hierher und nicht weiter!" So hallt es aus den einzigen Zweck, dessen Berechtigung wir anerkennen, ist sie ihn gar nicht erwähnt wir meinen in erster liberalen, aus fortschrittlichen, aus ultramontanen das Milizsystem viel besser als das militaristische System Linie Desterreich und die Türkei , gegen deren und aus konservativen Kreisen, ebenso gut wie aus der stehenden Heere mit„ militärischem Geist." Sehen wir Existenz die Aktion Rußlands sich richten würde, sozialdemokratischen. Justinktmäßig fühlt unser Volk, daß nur zu, was die Schweiz leistet. Nach dem neuen Heeresgesetz in zweiter Linie England, das unter keiner Bedingung es an einem Wendepunkt seiner Geschicke angelangt ist, und vom Jahre 1887, das jeden Bürger vom zurückgelegten 17. bulden kann, daß die Russen, unter dem Vorwande für daß der Weg des Militarismus zum Verderben, zum bis zum vollendeten 50. Lebensjahr landsturmpflichtig, und Frankreich zu kämpfen, sich Konstantinopels : des Schlüssels nationalen Untergang führt. vom 20.- 44. Lebensjahre wehrpflichtig macht, zählt die aktive zum Mittelmeere, bemächtigen. Das duldet keine englische
Feuilleton.
Macbrua verboten.)
Die Waffen nieder!
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Vielleicht ein Verwandter vom Bräutigam unserer armen Rosa," bemerkte ich. Graf Grünne- Verwundet 3. Juli gestorben 5. Juli....
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Was mag er in den zwei Tagen gelitten haben!... Ob das wohl ein Sohn des Grafen Grünne war, der vor dem Krieg den bekannten Satz geäußert: Mit naffen Fetzen werden wir die Preußen verjagen?" Ach wie wahn wißig und frevlerisch, wie schrill mißtönig klingt doch jedes Einsam war es auf diesem Kriegsacker nicht. Viele, vor dem Kriege gesprochene Aufreizungswort, wenn man Biele hatte der Allerseelentag hierhergebracht- aus sich's an solcher Stelle wiederholt? Worte: weiter Freundes- und aus Feindesland- welche gekommen waren, nichts- Prahlworte, Hohuvorte, Drohworte- geauf der Stätte niederzuknieen, wo ihr Liebstes gefallen. sprochen, geschrieben und gedruckt die nur haben dieses Schon der Zug, mit dem wir gekommen, war mit anderen Feld bestellt. Trauernden gefüllt gewesen und so hatte ich schon Wir gehen weiter. Ueberall mehr oder minder hohe, mehrere Stunden lang um mich jammern und klagen ge- mehr oder minder breite Erdhügel... auch da, wo der hört. Drei Söhne drei Söhne... einer schöner und Boden nicht erhaben ist, auch unter unseren Füßen modern beffer und lieber als der andere- habe ich bei Sadowa vielleicht Soldatenleichen
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verloren!" erzählte uns ein ganz gebrochen aussehender Immer dichter rieselt der Nebel: alter Maun. Noch mehrere andere der Wagengenossen" Friedrich- setze doch Deinen Hut auf: Du wirst mischten ihre Klagen dazu: um den Bruder, den Gatten, Dich" erfälten." den Bater. Aber von allen diesen hat mir feiner solchen Eindruck gemacht, wie das thränenlose, dumpfe Drei Söhne, drei Söhne!" des armen Alten.
Auf dem Felde selbst sah man von allen Seiten, auf allen Wegen schwarze Gestalten gehen, oder kuien oder mühsam weiter schwanken, mitunter laut aufschluchzend zufammenbrechen. Es waren nur wenig Einzelgräber da, nur wenig inschrifttragende Kreuze oder Steine. Wir bückten uns und entzifferten, so gut das Dämmerlicht es noch getattete, einige Namen.
Włajor von Reuß vom 2. preußischen Garderegiment.
Friedrich aber blieb unbedeckt, und ich wiederholte meine Mahnung kein zweites Wtal.
Unter den Leidtragenden, die hier umher wandelten, befanden sich auch viele Offiziere und Soldaten; wahrschein lich solche, die den heißen Tag von Königgräß selber mit gemacht und jetzt an die Stelle gepilgert waren, wo ihre gefallenen Kameraden ruhten.
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auf dieser Stelle war es am wahrscheinlichsten, daß die von ihnen Beweinten da begraben seien. An dieser Umfriedung tuieten und schluchzten die Beraubten, hier hingen sie ihre Kränze und ihre Grablaternen auf.
Ein großer, schlanker Mann, von vornehmer jugendlicher Gestalt, in einen Generalsmantel gehüllt, tam auf den Tumulus zu. Die anderen wichen von der Stelle ehrerbietig zurück, und ich hörte einige Stimmen flüstern:
Der Kaiser..
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" Ja, es war Franz Joseph . Der Landesherr, der oberste Kriegsherr war es, der da am Allerseelentag getommen war, für seine todten Landeskinder, für seine gefallenen Krieger ein stilles Gebet zu verrichten. Auch er stand unbedeckten, gebeugten Hauptes da, in schmerzerfüllter Ehrerbietung vor der Majestät des Todes.
Lange, lange blieb er unbeweglich.-Ich konnte mein Auge nicht von ihm wenden. Was mochten für Gedanken durch seine Seele ziehen was für Gefühle durch sein Herz, welches doch das wußte ich ein gutes und ein weiches Herz war? Es überfam mich, als könnte ich ihm nachfühlen, als könnte ich gleichzeitig mit ihm die Gedanken denken, die seinen gesenkten Kopf durchkreuzten:
Ihr, meine armen Tapferen... gestorben... und wofür?... Wir haben ja nicht gefiegt... mein Venedig ! Verloren.. so vieles, so vieles verloren auch euer junges Leben.. Und ihr habt es so opfermuthig hergegeben... für mich für mich... O fönnte ich es euch zurückgeben! Ich, für mich, habe ja das Opfer Jetzt waren wir an den Platz gelangt, wo die meisten nicht begehrt für euch, für euer Land, ihr meine Krieger Freund und Feind nebeneinander- begraben Landeskinder, seid ihr in diesen Krieg geführt worden lagen. Der Platz war wie ein Kirchhofumfriedigt. Und nicht durch mich... wenn es auch auf meinen Befehl. Hierher firämte die größte Anzahl der Trauernden, denn geschehen hab' ich denn nicht befehlen müssen? Nich
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