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Nr. 47.

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Vorwärts

8. Jahrg

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Das russische Finanz­Paradies.

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Mittwoch, den 25. Februar 1891.

begierig zu erfahren, woher dieſer verfügbare Baarbefſtand

Expedition: Beuth- Straße 3.

Und was die neu aufgelegten oder erhöhten Steuern des Fiskus herrührt? Die russische und die ausländische anbelangt, so versteht es sich von selbst, daß Herr Wyschne­Breffe, die mit aus der Krippe des Herrn Wyschnegradsky gradsky stets indirekte wählt, die den Konsumenten, d. h. frißt, weisen selbstgefällig auf die 640 Millionen Mark, in hervorragendster Weise die arbeitenden Klassen belasten. Wie scheinen sie ferne hinter uns zu liegen die die der Fiskus und die Bant von Rußland gegenwärtig im So fordert er fürs Jahr 1891 vom Volfe 259 Mill. Beiten, wo eure boshaften Karrikaturenzeichner das Ruß- Auslande hätten; sie will uns glauben machen, dieses hübsche Rubel von den Getränketaren, 110 Mill. als Bolleinnahmen, land des Baren als einen Doppeladler darstellten, dessen Sümmchen käme theils von den in Gold gezahlten 3öllen, 28 aus der Besteuerung des Tabaks, 20 aus der des einer Kopf Gold hinunterschlang, während der andere theils aus dem Verkauf(!) von Papierrubeln. Nein, meine Buckers, aus der des Petroleums, 4½½ aus der der Papiergeld ausspie: Schönes Thier Schönes Thier frißt Gold Herren von der Börse und von der Feder! Warum Streichhölzer u. s. w. Indeß scheint es, als ob diese bricht Papier !" Heute leben wir ja im wahren Paradies! läugnet ihr denn, welche Dienste euch die berühmten Kon- Steuern und Taxen schon bis zu ihrem Maximum hinauf­Ein neuer Midas Herr Wyschnegradsky- scheint alles, verstonen von 1888 bis 1890, die besonders auf dem geschraubt wären und als ob das Volk jetzt lieber seinen was er berührte, in Gold verwandelt zu haben. Unser Pariser Markt ausgeführt wurden, geleistet haben? Habt Verbrauch beschränken, als sich von dem Fistus scheeren Budget schließt mit einem Ueberschuß der Einnahmen ihr denn schon vergessen, wie die russische Regierung, in- und schinden lassen will: die Einnahmen aus den Getränke­über die Ausgaben ab und die bürgerliche Presse hat dem sie ihre Titel von 5 pCt. auf 4 pCt. herabsetzte, taren sind von 1889-90 um Mill. Rubel zurück­unserem Finanzminister vor kurzer Zeit den Titel des jedes Mal ein neues Darlehn erhob von einem höheren gegangen, die aus dem Tabak um 1 400 000 Rubel 2c. " größten europäischen Börsenspekulanten" zuerkannt. Wir Betrage, als zur Konvertirung der alten Schuld nöthig Fm Ganzen hat sich während der letzten 30 Jahre der ins Herz hinein und betrachten die paradiesischen Ver- achtzig Jahren die neuen Staatsanleihen bezahlen, die in auf den Kopf verringert, und das Budget hat seine Ver­hältnisse mit zweifelnden Blicken. die Form von Konvertirungen vermummt sind. Und mehrung in dieser Rubrik einzig dem Wachsthum der

Wir wollen uns hier etwas eingehender mit dem wovon hängt am Ende ein günstiger Ablauf ab? Wovon Bevölkerungsziffer zu verdanken. Die Zollgerechtsame auf Budget für das Finanzjahr 1891 beschäftigen, welches in sonst als von der politischen Lage Europas ! Und da ja der die Metalle, die Maschinen, die Fabrikerzeugnisse, die zum diesem Augenblick die Bewunderer Herrn Wyschnegradsky's größte Theil dieser Anleihen in Paris untergebracht ist, Schuße der nationalen" Großindustrie geschaffen war, in Verzückung versetzt. so erzählt uns doch ein wenig nicht von der Weis- hat einen nicht minder betrübenden Einfluß. Von 1873

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Die ordentlichen Einnahmen beziffern sich auf heit des Ministers" noch von der friedlichen Politik des bis 1887 ist der Eisenverbrauch von 459 200 Tonnen 900 757 570 Rubel, die ordentlichen Ausgaben auf Baren" sondern von Frankreich , dessen öffentliche Mei- auf 410 000 Tonnen gefallen, der Stahlverbrauch von 898 889 021 Rubel; der Ueberschuß beträgt also 1 868 549, nung seit einiger Zeit von der chauvinistischen und 238 000 auf 232 000 u. f. w. Und seit 1887, genau d. h. schon weit weniger als die großen Ueberschüsse der revanchedürstenden Preffe in die Frre geleitet und bei der Zeit, da Herr Wyschnegradsky ins Ministerium ein­Jahre 1888 und 1889. Und es ist sehr bezeichnend, diefer Gelegenheit von den Rothschilds und anderen zog, haben die Schuttarife eine ganz besondere Schnellig­daß Herr Wyschnegradsky in der Annahme, daß der Börsenfreibeutern systematisch bearbeitet wird. feit in ihrer Bewegung nach oben gezeigt. Es ist wahr­

Die

Gott der Gläubigen wenigstens etwaige bescheidene Nun wollen wir uns den Voranschlag des ordentlich ein unglückseliges Verhängniß für das Volk! Erwartungen verwirklichen werde, mit etwas schwerlichen Budgets für 1891 etwas näher betrachten. Das nationale Industrie blieb taub für all die patriotischen müthiger Miene dem Monarchen für dieses Jahr den Wachsthum der Einnahmen unter dem neuen Minister Ermahnungen des Ministers und als die ausgezeichnete Rath giebt, nicht zu sicher auf ein günstiges Zusammen- stammt ausschließlich einerseits von den zwei vorzüglichen Ernte von 1888 einen Mehrbedarf von 800 Dampf­treffen atmosphärischer Vorgänge"(!) zu rechnen! Erntejahren( 1887 und 1888), deren Einfluß bis Dreschmaschinen erforderte, wurde ein Zehntel

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faum

Was das außerordentliche Budget betrifft, so er zum Jahre 1890 andauerte, andererseits von ein Behntel!- dieser Maschinen von der russischen In­reichen die Einnahmen keine 13 750 139 Rubel, indeß der Auflage neuer und der Erhöhung der alten dustrie geliefert und der ganze Rest Dank den sich die Ausgaben auf 63 413 500 Rubel belaufen. Auf Steuern. Das find also die Elemente, die ungeheuren Maschinenzöllen zu fabel­gut Deutsch bedeutet das ein Loch im Budget und eine fortwährende, inmer günstigere Gestaltung des Budgets haften Preisen aus England importirt! 49 666 361 Rubel sind gerade kein kleines Defizit. Indeß bewirken werden? Wenn man die russischen Finanzverhältnisse genau

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der geschickte Finanzkünstler ruft jetzt die 1 868 549 Rubel Wie steht es mit der ländlichen Produktion, von studirt, gelangt man zu dem Schlusse, daß die Regierung Ueberschuß vom ordentlichen Budget zu Hilfe und zur Deckung welcher der Stand des Budgets in Rußland in so hohem das von einem bismärckischen Stribifar geträumte Ideal des Uebrigen erhebt er im Voraus aus dem verfügbaren Maße abhängt: Der Ackerbau ist in Rußland noch so zu verwirklichen gewußt hat:" Den armen Bürger im Baarbestand des Fiskus 47 797 812 Rubel. Mit Hilfe primitiv, daß unter 10 aufeinander folgenden Ernten reichen Staate!" Es geht unwiderleglich aus den dieser sinnreichen Operation gelingt es, das Gesammt- gemäß der offiziellen Statistik kaum 3 wahrhaft gute sind; Statistiken der Semstvo's und der Regierung hervor, daß budget mit 962 302 521 Rubel Ausgaben und Einnahmen so gab es 1884 auf 83 pCt. des besäten Landes eine eine russische Bauernfamilie und Bauern sind es, die abzuschließen, und der Beweis ist geliefert, daß, wenn gute Getreide- Ernte, 1885 nur auf 20 pCt., 1886 auf bei uns die Masse der Steuern bezahlen 2X2= 4 ist, 4-2= 2 sein muß! 19 pCt. und 1887 auf 67 pCt. der bebauten Fläche; so gemeinen nicht mehr als 300 bis 350 Mark Aber wir, die sehr genau wissen, daß das Budget, kommt es, daß die Ausfuhr von Feldfrüchten im Jahre 1888 Brutto- Einkommen im Jahre hat und daß an Staats-, was man auch immer für Rubriken sezen möge, direkt 8 216 000 Tonnen erreichte, um 1890 auf 6 248 000 zu Semstvo -, Gemeindeſteuern von dieser lächerlich kleinen Summe nicht weniger als 70 Mark abgehen! Was oder indirekt doch von der Arbeit bezahlt wird, wir sind sinken.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

nicht erjagen.

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Bei Mama.

Roman von Arne Garborg .

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Du führst sie mit sorgsamen Händen, " Bis Dein friedliches Dasein mag enden."

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im All­

-Sie war so glücklich, daß fie theilen mußte; fie

sollten, und daß seine guten braunen Augen sie anschauen und bewundern sollten, und da würden sie Sommer und In frühen Morgenstunden trieb sie sich im Wald herum Sonnenschein wohl niemals vermissen. Auf dem Anger und und pflückte Anemonen und wand Blumensträuße und sprach auf dem Wegraine wandelten Schafe und fraßen Gras; fie mit den Bögeln, welche Nester bauten, und lauschte fernem hatten winzig fleine, herzige Lämmchen, welche sie säugten; Kufufruf. Sie verstand alles, was im erwachenden Forste und wenn dieselben getrunken hatten, hüpften und sprangen gezwitschert und geschnattert ward; wenigstens übersetzte sie sie; dann kamen sie aber von ihren Mamas fort, und da sich's. Bist Du's, bist Du's, bist Du's?" fragte das Drossel weinten sie, genau wie kleine Kinder Fanny kriegte D, wie das lächerlich war, diese ihre alte Jagd nach männchen vergnügt, wenn er seine Freundin dort. in einem Thränen in die Augen; ach, wie schön die Welt doch war! , etwas, wofür man leben möchte". Es gab nicht mehr als Busche tiriliren hörte." Romm her! komm her! Küsse und da gingen wir unser Lebelang herum, ohne es zu ein Ding, wofür man leben mochte, und das konnte man Dich! küsse Dich! küsse Dich!"-" Titi!" neckte die merken. Kleine zur Antwort, willst Du es? willst Du es? willst - Martha, Martha, Du sorgest Dich um viele Dinge: Du es? Titi!" Und es gab Lachen und Lärmen nahm hie und da Mama auf ihre Ausflüge mit. Und doch eins ist nur on Nöthen".... Es schien ihr, als täme und allerlei närrischen Scherz zwischen beiden; aber sie Mama war dankbar. Sie packte die Provianttasche und nun doch Sinn und Zweck in ihr Dasein. Wäre es ihr einigten sich wohl; denn es war natürlich nicht sehr lustig, hier wurde lebhaft und liebenswürdig wie in alten Tagen. nicht so und so ergangen, so hätte sie vielleicht das gar nicht drinnen in der tiefften Stille zu leben, wenn man nicht ben auf der Grefsen- Halde war ein kleiner Teich; da lagerten sie sich gern und kochten Kaffee. Und Mama erlebt. Doch hätte ja auch das und das geschehen können; jemanden zum Schnäbeln hatte. Die immer höher steigende Sonne wurde stets feuriger; plauderte, erzählte und lachte. Viel war es nicht, was sie und dies und dies hätte gerade nicht zu geschehen gebraucht; alle Knospen sprangen, alle Blumen dufteten. Fanny lebte von ihrem Leben behalten hatte, die arme Frau. Ein paar aber was thats; nun war sie jedenfalls zufrieden. Sie wurde vollkommen närrisch. Sogar Verse schrieb ihre Kindheit noch einmal durch. Alles fand sie hier bei- dürftige Anekdoten, das war so ziemlich alles." Ha- ha- ha wie sie da saß und über Bildern aus dem häuslichen Leben die Berglehnen mit dem dünnen Nadelwald... nur der Wasserfall machten und nichts weiter mitzunehmen hatten, sie; diesmal von glücklicher Liebe und sie ertappte fich dabei, fammen, die grünen Wiesen, den blau blinkenden Fjord, nein, damals, Du, als Alt- Kari und ich eine Zour nach dem fleine Fritz war weg; Gott weiß, wo der sich herumtrieb. als einen Teller falter Grüße... und diese war so steis, daß Und das war die gleiche Lebensfrohe Sonne, und der gleiche ich den Löffel drin abbrach, ha, ha, ha! mitten ab!" starke, süße, heiße Duft, welcher die Atmosphäre mit Ve-" Bitte", sagte Fanny, wenn sie die Mutter aufheitern wollte, rauschung erfüllte; und die Blumen nickten und neigten und magst Du nicht ein Stückchen Französisch- Brot mit Butter Mama lachte aus Herzensgrund: ja,

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weinte-:

Alles irdische Glück und Heil

Wird als Frau und Mutter Dein Theil;

Du sehnst Dich nicht fort,

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Du weißt feinen Ort,

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"

Wo Du rascher tönntest erwarmen,

" Als in der Deinigen Armen.

" Dich jaget nicht rastlos Verlangen,

" Dich quälet fein unruhig Bangen;

Der Kleinen Schaar

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Genügt Dir fürwahr;

... wollen

daß sie jemand pflücken möge... Fanny pflückte sie. Man dieser Narr, der Buchbinder. Haha; nach Schweden reisen konnte nicht widerstehen. Sie lockten und verführten in und mit reinen Papieren wieder kommen allen Farben, als freundlich blaue Kinderaugen; als zartes, Sie mich da haben? ha, ha, ha!- aufrichtiges Weiß; als glänzendes, vergnügtes Dottergelb... Narr!" Fanny hatte nicht halb so lang gelebt wie Und sie erzählte ihnen, daß sie auf seinem Tische blühen Mama; aber sie fühlte sich im Verhältniß zu ihr wirklich

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Ja, ja, das war ein