Nr. 186. 23. Jahrgang.1. WM»es„öoiiüärls" Knlim WksURSonntag, 12. August 1966.Wirtschaftlicher Wochenbericht.Berlin, 11. August 1906.Lohnerhöbungen— Steigerung der Wohnungs-mieten— Lebensmittelpreise— Buchdruckertarif.Die überaus flotte Beschäftigung auf allen industriellen Ge-bieten hat es einem Teil der deutschen Arbeiterschaft ermöglicht, dasLohnniveau der Verteuerung der Lebenshaltung anzupassen. Jenach Stärke der Organisation und der sonstigen bestimmendenFaktoren konnte die Einkommensverbesserring mit der Lebensmittel-Verteuerung in Parallele gehalten, teilweise wohl auch darüberhinaus getrieben werden. Allerdings darf man nicht vergessen, daßin sehr vielen Fällen die Einkommensverbesserung in der Hauptsacheaus der flotten Beschästigung und aus Arbeitszeitverlängerungresultiert, so dah der Arbeiter beim Nachlassen des Beschäftigungs-grades auf das frühere Lohnniveau zurücksinkt. Es gilt das für einegroße Reihe Akkordarbeiter. Wenn schon eine sehr starke Nachfragenach Arbeitskräften zu Lohnforderungen anreizt, so kam in denletzten Jahren noch ein anderer äußerst anregend wirkender Faktorhinzu. Die drohende und wirksam gewordene Verteuerung derLebenshaltung. Die Zollerhöhungen, Fleischnotstandpreise, neueSteuern, das summiert sich zu einer ganz erheblichen Last. Um diesezu erleichtern, mußte man natürlich alle Kräfte für Hebung desLohnniveaus einsetzen. Obwohl Lohnerhöhungen ein notwendigesKorrelat zu den gestiegenen Preisen für Lebensmittel und Gebrauchs-gegenständen sind, werden bei allen neuen Preiserhöhungen die Lohn-steigerungen als Begründung angeführt. Durch alle Unternehmer-berichte zieht sich wie ein roter Faden die Klage über Steigerringder Produktionskosten und über wachsende Begehrlichkeit der Arbeiter.Die Wirkung der Preissteigerung wird in die Ursache umgemünzt,obwohl selbst in Handelskammerberichten anerkannt werden muß.daß die durch Zollsteigerungen bedingte Verteuerung der Lebens-Haltung Lohnerhöhungen notwendig mache. Es ist außerordentlichschwer, zahlenmäßig die Gesamtverschiebung in den die Lebens-führung bestimmenden Verhältnissen zu erfassen. Einmalfehlt eS an einwandfreien Lohnstatistiken, dann aber auchkann kein zahlenmäßiges Bild über die Preise im Kleinhandelgegeben� werden, das allgemein die tatsächlichen Verhältnissewiederspiegelt, weil die Preise selbst in engen Bezirken stark diffe-rieren. Aehnlich verhält es sich mit den WohnnngSmieten. Manweiß, daß der Mietspreis für ein Zimmer seit 20—25 Jahren ummindestens 100 Proz. gestiegen ist. In den Mietskasernen sind dieZimmer aber dazu auch noch viel kleiner geworden. Anderseitsberuft man sich nicht mit Unterricht darauf, daß die Wohnungenheute'bester ausgestattet werden. Klosetts mit Wasserspülung z. B.kannte man früher kaum. Solche Verbesserungen sind zweifellos vonganz bedeutendem Wert, aber ihr Vorteil wird wieder aufgehoben,wenn sie mit Unterernährung erkauft werden müssen. Um einenannähernd die tatsächlichen Verhältniste wiederspiegelnden Ueberblickzu geben, kann man sich auf die Darstellung der Preise einiger Haupt-sächlich in Betracht kommenden Nahrungsmittel beschränken. Zudiesem Zwecke lassen wir hier eine entsprechende Zusammen-stellung aus dem„Statistischen Jahrbuch für das DeutscheReichs folgen. In Berlin betrugen die Großhandelspreise für(pro Doppelzentner in MarksKartoffeln Butter Rindfleisch Schweinefleisch1896... 4.01 230 122 1201897... 4,95 228 124 1301898... 4.70 224 126 1401899,.. 4,51 230 125 1361900... 4,94 233 126 1341901... 5,14 233 129 1421902... 4,50 230 134 1501903... 4,93 231 137 1421904... 6.44 234 138 1321905... 6,05 246 144 155Das find Preisauffchläge, die in der Jahresreihe bei Kartoffeln50. bei Butter 7, bei Rindfleisch 17 und bei Schweinefleisch 29 Proz.ausmachen.Anschließend lassen wir auch noch einige Angaben über die Ver-änderung der Preise im Kleinhandel folgen. Im Jahrbuch für denpreußischen Staat werden die Durchschnitte der HauptnahrungS-mittelpreise nach den Preisen in 23 Marktorten bekannt gegeben.Es ergeben sich folgende Resultate:Steigerung in1904/05 gegen 1899/001899/00 1904/05 ProzentWeizen... pro 1000 KZ M. 149 170 14Eßkartoffeln..... 51 65'/, 28Rindfleisch(Keule) pro 1 kg Pf. 136 144 6Schwemefleisch»». 131 141 7,6Kalbfleisch... 133 145 9Speck(geräuchert)... 152 157 3,3Eßbutter... 226 242 7Der rnsfische Zar.Interview von Maxim Gorki.(Einzig autorisierte Uebersetzung.).... In ZarSkoje Sselo empfängt man zwar nicht sehrfreundlich, dafür aber originell IKaum war ich angekommen— umringte mich ein SchwärmGendarmen und ihre Hände begannen sofort mit beharrlicher Miß-bcgier in die Einöden meiner Taschen zu wandern.„Meine Herren!" sagte ich ihnen liebenswürdig.— Ichwußte, wohin ich gehe und nahm nicht eine Kopeke mit.Doch sie schenkten meinen Worten nicht die geringste Auf-merksamkeit, fuhen fort, meine Kleider, Stiesel, Haare zu befühlen,blickten mir in den Mund und überall hin. wohin nur das mensch-liche Auge dringen kann. Das Empfangszimmer, in welchem dieseUntersuchung vor sich ging, war einfach, aber geschmackvoll ein-gerichtet: an jedem Fenster stand ein Maschinengewehr, mit derMündung zur Straße, vor der Tür eine Schnellfeuerkanone, anden Wänden befanden sich Ständer mit Flinten. Sie durchsuchtenmich kunstvoll; man sah, daß sich die Leute nicht nur mit einerbekannten, sondern auch mit einer lieben Sache beschäftigten. Ichdrehte mich unter ihren Händen wie ein Ball. Endlich trat einervon ihnen drei Schritte zur Seite, musterte mich mit seinenBlicken und kommandierte:.Auskleiden!".Das heißt— wie?" fragte ich..Vollständig!" erklärte er kategorisch.„Ich danke Ihnen!— Wenn Sie mich waschen wollen— daswäre überflüssig, ich habe heute ein Bad genommen."„Keine Scherze!" sagte er. mit seinem Revolver auf meinen�0�alleS da? wunderte seine Genossen nicht im geringsten, imGegenteil— sie stürzten sich auf mich und in einem Momenthatten sie mir die Kleider vom Leibe gerissen, wie die Schale voneiner Apfelsine. Ihr Kommandant musterte aufs neue sorgfältigmeinen Körper, und nachdem sich endlich alle überzeugt hatten.daß ich keine Bombe bei mir hatte und daß ich über einen Halsverfügte, der sich zum Gehängtwerden vortrefflich eignete, sagtensie mir:.Gehen Sie!"„Aber.... Darf ich mich ankleiden?"„Nicht nötig!"„Aber erlauben Sie...."„Kein Ueberlegenl Marsch!"Zwei von ihnen nahmen, die Säbel ziehend, zu berden SeitenDie Essener Handelskammer bringt in ihrem Jahresberichtedetaillierte Angaben über die Preise in den Kruppschen Kousumcn.Danach stieg im letzten Jahrzehnt der Preis für Speck um 25 Proz.,Kalbfleisch um 22 Proz. und Schweinefleisch um 27'/2 Proz.So unvollständig die vorstehenden Angaben, unziveiselhaft be-weisen sie eine ganz enorme Verteuerung der Lebenshaltung. Wennman nicht auf dem Standpunkt steht, daß die Herabdrückung dessozialen Niveaus für die breite Masse, daß eine absolute Ver-elendnng erstrebenswertes Ziel sei, dann muß schon anerkanntwerden, daß im Allgemeinintercsie ein starkes Vorwärtstreibender aus Lohusteigerungen gerichteten Bewegungen sehr zu wünschenist, unb daß diejenigen Berufe, die nach dieser Richtung noch imRückstände sind, bald folgen müssen. Zu diesen Berufen gehören fastalle diejenigen, die von ungelernten Arbeitern ausgeübt werden.Aber es gibt auch noch gelernte Arbeiter, deren Lohnniveau in denletzten Jahren keine Veränderung erfahren hat. Höchstens daß ineiner Reihe Fälle der Wochcnlohn durch Einlegung von Ueberstundenetwas reichlicher ausfällt. Das gilt u. a. für die Buchdrucker.Nicht alle Unternehmen haben über Beunruhigung des Erwerbs-lebens zu flogen. Im Buchdruckgewerbe waren durch den imJahre 1897 eingeführten, im Jahre 1902 revidierten Tarif Lohn-kämpfe fast ganz ausgeschlossen. Es kam nur in einigen Druckereienzu Plänkeleien, die nicht von allgemeiner Bedeutung waren. Wiedas Tarifamt in seinem letzten Geschäftsbericht mitteilt, gehörtender Tarifgemeinschaft an im Jahre 1897: 1631 Firmen mit18 340 Gehülfen, im Jahre 1906: 5583 Firmen mit 49 497 Ge-hülfen. Das sind für das letzte Jahr zirka 6000 Gehülfen mehr,als in den Verbänden organisiert sind. Der Tarif sieht Akkord-zahlung vor und Entlohnung nach gewissem Gelde. Für die Akkord-berechnung ist eine minutiös ausgearbeitete Skala aufgestellt.Für das gewisse Geld sind folgende Sätze normiert: DieWochenlöhne betragen für Setzer, Maschinenmeister oder Druckerbis zum Alter von 21 Jahren 21,50 M., im Alter von 21 bis23 Jahren 22,00 M. und für über 23 Jahre alte Gehülfen 22,50 M.Zu diese» Grundlöhnen tritt noch ein sogenannter Lokalzuschlag, dernach den verschiedenen Bezirken zwischen 2'/z bis 25 Proz. schwankt.Der Höchstlohn würde demnach auf 28,75 M. sich stellen. Der Zu-schlag von 25 Proz. wird jedoch nur in Berlin und Hamburg gezahlt;in Kiel und Leipzig werden 20 Proz. gezahlt, aber in rund derHälfte der 154 im Tarif aufgeführten Bezirke beträgt der Zuschlagnur fünf Prozent und weniger. Also selbst im günstigstenFalle beträgt der höchste Wochenlohn nicht einmal 30 M., in denmeisten Orten nur 25 M. und weniger. Schon diese Zahlen genügen,um erkennen zu lasten, daß die Buchdrucker hinter einer großenZahl Facharbeiter, z. B. Maurer, Zimmerer, Metallarbeiter, Putzer,Fliesenleger, Bergarbeiter usw. beträchtlich weit zurückstehen. In dermittleren Linie— groß ist die Zahl derjenigen, die sie nicht er-reicht— würde sich bei 50 vollbezahlten Wochen ein JahreSlohn von1250 M. ergeben.Stellt man die Durchschnittslöhne nach den Nachweisungen derBerufsgenossenschaften zusammen, dann gewinnt man folgendes Bild:JahresdurchschnittslohnBuchdrucker.......... 1015 M.Chemische Industrie....... 1032„Südwestliches Baugewerbe.... 1036„Feinmechanik......... 1063„Süddeutsche Eisenindustrie.... 1064„Speditton und Speicherei..... 1072„Gas- und Wasserwerke...... 1073„Privatbahnen......... 1093„Rh.-Westf. Maschinenbau..... 1099„Straßenbahnen........ 1112„Musikinstrumentenindustrie.... 1139„Nordwestl. Eisen- und Stahlindustrie. 1150„Knappschaften......... 1151„Nordöstliches Baugewerbe..... 1162„Hamburger Baugewerbe..... 1176„Rhein.-Westf. Hütten- und Walzwerke 1300„Man wird einwenden, daß eine Anzahl in Berechnung arbeitenderBuchdrucker sogar den Höchstsatz des gewissen Geldes übersteigt.Ganz recht, aber in den anderen Berufen gibt eS auch sehr vieleArbeiter, die den Durchschnittssatz weit überflügeln. Auch hier istdas große Heer der mit 3 M. lind weniger bezahlten Hülfsarbeitereinbegriffen. Könnte man aus den einzelnen Berufen die Löhne dereigentlichen Facharbeiter den Buchdruckerlöhnen gegenüberstellen,dann würde sich für diese noch ein ungünstigeres Verhältnis ergeben,als die vorstehende Zusammenstellung ergibt. Und die angeführtenJahreSlöhne beziehen sich auf das Jahr— 1903. Seit dieser Zeitist aber eine erhebliche weitere Verschiebung zuungunsten der Buch-drucker eingetteten. Ein ungünstiges Moment für diese liegt sodanndarin, daß sie erst in einem verhältnismäßig hohen Alter dieMinimalsätze erreichen können. Im Tarif heißt eS z. B.:„demLehrprinzipal ist gestattet. AuSgelernten, welche weniger alsfünf Jahre gelernt haben, bis zur Erreichung dieser Zeit eingeringeres Minimum, jedoch nicht unter 16,50 M. pro Woche(aus-von mir Aufstellung, der dritte ging hinterher, indem er seinenRevolver in der Höhe meines Nackens hielt. So schritten wirschweigend durch die Säle des Schlosses.In jedem von ihnen standen und saßen bis an die Zähnebewaffnete Leute. Der Aufzug, in dem ich da herkam, war ihnenoffenbar schon ein gewohnter Anblick;— nur einer fragte meineEskorte, indem er sich lüstern den Mund ableckte:„Peitschen oder hängen?"„Ein Journalist!" antworteten sie ihm.„Aha.... also— hängen!" entschied er.Man führte mich in ein großes Zimmer, das keine Fensterund nur eine Tür hatte, die, durch welche ich hineinging. Ander Decke brannte eine matte Lampe, die ein gleichmäßiges trübesLicht im Zimmer verbreitete. Unter der Lampe stand eine kleineKanone; außer ihr befand sich nichts im Zimmer. Diese bescheideneEinrichtung an Stelle des Prunkes, den ich erwartet hatte, gefielmir gar nicht. In ihr lag etwas Trostloses, und meine Seelewurde von bösen Vorahnungen bedrückt.„Sie haben hier nichts zu betrachten!" bemerkte einer ausmeiner Eskorte; der mit dem Revolver.„Ich sehe...." antwortete ich.Sie banden mich nun an die Kanone, meinen Bauch an derMündung, nur die Hände ließen sie frei. Hieraus verband einervon ihnen die Schnur einer elektrischen Leitung mit dem Verschlußder Kanone, trug sie zur Wand vor mir und legte daS Ende mitdem Knopf auf die Diele. Seine Genosten betasteten die Stricke,die mich mit der Mündung verbanden.„Hände hoch!" kommandierten sie.Ich hob die Hände hoch. Alle drei gingen an mir vorbei undverschwanden. Die Tür hinter mir knarrte leise. Irgend wersagte ruhig:„Fertig!"Es wurde still. Ich fühlte, wie sich mir die Haare auf demKopfe sträubten. Der Stahl der Kanone, der sich an meinen Bauchstemmte, verbreitete im ganzen Körper eine Kälte, die mich zitternmachte. Die nackten Wände schauten von drei Seiten finster aufmich. Ich dachte:Sollte das wirklich mein letztes Jntervrcw sein?Und bei diesem Gedanken wurde mir trostlos zu Mute.....Ich wollte die Hände sinken lassen und die Kanone streicheln, wieman Hunde streichelt. In diesem Augenblick ertönte vor mirunter dem Fußboden ein seltsames Geräusch— als ich jemandtief aufgeseufzt hätte, mit einem Seufzer der Ermattung. Einesvon den Quadraten des Bodens verschwand plötzlich, in der Ocffnungwurde eine kleine Hand sichtbar und erfaßte schnell den elektrischenKnopf. Gleich darauf sprang vor mir von unter der Diele, wieschließlich Lokalzuschlag) zuzahlen." Es werden also bis zu 6 JahreLehrzeit verlangt. In den anderen Berufen hat jedoch ein großerTeil der als Facharbeiter Beschäftigten eine gewöhnliche Lehrzeitüberhaupt nicht absolviert. Maurer, Putzer, Dreher, Fräser ic.waren früher in den betreffenden Berufen als Hülfsarbeiter tätig,ihre Anstelligkeit ließ sie in die Reihe der Facharbeiter einspringen,ohne obligatorische Lehrzeit. Aber auch noch in anderer Beziehungsind die Buchdrucker ungünstig gestellt. Sie haben mit starkerArbeitslosigkeit zu kämpfen und ihre Beschästigung ist äußerst un-gesund. Die Morbiditätsziffer bei den Buchdruckern rst außerordentlichhoch. Dr. S. Rosenfeld veröffentlicht in der„Soziale Medizin" eineArbeit, in der er die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Arbeiterschaftuntersucht. Die Daten sind den Krankenkastenstatistiken entnommenund umschließen eine Beobachtungszeit von 11 Jahren. Stellt mandie von ihm für 16 Berufe ermittelten Erkrankungsfälle pro 100 männ-liche Mitglieder zusammen in Vergleich zu der Morbiditätsziffer derBuchdrucker, dann erhält man folgendes Resultat: ES erkrankten pro100 Kassenmitglieder im Alter von21—25 Jahren 26—30 Jahren 31—40 Jahrenüberhaupt.. 83.2 29,5 30,5Buchdrucker. 50.3 45.4 42,3Die Erkraiikunasziffer der Buchdrucker ragt weit über den Durch-schnitt hinaus. Besonders hoch ist die Morbidität im Alter von 21bis 25 Jahren, also kurz nach Beendigung der Lehrzeit.Läßt man alle diese Momente mitsprechen, dann rechtfertigt sichbei der jetzt bevorstehenden Tariftevision eine ansehnliche Herauf-setzung der Minimalsätze, die in der Praxis ja doch Maximalsätzesind. Die Unternehmer haben erkannt, was die Tarifabmachungenfür sie bedeuten und werden sie ziemlich weitgehenden Forderungenkaum ernst zu nehmenden Widerstand entgegensetzen. Die Extra-vaganzen, die sich Dr. Alexander Tille mit seinem wütendenAnsturm gegen die Tarifgemeinschast erlaubte, haben die Herren Unter«nehmer jedenfalls mit stiller Freude begrüßt. Indem sie die TilleschenBlindschüsse mit einer heftigen Kanonade beantworten, erwecken sieden Anschein, als koste eS Mühe, die Unternehmer bei der Tarif-sahne zu halten. Spiegelfechterei! Ob sie ihn beachten oder nicht,alle lieben sie den Tarif. Er war sehr zu ihrem Vorteil. Daßohne den Tarif scharfe Konkurrenzkämpfe mit starker Senkung desPreisniveaus unausbleiblich wären, das haben die Unternehmer selbstsattsam dargelegt. Eine Wiederholung an dieser Stelle erübrigt sich.Und die Organisation der Buchdrucker wäre eventuell stark genug,einen Kampf mit den Unternehmern aufzunehmen. Um so mehrals diese nach Bruch der Tarifvereinbarung auf dem Sprungestehen, untereinander erbitterten wirtschaftlichen Krieg zu führen.Allerdings wird eingewendet, der Vorteil des Tarifs für die Buch-drucker bestehe darin, daß ihre Löhne auch während der Zeit wirt-schaftlicher Depression stabil blieben. Der Einwand ist anscheinendberechsigt, in Wirklichkeit aber nicht. DaS Lohnniveau bleibthöchstens für die Beschäftigten, nicht aber für die Gesamtheit aufgleicher Höhe. Der Unternehmer stellt nur soviel Leute ein, als erbeschäftigen kann, er entläßt Personal, wenn die Aufträge zusammen-schmelzen, und die freigesetzten Arbeitskräfte überläßt er gnädigst derOrganisation. Diese muß die ausgefallenen Löhne wenigstens teilweisedurch Zahlung von Unterstützungen decken. Der Unternehmer ist deram wenigsten leidende Teil; er zahlt zwar für die Beschäftigten denalten Lohnsatz, aber dafür hält er auch die Preise hoch. Auf deneinzelnen Arbeiter erleidet er keinen Ausfall. Die Organisation hältihm stets Arbeitskräste zur Verfügung, er hat nicht nötig, für einenArbeiterstamm zu sorgen. Wenn die Vorteile der Tarifgemeinschaftabgewogen werden, dann senkt die Schale der Unternehmer sichmit kräftigem Ruck nach unten, bei Abwiegen der Nachteile ist dasVerhältnis umgekehrt. Die Forderung einer Verbesserung dermateriellen Lage der Buchdrucker ist daher vollauf berechtigt.D.Eue der Partei.Die Parteikonferenz für Berlin«nd die Provinz. Brandenburgfindet statt amSonntag, den 2. September 1906, mittags 12 Uhr,zu Berlin im Gewerkschaftshause, Engel-Ufer 15.Die Tagesordnung lautet:1. Bericht der AgitationSkommission.2. DaS Organisationsstatut für die Provinz Brandenburg.3. Die kommenden Rcichstagswahlen.4. Anträge.Anträge, welche auf der diesjährigen Parteikonferenz beratenwerden sollen, sind s p ä t e st e n S bis zum 26. August bei demUnterzeichneten einzureichen.Der Einberufer: H. Schubert, Berlin, Horn st r. 2.ein Pfropfen aus einer Flasche, der russische Zar selbst heraus,mit allen seinen Titeln und ganz in Eisen. Vor diesem un-erwarteten Anblick erbebte ich und meine Hände sanken herab.„Hände hoch!" ertönte die aufgeregte Stimme de? Zaren. Ichsah, wie sein Finger bereit war, auf den Knopf der Leitung zudrücken, und meine Hände flogen zur Decke, gleich den Flügelneiner Windmühle unter dem Druck des Sturmes.„So ist'S recht!" sagte der Zar, und aus seinem Gesicht warso etwas wie ein Lächeln zu sehen.—„Wenn Wir die Händeeines Untertanen nebe» den Taschen erblicken, kommt es Uns immervor, als wolle er auf Uns eine Bombe werfen, sogar dann, wenner beabsichtigt. Uns einen Rubel zu geben...."„Euer Majestät!"— sagte ich—,„ich habe keine Taschenbei mir."„Ja, ja! Wir sehen es!" antwortete er,„aber halten Sietrotzdem die Hände hoch.... die Menschen sind erfinderischgeworden und böse-...."„O ja, Euer Majestät!" stimmte ich aufrichtig bei.....„Diese kleinen Vorsichtsmaßregeln, die zum Schutze UnseresLebens getroffen wurden, stören Sie doch nicht allzusehr?"fragte er.„Nein! Ich bitte, beunruhigen Sie sich nicht!.... Ich bindaran gewöhnt...." antwortete ich, ohne meine Blicke vonseinem Finger, der auf dem Knopfe lag, zu wenden. Die geringsteBewegung eines Gliedes— und aus der Mündung der Kanoneergießen sich vielleicht dreihundert Kartätschen in meinen Leib.Wenn man jeden Moment eine solche Bewirtung erwarten kann— wird man unwillkürlich höflich.„Wie Sie sehen— Uns selbst ist es nicht sehr bequem, aberUnsere Pflicht vor Gott gebietet Uns zu leiden!" sagte er� traurigden Kops schüttelnd.Er steckte von Kopf bis Fuß in einem Panzer, einem RitterauL dem Mittelalter ähnlich, und saß, wie alle Herrscher der Völkerin unseren Tagen, auf einem Thron aus Bajonetten. Sein Kostümwar aber viel zu schwer, und der Thron schien nicht dauerhaft zusein. Bei unvorsichtigen Bewegungen des Zaren gerieten dieBajonette in» Schwanken, drohten auseinander zu fallen, und erbalancierte ungeschickt aus ihnen.„Wir haben Ihr Interview mit Wassili Feodorowitsch, demKönig von Xland, und Unserem Bruder gelesen," begann der Zar,indem er träumerisch die Augen zur Hälfte schloß.„Das ist einKönig in allen Lebenslagen. Aber Wir können das nicht vonUns sagen!" fügte er aufseufzend hinzu und hob mit der sorg-fältig gewaschenen linken Hand sein Visier hoch. Darauf holte ervon irgendwo unter seinem Panzer ein Papierchen hervor, überflogeS mit den Augen und fing zu reden an?