Die Erfinderin der genialen Idee, Margarete Freifrau von KöingSwerter-Formes, Frankfurt a. M., äußert sich in einem Artikel in der„Flotte" folgendennaßen über die«Flottenmarke": „Um alle Kosten zu vermeiden, mögen daher allerorts sich patriotische Gönner finden, die ihrer Baterstadt eine eingene charakteristische Flottenmarke stiften. Seine Majestät der Kaiser bringt der Flotten marke ein reges In« teresss entgegen, und der bekannte Marinemaler, Professor Bohrdt, hat in liebenswürdigster Weise einige kunstvolle Skizzen entworfen, die gewiß großen Beifall finden dürsten. Mit einer kleinen freiwilligen Bei- steuer ist einem jeden die Möglichkeit geboten. seine Sympathie für das Herzenskind unseres Volkes, die Flotte, zu betätigen. Alle, die mit großen Mitteln nicht helfen können und doch helfen wollen, erleben bei Benutzung dieses Brief- siegeis täglich neu die Freude am Geben für ein großes Ganzes: darin liegt ein wichtiges erzieherisches Moment gerade für die Jugend, der unsere Zukunft gehört. Nicht nur erinnert das Markenbild den jungen Weltbürger lockend an die Reize und die Macht des Meeres, an unsere Seeleute, die, mit tausend Gefahren kämpfend, hinausziehen, sondern es gibt ihm auch Gelegen- heit, sein Scherflein beizutrage», mitzuhelfen an den großen Aufgaben seines Volkes. Diese Befriedigung, sich früh als Teil eines großen Ganzen zu fühlen, gibt ein Zufanunengehörigkeits, gefühl, das beglückend und seelisch erziehensch auf unsere Jugend einwirkt. Tragfähig kann nur das Gute sein, und als trag« und ertrag- fähig hat sich die Idee erwiesen und sich Freunde gewonnen, trotz Gegenstrom und Gegenwind. Die Hamburg-Amerika-Linie und der Lloyd tragen sie fördernd übers Meer, auch die Reichspost ist ihr Iv ohlwollend gesinnt, auf einen guten Start kommt alles an, diese» hat die Flottenmarke nunmehr erreicht! Doch Mann und Weib, Groß und Klein, wir alle müssen Helfer sein!" Der Flottenverein teilt dann weiter mit, daß der Vertrieb von einer Million Flottenmarken 75 000 M. Reinertrag abwerfen werde. Diese patriotische Selbstbesteuerung spekuliert also in erster Linie auf die Sammel« und Markcnsportfexerei der lieben Jugend. Trotz- dem dürfte die„Flottenmarke" kaum ein paar hunderttausend Mark Ertrag abwerfen. Unsere Kolonial- und Flotteninteressenten sind denn doch allzu kluge Leute, als daß sie die Lasten für die herrliche Kriegsflotte nicht generös der proletarischen Masse des Volkes über« lassen würden.—_ Dem Verdienste die Krone. Herr Fromme, Landgerichts- direktor in Magdeburg , ist zum Landgerichtspräsidenten in Jnsterburg ernannt worden. Der Herr wurde seinerzeit über Magdeburgs Mauern hinaus bekannt, als er noch Vorsitzender einer Strafkammer war, die über die meisten Preßprozesse gegen die„Volksstimme" zu entscheiden hatte. Einmal hatte er dem Ge- noffen SNüller, der wegen irgend einer Lappalie angeklagt war, den guten Rat gegeben, er solle sich um„seine Parteiführer, die sich Villen bauen", kümmern, anstatt um so viele andere Dinge, die zu Anklagen führten. Das brachte dem Herrn Fromme eine gepfefferte Abfertigung durch den Genossen Bebel ein, die seinen Namen ziemlich bekannt machte. Müller lehnte ihn bei der nächsten Gelegenheit für befangen ab, natürlich ohne Erfolg und ein paar Wochen später verurteilte ihn die Kammer des Herrn Fromme unter seinem Vorsitze zu vier Jahren Gefängnis wegen Majestätsbeleidi. gung. Die Majcstätsbcleidigungsaffäre, die später zur Verurtei- lung des verstorbenen Genossen Schmidt zu drei Jahren Gefängnis und zur Freisprechung Müllers im Wiederaufnahmeverfahren führte, begann mit diesem Urteile. Sie hat Herrn Fromme, der alle Urteile in dieser Affäre fällte, einen Platz in der Geschichte neu- deutscher Justiz verschafft.—_ Die beleidigte Breslauer Polizei. Vor der Strafkammer I des Landgerichts in Hannover hatten sich am Sonnabend der Gewerkschaftssekretär Genosse Schmidt und der Redakteur des.Volkswille". Genofie Donath, wegen einer Aeußerung, die sie in Maiversainmlungen in Linden gemacht, zu verantworten. Genosse Schmidt soll in der Wer- sammlung im„Lindenhof" jenes.Blutbades" Erwähnung getan haben,„welches man in den letzten Tagen seitens der BeHorden * in Breslau arrangiert hat." Genofie S ch ni i d t will dagegen nur gesagt haben, daß die Breslauer Polizei bei diesem Blutbade„engagiert" gewesen. Die Anklage lautet auf verleumderische Beleidigung(§ 187) der Breslauer Polizei und„Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen(§ 131). Strafantragstcller ist der Polizeipräsident von Breslau , Dr. Jenko, der wahrscheinlich durch die hannoversche Staatsanwaltschaft Kennwis von dem Delikt erhalten. Genosse Donath soll in seiner Rede auf dem„Lindener Berghause" durch folgende Wendung:„Wir brauchen uns darüber(daß Straßendemonstrationen in Preußen nicht gestattet sind) die Köpfe nicht zu zerbrechen; wenn wir einst die Zeit für gekommen halten, werden wir niemand darum fragen, ob wir auf dm Straße gehen dürfen. Wir gehen auf die Straße, wenn es uns patzt, und nicht, wenn es unseren Gegnern paßt..." gegen§ 110 des Straf- oesetzbuches(Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze) ver- stoßen haben. Der Angeklagte stellt dies entschieden in Abrede. Polizeikommissar Schütte bezeugt an der Hand seiner Auf- Zeichnungen, daß er das Wort„arrangieren" gehört; er glaube nicht, sich verhört zu haben. Kriminalbeamter Thielmann, der das Stenogramm auf- genommen, will ganz bestimmt das Wort„arrangiert" gehört haben. Der betreffende Passus in dem Stenogramm lautet wörtlich:„Blutbad, letzten Tagen seitens Behörden Breslau arrangiert hat." Polizeikommifiar M i t t m a n n- Breslau, 23 Jahre alt, gibt eine Schilderung der Vorgänge am 19. April, indes mit so leiser Stimme, daß er im Zuhörerraum kaum verständlich war. Danach haben am genannten Tage auf dem Strieganerplatze in Breslau schon gegen 4 Uhr nachmittags große Menschenmengen sich angesainmelt, um die„Arbeitswilligen" zu erwarten. Gegen 6 Uhr seien eS. Frauen und Kinder einbegriffen, wohl gegen 6009 gewesen. Die anwesenden Polizeibeamten seien übereingekommen, ihr Verhalten von dem der Menge abhängig zu machen. Diese habe alsbald angefangen zu johlen, die Polizeibeamten mit Steinen und mit Kot zu bewerfen, und sich auf die Straßen gedrängt, so daß die Arbeitswilligen nicht durchkommen konnten. Die Polizei sei jetzt eingeschritten, um die Straße frei zu machen. Schüsse fielen, Kanonenschläge wurden abgebrannt. Als er selbst einen Schlag erhalten, habe er befohlen, blank zu ziehen und vorzugehen. Ein scharfer Schuß aus der erregten Menge hätte ein noch energischeres Vorgehen angezeigt erscheinen lassen. Schritt vor Schritt habe man die Menge zurückgedrängt, bis das Signal gekommen, sich zurückzuziehen. Unter des Zeugen Kommando hätte» zwei Be- rittene und vierzehn Schutzleute gestanden. Hülfe sei geholt worden. Aber bis diese, ein Kommandeur und 200 Schutzleute, eingetroffen, sei der Platz wieder, wie vorher, ganz schwarz von Menschen ge- »vesen. Man habe die Massen aufgefordert sich zu entfernen, und als dies nicht geschehen, sei der Befehl zum Vorgehen ergangen. Wiederum habe er einen Schlag erhalten. Steine seien geflogen gekommen: aus den Fenstern habe man mit Wasch- eimern, Plätteisen, Stühlen zc. geworfen, sogar mit Flaschen, die mit Säuren gefüllt gewesen seien. Allein in seiner Kompagnie seien 11 Verletzungen zu verzeichnen gewesen. Er habe nun zunächst zwei Schreckschüsse abgegeben, dann zur Warnung einen scharfen Schuß in ein Fenster, und als dies ohne die erwünschte Wirkung, seien die Schützen in Aktion getreten. Endlich sei es gelungen, den Platz und die Straße zu säubern, was dann noch dreimal hätte wiederholt werden müssen.— Es sei mit aller Schonung und Nach- ficht vorgegangen. Auf Befragen des Vorfitzenden sagt der Zeuge noch aus, daß seit dem roten Sonntag schärfere Bestimmungen eingetreten wären, welche laut Anweisung, eventuell„in vollem Maße" angewendet werden sollten. Polizeikommissar Bernhard- Breslau sagt über die Vorgänge in Breslau ähnlich aus, und bekundet aus die Frage des Vorsitzenden noch, baß der Handabhacker bisher noch nicht ermjttelt sei. Polizeikommifiar König hat nicht die Meinung gehabt, daß Genosse Donath mit seinen oben zitierten Worten die Zuhörer zum Ungehorsam gegen die Gesetze hat auffordern wollen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, ein noch junger Herr, ist, zumal die Angeklagten in ihrer Rede auch der rulfischen Re- volution Erwähnung getan, von ihrer, der Angeklagten Schuld, völlig überzeugt. Die Erwähnung des Blutbades durch den Genossen Schmidt könne nur den Zweck haben, gegen die Behörden zu hetzen; der Hinweis auf die russischen Borlommnisse sei nur erfolgt, um die deutschen Behörden herabzusetzen. Die verleumderische Beleidigung sei erwiesen. Zweifellos habe sich der Angeklagte auch gegen§ 13t vergangen. Von mildernden Umständen könne, obgleich Angeklagter noch mcht vorbestraft, keine Rede sein. Er beantrage„nur sechs Monate Gefängnis" und Publikationsbefugnis. Den Angeklagten Donath, der bis zum 1. Mai noch unbestraft, aber inzwischen zwei- mal zu einer Geldstrafe verurteilt worden, beantrage er mit sechs Wochen Gefängnis zu bestrafen. Nach einenr trefflichen Plaidoyer deS Verteidigers, Justizrat L e n z b e r g, der die Argumente des Staatsanwalts gehörig zer- pflückte und sich auch gegen das exorbitant hohe Strafmaß wendete, zog sich das Gericht zur Urtcilsfindung zurück. Genofie Donath wurde freigesprochen. da baS Gericht nicht die Ueberzeugung gewonnen, daß er, D.. mit seiner Aeußerung aus die Willensentschließung seiner Zuhörer habe einwirken wollen. Bei dem Genossen Schmidt erachtet das Gericht de» Tatbestand des§131 nicht für festgestellr. Dagegen sei er überführt, die Breslauer Polizeibehörde vorsätzlich verleumderisch beleidigt zu haben. Mildernd sei erwogen, daß der Angeklagte noch unbestraft; aber der Vorwurf, den er gegen die Breslauer Polizei erhoben und der völlig aus der Luft gegriffen, sei ein so schwerer, daß auf eine Geldstrafe nicht hätte erkannt werden können. DaS Urteil lautete auf zwei Monate Gefängnis, Tragung der Kosten und dem Polizeipräsidenten von Breslau wird außerdem die Befugnis zuge- sprochen, da« Urteil auf Kosten des Angeklagten in der»Schles. Ztg.". im„Hannov. Tageblatt" und im.Volkswille' durch ein- maligeS Einrücken bekanntzugeben.— Journalistische Ehrenmänner. Unter dieser Stichmarke bringt die«Leipziger Volkszeitung" nachfolgende Korrespondenz aus Frankfurt a. M.:„Von welcher Qualität und Gesinnungstüchtigkeit manche bürgerlichen Journa« listen sind, mag durch folgendes kleine Beispiel illustriert werden: In der Hetze, die die bürgerliche Stadwerordneten-Mehrheit in Frankfurt a. M. gegen den Stadwerordneten Genossen Zielowski entriert hat, spielt besonders die demokratische Presse der Sonne- mannclique eine geradezu erbärmliche Rolle, indem sie mit rabu- listischem Eifer bestrebt ist, Holz zu dem Scheiterhaufen zusammen- zutragen, auf dem der„Ketzer" verbrannt werden soll. Dieses Be« ginnen darf weiter nicht wundernehmen, denn gerade die Blätter des Herrn Sonnemann haben von jeher eine feine Nase für kapitalistische Jnteresscnpolitik gehabt. Wozu noch kommt, daß bei den Terrainspekulationen, die Zielowski zum Gegenstand der Kritik gemacht hat, Maklertum und Freisinndemokratie politisch und gesell- schaftlich so eng liiert sind, daß man es schon verstehen kann, wenn die demokratische Presse sich mächtig ins Zeug legt und eine Jnteresscnpolitik verteidigt, auf deren Grundlage zum Teil ihr« Macht beruht. Nun wollte eS aber der tückische Zufall, daß ein aus- wärtiges Freisinnsblatt, das„Berliner Tageblatt", in dem Kampf gegen die Jnteressenwirtschast im Frankfurter Rathaus sich aus- nahmsweise mal auf die Seite der sozialdemokratischen Kritiker ge- stellt hat. ES brachte über die„KorruptionSaffäre" mehrere Artikel aus der Feder seines Frankfurter Korrespondenten, die den Frank- furter Freisinndemokraten furchtbar auf die Nerven gefallen sind. Daß ein Blatt der eigenen Partei ihre Zirkel stören und sie vor aller Welt bloßstellen würde, das hatten sie nicht erwartet. Diese Kühnheit des Frankfurter Korrespondenten deS„Berliner Tagebl." sollte gerochen werden. Ein Tintenkuli der Sonncmannclique, Anton Burger , übernahm das Henkeramt. Er schrieb an das„Berliner Tageblatt" einen Brief und denunzierte darin den Korrespondenten der falschen Berichterstattung, in anmaßender Weise der Rebaktion den„guten Rat" erteilend, sie möchte doch für die Folge die Zu» schriften ihres Korrespondenten nicht mehr so kritiklos aufnehmen. Aber die Wirkung dieser Denunziation war eine andere als sie Burger erwartet hatte. Seine Frechheit, sich in die ReoaktionS- angelegenheitcn des„Berliner Tageblattes" einzumischen und dieses zu schulmeistern, ging den Mosscleuten doch etwas zu sehr wider den Strich. Sie setzten sich hin und schrieben dem Herrn eine Antwort, die dieser wohl nicht hinter den Spiegel gesteckt hat. Sie verbaten sich einfach dieses Einmischen in ihre Redaktionsangelegenheiten. Die erwartete Maßregelung des Frankfurter Korrespondenten deS „Berliner Tageblattes" blieb aus. Die Moffeleute waren in diesem Falle ausnahmsweise etwas selbstbewußter als Herr Sonnemann, der seinerzeit einem seiner Redakteure(Ouarck) den„Sack" gab, weil sich der freisinnige Abgeordnete Funcke über seine kritische Be- urteilung der Tätigkeit des Abgeordneten Gutfleisch bei Beratung der Arbeiterschutzgesetze beschwert hatte. Die journalistischen Sitten stehen übrigens auch sonst bei den Sonncmannleuten nicht allzu hoch im Kurse. Ein anderer dieser Schmocks, der für seine verhältnismäßig schwachen journalistischen Leistungen sehr gut bezahlt wird... es also nicht nötig hätte, sich ein Ncbeneinkommen zu suchen, hat sich nicht gescheut, unter Be- rufung auf seine guten Informationen als Redakteur der„demo- kratischen"„Frankfurter Zeitung " bezw.„Kleine Presse", sich bei Herrn Scherl, dem Herausgeber des durch und durch byzantinischen „Berl. Lokalanzeigers" anzubiedern und um einen Korrespondenten- Posten zu betteln. Herrn Scherl imponierte diese Gesinnungstüchtig- keit eines demokratischen Redakteurs von Sonncmanns Gnaden so sehr, daß er seinem bisherigen Frankfurter Korrespondenten kündigte und dem Bittsteller den Posten übertrug. Jedenfalls will Scherl einmal erproben, inwieweit dieser demokratische Schmock schreiben kann rechts und schreiben kann links. Und solche Journalisten wollen sich dann wundern, wenn ihre„Ueberzeugung" und„Gesinnungs- tüchtigkeit" in leise Zweifel gezogen wird!" Zum Bierkrieg in Leipzig . Der Leipziger Brauereiring und die Gastwirtevereinigungcn haben es fertig gebracht, durch einen geradezu wucherischen Preis- aufschlag einen Bierkrieg zu entfachen, der einem Teile der Wirte wie Brauereien unheilbare Wunden schlägt, wovon sich diese nicht wieder erholen werden. Die Absicht der Großbrauereien ist, die Konkurrenz der mittleren und kleineren los zu werden und die Restaurants ganz in ihre Gewalt zu bekommen; denn zu einem solch horrenden Preisaufschlag von 2 M. pro Hektoliter haben nicht einmal die Grotzbrauereien eine Berechtigung, da die Steuer für sie im Höchstfalle 1,20 M. pro Hektoliter beträgt; die mittleren Brauereien haben nur etwa 60— 60 Pf. zu zahlen und die kleinen gar nichts. Durch Beschlüsse der Vereinigung und unter dem Drucke von Sichtwechseln und der Konventionalstrafen zwingen die Großbrauereien die kleinen und mittleren mitzumachen, wodurch sie kaput gehen und zwar zuerst kaput gehen müssen. Sie bekommen zwar eine Entschädigung für den Ausfall aus der Boykottversiche- rung in Berlin , aber das hält den Ruin nicht auf. sondern ver- längert nur ihr qualvolles Dasein etwas. Schon sieht es jetzt auf den Höfen und in den Bierlagern der Brauereien und der Biergrohhändler traurig aus. Da stehen ganze Wagenburgen, und die Fässer, volle wie leere, stauen sich in un- heimlichen Mengen an. Zum Schein lassen sie ja auch noch einige Wagen mit aller- dings leeren Fffssern und Flaschen in der Stadt umherfahren, aber das Publikum amüsiert sich höchlichst über das Reklamefahren. Auch mit Arbeiterentlassungen sind schon einige Brauereien vorgegangen, weil sie für die Leute nichts mehr zu tun hätten. Damit aber auch der Humor und die Abwechselung im Kampfe nicht fehlt, hat der Brauereiring in einem bürgerlichen Blatt, das sich ständig zu den niedrigsten Diensten des Kapitalismus hergibt, den„Leipziger Neuesten Nachrichten" erklärt, kr»verde die„Bolls, eituüg" aus Schadenersatz berklagen, weil diese geschrieben hat, aß Großbrauereien den Biergroßhändlern, den Inhabern großer Restaurants und den Konsumvereinen Bier zum alten Preise an- geboten und auch geliefert haben. Sollten die Herren die Drohung wahrmachen, könnten ja feine Praktiken an den Tag kommen. Von welcher Couleur die Leipziger Wirtevereinigungen sind. geht daraus hervor, daß eine solche kürzlich in einer Versammlung in den starken Arbeitervierteln Letpzig-Ostcn beschlossen hat, an den noch über die von den Brauereien beschlossenen Erhöhungen hinausgehenden Pretsaufschlägen festzuhalten,„da ja auch die Herren Arbeiter höhere Löhne forderte n". Daß sie damit das Publikum immer noch mehr gegen sich auf- peitsche», sehen diese hurrapatriotischcn Wirte nicht ein. Welche Hohe der Bierkrieg erreicht hat, geht ans den sechs öffentlichen Versammlungen hervor, die am Sonntag in Leipzig abgehalten wurden und die ungemein stark besucht waren. Sie beschlossen einhellig folgende Resolution: „Die Versammlungen erklären ihr volles Einverständnis mit dem Beschlüsse der Sanssouci-Vcrsammlnng vom 1. August, in dem diese sich verpflichtete, den Konsum aller Biere cinzu- stellen, die aus Brauereien stammen, die an dem erhöhten Preis, aufschlag festhalten, und diese Taktik so lange fortzusetzen, bis die Brauereien und Wirte von der ungerechtfertigten loucherischen Preissteigerung Abstand genommen haben. Sie erklärt weiter, daß ein Saal- und Lokalbohkott mit diesem Beschlüsse nicht aus- gesprochen werden soll. Sie macht es jedoch den Arbeitern zur Pflicht, in Lokalen, die Ringbiere mit verschänken, fremde Biere nur dann zu konsumieren, wenn sie ohne Preisaufschlag abgegeben werden. Sie verurteilt aber auch weiter auf das allerent- schiedenste die Stellungnahme derjenigen Wirte, die, statt mit den Konsumenten den Bierwucher zurückzuweisen, mit den Brauereien gemeinsame Sache machen. Die Versammlung ver- pflichtet die Arbeiterschaft, so lange für eine strenge Durch- führung des Bierkricges einzutreten, vis sich die Brauherren zu Verhandlungen geneigt zeigen." Damit ist der Bierkrieg in ein noch verschärftercs Stadium getreten._ Manöverfreude». Straßburg , 10. Angust.(Eig. Set.) Von seltsamen Manöverfreuden berichtet die„Freie Presse", unser hiesiges Parteiblatt, ans Schlettstadt . Ein Teil der 39. Division unternahm vor einigen Tagen im Wejlertal Gebirgs- Übungen, die aber plötzlich abgebrochen lvordcn mußten, da infolge der übern, äßig großen Hitze zahlreiche Sol- baten ohnmächtig geworden waren. Em vor dem Ort Kestenholz vom Hitzschlag getroffener Soldat mußte noch am gleichen Abend schwer erkrankt in» Lazarett gebracht werden. Die Mannschaften bezogen in den umliegenden Dörfern Not- quartiere. In Schlettstadt selbst rückte das in Straßburg garnisonierende Infanterieregiment Nr. 172 in furchtbarem Zustande ein, die Mannschaften hatten die N ö ck e v om K o p p el» schloß aufwärts ausknöpfen müssen. Die infolgedessen in der Gegend herrschende Aufregung wurde noch erhöht, als die Nachricht verbreitet wurde, es seien zahlreiche Hitzschläge und siins Todesfälle zu verzeichnen, davon drei beim In- fanterieregtment Nr. 169 und je einer beim In- fanterieregiment Nr. 171 und bei einem Jäger- b a t a i l l o n. Trotz der gewaltigen Bennruhigung der Bevölkerung hat weder die Militärbehörde bisher sich zu einer Darstellung deS Sachverbalt« bequemt, noch hat die bürgerliche Presse sich irgendwie um diesen Todes marsch gekümmert. Man darf auf die Folgen gespannt sein, die die Veröffentlichung der„Freien Presse" über diese Glanzleistung militärischer Disziplin nach sich ziehen tvird.— Hiiöland. Dänemark . LandsthingSwahl. Im nächsten Monat wird die eine Hälfte beS dänischen Lands- thing« neugewählt. Unter den 27 ausscheidenden Abgeordneten ist ein Sozialdemokrat, Genosse C. C. Andersen. Wohl wurden bei der Wahl vor acht Jahren zwei Sozialdemokraten geivählt, aber der eine, Genosse Mmidbery, ist verstorben und sein Mandat fiel einem Konservativen zu. Unser Kopenhagener Bruder- organ rechnet darauf, daß diesmal vier Sozialdemokraten gewählt werden. Die Wahlen zum Landsthing, dem dänischen„Herrenhaus ", sind indirekte, und für die Wahlmännertvahlen sind die Wähler in zwei Klassen, die allgemeine und die der großen Steuerzahler, geteilt. Der reaktionäre Charakter dieses Things wird dadurch noch mehr verschärft, daß 12 seiner 66 Mitglieder auf Lebens« zeit Vom König ernannt werden.-- Italien . Die Sozialisten gegen eine monarchische Kundgebniig. Rom , den 11. August.(Eig.©et.) Am 13. ds. wird in Alexandria (Piemont) ein Monument König H u m b e r t I eingeweiht. Natürlich nehmen alle Zivil« und Militärbehörden mit großem Prunk an der Feier teil, nur die Stadtverwaltung lehnt jede Beteiligung ab. LIexandria hat bekanntlich eine sozialistische Kommunal« Verwaltung und diese kann selbstverständliK an einer derartigen Zeremonie nicht teilnehmen. Die bürgerlichen Blätter haben begreiflicherweise recht scharfe Worte für unsere Genossen, aber sie wurden wohl auch es den Monarchisten nicht zumuten, bei der Eni- hüllung eines Marx-BildnisseS z. B. zugegen zu sein! Und was dem einen recht ist, sollte auch dem andern billig sein. Spanien . Antiklerikale Pläne der Regierung. Die»Correspondeucia de Espana" schreibt: Ein Mitglied deS Ministeriums hat erklärt, daß die Regierung in der ersten Sitzung der KorteS ein Vereinsgcsetz einbringen werde. Nach dieser Vor- läge sollen die Kongregationen den für alle industriellen Ver« einigungen geltenden Bestimmungen unterscheiden und sollen auf sie dieselben Gesetze Anwendung finden, wie für alle anderen Bürger. Die zahlreichen ausländischen Orden, die sich nach ihrer Ausweisung aus Frankreich in Spanien niedergelassen haben, sollen verpflichtet sein, sich als Spanier naturalisieren zu lassen und sich der allgemeinen Regel zn unterwerfen. Für den Fall, daß sie sich weigern. dicS zu tun, sollen sie gezwungen werden, das spanische Gebiet zu verlassen. Der betreffende Minister hat der genannten Korrespondenz zufolge hinzugefügt, daß die Regierung vor keinem Hindernis zurückschrecken werde.— Bulgarien . Griechenmetzelei in Anchialo. Aus Sofia wird vom 12. August durch das Wiener Tele, graphen-Korrespondenz-Vureau gemeldet: In der zumeist von Griechen bewohnten Küstenstadt Anchialo wurde heute ein antigriechisches Meeting veranstaltet, an welchem die Bauernschaft ans den umliegenden Orten teilnahm. Blätter- Nachrichten zufolge empfingen die griechischen Bewohner von Anchialo, welche die Abhaltung der Versammlung vereiteln wollten, die Demonstranten mit Flintenschüssen, worauf sich ein mehrstündiger Kampf entspann, in dem auf beiden Seiten mehrere Personen getötet und verwundet worden sind. Anchialo wurde an allen vier Ecke» angezündet, so daß bald die ganze Stadt in Flammen stand. Die Drahtverbindung mit Anchialo ist zerstört. Am Abend winde von BurgaS Militär nach Anchialo entsandt, daS die Ruhe wieder herstellen soll. Weitere Volksversammlungen fanden in Rustschuk und Karnobad statt. Auch hier kamen Ansschrcitungcn vor. wobei mehrere Kaufläden, deren Inhaber Griechen sind, zerstört wurden. In anderen Städten der Provinz Ostmmelien abgehaltene MeettngS verliefen ohne Störung.
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