Kehl er wendet sich gegen die an die Auslassungen des„Vor-warts", soweit sie im„Volksblatt" wiedergegeben worden sind, an-gehängten Schwänze.W e tz k e r: Genosse Kehler hat mir einen Vorwurf gemachtwegen� der an den Bericht über eine Versammlung der BerlinerLokalisten angehängten Bemerkung, die Erstaunen darüber aus-druckt, das; es noch immer nicht gelungen sei, die theoretisch ver-irrten Schäfchen zur rechten historisch-ökonomischen„Vorwärts".einsieht zu bekehren. Als im vorigen Jahre Friedeberg auftratund 3000 Berliner Arbeiter ihm zustimmten, habe ich im„Vor-warts" gegen Friedeberg Stellung genommen. Da sind Genossen.die jetzt in der Redaktion des„Vorwärts" sitzen, gekommen undhaben gesagt, daran sei die damalige Redaktion des„Vorwärts"schuld, die habe die theoretische Aufklärung der Genossen versäumt.Wenn nun jetzt, nachdem die neue Redaktion des„Vorwärts" f a stein ganzes Jahr Zeit gehabt habe zur theoretischen Auf-klarung der„Verirrten", noch schlimmeres passiert, da ist der Spottvollauf berechtigt.Lückel hat mir vorgehalten, ich wäre jetzt entgegen meinerfrüheren Haltung mit Verve für den Massenstreik eingetreten. Dashabe ich nicht getan. Mir kommt es nur darauf an, denen, dieim vorigen Jahre die aufgeregte Massenstreiksdiskussion hervor-gerufen haben und jeden, der nicht mitmachte, am liebsten zumParteiverräter hätten stempeln mögen, den ungeheuren Wider-spruch vorzuhalten, der zwischen ihrer damaligen und ihrer jetzigenHaltung klafft. Ich freie für eine Politik ein, bei der Reden undHandeln übereinstimmt. Eine Politik der großen Worte ohne In-halt bekämpfe ich. Wenn wir einsehen, daß wir den Massenstreikjetzt nicht machen können, dann sollen wir die unfruchtbare Dis-kussion einstellen und uns den Fragen der aktuellen Politik zu-wenden. So war auch meine Haltung zur Wahlrechtsdemonstration.Die große Demonstration im Zeichen der Jenaer Resolution mußteden Glauben erwecken, daß mehr geplant war, als bloße Ver-sammlungsreden und Resolutionen.. Das war ihr Mangel. Indiesem Sinne will ich das..Volksblatt" weiter redigieren.Hof-Werne: Ich bin heute mit der Haltung des„Volks-blattes" gegenüber früher sehr zufrieden. Die Genossen sind damitbesser zufrieden als mit der„Arbeiter-Zeitung".H u e wendet sich gegen Ketzler und hebt hervor, daß er in derGewerkschaftsfrage keinen anderen Standpunkt einnehme, wie derParteivorstaud in seinem offiziellen Aufruf, den er nach Jenaerlassen hat. Auch in der Getverkschaftskonferenz habe ich dieideelle Einheit zwisckien Partei und Gewerkschaft festgestellt. Ueberden Massenstreik wolle er sich vorläufig nicht auslassen. Wolle manpraktisch Kampf führen, so verrate man den Gegnern nicht vorherdie Taktik. Wenn es eines Tages im Interesse des Volkswohls ge-boten erscheine, werde auch er zum Massenstreik auffordern. Eskönne dahin kommen, daß die Bergarbeiter Deutschlands alleinberufen sein würden, den politischen Verhältnissen mit einemSchlage eine andere Richtung zu geben. Das sei doch wohl deut-lich genug. Mehr wolle er nicht sagen.Ein Antrag, der die Diskussion des Massen st reiksin den Distriktsversammlungen fordert und ein anderer, dieGeneralversammlung möge sich darüber klar werden, ob derpolitische Massenstreik von der Partei oder den Gewerkschafteneingeleitet bezw. geführt wird, fanden nicht die nötige Unter-stützung.Tie KreiSkonfcrenz des Wahlkreises Offc, ibach-Dieburg tagte amSonntag in Lämerspiel. 82 Delegierte vertraten 41 Orte. DerKreis hat jetzt über liOlX) organisierte Genossen. Neu gegründetwurden im Berichtsjahre 8 Organisationen. Die Einnahmen stiegenvon 5587,40 M. auf 8096,23 M. Beim Posten Ausgaben sind6150 M. Beiträge an dgS Landeskomitee verbucht, auch wurden fürzwei Kreise beinahe 1200 M. für LandtagSwahlkosten ausgegeben.Der der Agitation dienende„Volksbote", ein für den DieburgerKreis bestimmtes Monatöblatt, hat den gehegten Erwartungennicht entsprochen, was hauptsächlich mit in der Lässig-keit zu suchen ist, mit der seine Verbreitung betriebenivurde. ES wird deshalb die Anstellung eines Parteisekretärsfür den Kreis in Vorschlag gebracht und der Wegfall des„Volksboten" gefordert. Die Aussprache über den Vorstandsberichtdrehte sich um gleichfalls im Berichte erwähnte unliebsame Er-scheinungen bei Kommunalwahlen und die Anstellung des Kreis-sekretärs. Schließlich wurde die Anstellung des Sekretärsbeschlossen. Im Zusammenhange damit wurde zugleich eineranderen Regelung der Beitragszahlung zugestimmt; eS werden nachdiesem Beschlüsse alle vier Wochen 26 Pf. erhoben und entfallen da-von 3 Pf. auf die Parteikasse. 4 Pf. für die Landesorganisation.12 Pf. für die KreiLoraanifation und 7 Pf. für die Lokalvereine.Für eine Anzahl der Lolalvereine, die bisher noch keine besondereiiZuschläge für lokale Bedürfnisse erhoben, bedeutet dieser Beschlußeine Beitragserhöhung.Der Bericht der Preßkommission deS„Offenbacher Abendblattes"zeigt, daß der Jahresabschluß des Kreisorgans ein recht günstigerwar. Mehrfach wurde eine weitere Ausgestaltung des Blattes ge-fordert; auch wurde dem Kreisvorstande zur Erwägung anHeim-gegeben, dem Ankauf der Druckerei des BlalteS näherzutreten. In einem Referat über die nächstjährigen Kom-munalwahle n ging Genosse R i n k» Urberach auf die mancherleiMißstände ein, die sich bei den ländlichen Wahlen infolge derStichtbefolgung prinzipieller Grundsätze ergebenhaben, und stellte in einer Resolution die Forderung auf, in Zukunftdie größte Vorsicht bei der KandidatenauSwahl zu beobachten undvor allem als Norm festzuhalten, daß die Kandidaten in der Regelein Jahr politisch organisiert und Abonnent des Parteiorgans feinmüssen. Die Konferenz stimmte dem zu.Personalien. Genosse F r a n z K l ü h s ist am Dienstag end-gültig aus der Redaktion der Breslauer„Volksmacht" aus-geschieden, um seine Stellung als Redakteur der Förster„M ä r k i-fchen Volks st imme" anzutreten.Eine außerordentliche GeneralversammlungdeS Sozialdemokratischen Vereins Breslau be-schäftigte sich u. a. mit dem Konflikt A l b er t— K l ü h s. DieSache hat ihre Erledigung in der Weise gefunden, daß die Preß-kommission die ausgesprochene Kündigung zurücknehme, daß aberGenosse Albert sich um den Posten'des neu zu schaffenden Partei-sekretärs für Mittelschlesien bewirbt und am 1. Oktober aus derRedaktion austritt.Genosse O. P o l l e n d e r ist von der Generalversammlung desSozialdemokratischen Vereins für den Wahlkreis Merseburg-O u e r f u r t als Kandidat für die nächste Reichstagswahl auf-gestellt worden.polueUicbes�(Jenchtlicbeo utw,Freisprüche. Aus Mannheim wird uns vom 23. Augusttelegraphiert:Genosse OSkar G e ck von der„Volks st imme" wurde vonder Anklage wegen des Scholzschen„Blumenidylls" ausder„Welt am Montag" von der Strafkammer freigesprochen,da das Gericht keine Geführdung der Sittlichkeit in dem Feuilletonfinden konnte. Für die Verhandlung wurde die Oeffentlichleit aus»geschlossen, selbst für die Vertreter der Presse.Die Staatsanwaltschaft zu Mannheim hatte seinerzeit einen un-geheuren Eifer entfaltet, um kein Exemplar der Nummer mit dem„unsittlichen" Feuilleton unbeschlagnahmt zu lassen. Und jetzt derFreispruch!Vor der Strafkammer in Schweidnitz hatten sich amDienstag der Prediger T s ch i r n von der freien Neligionsgemeindein Breslau und Genosse F e l d m a n n- Langenbielau vom»Proletarier aus dem Eulen gebirge" gemeinsam zuverantworten. Sie sollten die christliche Kirche beschimpft haben ineinem Aufruf«zum Austritt aus der Landeskirche", der in dem Lange»-bielauer Parteiblaite zum Abdruck kam. Tschirn hatte den Aufruf unter-schrieben. Das Landgericht in Schweidnitz hatte die Strafverfolgimggbaelebnt. auf staatsanwaltliche Beschwerde wurde indes die Er»öffnung des Hauptverfahrens vom Oberlandesgericht Breslau an-geordnet. In der Verhandlung beantragte der Staatsanwalt j eeinen Monat Gefängnis, das Gericht erkannte aber nicht nurauf Freisprechung, es legte auch alle Kosten einschließ-lich der baren Auslagen der Angeklagten derStaatskasse auf. In der Urteilsbegründung wurde ausgeführt,daß der Inhalt des Aufrufes auf kirchlich gesinnte Kreise wohl ver-letzend wirken könne, eine Beschimpfung der Kirche sei darin jedochnicht enthalten.Strafkonto der Presse. Ans Halle a. S. wird uns geschrieben:In einem früheren Prozeß gegen einen hiesigen Privatsekretär warzur Sprache gekommen, daß die Polizei vor dem Verkehr mit demManne gewarnt habe. Der Mensch richtete in jener Verhandlungan den Polizeioberinspektor die Frage, ob vielleicht deshalb vor ihmgewarnt worden sei, weil er sich zur Zeit einmal zur Sozial-demokratie bekannt habe. Oberinspektor Weydemann verneintedies und sagte ans, er habe vor dem Privatsekretär wegen seinererheblichen Vorstrafen und deshalb geivarnt, weil er sich in unangenehmer Weise an die Polizei herangemacht habe. Wegen dieserDarstellung, die wiederholt in Gerichtsverhandlungen wiederkehrte,hat nun der Privatsekretär eine ganze Reihe Prozesse gegen denRedakteur Genossen M o l k e n b u h r vom„Volksblatt für Halle"anhängig gemacht. Das Schöffengericht bestrafte Genossen Molken-buhr mit 150 M., da die Presse kein Recht habe, anderenPersonen die Vorstrafen vorzuhalten. In einem früheren Prozeß,in dem Genosse Molkenbuhr für ein Dienstmädchen, das ein Häubchenweggenommen hatte, Partei ergriff, wurde ihm besonders s ch w e rangerechnet, daß er die Borstrafen des Mädchens nichtgenannt hatte. Wie soll man es der Justiz recht machen?Aduiiilistrative Bestrafung. Der Genosse Eskuchen- Düsseldorfhatte sich beim Präsidenten des Kölner Oberlandesgerichts vergeblichgegen die Verfügung des dortigen Landgerichtspräsidenten beschwert,die dem Genossen die Berichterstatterkarte entzog, weil sich dieDüsseldorfer Justiz über einen nicht von Eskuchen geschriebenenGerichtsbericht der„Volkszeitung" geärgert hat. Der Gemäß-regelte bat sich darauf beim Jnstizminister Dr. Befeler beschwert.Die höchste Instanz hat ihm antworten lassen: Nach Prüfung desSachverhalts hat der Jnstizininister keinen Anlaß gefunden, dieVerfügungen des Landgerichtspräsidenten in Düsseldorf vom 2. Junid. I. und des Oberlandesgerichtspräsidenten zu Köln vom 27. Junid. I. im AnisichtSwege abzuändern.Es ist also preußisches Recht, daß ein preußischer Richter einemManne, der an einem Blatte arbeitet, das sich eine Kritik richterlicher Handlungen erlaubt, die Arbeit untersagen darf. Das Blatthat zwar nichts Strafbares geschrieben, man kann es daher nichtmit dem Gesetz packen, aber gerade deshalb muß der Bericht-erstatter büßen, denn— Strafe muß sein!Der Fall zeigt kraß, wozu sich die Bureaukratie gegen denBürger berechtigt glaubt— wie weit wir in Preußen-Deutschlandnoch von der Anerkennung der Mündigkeit des Bürgers ent-fernt sind._Soziales»Abermals ein Krankenkasseilkonflikt.In der Berliner Ortskrankenkasse der Töpfer istjüngst ein eigenartiger Abschub von Vorstandsmitgliedern erfolgt.Natürlich handelt es sich auch hier wieder um eine Maßregel gegenArbeitnehmer. So erhielt der Vorsitzende der Kasse, GenosseJohn, kürzlich folgendes Schreiben vom Magistrat„hiesiger könig-sicher Haupt- imd Siesidenzstadt":Mit der Leitung der Vorstandsgeschäfte der hiesigen Orts-krankenkasse des Töpsergewerbes ist der stellvertretende VorsitzendeP r i l l w i tz beauftragt worden, da Sie nach den amtlichen Fest-stelllingen nicht mehr Mitglied dieser Kasse sind.Bis zur' endgültigen Erledigung dieser Angelegenheit wollenSie sich jeder Beteiligung bei der Verwaltung der Kasse enthalten.sUilterschrift.)Wenige Tage darauf ging den Vorstandsmitgliedern Huhn,Wolfs und Hinz dami nachstehende Mitteilung zu:Laut Verfügung des Magistrats sind Sie Ihres Amtes als(Schriftführer resp. Vorstandsmitglieder) der Ortskrankenkasse derTöpfer enthoben, weil Sie nicht mehr Mitglieder der Kassesind....Julius Prillwitz, stellvertr. Vorsitzender.Dieses Vorgehen ist auf eine Denunziation des Rendanten derKasse zurückzuführen, der, wie auch der stellvertretende Vorsitzende,Arbeitgeber ist und den Arbeitnehmern im Vorstand aus„höheren Interessen" jetzt einen Streich zu spielen gedenkt. Dievier geschaßten Vorstandsmitglieder gehören nämlich momentan tat-sächlich der Kasse nicht an. Das rührt daher, daß sie gegenwärtigbei Meistern arbeiten, die ihre Geschäfte in Vororte» haben und des-halb ihre Arbeiter bei den Vorortskrankenkassen versichern. ImTöpferbernf herrscht bekanntlich eine permanente Fluktuation, so daßein Geselle bald mal in Berlin, bald mal in einem Vorort arbeitet.So ist es aber schon seit Jahren gewesen und niemand hat Anstoßdaran genommen. Ganz vernünftigerweise hat man sich bisher inder Berliner Ortskrankenkasse immer gesagt, daß wenn bei jedesmaligemArbeitswechsel eines 5iassenvorstandsmitgliedes und dem damit ver-bundenen Uebertritt von einer Kasse in die andere immer sogleicheine neue Vorstandswahl vorgenommen werden solle, so kämen dieKassenmitglieder ans dem Wählen gar nicht wieder heraus. AlleAugenblicke müßten dann derartige Neuwahlen stattfinden, und dieGei'chäfte der Kasse würden notwendigerweise vernachlässigt, ivennnicht ganz brach gelegt werden. Man wußte, daß solch ein Arbeits-Wechsel nicht zu lauge andauert, umsowcuiger. als jeder Berliner Töpferohiiehiii bestrebt ist, so bald wie möglich wieder in Berlin Arbeit zunehmen, ivodurch er dann natürlich auch wieder Mitglied der BerlinerKasse wird. AnS diesen Gründen ist bisher denn auch niemalsgegen den Verbleib der Arbeitizehmer-VorstandSmitglieder im Amtje etwas eingeivendct worden, bis es jetzt den Arbeitgebern einerpersönlichen Schrulle wegen beliebt, auf diese Art die Beseitigungder Arbeitnehmer aus dem Vorstand zu betreiben. Uebrigens sehendie Vorstandsmitglieder Huhn, Wolff und Hinz den ihnen zu-gegangenen Bescheid des stellvertretenden Vorsitzenden als un�gültig an, weil sie ihres Amtes mir durch eine ihnen direkt zu-gestellte formelle Verfügung der Aufsichtsbehörde, nicht aber durcheinen Bescheid des stellvertretenden Vorsitzenden enthoben werdenkönnen. Freilich ist Huhn, als er unter Berufung auf das formaleRecht seine Ämtstäligkeit weiter ausüben wollte, mit Hin-weis auf den Hausfriedensbruch-Paragrapheii aus dem Kassen-lokal gewiesen worden. Gegen die Magistratsverfügung habendie»Exmittierten" einstweilen den ordentlichen Klageweg beschritten.Herren-Proleturier!Theorien über das Wesen des Kapitalismus haben die„Herren"-Proletarier nicht aufgeklärt. Im Gegenteil.» sie bedürfen dringendder Aufklärung, damit das, was unbewußt in ihnen schlummert,was unter dem Gestrüpp eines bornierten StandesbewubtseinS an derEntWickelung gehindert wird, klar zum Bewußtsein kommt und dasHandeln bestimmt. Aber daß es nichts ist mit dem sozialen Auf-stieg der ums tägliche Brot sich Sorgenden, das fühlen auch dieHerren-Proletarier, die Lohusklaven im Stehkragen. Sie fühlen es>Stockschläge auf den Magen bewirken das. Die Jubelberichteüber die glänzende Lage der Industrie und das Getue über Lohn-steigerungeil geben Reformern und Verbesserern der heutigen Gesell-schaftsordnung Veranlassung, in tiessinnigen Betrachtungen von demsozialen Aufstieg der unteren Klassen zu fabulieren. Für die meistenLohnarbeiter bleibt die Einkonimeuerhöhnug aber hinter der Ver-telierung der Lebensmittel zurück. Wohl hat sich die große Massean einige Kulturbedürfuisse gewöhnt, die den Vorfahren noch un-bekannt waren, aber die eigentliche Lebensführung, die Ernährung,ist nicht besser geworden, weite Kreise der erwerbstätigen Bevölke-rung leben heute schlechter als in früherer Zeit. Das Elend packtauch die Bureaubeamten, Kaufleute usw. beim Kragen, wie uns ditin großer Zahl eingehenden Zuschriften aus diesen Kreisen belehren.Zur Beleuchtung der Rückständigkeit in den Kreisen der Herren-Pro-letarier und deren wenig rosige Lage lassen wir nachfolgend zweiEinsender zu Worte kommen.Ein Handlungsgchülfe schreibt:„In dem Hause, in welchem ich zurzeit beschäftigt bin, herrschenfür die kaufmännischen Angestellten in pekuniärer Beziehung wieauch im Punkt Arbeitszeit sehr schlechte Zustände. Die selbstver-ständliche Folge davon ist, daß, sobald der Chef resp. der Prokuristden Rücken gewandt hat, die Herren ihre Unzufriedenheit in denbittersten Worten laut werden lassen. Trotzdem sie alle so unzu-frieden mit ihrer Lage sind, machten sie doch, als ich in das Geschäfteintrat und zum Frühstück ständig den„Vorwärts" las, geraumeZeit hindurch hämische Bemerkungen:„Ach, Sie sind Sozial-demokrat?"„Sie sind wohl ein ganz Scharfer!"„Den„Vorwärts"lesen Sie?"„Getrauen Sie sich auch Bomben zu schmeißen?"Solche und ähnliche Aeußerungen der lieben Herren Kollegen sindüber mich ergangen. Kürzlich klagte mir ein Kollege, daß er fürmonatlich 90 M. viel zu viel leisten müsse. In den beweglichstenWorten schilderte er mir, daß er für Ueberstunden keine Bezahlungerhalte, im Verhältnis zum gewerblichen Arbeiter werde er schlechterbezahlt, müsse aber bedeutend besser gekleidet gehen. Dem Herrnhielt ich darauf einen längeren Vortrag über Zweck und Vorteilder Organisation, erläuterte ihm, daß es doch lediglich nur unsereeigene Schuld ist, wenn wir hinter den gewerblichen Arbeiternzurückstehen, und wies ihn auf die Pflicht des gemeinsamen Zu-sammeuschlusses der Angestellten gegenüber dem' Prinzipal hin.Aber schon während meiner Ausführungen blickte mich der HerrKollege verständnislos an und brach dann, nachdem ich geendigthatte, in die Worte aus:„Streiken sollen wir, aber wir sind dochkeine Arbeiter!" Sprach's und ließ mich mit verächtlichem Achsel-zucken stehen. Solchem Standesdünkel gegenüber bin ich vollkommenmachtlos. Dieser Dünkel hat absolut keine feste Ueberzeugunghinter sich und ist dagegen mit Vernunftgründen nichts zu machen.Nicht besser erging es mir in anderer Beziehung. Ich ließz. B. die Broschüre gegen Volksverdummung von Hand zu Handgehen. Obgleich fast alle Handlungsgehülsen ihre Kinder in dieGemeindeschulen schicken müssen, gelang es mir trotz eifriger Be-mühungen nicht, von neun Kollegen mehr als einen einzigen zumAustritt aus der Kirche zu bewegen. Daß die Herren sich zureligiös fühlten, ist ausgeschlossen, über den Schöpfungsrummelwaren wir alle einig, aber das„Standesbewußtsein" erfordert nichtnur materielle, sondern auch intellektuelle Opfer.Wenn die Handlungsgehülsen erklären, keine Arbeiter zu seinund dies bei allen möglickien Gelegenheiten versichern, so vergessenmanche von ihnen solche Meinung, nämlich wenn— die Arbeiterstreiken. Dann wissen manche Herrchen gar nicht, wo sie sich vorEifer lassen und auf welche Art sie ihr Geschäftsinteresse bekundensollen. Jn's Gesicht spucken möchte man solchen Gesellen ob ihrerHeldentat."Ein Versicherungsbeamter schreibt uns folgendes:„Aus einem Vertrage, wie ihn der„A l l g e m e i n e deutscheVersicherungsverein zu Stuttgart" in Berlin.Anhaltstraße 12, mit seinen Angestellten abschließt, möchteich Ihnen einige Paragraphen illustrieren.Bei einer ununterbrochenen Arbeitszeit von8V2 Stunden täglich„gewährt" die Direktion ihren An-gestellten um 10 Uhr sogar eine einhalbstündigePaus e. Jedoch kann diese 8l4stündige Dienstzeit von derDirektion nach Belieben nach Lage des Geschäftsgangesverlängert werden. Daß das nichtgeschäftliche Sprechenlaut Dienstvorschrift verboten ist, erscheint als selbstverständlich.Da die Angestellten an Stehpulten arbeiten, hegt die Direktionscheinbar die Ansicht, daß es sich hier trefflich an Sitzgelegenheitensparen ließe. So benutzen denn auch 2— 3 Beamte einen„Drehschemel". In normalem Zustande ist, wenn auch keine Handels-gesetzliche, so doch noch eine vierwöchentliche Kündigungsfrist vor-behalten. Aber auch schon wegen„unbotmäßigen" Benehmens denVorgesetzten gegenüber kann unter anderem so ein Unglücksmenschsofort entlassen werden. Die Herren„Vorgesetzten" dürfen jedochihre„Untergebenen" im preußischen Kasernenhofjargon mit„Ihr"und„Euch" anreden. Im Falle einer Krankheit mit Erwerbs-Unfähigkeit erhält der Beamte nur das halbe Gehalt. Die Direk-tion gewährt ihren Beamten auch einen 4— l3tägigen Urlaub, jedochmit der Bestimmung, daß. wenn ein Angestellter vor Ablauf von6 Wochen nach Beendigung des Urlaubs kündigt, er sich den nach-träglichen Abzug der Hälfte des resp. Gehaltes gefallen lassen muß.Auch eine„Wohlfahrtseinrichtung" ist vorhanden; sie führtden stolzen Namen„Beamtenhülsökasse". Die Beiträge werdenzwangsweise auf dem Wege des Gehaltsabzuges zusammengebracht.Die Zinsen der Beamtenkautionen— jeder Beamte muß eine solchevon 60 M. leisten— sowie Strafgelder usw. fließen in dieseSammelkasse. Aber ein„gewöhnlicher" Beamterhat über den Verbleib der Gelder bisher nochnichts erfahren, geschweige denn die„Wohlfahrt" selbstgespürt.Wie sehen nun aber die„Gehälter" auS? Die Bezüge derältesten Beamten, die bereits längere Jahre im Dienste dieser Ge-sellschaft sind, und die durchaus selbständig arbeiten müssen,illustriert diese Zusammenstellung:Dies sind schon die besseren Stellen mit den„gehobenen" Ge-hältern, doch daneben gibt es auch Monatsgehälter von 75 M. bis85 M. Hierzu kommen noch die„Monatsgehälter" von 35 M. bis55 M. der ja so billigen Damen. Die Frage einer Gehaltserhöhungwird eben nur von der Direktion geprüft, ein Recht auf Zulage hatniemand.Von diesem fürstlichen Einkommen geht noch ab: Invaliden-geld, Krankcnkassengeld, Beiträge zur Beamten-„1Iuterstützungs"-Kasse, und soweit die erforderliche Kaution von 60 M. nicht barhinterlegt wurde, werden noch 5 M. monatlich hierfür in Abzuggebracht.Bei dem Massenelend, � das gerade unter dem„gehobenen"Stande der Kaufleute herrscht, wird eS der Gesellschaft ja stetsmöglich sein, Leute zu finden, die in ihrem Dünkel, mehr wie Arbeiterzu sein, gewillt sind, sich für ein paar Mark zu verkaufen."Die Gesellschaft, die solche horrenden Gehälter bezahlt, zähltStaaten, Prinzen, Fürsten, große ErwerbSgesellschasten, gemeinnützigeVereine usw. zu ihren Kunden und Mitgliedern. Im Jahre 190"