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gt. 201. 23. 2. DeilM des Jutmirts" Kerlim Jlollisliliitt. Donnersillg, 30. August 1906. Der Zeutrallvahlvrrkin für Potsdam -Spandau - Osthavelland hielt seine Kreisgeneralversammlung am Sonntag im Schützenhause zu Nauen ab. Anwesend waren 28 Delegierte für 16 Orte; ferner der Kandidat des Kreises, Genosse Dr. Karl Liebknecht , sowie Vertreter der Agitationskommission und des 6. Wahlkreises Berlin usw. Der Vorstandsbericht des Genossen Paris- Velten, der zum erstenmal gedruckt vorliegt, konstatiert einen erfreulichen Fortschritt seit Gründung des Zentral- Wahlvereins. Die Mitgliederzahl beträgt jetzt 2784. Ebenso hat auch die Abonnentcnzahl der Parteiprcsse zugenommen. Die Brandenburger Zeitung" hat zurzeit 1874, derVorwärts" 1232 Abonnenten im Kreise. Nach längerer Diskussion über die Not- wendigkeit einer besseren Agitation für Spandau , die durch denVorwärts" allein nicht genüge, wird von den Genossen Pieser- und R e i b eh o lz- Spandau die Herausgabe einer Extrabeilage zumVorwärts" resp. mehr Raum in der Vorort­rubrik derselben empfohlen, während Genosse Liebknecht für seinen Antrag spricht, der sich speziell mit den Verhältnissen in den Spandauer Militärwerkstätten beschäftigt. Staad-Pots­dam begründet die Potsdamer Anträge, die sich ebenfalls für eine vermehrte Agitation, auch auf dem Lande, aussprechen, ferner das Verständnis des politischen Massenstreiks gefördert wissen wollen. Angenommen wurden schließlich die folgenden A n- träge: 1. Die Kreisgeneralvcrsammlung möge eine Kommission zur Prüfung des Vorstandsberichtes betr. die sogenannten Kartenmit- glieder ernennen. Ueber den Ausfall dieser Untersuchung hat die Kommission der Generalversammlung Bericht zu erstatten. 2. Sämtliche Untervcrcine des Kreiswahlvereins sind ver- pflichtet, in der ersten Hälfte des September eine energische Agi- tation für die Presse zu veranstalten. Zu, diesem Zwecke wird ein populäres Flugblatt herausgegeben. 3. Die Jahresberichte des Vorstandes sowie der Kassenbericht des Zentralvorstandes sind in solcher Anzahl zu drucken, daß jedes Wahlvereinsmitglied ein Exemplar bekommen kann. 4. Um das Verständnis des politischen Massenstreiks zu fördern, erhält jedes Mitglied des Wahlvereins die Massenstreikbroschüre ,(Bebel) unentgeltlich. b. Zwecks Vereinfachung und zur einheitlichen Gestaltung der Berichterstattung für die Parteipresse ist ein Formular auszu- arbeiten. 6. Jedem Wahlverein ist ein Exemplar der neuen Partei- korrespondenz zuzustellen. 7. Es ist in eine energische Agitation unter den Arbeitern der Spandauer Militärwerkstätten einzutreten: durch häufige und regelmäßige Verausgabung von Flugblättern für diese Arbeiter, durch Abhaltung von öffentlichen Versammlungen für sie und durch gewerkschaftliche Einwirkung. Zur Leitung dieser Agitation ist ein ständiger Ausschuß von drei Spandauer Genossen zu bilden, deren Ernennung den Span- dauer Genossen überlassen bleibt. Dem Vorstande des Zentralwahlvereins ist die jederzeitige Teil- nähme an den Sitzungen des Ausschusses gestattet; er ist möglichst von diesen Sitzungen zu unterrichten. Ueber den Parteitag referierte Genosse Liebknecht . Er bedauerte das Fehlen des PunktesDie russische Revo- l u t i o n" auf der Tagesordnung. Wenn auch der Parteitag selbstverständlich seiner Sympathie für die russischen Freunde Aus- druck geben werde, so würden wir unserer Pflicht der internationalen Solidarität besser entsprechen, wenn die Resolution am Schluß eines besonderen Tagesordnungspunktes zur Annahme käme. Er meine nicht, daß. auch wenn dies geschehe, die Zeit des Parteitages mehr in Anspruch genommen zu werden brauche, als schon still- schweigend dafür vorgesehen. Er nehme von diesem Antrag be» sonders deshalb Abstand, weil ein Punkt unbedingt auf die Tages- ordnung gesetzt werden müsse, der Zentralpunkt, um den sich die ganzen Verhandlungen des diesjährigen Parteitages notwendig drehen würden und der doch nicht auf der Tagesordnung stehe, der aber, wenn er nicht besonders auf die Tagesordnung komme, zer- rissen, und ohne Resultat unsystematisch erörtert werden und die ganzen übrigen Verhandlungen des Parteitages verwirren müsse: Partei und Gewerkschaft. Ueber das Protokoll der Generalkommission sagte der Referent, daß nach der Indiskretion derEinigkeit" die öffentliche Richtigstellung durch die Partei notwendig gewesen sei. Gewiß sei die Zuständigkeit der Gewerkschaftsinstanz nicht anzuzweifeln, aber eine Umgehung sei auch nicht geschehen. Und so sehr der Schritt des Parteivorstandcs bedauert werden möge, so werden wir ihm doch, wenn auch schweren Herzens, Entlastung erteilen. Denn es handele sich in diesem Falle für ihn um eine Ehrenfrage und um einen Akt der Notwehr. Nach einem kurzen Hinweis auf die parlamentarischen Vorgänge kam der Referent auch auf die angeblicheKrisis" in der Partei zu sprechen, die sich nach Bremen entwickelt und jetzt durch die Auseinandersetzung über den Massenstreik ihren Höhepunkt erreicht habe. Das sei kein Vorwurf für den Parteivorstand. Gott sei Dank wären wir jetzt so weit, daß das Verhältnis zwischen den beiden Organisations- formen der Arbeiterschaft zu einer Klärung und Einigung kommen werde. In der Frage der Organisation und Schulung der Partei- massen sei noch viel zu tun; auch die Gewerkschaften müßten in dieser Beziehung ihre Pflicht mehr als bisher erfüllen. Die ge- famte Arbeiterschaft müsse auf ihre kommenden Aufgaben besser vorbereitet werden; Rußland sei uns ein Menetekel. Daß in der Arbeiterbewegung die politische Partei in erster Linie stehe, sei durch ihre sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben bedingt. Das schließe ein gemeinsames Arbeiten mit den Gewerkschaften nicht aus. Beide Teile brauchen sich. Es dürfe aber nicht wieder vorkommen, daß man in Köln schwarz und in Jena weiß sage. In Mann- heim müsse festgestellt werden:Was ist für die Gewerk- schaftsmitglicder maßgebend?" Das sei eine Leben?- frage der Taktik.(Beifall.) Zur Annahme gelangten schließlich die folgenden A n- träge: 1. Auf die Tagesordnung des Parteitages ist zu setzen: Partei und G c w e r k s ch a f t". 2. Im Anschluß an die vom Jenaer Parteitag dem Partei- vorstand überwiesene Resolution 143 beschließt der Parteitag: Der Parteivorstand hat unverzüglich in Verhandlungen mit der Generalkommission der Gewerkschaften zu treten zur Herbeiführung einer dauernden Fühlung und Verbindung zwischen der politischen und der Gewerkschaftsbewegung. Insbesondere ist anzustreben: a) Ergänzung des Parteivorstandes durch einige Mitglieder der Gencralkommission und Hinzuziehung einiger Mitglieder des Parteivorstandcs zur Gencralkommission. b) Bildung eines aus Vertretern beider Organisationen be- stehenden Aktionsausschusses. c) Regelmäßige gemeinschaftliche Sitzungen des Parteivor- standes und der Generalkommission. <l) Beiden Organisationen wird zur Pflicht gemacht, in Fragen, in denen sich ihre Zuständigkeit kreuzt, nicht selbständig, sondern nur unter gegenseitiger Verständigung oder nach dem vergeblichen Versuch einer solchen Verständigung vorzugehen. e) In solchen Fragen ist auch erforderlichenfalls die Ab- Haltung gemeinschaftlicher Partei- und Gewerkschaftskongresse nach Art der internationalen Kongresse zu erwägen. 3. Zu Punkt)4 der Tagesordnung ist als Korreferent -lbur Bömel : g. zu Punkt S 4. Eine besondere militaristische Propaganda ist systematisch zu entfalten. Zu diesem Zweck ist ein ständiger Ausschuß zu bilden. Ebenso gelangten noch die beiden folgenden Resolutionen zur Annahme: 1. Die Generalversammlung ist der Ueberzeugung, daß keinerlei Anlaß vorliegt, in der Frage des Massenstreiks und der Maifeier abzugehen von dem fast einmütigen Standpunkt des Jenaer Partei- tages, daß vielmehr gerade die innerpolitischen und weltpolitischen Vorgänge seit jener Beschlußfassung die Richtigkeit dieses Stand- Punktes nachdrücklichst bestätigt haben. Sie wendet sich entschieden gegen alle Versuche, den Gedanken des politischen Massenstreiks durch Zusammenwerfen dieses Streiks mit dem ganz anders ge- arteten anarchistischen Generalstreik zu diskreditieren. 2. Die Generalversammlung stimmt der Resolution Zetkin- Schulz zur Erziehungsfrage inhaltlich im wesentlichen bei. Ins- besondere betont sie die Notwendigkeit von Jugendorganisationen. Das Referat über die Provinzialkonferenz hielt der Genosse Schmidt- Velten. Der wichtigste der Beratungsgegen- stände sei das Statut für die Provinz Brandenburg . Die Mehrzahl der Genossen in der Provinz sei zwar für den Brandenburger Entwurf, der eine einheitliche Organisation mit Einschluß von Groß-Berlin vorsehe. Doch sprächen Zweckmäßig- keitsgründe für das von Berlin vorgeschlagene Kartellverhältnis. Demnach sollen Groß-Berlin, Potsdam -Spandau -Osthavelland und Frankfurt -Lebus je einen Bezirk bilden. Die drei Bezirke bilden den Verband der sozialdemokratischen Wahlvereine der Provinz Brandenburg . In der Diskussion wendet sich Pieser- Spandau gegen den Berliner Entwurf. Danach hätten die Spandauer Genossen keinen Einfluß auf denVorwärts", da die Preßkommission des Zentralorgans nur aus Berliner Genossen bestehe. Die Kritik der Frankfurter Volksstimme" gegen das neue Statut sei also zum Teil berechtigt. Genosse Freythaler tritt den Ausführungen des Vor- rednerS entgegen. Der Parteivorstand werde sich mit allen Mitteln dagegen wehren, die jetzigen Aufsichtsinstanzen beim Vorwärts" zu ändern. Daß nicht alles reglementiert werde, das beweise ja die Berichterstatterkonferenz. Eine Majorisierung der Provinz durch Groß-Berlin sei weder beabsichtigt noch zu be- fürchten. Aber die eigenartigen Verhältnisse Berlins als politischer Zentrale erforderten eine besondere Aktionsfähigkeit. Wie bisher, so werde Groß-Berlin auch ferner der Provinz gegenüber das mög- lichste tun. Wollte Groß-Berlin die Vertretung nach dem Pro- portionalverhältnis beanspruchen, so hätte es ja von vornherein die Majorität. Aber nicht die Mitgliederzahl, sondern die Kreiszahl solle entscheiden. Gegen die unerhörten Ausstreuungen der Frank- furterVolksstimme" werde noch an anderer Stelle vorgegangen werden. Auch Genosse Dobrohlaw wandte sich scharf gegen die er- hobcnen Vorwürfe und wies nach, daß die Agitationskommission stets ihre Schuldigkeit getan habe und mit den ländlichen Verhalt- nissen ebenso gut vertraut sei, wie die Genossen in der Provinz. Die Wahlen ergaben folgendes Resultat: Als Delegierte zum Parteitag wurden bestimmt die Genossen Dr. K. Lieb- knecht, S ch m i d t- Velten, L e h m a n n- Marwitz. Zur Pro- vinzialkonferenz wurden gewählt die Genossen Pieser- Spandau, Heinrich- Velten, Zabel- Marwitz. Der Vorstand sowie die Preßkommission wurden wiedergewählt. Die nächste Kreisgeneralversammlung findet in Ketzin statt. Genosse Freythaler weist zum Referat des Genossen Liebknecht noch darauf hin, daß in dem..Vorwärts"-Konflikt die Schuld nicht am Parteivorstande gelegen habe. DieForm" hätte nicljt der Parteivorstand, sondern hätten die sechs ehemaligen Vorwärts"-Redakteure verletzt. Mit einem Hoch auf di-> Partei schließt die Versammlung._ Soziales* Sozialpolitiker im Handelsgewcrbe. Ein günstiger Wind wehte uns das folgende Zirkular, das für sich selbst spricht, auf den Redaktionstisch: Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser, e. V. Streng vertraulich! Berlin SW. 48, 24. Aug. 06. An unsere Herren Verbandsmitglieder! Wie Ihnen bekannt, hat der Abgeordnete Bauermann im Reichs- tage den Antrag gestellt, den 8 63 d. H.-G--B. als zwingend zu ge- stalten, d. h. Vertrag!. Vereinbarungen, daß in Krankheitsfällen das Gehalt nicht weiter ge- zahlt zu werden braucht, auszuschließen. Das würde eine große Schädigung der Detailgeschäfte bedeuten, da bekanntlich Krankheitssimulationen, namentlich nach erfolgter Kündigung, häufig vorkommen. Da von zahlreichen unserer Verbandsmitglieder an uns die Forderung gestellt ist, daß wir uns der in Detaillisteukreisen lebhaft umsichgreifenden Bewegung gegen den Antrag Bauermann an- schließen, bitten wir Sie noch, uns baldmöglichst auf beifolgendem Fragebogen die bei Ihnen vorgekommenen Fälle von Krankheits- simulationen, in denen ein nach Ihrer Meinung oder Feststellung ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Dienste stattgefunden hat, zu streng vertraulicher Benutzung gest. mitteilen zu wollen. Mit koll. Hochachtung Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser, e. V. gez. Oskar Tietz , gez. Dr. Wernicke, Vorsitzender. Generalsekretär. Mit Bleistift auszufüllen' Streng vertraulich!, An den Verband Deutscher Waren- u. Kaufhäuser, e. V. Berlin . Nachstehend teilen wir Ihnen erg. die Zahl der Fälle von gemeldeten Erkrankungen innerhalb der letzten..... Jahre mit, in denen fertigt war. 1. u. E. ein Fernbleiben vom Dienste nicht gerecht- Festgestellte Simulationen Ort: Datum: Zunächst 2. 8. 4. Vermutete Fernbleiben von 13. Simulationen wegen Nach erfolgter geringfügiger Kündigung Krankheiten Stempel: Unterschrift: wird in der leichtfertigsten Weise der Vorwurf der Siinulation ganz allgemein erhoben, und um für die un- erhörte Beschuldigung Beweise zu erlangen, sollen die interessierten Leute vertraulich, das heißt anonym die Vor- würfe bestätigen. Ihre Meinung, die natürlich ein wenig zuverlässiger, vielmehr ein stark subjektiver Berater ist, soll genügen für die Generalisierung der Beschuldigung, wodurch eine große Gruppe Angestellter in der öffentlichen Meinung herabgesetzt wird und schwer geschädigt werden kann. Wer nach solcher Methode zu arbeiten sich genötigt sieht, verdient die Vorwürfe,' die er gegen andere erhebt. Folgen der Profitwut. In wahnsinnigem Tempo wird im mitteldeutschen Braunkohlen- bergbau die Produktion betrieben. Diese Parforcejagd nach Kohlen muß die Arbeiterschaft mit Gesundheit und Leben bezahlen. Auch im Braunkohlenbergbau ist die Uufallziffer im Steigen begriffen. ZweiKatastrophen, die die Situation grell beleuchten, sind aus der letzten Zeit zu verzeichnen. Auf der zur GrubeViktoria" bei Hötensleben gehörigen Brikettfabrik ereignete sich am 7. August eine Kohlenstaub- explosion. Zehn Mann wurden lebensgefährlich verbrannt. Mehrere Verletzte sind gestorben. Nach den Aussagen der Arbeiter wäre die Explosion vermieden worden, hätte man ernsthaft die Beseitigung eines kleinen Brandes betrieben. Man war aber nur auf die Produktion bedacht, man ließ das Feuer stundenlang glimmen, bis die Explosion eintrat. Für Beseitigung von großen Massen lagernden trockenen Kohlenstaubes war keine Zeit gewesen. In der Nacht vom 24. zum 2S. voriger Woche brannte, eben- falls durch Kohlenstaubexplosion, auf der Grube 522 bei Theißen der Förderturm ab. Ebenso brannte die Schachtziinmerung aus, wodurch die Schachtanlage zusammenbrach. Von den dort be- schäftigten Arbeitern verbrannten zwei bis auf wenige Knochenreste vollständig, während zwei andere sich mit knapper Not durch den Sprung von einer Brücke retten konnten. Die Untertag- arbeiter konnten sich sämtlich durch den Luftschacht in Sicher- heit bringen. Eine Kohlenstaubexplosion müßte auf Vraunkohlenwerken, die nicht mit Trockenanlagen zur Brikett- fabrikation versehen sind, zu den Unmöglichkeiten gehören. Ueberall wo derartige Katastrophen eintreten, kann man sicher sein, daß etwas nicht in Ordnung war. So war auch der Schacht von Grube 522, welcher den Niebeck- scheu Montanlvcrken gehörte, nicht ausgemauert worden, mit Holz abgeteuft. Der Förderturm bestand in der untersten Etage aus leichtem Fachwerk, während er oben durchweg mit Holz aufgezimmert war. Eingedeckt war er mit leichter Dachpappe. Die ZngangStüren, Treppen und Leitern bestanden bis obenhin ebenfalls aus Holz. Trotzdem die ganze Anlage erst wenige Jahre besteht, hatte man sich die Errungenschaften der Technik und die trüben Ersahrungen mit anderen Holzbauten nicht zunutze gemacht, sondern einfach leicht, luftig und feuergefährlich gebaut; diese Bauweise ist am billigsten. Auf den Holzverkleidungen des Schachtes lagerte jahrelanger Schmutz und Staub. Ein Berieseln und Sprengen kannte man im Braun- kohlenbergbau kaum dem Namen nach.' Der Staub soll schon Tage vorher geglimmt haben. Sicher ist, daß man in der Unglücksnacht schon gegen 8 Uhr den Brand im Schachtinnern mit ein paar Eimern Wasser zu löschen versuchte. Die Förderung durfte aber nicht stillstehen, weil die Kohle notwendig gebraucht wurde.(!!> So ging der Betrieb eben weiter. Jedes Auf- und Abgehen des Fördcrkorbes fachte durch den Zug den Brand aufs neue an, bis dann endlich sich gegen Uhr die angesammelten Brandgase entzündeten, ein hochgehender Korb die hellen Flammen mit nach oben brachte und im Nu den Fördcrturm in Brand setzte. Wahrscheinlich haben hier lagernde Staubmassen das rasende Wüten des Elements begünstigt, denn in kaum fllus Minuten hat die ganze Anlage von unten bis oben hellerlichtcrloh gebrannt. Die oben auf dem Turme mit dem Abziehen und Aufschieben der Wagen beschäftigten zwei Leute konnten sich nicht mehr retten. Am nächsten Morgen fand man von einem der Verunglückten einige Knochen, der andere Un- glückliche ist jedenfalls in das Innere gestürzt und vollständig ver- brannt.. Gebessert werden die Perhältnisse im Bergbau dann erst werden, wenn Kontrolleure aus Arbcitcrkreisen angestellt sind. Arbeiterfchutz. In der Wäschcfabrik der Gebrüder Borchardt in der Neuen Königstraße zu Berlin waren jugendlichen Arbeiterinnen unter 16 Jahren entgegen den Bestimmungen des§ 136 der Gewerbe- ordnung nicht Pausen von je einer halben Stunde, sondern solche von nur einer Viertelstunde gewährt worden. Wegen Uebertretung des genannten Paragraphen wurde die Direktrice N. und daneben auch einer der Brüder Borchardt, dem die Oberleitung des 600 Per- sonen umfassenden Betriebes obliegt, zu einer Geldstrafe verurteilt. Zur Anwendung kamen dabei folgende Vorschriften des 8 köt der Gewerbeordnung:Sind bei Ausübung des Gewerbes polizeiliche Vorschriften von Personen übertreten worden, welche der Gewerbe- treibende zur Leitung des Betriebes oder eines Teils desselben oder zur Beaufsichtigung bestellt hatte, so trifft die Strafe diese letzteren. Der Gewerbetreibende ist neben denselben strafbar, wenn die lieber- tretung mit seinem Vorwissen begangen ist, oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Be- aufs ich tigung des Betriebes, oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Betriebsleiter oder Aufsichtspersonen es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen." Das Land- gericht führte in der Beziehung auS: Nicht widerlegt fei zwar die Angabe des Angeklagten Borchardt, daß er nicht g e- wüßt habe, die jungen Mädchen erhielten Pausen von weniger als einer halben Stunde. Auch könne ihm nicht vorgeworfen werden, daß er es bei der Auswahl der Direktrice an der crfordcr- lichen Sorgfalt habe fehlen lassen. Indessen wäre es dem An- geklagten möglich gewesen, von dem Kontor, wo er tätig ist, in den Saal zu gehen und hin und wieder sich davon zu überzeugen, ob den jugendlichen Arbeiterinnen die halbe Stunde Pauw gewährt werde. Er habe ja häufiger revidiert, aber niemals die Direktrice gefragt, ob sie die gesetzlichen Ruhepausen innehalte. Hinzu komme, daß die Uebertretung des Gesetzes nicht bloß dann und wann, sondern mehrere Monate hintereinander erfolgte. Somit sei ai»- zunehmen, daß Borchardtbei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes" es an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen. Deshalb sei er neben der Direktrice strafbar. Das Kammcrgericht verwarf die hiergegen von Borchardt ein- gelegte Revision, weil das Landgericht mit Recht unter den fest- gestellten Umständen den 8 k51 der Gewerbeordnung angewendet habe._ Statistik der KaufmannSgerichte. Kaufmannsgerichte waren bis zum Schlüsse des Jahres 1005 insgesamt 227 errichtet. Davon befinden sich in Preußen 144, in Bayern 23, in Sachsen 15, in Württemberg 8, Baden 6, Hessen 5, Mecklenburg- Schwerin und Anhalt je 3, Sachsesi-Weimar und Elsaß-Lothringen je 4, Oldcn- bürg, Sachsen-Koburg und Bremen je 2, in Braunschweig , Sachsen- Altenburg, beiden Rcuß, Lübeck und Hamburg je 1. In Mecklen- burg-Strelitz, Sachscn-Meiningen, Schwarzburg-Sonderphausen, Schwarzburg-Rudolstadt , Waldeck , Schaumburg-Lippe und Lippe be- stand 1005 kein KaufmannSgcricht. Von allen 5kaufma»nsgerichten sind 187 bereits bestehenden Gewerbegerichten angegliedert. Von den Kaufmannsgerichtcn sind für einzelne Gemeinden 212 zu- ständig, für mehrere Gemeinden 10, für mehrere Kommunalver- bände" oder Teile von solchen 5. 204 Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern haben eigene Kaufmannsgerichte errichtet. Die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen in Württemberg. DaS Ergebnis der am 1. Oktober 1005 von der württem- bergischen Regierung an die Betriebsunternehmer gerichteten Um- frage über d i e A r b e i t s z e i t der bei ihnen beschäftigten über 16 Jahre alten Arbeiterschaft wird amtlich bekannt gegeben. Danach arbeiten ..»v w-nla!?. Ueber 10 Stunden: und weniger: Arveiter: 55 700--- 40,0 Proz. 55 071--- 50,1 Proz. Arbeiterinnen: 14 620 32,0 29 803---- 67,1, Weniger als 9 Stunden arbeiten aber von den Arbeitern nur 4,8 Proz. und von den Arbeiterinnen 2,1 Proz.