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Geringen Erstaunen, daß der Stuhl verwaist und noch gar nicht besetzt gewesen war. Nach den Worten:Ach, wir verhandeln ja ohne Amtsanwalt", erschien dann der Ankläger, der augenscheinlichden Zug verpaßt hatte". Die Verhandlung war auch ohne Ankläger ganz gut gegangen. Da aber der Staatsvertreter beiHauptverhandlungen" in Strafsachen immer dabei sein muß", fing man nochmal von vorne an und der Polizist mußte infolgedessen seinen Eid zweimal leisten. Das Schicksal will es, daß solche Versehen wir denken viel zu menschlich darüber auch Richtem passieren, die in Kleinigkeiten, die der Presse unterlaufen, häufig welterschütternde Ereignisse er- blicken. Man sieht, auch Richter sind nicht unfehlbar. Sächsische Nadelstichpolitik. Mit einem Eifer, der wirklich einer besseren Sache würdig wäre, verfolgen die sächsischen Behörden die Bewegung der sächsischen Arbeiterschaft. Als vornehmste" Waffe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und politischen Vereinigungen der Arbeiter dient das Vereins- und Versammlungsrecht", dasJuwel", wie es einmal von einem sächsischen Minister genannt wurde. DiesesJuwel" ist ein wahrer Jungbrunnen für die Verwaltungsbehörden, die daraus Stoff schöpfen zu den verschiedensten Auslegungen und Verordnungen, denen freilich nur Erzreaktionäre und verknöcherte Bureaukraten Verständnis entgegen- bringen. Aber auch eine Disziplinarordnung für Fortbildungsschüler kann so ausgestaltet werden, daß sie als Mittel gegen den Umsturz sich verwenden läßt. Der Chemnitzer Amtshauptmannschaft ge- bührt das Verdienst, eine neue Waffe gegen die Sozialdemokratie geschmiedet zu haben. In Sachsen haben sich in den letzten Jahren Arbeiter-Turn-, Gesang- und Radfahrervereine gebildet, weil den Arbeitern oft zu- gemutet wurde, allen möglichen und unmöglichen patriotischen Klimbim mitzumachen. Wie jene, so haben auch die Arbeitervereine Jugend- liche an den Vereinsveranstaltungen teilnehmen lassen, und zwar alsZöglinge",� da den FortbildungSschülern ohne Erlaubnis der Schulinspektion um die niemaud nachsucht der Beitritt zu Vergnügungsvereinen nicht gestattet ist.(Es handelt sich also nicht etwa um politische Vereine. D. B.) Nun hat man aber, um den Jugendlichen auch die Teilnahme an den Vereinsveranstaltungen unmöglich zu machen. folgenden Zusatz der Disziplinarordnung eingefügt:Der Mitglied- schaft ist die Teilnahme an den Vereinsveranstaltungen gleich zu achten." Selbst den beiden Bürgermeistern und einem konservativen Landtagsabgeordneten, die dem Bezirks- auSschuß angehören, dem die Sache in öffentlicher Sitzung vorgelegt lvurde, ging eine derartige Auslegung zu weit und sie machten ihre Bedenken dagegen geltend. Nur ein Fabrikant war erbaut von dem Zusatz, den er für sehr notwendig erachtete. Auf seinem Vor- schlag wurde schließlich die Sache abgesetzt und später kam in der nichtöffentlichen Sitzung die Verständigung. Da es recht zweifel- Haft ist, ob diese Auslegung vor dem Gericht standhält, wird eine gerichtliche Entscheidung darüber bald herbeigeführt werden. Die organisierte Arbeiterschaft wird sich aber aus alle Fälle in ihren Bestrebungen nicht beirren lassen. Soldatenschinder. München , 30. August. _ Vor der.. Kriegsgericht der l. Division hatten sich heute gleich drei Soldatenschinder auf einmal wegen Mißbrauchs der Dienst- gcwalt zu verantworten. Der Unteroffizier der 8. Kompagnie des Jnfanterie-Leibregiments, Johann Georg Hillmaier, riß am 15. Juli dem Infanteristen Zamelzer, weil er die Dienstmütze im 'Mannschaftszimmer auf dem Kopfe behielt, die Mütze herunter und schlug sie dem Soldaten mit solcher Wucht in das Gesicht, daß die Kokarde der Mütze das Auge traf, so daß der Mißhandelte heftige Schmerzen hatte und seine Sehkraft geschwächt wurde. Einige Tage später schickte der gleiche Unteroffizier seinen Putzer zu dem Mißhandelten mit dem Auftrage, er solle ihm die Stiefel putzen. Zamelzer erklärte, daß er die Stiefel nicht putzen könne, weil er selbst noch viel zu tun habe. Als der Unteroffizier einige Zeit später von dieser Aeußerung erfuhr, begab er sich in das Mannschaftszimmer, riß dem schon im Bette liegenden Sol- baten die Decke weg, versetzte ihm einen Stoßbor die Brust und warf dann das Putzzeug des Infanteristen in die hinterste Ecke der Stube. Während der Unteroffizier für seine Roheiten mit nur 12 Tagen Mittelarrest davon kam, wurde der mißhandelte Soldat wegen Nichtbefolgung eines Befehls zu 18 Tagen strengen Arrest verurteilt!! Die Anklagebank wurde hierauf von dem Unteroffizier Ludw. Hahn von der 2. Kompagnie des 2. Train-Bataillons eingenommen. Der Soldat Bach hatte am 15. Oktober v. I. im Stalle mit einem Kameraden geulkt er wollte diesen mit Wasser bespritzen, traf dabei aber das Dienstpferd des Unteroffiziers, das sich loSriß und im Kascrnenhof herumgaloppierte. Aus Aerger hierüber versetzte Hahn dem Soldaten einen Schlag auf den Hinterkopf und belegte ihn dann auch noch mit nicht wiederzu- gebenden Ausdrücken. Der Unteroffizier erhielt hierfür 14 Tage M i t t e l a r r e st. Der dritte im Bunde war der Gefreite Matth. Rettenberger von der 4. Eskadron des 2. Schweren Reiterregiments in Landshut . Er hatte den zu seiner Eskadron kommandierten Infanteristen Reiter, weil dieser eine Uebung un- richtig ausführte, unter ein Pferd geworfen und dabei gedroht, daß er ihn noch zum Blutschwitzcn bringe. Schließlich suchte er den mißhandelten Soldaten zu. bestimmen, keine Meldung von dem Vorfall zu machen. Der Gefreite wurde zulOTagenMittel- artest(!), verurteilt. Hustand« Ungarn . Eine verlogene Regierung. Dieses große Ministerium der nationalen Demokratie, wie sich die Koalitionsregierung prahlerisch nennt, hat nicht einmal den Mut ihrer Schändlichkeit. DieseDemokraten " versuchen bekanntlich der Arbeiterbewegung, wo sie können. Steine in den Weg zu legen, besonders aber der Landarbeiterbewegung, die den herrschenden Großgrundbesitzen! vor allem verhaßt ist. Das neueste Attentat dieser Art verübte der Minister des Inneren resp. sein Vertreter, ein Ministerialrat. Seit einiger Zeit wird nämlich die Er- richtung von Ortsgruppen der Feldarbeiterorganisation, wider den Wortlaut der Statuten, verhindert; schon bestehende werden von den Komitatsbehörde» mit der Begründung suspendiert, es sei eine Ministerialverordnung erlassen worden, wonach die Ortsgruppen ihre Tätigkeit erst dann beginnen dürsten, wenn das Ministerium des Innern ihre Konstituierung zur Kennwis genommen habe, waS wahrscheinlich nie geschähe, wenn die Arbeiter es sich gefallen ließen. Die Zentral- leitung des Feldarbeiterverbandes wandte sich nun an daS fragliche Ministerium um Aufklärung, ob eine solche den genehmigten Statuten widersprechende, also rechtsverletzende Verordnung wirklich erlassen sei. Vom stellvertretenden Ministerial- rat wurde die beruhigende Antwort abgegeben: eine solche Verordnung sei nicht erlassen worden; die Provinzial- behörden hätten vielmehr dem Ministerium nur zu melden, ob die Ortsgruppen die statutenmäßige Mindestzahl von Mitgliedern auf- weisen; im übrigen aber können die Ortsgruppen ihre Tätigkeit im Sinne der Vcrbandsstatuten rechtnmßig beginnen. Unser BruderorganNepszava " antwortete auf diesen frechen Ableugnungsversuch mit der Veröffentlichung der folgenden geheimen Ministerialverordnung: 71Ö84/III-A. Aus dem Ministerium des Innern. Betreffend den Wirkungskreis der im Nahmen der gewerb- lichen und landwirtschaftlichen Arbeiterorganisationen gegründeten Ortsgruppen. Auf Grund der mir am 28. d. gemachten Unterbreitung ver- ständige ich den Herrn Vizeaespan, daß die im Rahmen der gewerblichen und landwirtschaftlichen Arbeiterorganisationen ge- gründeten Ortsgruppen ihre Tätigkeit nur dann beginnen können, wenn die zuständige Regierungsbehörde die Gründung einer Ortsgruppe genehmigend zur Kenntnis nimmt. Budapest , 30. Juni 1906. Im Auftrage des Ministers: Ladislaus Szabo in. p, Ministerialrat. Diepatriotische" Presse war verblüfft, am meisten aber der Herr Ministerialrat; denn der ministerielle Erlaß war im Austrage des Ministers von demselben Ministerialrat unter- zeichnet, der die Existenz einer solchen Verordnung in Abrede st e l l t e I Es ist hier überflüssig, zu bemerken, daß diese Entlarvung als Lügner dem Ministerialrat nichts geschadet hat. Er hat ja im Auf- trage der Regierung gelogen und verdient also eigentlich eine Aus- zeichnung. Die kaum dreitausend Großgrundbesitzer Ungarns , die Herren des Landes, werden finden, daß der Lügner sehr patriotisch gehandelt hat. Dieser verschwindende Bruchteil der Nation nennt fast ein Drittel des gesamten bebauungsfähigen Bodens sein eigen! Tausende von Kleinbauern gehen alljährlich zugrunde; immer größer und mächtiger werden Kirchenland und Großgrundbesitz. Wer in diesem klassischen Lande der Freiheit für Schundlöhne nicht arbeiten will, wird einfach ins Gefängnis gesteckt oder ist gezwungen, aus- zuwandern. Frankreich . Die französische Bourgeoispreffe gegen Gorkis Feuilleton. Paris , 31. August.(Eig. Ber.) Das FeuilletonLa. belle France" imVorwärts" hat die Bourgeoispresse ganz aus dem Häuschen gebracht. Mit einem dreisten Fälschertrick verschweigt sie Ihren Lesern, mit welch' leidenschaftlichen Worten Maxim Gorki die geschichtliche Größe Frankreichs und seine Verdienste um die Völkerfreiheit preist. Sie hält sich nUr an die Verachtung, die er dem heu- tigen, in Zarenknechtschaft und kapitalistischer Profitgier versunkenen Frankreich entgegenschleudert. Die Spei-Gebärde des russischen Dichters wird mitPatriottscher" Eni- rüstung dem chauvinistischen Spießbürger denunziert. Charakteristtsch für die wirkliche Verfassung des bürger- lichen Zeitungsgeschwisters ist der vomFigaro" wie vom Temps" erhobene Vorwurf derUndankbarkeit": Gorki hätte nicht so schreiben dürfen, weil man seine Werke ge- lobt habe. Selbst ein so gebildeter Schriftsteller wie Jules Claretie schämt sich nicht, ein solches Argument zu ge- brauchen! Also Schweige- und Lobepflicht als Gebot der Gegenseittgkeit diese Moralisten spotten ihrer selbst und wissen nicht wie. Herr Claretie treibt die Heuchelei fogar so weit, zu erklären, die Leute, die die russische Anleihe zeichneten, hätten das Geld nicht zur Unterdrückung der Revolutton her- gegeben, vielmehr wünschten sie den Russen Wohlfahrt und Freiheit I Herr Clarette tut den französischen Kapi- talisten Unrecht. Sie sind nicht so einfälttg, wie er sich stellt.-_ Eine schismatische Bewegung im französischen Klerus. Paris , 31. Aug.(Eig. Ber.) DieHumanste" veröffentlicht heute ein Interview mit einem ehemaligen katholischen Priester, der sich der Organisierung einer von Rom unabhängigen republikanisch- katholischen Kirche widmet. Herr Meilan, der auch das propagandistische OrganFrance- Evangile" leitet, hat seit einem Monat 230 Zustimmungserklärungen von katholischen Priestern erhalten und hofft die Zahl binnen kurzem auf 1000 zu steigern. Die neue Kirche soll antidogmatisch sein und die Evangelien zur Grundlage haben. Ihre Priester werden den Zölibat nicht anerkennen. Die Anhänger der Bewegung haben bereits drei Kultusassoziationen gegründet. Im Oktober sollen auf einem Kongreß die Statuten der neuen Glaubens- gemeinden im einzelnen redigiert und es soll der erste Bischof ge- wählt werden II Abbs Meillan fleht die Zukunft seiner neuen Kirche mit begreif- lichem Optimismus an. Nüchterne Beurteiler werden diesen Opti- mismuS nicht ohne weiteres teilen. Aehnliche Versuche sind wieder- holt unternommen worden, im größten Maßstabs und unter den günstigsten Bedingungen während der Revolution. Aber diekon- stitutionelle" Kirche hat gerade dahin gewirkt, die kirchliche Organi- sation deS römischen Glaubens zu zentralisieren und den Herrschafts- apparat auszubauen, der mit dem Konkordat dem Vatikan in die Hände gespielt wurde. Die Propagandisten deSunabhängigen" Katholizismus werden wohl, sofern sie nicht wieder in den Schoß der Alleinseligmachenden zurückkehren, an der Tatsache scheitern, daß in der heutigen Menschheit die freien Geister überhaupt keine Kirche brauchen, die unfreien aber im römischen Klingklang eine Sinnenweide haben, die ihnen eine rationalistische KultuSgemernschaft nicht zu bieten vermag. Norwegen . Zu de» Wahlen. AuS Kristiania wird uns geschrieben: Die Wahlbeivegung zeigte mancherlei Bemerkenswertes, das Schlüsse auf die weitere Entwickelung des Landes zuläßt. In allen Parteien mit Ausnahme der sozialdemokratischen herrschte die größte Verwirrung. Konservative stellten liberale Kandidaten und Liberale wiederum konservative oder moderate Kandidaten auf, aber nicht nur einen, sondern zwei, drei in den verschiedenen Be- zirken eines Wahlkreises. Es herrschte vollständige Anarchie und von Organisation war keine Spur. Alle bürgerlichen Kandidaten schwuren natürlich auf das Programm der Michelsenschen Regierung, die der famosen Meinung ist, daß nach den vorjährigen Heldentaten nur noch eine Partei Existenzberechti- gung hat, und das ist die liberal-moderat-konservative Regierungs- Partei. Die Ursachen der Zersplitterung, die trotzdem herrschte, waren einesteils Uneinigkeit über die Qualifikation der Kandidaten und andernteils Herrschsucht, Eitelkeit und Sucht nach persön- lichen Vorteilen, schrieb unser ParteiorganSocialdemokraten", und die gegnerische Presse erkannte unter Jammern und Klagen. daß dies leider wahr sei. Es kam des- wegen auch in so vielen Kreisen zu Stichwahlen und zum Gaudium unserer Partei zwischen Sammlungspartei und Sammlungspartei. Die Minister und ihre Helfershelfer gaben sich die größte Mühe, um diese Doppelkandidaturcn zu beseitigen, sämtliche Minister waren auf Agitationsreisen. Die Agrarier traten diesmal selbständig auf unter dem Namen Landmandsforbund (Bauernverband), auch die Industriellen haben ernstliche Versuche ge- macht, eigene Kandidaten aufzustellen. Die sozialdemokratische Partei hatte in einigen 30 Kreisen eigene Kandidaten aufgestellt. In Akershus Amt, das im Halbkreise um Norwegens Hauptstadt. Kristiania , herumliegt und eine gemischte Bevölkerung Fabrikarbeiter, Handwerker und hauptsächlich Klein- bauern und ländliche Arbeiter hat, sind für unsere Partei 4148 Stimmen oder beinahe 100 Proz. mehr als bei den Wahlen 1903 abgegeben worden. Das Resultat ist um so auffälliger, da es in diesen Kreisen vorläufig noch an festen Organisationen fehlt. DaS Evangelium des Sozialismus hat aber trotzdem in vielen tausend Hütten eifrige Anhänger gefunden und überall werden die sozialistischen Ideen mit großer Begeisterung aufgenommen. Ein Aufruf der Schulverwaltung. Einige Mitglieder der Schul- Verwaltung in Kristiania haben folgenden Aufruf an die Eltern der besitzenden Klasse erlassen: Schickt Eure Kinder in die Volksschule! Die Mit- glieder der Schulverwaltung, die selbst Eltern sind, erlauben sich die eindringliche Aufforderung an die Eltern der gebildeten und gut- situierten Kreise zu richten, ihre Kinder in die Volksschule zu senden. Die Gründe für diese Forderung sollen im folgenden dargelegt werden: 1. Es ist absolut notwendig, daß alle Gesellschaftsklassen die gleiche Schule benutzen, die den Grund für gegenseitiges Verständnis und Achtung pflegen kann. Das allgemeine Solidantätsgefühl, das erst geweckt wird, bedingt eine gleichmäßige demokratische Eutwicke- lung und ein gutes und friedliches Zusammenarbeiten aller Gesell- schäftskreise. 2. Der Staat erkennt deshalb nur eine öffentliche Ochirte sllr die ersten fünf Schuljahre an und das ist die Volksschule. 3. Es muß eine Ehrensache für alle und nicht zum wenigsten für die gebildeten und bessergestellten Eltern sein, die Verordnungen und Gesetze des Staates zu beachten und somit die öffentlichen Volksschulen zu benutzen. 4. Die Schule bildet die Grundlage für die allgemeine Volks- bildung und Volksaufklärung. Die Volksschule bildet die Grundlage für die höhere Schule. Es liegt somit im Interesse aller Gesellschaftsklassen, die Volksschule absolut vollkommen zu gestalten. 5. Der Staat hat keine Mittel, sein Interesse zwischen mehreren Schulen zu teilen, man muß sich um eine sammeln und das kann erst geschehen, wenn alle Gesellschaftskreise ihre Kinder in die gleiche Schule senden, nämlich in die Volksschule. Wir ersuchen alle Eltern dieser Aufforderung nachzukommen. Die privaten Kleinkinderschulen sind rückständig gegen die öffent- lichen Volksschulen und in Erziehung und Unterricht der Kinder darf niemand zurückstehen. Das sind sehr ivohlgemeintc Worte. Sie werden aber kaum den gewünschten Erfolg haben. Dem Klassenstaar entspricht die besondere Schule für die Kinder des Proletariats. Uebrigens darf die Wirkung der gemeinsamen Schule auf die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht überschätzt werden. Sie kann die Klassengegensätze niemals überwinden. Amerika . Unterm neuen Fleischinspektionsgesetz. AuS New A o r k wird uns geschrieben: Die Skepsis, mit der die amerikanischen Sozialisten vor allem die amtlichen Versicherungen aufgenommen haben, daß das neue Fleischinspektionsgesetz von den Inhabern der großen Fleischfirmen eifrig befolgt werde, hat sich nur als allzu berechtigt erwiesen. Die Gesundheitsbehörde des Staates Kansas hat vor kurzem bei Unter- suchung einer der großen Schlächtereianlagen in Kansas City , bei- nahe zwei Monate nach demEntrüstungssturm" über die Zustände in Chicago , womöglich noch schlimmere vorgefunden, als sie dort herrschten. Der Verwaltung wurde die gesetzlich vorgeschriebene Frist zur Vornahme einer Reinigung gegeben; der Sekretär jener Behörde äußerte sich aber, er bezweifle sehr, ob das selbst in 50 Tagen mög- lick sein werde. Er erachtete als das einzig zweckmäßige Mittel das Niederbrennen der ganzen Anlage I Die Prüfung der Anwärter für die durch das Fleischinspektious- gesetz geschaffenen 400 neuen Jnspektorenstellen(wozu sich über 3000 Personen gemeldet hatten) ist inzwischen erfolgt. Upton Sinclair , der Verfasser vonThe Jungle ", hat erklärt, daß das neue Gesetz keine gründliche Besserung der Zustände herbeiführen könne. Dieselbe Ansicht ist auch von anderen Leuten geäußert worden, dieden Rummel keimen". Damit sich die Leser eine lebendige Vorstellung von demTatbestand" machen können, der dieser pessimistischen An- schauung zu Grunde liegt, sei hier eine Stelle aus der Sinclairschen Schrift wiedergegeben. Sie lautet:Eine merkwürdige Sache hatte Jurgis schon am ersten Tage seiner Arbeit als Eingeweideschaufler bemerkt. Es war ein besonderer Kniff der Vorleute dieses Stockwerkes wenn sie auf einrmgeborenes Kalb" stießen. Jeder, der nur etwas von Fleischerei versteht, weiß, daß das Fleisch einer Kuh, die kurz vor dem Kalben ist oder eben erst gekalbt hat, als Nahrungsmittel nicht geeignet ist. Viele solcher Kühe kamen täglich nach den Viehhöfen, und für die Packer wäre es natürlich, wenn sie gewollt hätten, ein Leichtes gewesen, diese Kühe zurück- zustellen, bis sie zum Schlachten geeignet waren. Aber um Zeit und Geld zu sparen, war es gebräuchlich, daß diese Kühe zusammen mit den anderen verarbeitet wurden, und wer eine solche bemerkte, pflegte es denr Vormann zu sagen, und dieser begann eine Unter- Haltung mit dem Regierungsinspektor, worauf beide weg- schlenderten. Dann wurde im Handumdrehen die tote Kuh ausgenommen und die Eingeweide verschwanden; Jurgis' Aufgabe war es, sie mit den Kälbern und allem anderen in die Falle zu schaufeln, und in dem darunter befindlichen Stockwerke wurden dann dieseungevorenen" Kälber herausgenommen und als Fleisch verarbeitet, selbst ihre Häute wurden gebraucht."(Wie später ermittelt ward, bildeten diese Kälber für die Packer einen höchst wertvollen Artikel; sie wanderten nämlich in die Abteilung für Kon- serven und gingen aus derselben in Büchsen alseingemachtes Hühner- fleisch" in die Welt I) Ferner:Eines Tages glitt ein Mann aus und verletzte sich am Bein, und am Nachmittage, nachdem das letzte Stück Vieh geschlachtet war und die meisten Arbeiter fortgingen, mutzte Jurgis dableiben und eine Arbeit tun, die sonst der Verletzte zu tun pflegte. Es war spät, schon beinahe dunkel, die Regierungs« i ii spektoren waren alle fort und es waren nur ein oder zwei Dutzend Arbeiter in diesem Stockwerk. Sie hatten an diesem Tage etwa viertausend Rinder geschlachtet; diese Rinder waren in Frachtzügen von weit hergekommen und manche davon waren ver- letzt. Einige hatten gebrochene Beine, andere durchstoßene Seiten; wiederum andere waren auf dem Wege ver- endet, warum? wußte kein Mensch zu sagen. Und hier, in der Dunkelheit und Stille der Nacht, wurden sie geschlachtet. DieseGefallenen " wurden in einem besonderen Aufzuge zu den Schlachtbetten emporgehoben, wo die Arbeiter sie mit einer Non- chalance angriffen, die deutlicher als Worte sagte, daß es für sie eine tägliche Arbeit sei. In ein paar Stunden waren sie aus dem Wege geräumt, und dann sah Jurgis. wie sie in die Kühlkammer zusammen mit dem anderen Fleisch kamen, wo sie sorgfältig zwischen die anderen hängenden Fleischteile verteilt wurden, so daß man sie nicht unterscheiden konnte. Als er an diesem Abend nach Hause kam, war er in sehr düsterer Stimmung; endlich begann er einzusehen, daß diejenigen doch im Rechte sein könnten, die ihn wegen seines Glanbens an Amerika verlachten." GcwerkfcbaftUched« Berlin und Ilmgegend. Zum Streik der Kohlenarbeiter.-v Trotz aller Bekanntmachungen der Kohlengroßhändler, daß cS mit dem Streik zu Ende gehe, steht das Gros des Kohlenarbeiter, Heeres, über 1200 Mann an der Zahl, im Kampf und erwartet den Augenblick, daß die Unternehmer den gerechten Forderungen der Arbeiter endlich nachgeben werden. Diese mehr als 1200 Mann sind die besten und tüchtigsten Arbeiter, gut eingearbeitete Leute, die nicht durch die angeworbenen Streikbrecher ersetzt werden können. Die Hoffnung der Unternehmer besteht hauptsächlich darin, daß die Reihen der Streikenden wankend werden; sie erwarten z. B. eine Massenflucht am Montagmorgen. Auch diese Hoffnung dürfte zuschandcn zu werden. Die Streikleitung hat für die kommende Woche erhöhte Unterstützung zugesagt, und daß sie ihre Ver- sprechungen erfüllt, ist am Sonnabend bewiesen worden. Mancher Arbeiter hat infolge der Mictszulage mehr Geld aus der Streiklasse empfangen, als er bei schwerer Arbeit auf dem Kohlenplatze ver- dient haben würde. Am Montagmoxgen UM 10 Uhr ist großer Appell im Gewerkschaftshause!