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Nr. 209. 23. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sonnabend, 8. September 1906.

Die russische   Revolution.

Die blamierte Regierung.

Bir bilden uns nichts darauf ein, vorausgefagt zu haben, daß die neunmaldumme russische   Regierung mit ihrem bauern­fängerischen Kommuniqué" keinen Hund aus dem Ofenloche Loden würde. Es gehörte keine Sehergabe dazu, um das zu prophezeien.

Der Russ. Kurier" schreibt:

Die jüngste Kundgebung der russischen Regierung ist von ben führenden Blättern Petersburgs und Moskaus  ( ausgenommen die regierungsfreundliche Presse) ziemlich fühl und mit berstedtem Mißtrauen aufgenommen worden; auch in der Gesellschaft werden Stimmen laut, daß die praktischen Resultate einer solchen Kund­gebung nicht viel Erfprießliches bringen, dagegen die Leidenschaften der revolutionär gesinnten Elemente nur noch mehr steigern werden, da man befürchtet, daß die zur Unterdrückung der Revo­lutionäre eingesetzten, mit unbeschränkten Vollmachten ausgestatteten Feldfriegsgerichte vielfach ihre Macht mißbrauchen und fo blutige Ausschreitungen provozieren werden.

In den beteiligten russischen Kreisen ist die Kundgebung mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden und hat bei den nicht ausgesprochen regierungsfreundlichen Russen eher Mißtrauen und Besorgnis als Befriedigung und Beruhigung hervorgerufen, da man nach dem in den lezten Tagen anscheinend fiegreichen Borgehen des Ministers Stolypin   am Barenhofe Zugeständnisse in weit bindenderer Form erwartet hat und in der Einrichtung be­sonderer Feldkriegsgerichte, denen gefeßlich unbeschränkte Boll­machten zugestanden werden, ein Zeichen dafür erblickt, daß der Will­für in Rußland   nunmehr noch größerer Vorschub geleistet wird.... In der Art, wie es die russische   Regierung in ihrer jetzigen Kund­gebung beabsichtigt, findet ihr Appell an den besonnenen(!) Teil der Bevölkerung, soweit sich vorläufig feststellen läßt, nicht den gewünschten Widerhall. Dazu kommt noch, daß einige Führer der sozialistischen   Barteien, die von der Kundgebung der Regierung schon vor deren Veröffentlichung Kenntnis erhalten hatten, fofort zu einer Gegenkundgebung geschritten sind, in der, wie nicht anders zu erwarten ist, alle gut gemeinten( 1) Absichten der ruffischen Regierung, wie sie behaupten," w puch i prach"( in Atome") zerschlagen werden, indem sie nachzuweisen suchen, daß die jebige Kundgebung der Regierung lediglich ein Produkt der Furcht vor den kommenden Monaten September, Oktober, November ist, die ja der Minister Stolypin   erst fürzlich selbst offen als die jenigen bezeichnet hat, die der russischen Regierung am meisten Gefahr bringen fönnen. Da aber die Regierung die Absicht hat, ihre jetzige Rundgebung durch die zahlreichen Regierungskommissare den Bauern entsprechend erklären(!!) zu lassen, um so über die gefährliche Zeit hinwegzukommen, so ist eine starte Gegenagitation seitens der russischen Sozialisten zu erwarten, so daß, falls der Zaten folgen, bie Beruhigung Rußlands   nicht in dem Maße jezigen Kundgebung der russischen Regierung nicht bald entsprechende gefördert wird, wie es in der Absicht der jetzigen russischen Re­gierung liegt." Wolffs Bureau meldet:

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ordentlichen Einnahmen gegenüber der Veranschlagung ge- des Kaufmannsgerichts stattfand. Als Kläger   trat der Geschäfts­bracht hat. Wenn man sich aber die einzelnen Boften näher an- führer Friz Engert auf, indem er einen Gehaltsanspruch von 500 M. sieht, so entrollt sich folgendes Bild: Im Jahre 1905 hat das geltend machte. Engert war am 26. Dezember v. J. zum sofortigen Branniweinmonopol infolge der Preiserhöhung und des gesteigerten Antritt von Herrn Stöcker für das Hospiz in der Königgrägerstraße Konsums 65 Millionen Rubel Ueberschuß gebracht, Bantoperationen engagiert, mit der Maßgabe, daß er bis Ende des Monats des Reichsschazamtes Millionen Rubel, die Erhöhung der umsonst arbeiten müsse, da er diese Zeit zum Einarbeiten lauter Posten, aus denen in bezug auf die ökonomische Lage des Vorstandsdame des Hospizes, Fräulein Eichler, zu Mißhelligkeiten. Banderolensteuer auf Zündhölzer 3 Millionen Rubel. Das sind brauche. Bald nach seinem Eintritt fam es zwischen ihm und der Landes feinerlei günstige Schlüffe gezogen werden können. Fräulein Eichler suchte die Maßnahmen und Anordnungen, die er Das gleiche Bild bietet das Jahr 1906: Ueberschuß aus dem als selbständiger Geschäftsführer im Interesse des Ansehens des Branntweinmonopol und der Zuderatzise, letteres deshalb, weil Hospizes vorzunehmen für richtig hielt, bei jeder Gelegen­die bereits am 1. Dezember 1905 fällige Zahlungsfrist bis zum heit zu durchfrenzen. So fand zum Beispiel der Kläger   bei seinem 1. März verschoben wurde. Dagegen weisen alle diejenigen Budget- Eintritt, daß über dem Eingange an der Haustür ein Haussegen be posten, die mit Handel, Gewerbe, Industrie in engster Berührung festigt war mit der Jnschrift: Gelobt sei der Herr Jesus  stehen, ein Zurückbleiben hinter dem Voranschlage auf: Für das Christus", während von innen an einem Schild zu lesen war: Jahr 1905 haben z. B. die Eisenbahnen ein Minus von 23 Millionen Rubel ergeben, in den ersten drei Monaten des Jahres 1906: einer Berhöhnung des religiösen Gefühls gleichtam, entfernt wissen, Bis früh um fünfe". E. wollte das Innenschild, weil es 19 Millionen, also beinahe ebenso viel! Zölle, Grundsteuer, Ge- Frl. E. befahl indessen, daß es hängen bleiben sollte. Der Kläger  werbesteuer, Auslösungsgelder der Bauern bleiben alle hinter dem schilderte des weiteren die ganze Geschäftsführung des Vereins Voranschlag zurück. Das ist das trostlose Bild eines wirtschaft als eitel Lug und Trug. Die Zimmerpreise waren angeblich lichen Niederganges, eines Ruins der Volkswirtschaft, das diese feste Preise, und es waren auch in den Zimmern Preistafeln an­trockenen Ziffern vor uns auferstehen lassen. geschlagen. Im Januar zog der als wohlhabend bekannte Landrat von Und nun erst das Budget für 19061 In demselben Artikel Brüning mit feiner Familie zu. Frl. E. verlangte vom Geschäftsführer, daß rechnet der" Towaritsch" ein Defizit von mindestens 500 Millionen er die Breistafeln entfernen laffe und höhere Preise Rubel heraus: Jm laufenden Jahre müssen für 235 Millionen ftelle. Als der Kläger   einwandte: Aber das verträgt sich doch Rubel furzfristige Wechsel im Auslande getilgt, ferner 50 Millionen nicht mit den Prinzipien unseres Hauses! Wir haben doch schon Rubel für die Unterstüßung hungernder Bauern und 150 Millionen den höchsten Zimmerpreis eingestellt", erwiderte ihm die Vorstands­Rubel für vorjähriges, durch die letzte Anleihe noch ungedectes dame: Sie haben es so zu tun, wie ichs Ihnen fage. Es ver Defizit hergegeben werden. Dabei ist eine Verringerung der trägt sich sehr wohl mit den Prinzipien unseres ordentlichen Einnahmen zu erwarten, was alles in allem auses!" Wenige Wochen später bemerkte der Kläger   nach seiner 500 Millionen Rubel ausmacht. Darstellung, wie in den Geschäftsbüchern eine Fälschung be Zu demselben Ergebnisse kommen wenn auch auf anderen Wegen fast alle flarblickenden Preßorgane. Man sieht: man angen wurde. Eine Frau Baronin v. Wolffersdorf hatte ein mag rechnen, wie man will die Geldnot steht wieder vor der größeres Schuldkonto bei dem Verein. Mit Hülfe des Frl. Eichler Tür, und demgemäß ist die Regierung wieder auf der Suche nach wissen des Frl. E. fälschte sie die Schuldsumme dergestalt, gelang es ihr, das Kontobuch in die Hände zu bekommen, und mit flingendem Metall. Darf man sich da wundern, daß wieder die daß ihr Schuldbetrag um ein Bedeutendes erniedrigt wurde. Dem unglaublichsten Gerüchte durch die Luft schwirren: Konzessionen Kläger   wurde über diesen Vorfall Schweigen geboten, er erklärte auf eine zweite sibirische Eisenbahn, auf einen Kanal Baltisces­Schwarzes Meer", Pfändung der russischen Eisenbahnen und nicht jedoch sofort, sich nicht zum Mitschuldigen eines fo ge zuletzt Verwandlung der Reichsbank in eine private Aktiengesell- Kenntnis der Staatsanwaltschaft, die sofort die Bücher beschlag­meinen Betruges machen zu wollen. Die Sache kam zur schaft! Selbst der halboffizielle Temps", der bekanntlich aur französischen   Regierung recht nahe Beziehungen unterhält, tann nahmte. Das Untersuchungsverfahren in dieser Angelegenheit schwebt nicht umhin, dieſem letzten Plane Aufmerksamkeit zu schenken, lich Fräulein E. eine Lügnerin nannte, sofort das Haus verlassen. zurzeit noch. Am 23. März sollte dann Stläger, weil er angeb und er bringt darüber Einzelheiten, die die Ansicht als berechtigt Er weigerte sich indessen, dem Folge zu geben, weil er Fräulein E. erscheinen lassen, daß es sich hier keineswegs um eine Börsenente, nicht als seine Vorgesetzte ansah. Gegen 10 Uhr abends erschienen sondern um eine ernst erwogene Kombination handelt. Jedenfalls muß man dessen stets gewärtig sein, daß die darauf mit einer von Herrn Stöder persönlich geschriebenen Aus­russische Regierung, ehe fie zu einer so überaus anstoßerregenden weisungsorder" zwei Kriminalbeamte, die den Kläger aus dem Maßregel greift, nichts unversucht lassen wird, um doch vielleicht Hauſe wiesen und ihm Bücher und Schlüssel abnahmen. Kläger  eine neue Anleihe zu machen". Mit dieser Möglichkeit ist stets durfte sich noch nicht einmal feinen Hut und Mantel zu rechnen, und selbst ein eingefleischter Optimist wird nicht zu be- mitnehmen und mußte die Nacht über als Obdachloser austande kommen wird. Zwar wird die völlige ökonomische und Bertreter des beklagten Vereins erhob gegen die schweren Beschuldi­haupten wagen, daß eine neue Anleihe unter feinen Umständen auf einer Bank zubringen. Der gestern für den verreisten Herrn Hofprediger erschienene politische Zerrüttung Rußlands  , die Unfähigkeit der Bureaukratie, dem alten Rußland   neues Leben einzuhauchen, faum noch von gungen des Klägers teine Einwendungen, erkannte vielmehr 26 M. Wegen der Restforderung be­einem Unparteiischen bezweifelt, aber die europäische Bourgeoisie, auf Vorhalt des Vorsitzenden an. die darüber zu entscheiden hat, ob dem Zarismus wieder einmal schloß das Gericht, den Herrn Landrat von Brüning zu teiisch. Außer der einfachen kapitalistischen   Profitgier, der zu der Entlassung abgespielt hat. aus der Klemme geholfen wird, ist nichts weniger als un par- vernehmen, der bekunden solle, wie fich der Vorfall am Tage liebe sie die Interessen des nach Freiheit lechzenden russischen Boltes für einen hohen Zinsfuß an den Barismus verkauft, liegt es in ihrem ureigensten Klaffeninteresse, den Zusammenbruch der Im Betriebe der bekannten Großfirma Thyssen in Mül­Selbstherrschaft möglichst zu verzögern. Der Absolutismus   ist der heim fam vor einiger Zeit ein Ingenieur S. zu Tode, als er einen Sort der europäischen   Reaktion, und die europäische   Bourgoisie, durch Gasausströmung bewußtlos gewordenen Arbeiter unter einer die ihre liberalen Ueberzeugungen längst zum alten Eifen geworfen Gasmaschine hervorziehen wollte und zu diesem Zwecke in eine hat, weiß ganz gut, daß eine Demokratisierung Rußlands   eine unter der Maschine befindliche Grube sprang. Beide, der Ingenieur und der Arbeiter, erstidten. Die Witwe des Ingenieurs machte nun schwung der proletarischen Klassenbewegung zur Folge haben wird. auf Grund des Haftpflichtgesetzes Anspruch auf Zahlung einer Jahres­Daher werden die bürgerlichen Klassen trop des ungeheuren rente in Höhe bon 8000 m., wurde aber abgewiesen mit der Be­Rififos für ihre Kapitalien stets bestrebt sein, der russischen gründung, daß der Tote an seinem Unfall selbst schuld sei, da Revolution Steine in den Weg zu wälzen. Die Sülfe, die fie er die Gefahr, in die er sich bei dem Rettungsversuch begeben, dadurch der russischen Regierung bieten, ist aber nichts mehr, als gefannt habe! In formaler Hinsicht stellte sich die millionen­die Gewährung einer Galgenfrist: zwar mächtig genug, um reiche Firma Thyssen auf den Standpunkt, daß der Monteur, die Entwickelung der russischen Revolution langsamer und opfer- welcher die Gasmaschine in Betrieb gesetzt, hierzu nicht befugt reicher zu gestalten, ist das europäische Gold doch machtlos, den war. Für die dienstlichen Verfehlungen des lediglich mit Busammenbruch des Absolutismus für ewige Beiten zu verhindern. der Montierung der Maschine beauftragten Monteurs brauche der Bielleicht mehr als in irgend einem anderen Falle gilt hier das alte Betriebsunternehmer nicht zu haften. Das Landgericht Duis= Sprüchwort: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!" burg   erkannte jedoch auf Grund des§ 2 des Haftpflichtgesetzes die Forderung der Klägerin im Prinzip als begründet an, da der Betriebsunternehmer für das schuldhafte Vorgehen des Monteurs haftbar sei. Dem Ingenieur, der sich einer Gefahr aus­gefeßt habe, um ein Menschenleben zu retten, lönne dies unmöglich als ein schuldhaftes Berhalten an­gerechnet werden.

sich die rechts stehenden Organe wie Nowoje Wremja" über das Petersburg, 7. September. Bon Rossija  " abgeſehen äußern beröffentlichte Regierungsprogramm sehr zurückhaltend. Nowoje Bremja" spricht von einer Altion des Kabinetts auf zwei Fronten und bezeichnet es als Gewinn, wenn auch nur die Agrarreform durchgeführt werde. Im übrigen leuchtet aus den furzen Be mertungen des Blattes eine peffimistische Auffassung be­züglich erfolgreicher Durchführung des Regierungsprogramme hervor. Rufftoje Snjaamja", bas Organ des Schwarzen Hundert  , dagegen verwirft das Programm als ganz untauglich Demokratifierung Europas   und einen nicht abzuschäßenden Auf­zur Unterdrückung der revolutionären Bewegung: Hierzu seien nicht Reformen, sondern Kampf nötig. Die linksstehenden Blätter, die in dem Reformprogramm wenig Neues finden und gegenwärtig keine besondere Einwirkung auf die Lage durch die Durchführung des Programms voraus fagen, wenden ihre Aufmerksamkeit besonders der Einführung des Standrechtes zu. Sie sprechen die Ueberzeugung aus, daß das nun überall zur Anwendung gelangende Standrecht ebenso geringe Erfolge zeitigen werde wie bisher in den bal tischen Provinzen Birschewija Bjedomosti" meint, der Regierung erscheine diefer Teil ihres Programmes viel wichtiger als Reformen und begreiflicherweise, weil Repreffib­maßnahmen leichter durchführbar seien als Reformen. Sjetsch" nennt das Regierungsprogramm eine bereinfachte Ans­gabe der Erklärung Goremytins vom 25. Mai Dlo" beglüd­wünscht Stolypin  , daß erst die Reichsduma aufgelöst und dann fein Programm veröffentlicht sei, da im anderen Falle dieses in der Duma dieselbe schlechte Aufnahme wie das Goremykins ge funden haben würde."

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Die verlogene Hinterhältigkeit, mit der die russische   Re­gierung in ihrem Communiqué" eine Reihe von leeren Ver­sprechungen in die Welt schleudert, wird treffend charakterisiert durch folgendes Telegramm des B. H.  ":

Betersburg, 7. September. Eine den Regierungsfreifen be sonders nahestehende Persönlichkeit erklärte, die Regierung sei teineswegs von der Reformbedürftigkeit des Landes überzeugt; fie werde mit den Reformen durchaus nicht eilen. Auch in der Juden­frage dürfe man feineswegs eine wesentliche Besserung erwarten, allerhöchstens(!) werde man nötigenfalls die Einberufung der Duma ein wenig beschleunigen.

,, Väterchens" Truppen.

Das Hungergespenst.

Am 2. September wurde in Moskau   der Kongreß der Semstwo­vertreter eröffnet, die an der Semstwoorganisation zur Bekämpfung der Hungersnot teilnehmen. Infolge der großen Mizernte dieses Sommers wird nämlich eine furchtbare Hungersnot erwartet. Der Kongreß begann die Beratungen über die Hülfsorgani= sation für Samen- und Lebensmittelbeschaffung. Die Regierung hat der Organisation 100 000 Rubel zur Verfügung gestellt; über weitere Staatshülfe foll später beschlossen werben. Die Organi­ſation besaß noch 250 000 Rubel. Die Organisation berechnet aber, daß für Besamung und Lebensmittel 150 Millionen Rubel 33 Gouvernements von der Mißernte betroffen und in 28 davon ( hundertfünfzig Millionen) erforderlich sind!! Es sind nämlich ist auch außer Samen und Lebensmittelbeschaffung eine um­fangreiche Hülfstätigkeit erforderlich!-

Briefe.

Unterwegs nach Turuchanst" werden die Briefe heißen, die Leo Deutsch über feine Erlebnisse beröffentlichen wird. Der erste Brief ist bereits im Towaritfch"( 5. September) erschienen, datiert 28. August auf dem Lastschiff bei Kasan  .

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Weshalb wollte er auch einen Arbeiter retten!

Arbeiterlebens durch das Unternehmertum, wenn der Verfuch zur Es kennzeichnet die Anschauungen von der Bewertung eines Rettung eines in Todesgefahr schwebenden Arbeiters dem Retter als ein schuldhaftes Verhalten" angerechnet wird. Dieser Kapitalisten­moral wird wohl auch das Reichsgericht seine Zustimmung ver­jagen.

Mangelhaftigkeit der Unfallverhütungsmaßregeln.

Diefer Tage wurde in Hannover   ein Prozeß wegen fahrlässiger Tötung gegen einen Arbeiter verhandelt, der ein grelles Schlaglicht auf die Mängel in den Unfallverhütungsmaßregeln warf. Am 17. April verunglückte in der de Haënschen Fabrit in Seelze   bei Sannover der Arbeiter Busse, Bater von fünf Kindern. Busse war mit dem Arbeiter Grimpe beim Entlaugen von Kobalterzen tätig. Der Produktionsprozeß bestand darin, daß der bezw. die Lemberg  , 7. September.  ( B. H.  ) Nach Meldungen aus Warschau   Am 15. Januar, so berichtet er, wurden 24 Personen in einer Arbeiter auf die in einem Bottiche befindlichen Erze erst einen ist unter den Festungstrappen in den Festungen Modlin, Dumblin Wohnung in St. Petersburg   verhaftet; am folgenden Tage wurde Ballon Salzsäure schütteten, dann aus einem höher gelegenen und Zegrze und anderen Meuterei ausgebrochen. Bereits in den Deutsch   festgenommen; man tonstatierte, daß er mit Personen, die Reservoir Schwefelnatriumlauge zulaufen ließen und diese Prozedur letzten Tagen haben zwischen meuternden Artilleristen und treu ge- am 15. verhaftet worden waren, in Berbindung gestanden hatte; in späteren Stadien des Prozesses, wenn auch in geringerem Maße bliebenen Infanteriften blutige Zusammenstöße stattgefunden. Gs daraus konstatierten die Behörden eine Verschwörung". Von wiederholten. An dem fraglichen Tage nun, als der Arbeiter besteht der Verdacht, daß ein Teil der Offiziere die revolutionäre jenen 24 wurden 20 später freigelaffen; sie waren ebenso schuldig Grimpe mit Busse auf der Pritsche stand, um gemeinsam dem Bewegung unterstützen. Aufgehetzt wird die Soldatesta durch das oder schuldlos wie die übrigen, die man nicht freilies. Barvus Bottich aufs neue Salzsäure zuzuführen, bemerkte Grimpe plöglich revolutionäre Blatt Soldattraja Dolja". Die Lage ist bedrohlich.( Selphand), Beskin, Golemann, Frankel und Deutsch   find Juden, einen üblen Geruch, lehnte den Kopf zurück, fant aber fast gleich­Biele Difiziersfamilien verlassen bereits ihre bisherigen Wohnungen und die Regierung ist der Ueberzeugung, daß die Juden die zeitig, den gemeinsam mit Busse angefaßten Ballon loslassend, in den Festungsrayons. Revolution machen". Der Staatsanwalt Kamyschansti hat das bewußtlos in die Knie. Nach wenigen Sekunden wieder zu fich gerichtliche Verfahren gegen diefe fünf eingestellt, aber die gekommen, springt er auf und steht nun zu seinem Entsetzen seinen administration hat sie nach Ostsibirien verschickt. Deutsch Arbeitskollegen bewußtlos an der Wand lehnen. Er hält sich den wandte sich an die Gerichtskammer mit einer Eingabe, in der er und mit der Hand zu, sucht den Busse mit sich zu zerren, da barauf aufmerksam machte, daß er als Entlastungszeuge im Brogeffe ertönt auf einmal eine furchtbare Explosion, Flammen lohen empor. des Arbeiterdeputiertenrates am 2. Oktober auftreten folle. Trozz­Jegt ist für ihn fein Halten mehr: er flieht. Mit Hülfe eines dem wurde er( ebenso Parvus) am 22. August nach Moskau   be- anderen Arbeiters holt Grimpe gleich darauf seinen Kollegen aus fördert; dort trafen sie Bestin, Goldmann und Fränkel an; weiter der verderbenbringenden Atmosphäre. Aber es ist zu spät alle wurden fie nach Nischny- Nowgorod gebracht und dann auf dem Last- wiederbelebungsverfuche blieben erfolglos. fchiffe transportiert.

Genua  , 7. September.  ( B.§.) An Bord des ruffischen Kohlen­schiffes Alexander Kamburow" meuterten die Heizer und mehrere Matrofen. Der Hafenpolizei gelang es, die Meuterer zu verhaften. Geldnot.

Der lebte Riefenpump der russischen Regierung hat nicht ver­mocht, das drohende Gespenst des Banterotts von der Schwelle des Reiches zu bannen. Die franzöfifchen Millionen haben nur zur Anschaffung gepanzerter Automobils, neuer Maschinengewehre, zur Anstellung von mehr Polizei und Gendarmerie, zur Auflösung der Duma und zur Aufrechterhaltung einer notdürftigen" Ordnung" ausgereicht.

Damit schließt der erste Brief. Bravo!

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Ein feineres Ohr vernimmt zwar das Dröhnen der Militär­rebolten, ein scharfes Auge sieht die lodernden Gutshöfe, sieht die Am 4. September ist die Moskauer   Beitung der Schwarzen Taufende und Abertausende brotlofer Arbeiter und hungernder Bande, jetsche", nicht erschienen, da sich die Seger weigerten, Bauern, sieht den Strom von Handel und Gewerbe ins Stoden für dieses Blatt zu arbeiten.( Rowhi Buti". 5. September.) geraten, aber die offizielle und halboffizielle Presse entblödet sich nicht, in die Welt hineinzuposaunen, daß die ökonomische und finanzielle Lage Rußlands   eine zufriedenstellende sei! Wie glaub würdig solche Behauptungen find, zeigt u, a. eine interessante Be trachtung, die die Zeitung Towaritsch" über das Budget von 1905 und den unlängst herausgegebenen offiziellen Bericht über die laufenden Einnahmen vom 1. Januar 1906 anstellt. Danach ergibt fich, daß das Jahr 1905 5% Millionen Rubel Ueberschuß der

Soziales.

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Wider alles Erwarten erhielt Grimpe eine Antlage wegen fahrlässiger Tötung. Die Anklage legt ihm zur Laft, daß durch sein Verschulden eine übergroße Menge von Schwefel­natrium( 400 Liter) in den Bottich gelangt und dann durch Hinzu­fchütten einer zu großen Menge von Salzsäure die Bildung von Schwefelwasserstoff hervorgerufen und dadurch das Unglück verschuldet worden ist.

Aus den Aussagen mehrerer Zeugen geht hervor, daß sie zum mindesten außerordentlich mangelhaft instruiert worden. Während laut der Anklageschrift der Angeklagte gegen feine Instruktion gehandelt haben sollte, ergab die Beweisaufnahme das Gegenteil. Laut angeblicher Instruktion sollte beim Hineintun der Salzsäure nur ein wenige Liter haltender Eimer benutzt werden. Die Geschäftsführung des Vereins für innere Miffion", einer Uebereinstimmend aber bekundeten zwei Zeugen, daß sie von Gründung des Hofpredigers Stöder, erfuhr eine eigenartige Bebem Dr. Weißenborn dabin instruiert seien, die leuchtung in einer Verhandlung, die gestern vor der vierten Kammer Säure aus dem Ballon hinzuzuschütten und erst gegen Ende

Hofprediger Stöder als Arbeitgeber.