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gangertum, da« in überquellendem revolutionären Betätigungs- dränge den Eintritt in den Massenstreik selbst auf die Gefahr einer sicheren Niederlage hin fordert, nicht nur mit allerlei naiven Plänen einer sozialdemolratisch-liberal-klerikalen Wahlallianz paart, sondern daß auch in ihren Borstellungen vom Charakter des heutigen preußisch- deutschen Staate« und dem Einfluß des Liberalismus auf ihn eine geradezu kindliche Harm- lofigkeit zum Vorschein kommt. Den Beweis dafür liefert aufs neue ein Artikel der von Lily und Heinrich Braun im zweiten Jahrgang herausgegebenen revisionistischen Wochenschrist für Massenstreik-Jdeologie, derNeuen Gesell- s ch a f t*: Der Artikel heißt:Der Fall Dernburg" und ist verfaßt von dem durch den Dresdener Parteitag und Haidens Erklärungen auch weiteren Parteikreisen bekannt gewordenen Herausgeber der Börsen- und FinanzwochenschriftPlutus", Georg Bernhard . Bernhard hat in seiner Wochenschrift Herrn Dernburg in einem Exzellenz Dernburg" überschriebenen Artikel als Bahnbrecher einer neuen Zeit gefeiert, ganz nach der Manier liberaler Blätter, speziell des MosseschenVerl . Tagebl.", nur noch aufdringlicher und über- schwänglicher. So heißt es z. B. in dem betreffenden Artikel: . Denn an der Schwelle der Kolonialabteilung des AnS- wältigen Amtes taucht ein neuer Mann auf: Seine Exzellenz Bernhard Dernburg . Auf den Sohn des kaiserlichen Statthalters von Elsaß-Lothringen und preußischen Generals der Kavallerie folgt der Sohn eine? oppositionellen Journalisten; der Gatte einer Prinzessin von Sachsen-Koburg- Gotha, der Jahre hindurch als Regent in einem deutschen Bundes « staate geschaltet hat, überläßt seinen Sessel einem Bankdirektor, der noch vor kaum zwei Jahrzehnten ein Bankkommis mit andert­halb Tausend Talern Einkommen war. Dieser Gegensatz würde auch reizen, wenn der domo novuo politicua eine weniger markante Persönlichkeit wäre, und wenn seine Wahl nicht einen Bruch mit der bis dahin herrschenden Tradition bedeuten würde. Aber das beides macht den Fall doppelt interessant. Die Berufung Dernburgs bedeutet den Bankrott eines Systems. In den Niederungen, wo wir gemeine Menschen wohnen, war man sich schon lauge darüber klar, daß der Assessorismus für die Bedllrfniffe moderner Negieruugskunst nicht mehr ausreiche. Aber es hat erst der Aufdeckung einer beispiel- losen Mißwirtschaft im Kolonialamte bedurft, um auch den leitenden Kreisen die Ueberzeugung aufzu- drängen, daß Examensnoten gar keine Bürg- schaft für Lebenstüchtigkeit bieten, und daß das Geschick, zu organisiercn und zu kalkulieren, viel wichtiger für den Staatsmann ist als alle Routine im bureaukratischen Geschäftsgange. Nein, darüber kann gar kein Zweifel ent- stehen: Dernburg wird sicher Ordnung schaffen. Aber was dann? Ich habe hier stüher einmal gesagt, er sei mehr ein großer Arzt als ein großer Schöpfer. Noch habe ich keine Veranlassung, mich zu rektifizieren. Fast alle seine geschäftlichen Transaktionen gingen mit Sanierungen Hand in Hand usw. usw." Wir haben diese Reklame des Bernhardschen Börsenblattes für Exzellenz Dernburg" unbeachtet gelassen denn was gehen Bern- Harbs liberal-bllrgerlichen Illusionen die sozialdemokratische Arbeiter­partei an, in der ihn höchstens sehr kleine journalistische Kreise ernst nehmen. Nicht die gleiche Gemütsruhe bewahrt der Herausgeber desPlutus". Ihn ärgert, daß die sozialdemokratische Presse, speziell derVorwärts", nicht dieselbe Börsenposaune bläst. Er leistet sich deshalb folgende Zensur: Wenn man jemanden in einem solchen Moment an die Spitze des Kolonialamts stellt, so beweist man damit, daß man ihn für die geeignete Persönlichkeit hält, diesen im- glaublichen Verhältnissen zu steuern. Und wenn man diese Persönlichkeit gaiijj außerhalb der nach den Gesetzen des heiligen BureaukratismuS in Betracht kommenden Kreise wählt, so' ist damit klar der Beweis dafür erbracht, daß diese Kreise nicht mehr fähig sind, die vom Staat an sie zu st eilenden Forderungen zu erfüllen. Deswegen hat Dernburgs Wahl eine prinzipielle Bedeutung, die auch zweifellos die Sozialdemokratie an- erkennen ni u ß. Nun ist aber gerade in unseren Rethen, kaum daß die Er- nennung Dernburgs bekanntgeworden war, ein Federfeldzug gegen den neuen Mann eröffnet worden. Zunächst hat man sofort die Sache so hingestellt, als ob, hauptsächlich um die Liberalen in ihrem Zorn gegen Podbielski etwas zu besänftigen, ein Kaufmann. noch dazu der Sohn eines liberalen Journalisten, als Kompensatious- objekt berufen lei.... Wir bekämpfen sei Jahren die Bureaukratie, wir weisen an allen möglichen Einzelfällen ihre Unfähigkeit und damit das Un- recht nach, in das allmählich ihr Vorrecht umgeschlagen ist. Nun wählt die Regierung, als die Schlammwogeu zu hoch spritzten, einen Mann, der die Pfauenfeder der Mandarinen bisher nicht getragen hat; die Regierung gesteht damit das Fiasko der gewerbsmäßigen Hüter von Gesetz und Ordnung ein, und wir wissen gar nichts Besseres zu tun, als in diesem Moment auf die Presse loszuschlagen, die daS Fiasko der Regierung triumphierend allem Volke zeigt.... Natürlich muß die Sozialdemokratie sich bei ihrer Stellung- nähme reserviert verhalten. Aber sie hat doch auch ein sehr wesentliches Interesse daran, daß die ReichSgelder, die zu einem erheblichen Teil aus den Taschen der Arbeiter fliehen, nicht sinn- widrig verschleudert werden. Auch wenn wir auf dem Standpunkt stehen, daß unsere Kolonien völlig wertloieObjekte sind, auch ivenu lvir noch so scharf dagegen prolestiereu, daß in sie überhaupt noch deutsches Geld gesteckt wird, so darf es uns doch keineswegs gleichgültig sein, ob die verlorenen Summen in jedem Jahre iveseutlich durch eine heillose Materialverschwendung oder durch den Abschluß unsinniger Verträge vermehrt werden. Deshalb müssen wir die Stellung gegenüber dem neuen Mann von der Beantivortung der beiden Fragen abhängig machen: Kann er Ordnung schaffen. und i st er i m st a n d e u n d g e lv i l l t, d e r K o r r u p t i o n zu steuern?" Wir haben Bernhard so ausführlich zu Wort kommen lassen, damit unsere Leser seine naiven bürgerlichen Illusionen in der Originalfassung zu genießen vermögen. Bernhard ist der Auffassung, die Regierung steht mit ihrer Bureaukratie vor dem Bankrott. Die sogenannten herrschenden Kreise fühlen sich nicht mehr fähig,«die vom Staat an sie zu stellenden Forderungen zu erfüllen", in dieser Not wenden sie. sich an Dernburg. der als Retter auf dem Plan er- scheint, und, wie Bernhard auf Grund seiner gründlichen Einsicht imPlutus" versichert,sicher Ordnung schaffen wird". Das bankrotte System muß abdanken. Die Bernhardsche Phantasie treibt recht üppige Blüten; sie übertrifft quantitativ wie qualitativ bei weitem noch die des Herrn Artur Levysohn. Schade nur, daß die gesamten Ausführungen Bernhards auf nichts als leeren Annahmen und Voraussetzungen beruhen. Wer sagt ihm denn, daß die Junkerbureaukratie sich bankrott fühlt und Dernburgs Berufung ein Systemwechsel von prinzipieller Bedeutung" ist? Vorläufig ist noch sehr zweifelhaft, ob nicht die Berufung einem jener bekannten plötzliche» Entschlüsse des Kaisers entspringt, oder ob sie nicht von einer der hinter den Koulisscn kämpfenden Jiitcrcssentengruppen als Schachzug ausgespielt worden ist, ja ob nicht, wie vielfach behauptet ist. Herr Dernburg von Herrn Podbielski an sogen, allerhöchster Stelle empfohlen worden ist. Aber selbst an- genommen, Herr Dernburg wäre tatsächlich zur Sanierung des Äolonialamtes berufen, inwiefern bedeutet dann diese Berufung einen Bruch mit dem alten System, eine Abwirtschaftung der Bureau- kratie? Auch bisher schon hat Preußenkaufmännische" Minister regieren" sehen, nicht nur Herrn Möller aus Brackwede , sondern auch einen Hanseinann und Camphausen, und zwar unter un- gleich günstigeren Bedingungen; die Folgen waren aber nicht die Abdankung der junkerlichen Bureaukratie, sondern nur die Aufpfropfung einer großkapitalistischen Korruption auf feudale Triebe. Es gehört die ganze Naivetät des bürgerlichen Illusionisten dazu anzunehmen, durch einen Personen- Wechsel, nebenbei noch in einem für die feudale Staatshierarchie ganz nebensächlichen Amte, werde die junkerlich-bureaukralische Macht gebrochen. Beruht doch diese Macht nicht darauf, daß einige Junker auf Ministersesseln thronen, sondern auf dem Einfluß, den die Jnnkerschaft auf die ganze Beamtenschaft, das Heer nsw. ausübt. Selbst als Reichskanzler das Ende der Verhandlungen über den Rhein-Elbe- Kanal hat das zur Genüge erwiesen vermöchte Herr Dernburg nicht gegen diesen Stachel zu löcken, viel weniger aber auf dem einflußlosen Posten eines Kolonial- direktors oder selb st eines Kolonial st aats- sekretärS innerhalb einer Korona, deren Haupttypen durch Bülow, Podbielski. Rheinbaben, Studt repräsentiert werden. Bernhard meint, es komme wesentlich darauf an. ob Dernburg gewillt sei, der Korruption zu steuern. Tatsächlich kommt es auf die Verhältnisse an I In den nach kaufmännischen Grundsätzen ge- leiteten Kolonien anderer Länder macht sich nicht minder die Korruption breit, als bei uns denn Kolonialwirtschaft und Korruption sind, wie die Kolouialgeschichte aller Länder, ohne Ausnahme, lehrt, unzertrennlich; ja in gewisser Hinsicht kann man sagen, daß mit dem Einzug des kapitalistischen Systems in die Kolonien auch die Korruption steigt. wenn diese auch unter einem kapitalistisch-kausmännischen Regime in anderen Formen auftritt wie unter einem feudalen. Herr Dernburg wird zwar kaum derartige Verträge abschließen, wie den Tippelskirch- Vertrag, dafür aber wird er sicherlich vorausgesetzt, daß er im Amte bleibt alsbald zum Zwecke der Nutzbarmachung der deutschen Kolonien für die deutschen Kapitalisten umso höhere Anforde- rungen an den Reichssäckel stellen. Seine Berufung be- deutet demnach stärkere Belastung des deutschen Volkes durch Kolonial- ausgaben. Weil wir als bestimmend für unsere EntWickelung nicht den Willen und die Eigenschaften einzelner Personen, sondern die Gesamtverhältnisse betrachten, läßt uns denn auch die Glorifizierung der Ehrlichkeit, mit der Bernhard seinen Artikel endet, höchst kalt. Nur die Schlußsätze wollen wir zur Charakterisierung der komischen Aufgeblasenheit desPlutus"leiters unseren Lesern nicht vor- enthalten: Schließlich dürfte doch die Weiterbildung der ökonomisch- historischen Methode noch nicht zu dem Grundsatz geführt haben, daß jemand schon deshalb, weil er ein Bourgeois ist, nicht mehr als anständig gelten kann. Im Erfurter Programm steht davon nichts. ES ist das allerdings noch zu einer Zeit verfoßi worden, als die jetzigen Gralshüter teilweise gerade erst dieEierschalen der bürgerlichen Gesellschaft" von sich abgestreift hatten." Bernhard hat jedenfalls schon als Fötus den Sozialismus in sich aufgenommen, allerdings, wie seine früheren und jetzigen Leistungen zeigen, einen Sozialismus höchst zweifelhafter Art. » Dcutfchcs Reich. Allergetrrueste Opposition. Die Schwarzseher-Rede de« Kaisers hat in der Presse wenig Zustimmung gefunden. Bemerkenswert ist eine Auslassung der Kölnischen Zeitung ". Das Blatt, das seine Einwendungen selbst im Namen derallergetreuesien Opposition Seiner Majestät" vorbringt, nimmt vor allen Dingen Airstoß an der Aufforderung. daß sich die Konfessionen zur Bekämpfung des Unglaubens zusammenfinden möchten. Dies Wort klinge bedenklich an einen der hauptsächlichsten Programmpunkte des Essener Katholiken­tages an. Wenn dieses Wort dahin ausgelegt werden sollte, daß derpolitische Konfessioualismus" berufen sei. als Macht im Staate zu gelten," so werde Seiner Majestät allcrgetreueste Opposition diese Aufforderung selbst dann bekämpfen,wenn das kaiserliche Schild sie decken sollte". Nach der Beihülfe, die die Nationalliberaleu bei dem Schulverpfaffungsgesetz geleistet haben. hätte Wilhelm II. einen solchen Protest allerdings kaum erwarten können! Die wild- nationalliberaleR h e i n i s ch- W e st f ä l i s ch e Zeitung" hält dem Wort deS Kaisers, das die Schwarzseher ver- bannt, ein Wort Friedrichs II. entgegen:Ich will absolutement, daß so regiert werde, daß die Leute ins Land kommen und nicht wieder hiuauslaufen." Das Blatt vergißt, daß dieses Wort sich nicht etwa gegen den Absolutismus richtete, den Friedrich II. in ausgeprägtester Form repräsentierte, sondem nur dem Wunsche Ausdruck gab, daß das durch die Eroberungskriege entvölkerte Land wiederumpeupliert" sbevölkert) würde, sei es auch von.Heiden oder Mohammedanern", wie Friedrick II. es selbst ausdrückte. Sehr hübsch macht sich eine Bemerkung derPost". Sie meint. daß daS scharfe Wort gegen die Schwarzseher nur geeignet sei, die tiefe Mißstimmung"och zu vertiefen und zu verbreitern. welche die jüngsten gesetzgeberischen Taten, ins- besondere die BerkehrSsteuern, unzweifelhaft im Volke her- vorgerufen haben, und zwar das ist das allerbedenklichste in vielen sonst gut nationalen und rührigen Kreisen." Das vom Großkapital ausgehaltene Blatt ist also selbst zum Schwarz- seher geworden, weil sich unter den neuen Steuern auch einige Lasten befinden, die von de» besitzenden Klassen mitgetragen werden müssen. Die patriotische Hurrastimmung derPost" macht also sofort galligemNörglertum" Platz, wenn der Geldbeutel der Schlot- baroue auch nur in der minimalsten Weise in Mitleidenschaft ge- zogen wird l__ Die Abschiedsrede des Kolonial-Prinztn. Auf einem Abschiedsessen, das die Beamten der Kolonial- abteilung und die Offiziere des Oberkommandos der Schutztruppe dem Exkolonialprinzen gestern abend gegeben haben, hielt Prinz Hohenlohe eine lange Abschiedsrede. Er habe, führte er aus. sei» Amt unter der ausdrücklichen Voraussetzung übernommen, daß dem- nächst ein selbständiges Reichsamt für die Kolonien geschaffen werde. Der Reichstag habe diese Forderung abgelehnt, dafür seien gegen die Kolonialverwaltungen die bekannten Angriffe erhoben worden. Seine ganze Tätigkeit sei infolge der Entlassung einer Reihe älterer Be- amten eine äußerst schwierige gewesen. Der Einblick in den Verwaltungs- Mechanismus habe in ihm die Ueberzeugung gefestigt, daß für den Leiter der Kolonialverwaltung ohne eine alsbaldige durch- greifende Reforni der Zentrale, d. h. ein selb- ständiges Reichskolonialamt, ein furchtbares Wirken ausgeschlossen sei. Er gebe sich der Hoffnung hin, daß das Ausscheiden seiner Person vielleicht einer Re- organisation dieser Art die Wege ebnen werde. Seinem Amts- Nachfolger wünsche er von Herzen, daß er bald bessere Zeiten er- leben und seine Tätigkeit durch schöne Erfolge gekrönt sehen möge. Er schloß mit dem Rufe:Die deutschen Kolonien sollen leben." Die Bemerkung, daß sein Gehen dem Reorganisationsprojekt der Kolonialverwaltung, d. h. der Schaffung eines selbständigen Reichs- kolonialamtS den Weg ebnen dürfte, bestärkt die Auffassung, daß die neue Kolonial-Exzellenz als Preis für die Gewinnung der freisinnigen und nltramontanen Opposition betrachtet worden ist. Und diese Zuversicht dürfte denn auch nicht betrogen werden. Wenn auch dieGermania " heute abend erklärt, daß sie den Wechsel der Personen und nicht den der Einrichtungen als die wichtigsten Maßregeln der Sanierung der Kolonialpolitik betrachte, so gibt sie doch immerhin deutlich genug zu verstehen, daß sie auch der Schaffung eines selbständigen Reichskolonialamtes nicht mehr ablehnend gegenüber« stehet-_ Tippelskirch und Onade klagen i Wie gemeldet wird, hat der Kaufmann Horst v. Tippelskirch, Mitinhaber der Firma v. Tippelskirch u. Co., gegen den Schriftsteller Dr. jur. Mode sowie gegen die verantwortlichen Redakteure, die Drucker und Verleger desBerliner Lokal-AnzeigerS" und des Berliner Tageblatts" Strafautrag bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts 1 gestellt. Gegen Dr. Mode wird Bestrafung beantragt wegen verleumderischer Beleidigung, gegen die übrige» wegen öffent- licher, durch die Presse begangener Beleidigungen. Oberstleutnant Onade hat Strafantrag gegen Redakteur. Drucker und Verleger derTäglichen Rundschau" wegen Beleidigung gestellt. Da können nette Dinge ans Tageslicht gefördert werden. Können!..._ Die Offiziers-Bank Tippelskirch k In einer Zuschrift an die Köln . Volksztg.", in deren Eingang ausgeführt wird, daß mit Oberstleutnant Quade ein nen'cr Geist im Oberlommando der Schuytruppe seinen Einzug gehalten hat. und daß Onade das Prinzip der Offenheit und Rücksichtslosigkett gegen Mißstände verlritt, heißt es: Nach den Mitteilungen, die Oberstleutnant Onade in seiner Richtigstellung gemacht, steht nun auch fest, daß die Firma Tippelskirch nicht nur die hervorragend begiinstigte Monopol- firma der Kolomalverwalwng, sondern auch eineAriBank für eine ganzeAnzahl von Offizieren der Schutztruppe sei I Durch diese Mitteilung erst erfährt die breite Oeffeutlichkeit, was in eingeweihten Kreisen schon längst bekannt war; jetzt erst sieht man auch, vor welch tiefem Abgrund unsere Ver- waltung stand. Die Tatsache, daß Offiziere der Schutz- truppe bei Tippelskirch ihre Bank hatten, ist um so auffallender, als das Warenhaus für Armee und Marine. mit dem sonst die Offiziere arbeiten, eine eigene Ver- mögensverwaltungsstelle besitzt, die auch häufig benutzt wird. Wenn nun dieser eine Offizier mit feinen allerdings nicht unbedeutenden Schuldverpflichtungen" auch dienst- lich mit der Firma nichts zu tun hatte, so kann er doch jederzeit in die Lage kommen, über TippelS- kirchfche Waren zu urteilen; er darf z.B. nur der Führer einer Expedition werden. Eine ganze Reihe weiterer Fragen drängt sich auf, vor allem die, wie viele Offiziere stehen mit der Firma im Verhältnis? lind wie war dieses beschaffen? Das eine steht heute schon fest, daß das Verhältnis des Reiches zu dieser Firma ein un- erträglicher geworden ist; die guten Sitten erheischen die sofortige Lösung des bestehenden Vertrages. Man denke sich einmal. Offiziere des Heeres und der Marine hätten bei der Firma Krupp ihre Bank oder beim Pulver- ring oder bei Ludwig Löwe . Eisenbahubeamte gingen in derselben Weise vor usw. Wohin würde man dann kommen? Die neuesten Enihüllungen sind ein weiterer Beweis für die Not- wendigkeit einer parlamentarischen oder gemischten Untersuchungskommission: der Strafrichlcr kann solche Dinge nicht vor seine Schranken ziehen, und doch sind sie für unser gesamtes politisches Leben viel gefährlicher als manche Dinge, die dort geahndet werden." Die Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchung?- kommission Ningt recht forsch wir zweifeln nur daran, daß sich eine bürgerliche Mehrheit finden wird, die sie im Parlament energisch vertritt. Daß die Kommission Arbeit in Masse finden würde und daß sie allerlei wichtige und für die herrschenden Kreise unangenehme Funde machen würde, davon sind wir freilich über- zeugt._ Russische Zustände bei den ReichSeisenbahnen. Kürzlich ist in der Leitung der Reichseisenbahnen ein Wechsel eingetreten. Von den Taten des neuen Ministers weiß die Oeffent- lichkeit bis dato wenig oder nichts; um so mehr scheint Herr Breitenbach das Bedürfnis zu empfinden, sich der Oeffeutlichkeit als würdigen Nachfolger feines Vorgängers zu präsentieren. Die erste Tat" des neuen Eisenbahnministers, die zu unseren Ohren kommt, zeigt, daß Herr Breitenbach genau wie sein Vorgänger Budde daS Koalitionsrecht der Arbeiter mißachtet und dadurch seine Befähigung zum Eisenbahnminister zu beweisen sucht. Vor wenigen Tagen war Herr Breitenbach in den Reichslanden. wo er der Bifchheimer Hauptwerkstätte einen Besuch abstattete. Bei dieser Gelegenheit nahm sich Herr Breitenbach den ArbeiterauSschuß vor. Dem Herrn Minister war nämlich zu Ohren gekommen, daß in Bischheim und Straßburg die Werkstättenarbeiter sich in größerer Zahl dem Süddeutschen Eisenbahnerverbande angeschlossen hatten. Herr Breitenbach sprach sich sehr ungehalten darüber aus. daß die Arbeiter der Reichseisenbahn sich erlanbien, von einet» ihrer wenigen Rechte Gebranch zu machen, und erklärte rundweg, daß er nicht dulden werde, daß Dritte sich zwischen Verwaltung und Arbeiter stellen. Das war das Signal zum Sturm auf die junge Organisation. Hatte kurz vorher in einer Versammlung der Werkstättenarbeiter Herr Baurat Wolff im Anschluß an ein Referat deS Ganleiters Schwall aus Karlsruhe erklärt, daß er gegen die Bestrebungen der Arbeiter nichts einzuwenden habe, so mußte er jetzt, nachdem der Wind so aus Berlin geblasen hatte, den Mantel anders hängen. Nach deS Ministers Weggang von Straßburg folgte nachstehender UkaS: In der letzten Zeit ist wiederholt von außerhalb unserer Verwaltung stehenden Personen für den Eintritt der reichs» ländischcn Eisenbahner in den Süddeutschen Eisenbahnerverband agitiert worden. Wir machen darauf aufmerksam, daß die Ziele und Bestrebungen dieses Verbände» in der gleichen Weise als ordnimgsfeindlich anzusehen sind, wie dies für den Verband der Eisenbahner Deutschlands fSitz Hamburg) gilt: daß deshalb die Teilnahme an dem einen wie an dem anderen Verbände sowie die Unterstlltzimg ihrer Bestrebungen mit der Beschäftigung im Dienste der Reichs-Eisenbahnverivaltuiig unvereinbar sind und die Auflösung des Dienst- bezw. Arbeitsverhältnisses zur Folge haben werden. Straßburg , den 4. September 1906. Die kaiserliche Generaldirektion- Wackerzapp. Der Verband der süddeutschen Etsenbahner ist also nach Herrn Breitenbachs Straßburger Reife ordnungsfeindlich geworden, ein Verband, der bisher stets betont hat, daß er auf dem Wege fried- licher Verständigung mit den Verwaltungen die Besierung der Arbeiterverhältnisse erreichen will und der tatsächlich auch in den süddeutschen Staaten mit diesem Vorgehen Erfolge errungen hat. Die Ordiningsfeindlichkeit besteht eben»ach preußisch- deutschen Be- griffen schon darin, daß wirklich etwas für die Arbeiter geschieht. Der Ukas des Herrn Wackerzapp wurde dem Gauleiter de« Süddeutschen EisenbahnerverbaiideS mitgeteilt und dieser begab sich alsbald in Begleitung des Karlsruher ArbeiterfekretärS. eines der Milgrüuder deS Süddeutschen beziehungsweise Badischen Eisen- bahnerverbalideS nach Straßburg , um bei Herrn Wackerzapp vor- stellig zu werden. Die nachgesuchte Unterredung wurde gnädigst gewährt. DaS war aber auch alles. Herr Wackerzopp erklärte rundweg auf den Vorhalt, daß die Arbeiter doch ein Recht hätten, sich zu organisieren: die Eisenbahn- arbeiter haben kein KoalitionSrecht; wir ge- stehen den Eisen bah narbeitern kein Koalitions- recht zu. Wenn lvir hin und wider eine Organi- sation dulden, so ist daS unsere Sache. Wir bleiben bei dem Verbot, dasselbe wird unter keinen